Suzanne Vega

Wuppertal | Historische Stadthalle | 11. Juli 2016




 
 


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Ein Konzertbericht mit Fotos von Christian Reder + Pressematerial (George Holz)



Sommer ... Manch einer findet die Erfüllung darin, sich bei Stadt- oder Stadtteil-Festen vor die Bühne zu platzieren und die dort auftretenden Coverbands für große Kunst zu halten. Flugs gefühlte 800 Fotos einer eher als langweilig einzustufenden Bühnenshow geschossen und im Internet geteilt - fertig ist das Freizeitvergnügen. Kaum ein Freiluft-Fest kommt derzeit ohne die Stimmungsgaranten aus, die dem Publikum ihre Lieblingshits mit teils abenteuerlichen Arrangements um die Ohren hauen.a 20160712 1309205701 Ich umfahre derlei Veranstaltungen lieber weiträumig, denn mir bringt das überhaupt nix. Im Gegenteil! Dankbar bin ich immer dann, wenn Veranstalter auch in den warmen Monaten eine Halle aufschließen und der Kreativität und dem Spaß an der Musik Platz einräumen. So wie an diesem Montagabend in Wuppertal, für den die Macher des "Live Club Barmen" die US-Liedermacherin SUZANNE VEGA aus New York in die Historische Stadthalle eingeladen hatten ...

Wenn man allerdings über die Historische Stadthalle Wuppertal von einer "Halle" spricht, erfüllt man fast schon den Straftatbestand des § 186 StGB, denn dafür ist dieser Veranstaltungsort viel zu besonders, um als einfache "Halle" abgetan zu werden. Der 1896 errichtete und im Juli 1900 eröffnete Bau im Stil der Neorenaissance italienischer Prägung ist eines der bedeutendsten Sehenswürdigkeiten der Stadt und sticht schon aus großer Entfernung aus all der Architektur links und rechts davon heraus. Da kann selbst die Schwebebahn, Wuppertals wohl bekanntestes Wahrzeichen, nicht mithalten. Außerdem genießt die Historische Stadthalle als Konzert- und Veranstaltungsort wegen der einzigartigen Akustik weltweit einen guten Ruf. Allein die Zeit vor dem Konzert, in der man im großen Foyer umher laufen und sich die beeindruckende Innenarchitektur voller Stuck, Deckenmalereien und anderer Hingucker anschauen konnte, war die Reise hierher wert. An jeder Ecke riecht es nach Geschichte und Kunst, und man fühlt sich unheimlich wohl darin. So besonders diese "Halle" ist, so besonders war auch die für diesen Abend angekündigte Künstlerin.

SUZANNE VEGA ist - für meinen Geschmack - neben Bob Dylan - wohl die bekannteste Liedermacherin, deren Debüt-Album ("Suzanne Vega") vor 31 Jahren das Licht der Welt erblickte. Mit Hits wie "Left of Center", "Luca" und "Tom's Diner" wurde die Künstlerin weltberühmt, und auch wenn ab Mitte der 90er die kommerziellen Erfolge ausblieben, sind ihre Nachfolgewerke nicht weniger bedeutend und für jeden Musikfreund empfehlenswert. Vega legt stets größten Wert auf Qualität in ihren Songs - sowohl inhaltlich als auch musikalisch. Vielleicht zu substanzhaltig für den Massengeschmack, aber ein echter Hochgenuss für den, der Musik noch aufmerksam hört und dem Künstler vor allen Dingen zuhört. Der Schwerpunkt des Wuppertaler Konzerts lag u.a. auf den Songs des aktuellen Studioalbums "Tales from the Realm of the Queen of Pentacles", das Suzanne Vega im Februar 2014 nach sieben Jahren Pause veröffentlichte. Und hier wird allein bei der Entstehung dieser Platte das deutlich, was ich eben beschrieb: Auf diesem Album erarbeitete Suzanne Vega ein Jahr lang mit einem illustren Musikerkreis wie Tony Levin (Band von Peter Gabriel), Larry Campbell (Bob Dylan), Sterling Campbell (David Bowie, B52s) und Gerry Leonard (u.a. David Bowies langjähriger Musical Director) kompakte Geschichten, die sie in gewohnter Manier zu großartigen Songs veredelte. Wahrlich kein Stoff für ein Stadtfest oder Bierzelt, und wahrlich ein Paradiesvogel in den Charts, würde die Musik dort einen Platz erreichen.

Kurz vor 20:00 Uhr lockten Gongtöne, wie man sie aus dem Theater kennt, das noch im Foyer der Historischen Stadthalle plaudernde und wartende Konzertpublikum in den großen Saal. SUZANNE VEGA muss wohl mal Beamtin gewesen sein, denn pünktlich zur angekündigten Uhrzeit um 20:00 Uhr erlosch das große Licht im Saal und die Show begann. Gemeinsam mit Gerry Leonard bringt sie ihre Lieder während der Tour live auf die Bühne. Leonard ist Ire und ein gefragter Studiogitarrist. Seine Anfänge waren gleichzeitig auch die der damals noch sehr jungen Sinéad O'Connor, mit der er erste Demos aufnahm. Später zog er nach New York City, wo er u.a. mit David Bowie, Laurie Anderson, Cyndi Lauper, Donna Lewis und eben auch Suzanne Vega Platten aufnahm. Außerdem war Leonard lange Jahre der Musical Director vom kürzlich verstorbenen und eben schon erwähnten David Bowie. Leonard machte am Montagabend den Anfang und betrat als erster die Bühne der Historischen Stadthalle. Eine Stimme aus dem Off kündigte dann auf Deutsch SUZANNE VEGA, den Star des Abends, an und bat darum, die Künstlerin entsprechend zu begrüßen. Erstmals an diesem Abend brandete lauter Applaus auf. Mit dem Titel "Fat Man & Dancing Girl" von ihrem 1992er Album "99,9F°" eröffnete die US-Amerikanerin ihr Konzert.

In den nun folgenden 90 Minuten präsentierten uns Miss VEGA und ihr Bühnenpartner eine Mischung aus alten, neueren und ganz neuen, bisher noch unveröffentlichten Liedern. Nach dem Opener griff sie zuerst zur Gitarre und dann zum neben sich liegenden Zylinder, den sie sich aufsetzte. In diesem Moment stimmte das Publikum ein "Happy Birthday" an. Der Saal brachte der sichtlich überraschten Künstlerin ein Geburtstagsständchen, denn auf den Tag genau vor 57 Jahren wurde SUZANNE in Santa Monica, Kalifornien, geboren. Mit den Worten, "It's really my birthday! Thank you very much! Danke schön", fand sie aber schnell wieder die Fassung, und stimmte den Titel "Marlene" an, der Marlene Dietrich gewidmet ist, weshalb sie auch den Zylinder zum Einsatz brachte.

Die beiden Musiker waren auf einer Bühne vor der imposanten Orgel und dem Chorraum der Stadthalle platziert. Diesen hohen Raum im Hintergrund nutzte ihr Techniker dazu, die einzelnen Lieder des Live-Programms mit warmem Licht zu untermalen. Mal war der Chorraum mit Orgel in blauem Licht, dann in orangenem Licht und etwas später dann in tiefrotem Licht getränkt,c 20160712 1124250632 während die beiden Musiker davor immer mit warmem und hellem Licht gut ausgeleuchtet waren. Dies gab nicht nur den gespielten Songs eine besondere Atmosphäre, sondern auch dem Saal insgesamt, dessen Schönheit auch SUZANNE VEGA nicht verborgen blieb. Sie lobte diesen "beautiful room" und bedankte sich dafür, dass man sie für ein Konzert hierher geholt hat. Immer wieder nutzte sie auch die Gelegenheit, ihrem Publikum kleine Geschichten zu erzählen. Hauptsächlich waren das Geschichten zu den Liedern, aber auch über das am 14. Oktober erscheinende neue Album "Lover, Beloved: Songs from an Evening with Carson McCullers". Miss VEGA erzählte, dass Carson McCullers eine amerikanische Schriftstellerin war, die schon früh Themen wie die Probleme der Schwarzen in Amerika oder von Bisexuellen thematisierte. Ihr und ihren Texten widmet sie nun ein ganzes Album, und daraus bekamen wir dann auch bereits ein paar Lieder zu hören, u.a. das Stück "We of Me". Darin geht es um ein 12-jähriges Mädchen, dessen älterer Bruder heiratet. Das Mädchen ist noch zu jung um zu begreifen, was das bedeutet, und ist traurig darüber, dass der Bruder nun "geht". Ebenfalls aus dem kommenden Album stammen die Titel "Harper Lee" ("I Have More To Say Than Hemingway"), ein ziemlich flott arrangiertes Stück, das SUZANNE VEGA eher in einer Art Sprechgesang vorträgt, und "Annemarie", das ziemlich melancholisch und sehr getragen daherkommt.

Geschickt platzierte die Künstlerin neue und alte Lieder in ihrem Programm. So stellte sie eben erwähntes "Annemarie" neben ihren 1986er Hit "Left Of Center", der in den 80ern zum Soundtrack des Kultfilms "Pretty In Pink" gehörte. Im Anschluss hüpfte sie zeitlich wieder zurück ins Jahr 2013 und klärte uns mit dem Lied "Never wear White" darüber auf, warum sie nie weiß und lieber schwarz trägt ("Black is the truth of my situation and for those of my station"). Manche Songs bedurften keiner weiteren Erklärung seitens der Künstlerin. Ihren Megahit "Luca" erkannte das Publikum bereits nach den ersten drei gespielten Tönen. Aber speziell bei neueren Titeln wie "Jacob And The Angel", einem ziemlich düster und zum Ende hin auch sphärisch arrangierten Song, und "Crack In The Wall", einer sehr ruhigen Nummer über die spirituellen Momente in unserer materiellen Welt, von ihrem aktuellen Album "Tales From The Realm Of The Queen Of Pentacles" machte sie von der Möglichkeit Gebrauch, dem Publikum ein paar erklärende Worte zukommen zu lassen. Eine schöne Geschichte gab es aber auch zu einem "very very old" Song, nämlich "Gypsy", den sie mit 18 Jahren ihrer ersten Sommer-Liebe geschrieben hatte. Er war Engländer und unterrichtete - wie sie selbst auch - Kinder in einem Sommercamp. Die beiden kamen sich näher und aus einer Verliebtheit heraus entstand dieses Lied, das sie ihm dann zum Geschenk machte.

Die musikalische Umsetzung aller 21 (!) gespielten Lieder war nicht weniger spannend, wie deren Inhalte. Hier war es ein Genuss, Gerry Leonard zuzusehen und zuzuhören. Er fiel weniger mit seiner kreativen Haarfarbe als mehr durch sein Spiel auf der Gitarre und der daraus gezogenen Möglichkeiten auf. Warum er in seiner Karriere mit David Bowie zusammenarbeiten durfte, wurde relativ schnell klar: Der Mann ist ein Genie an seinem Instrument und versteht es ausgezeichnet, damit allerlei Dinge anzustellen, die man gar nicht für möglich halten würde. Mittels diverser Technik wie Effekt-, Echo-, Loop- und Hallgeräten sorgte Gerry dafür, dass man oft eine ganze Band auf der Bühne wähnte. Bei einem der Songs dachte ich sogar, jemand würde die große Orgel spielen, aber diese Töne kamen auch aus seinen sechs Saiten. Er nutzte die Gitarre zudem als Percussion-Instrument, nahm die Sequenz auf und ließ den erzeugten Beat mittels Loop-Technik einfach weiter laufen, während er dem Instrument anschließend die heißesten Gitarrentöne entlockte. Immer wieder fand er zudem Platz, das eine oder andere Solo in die Lieder einzubauen. Jedem einzelnen Stück verlieh er etwas Besonderes und seinem Einfallsreichtum in Sachen Arrangements scheinen ganz offenbar keine Grenzen gesetzt. Beim Klassiker "Tom's Diner" sorgte er für eine ganz andere und aufregende Stimmung, als er ihm mit seinem Spiel ein komplett anderes Klanggewand verpasste. Auch SUZANNE VEGA griff mehr als einmal zur Akustikgitarre und spielte mit Gerry zusammen. Sie und Gerry füllten den Saal mit ansprechender und einzigartiger Musik, die vom Publikum dankbar aufgenommen wurde. Der irische Saitenvirtuose erledigte seinen Job ziemlich unaufgeregt und ruhig. Lediglich zum Song "Gypsy" verließ er kurz die Bühne, um zum nächsten Titel wieder einsatzbereit an SUZANNE VEGAs Seite zu stehen. Ansonsten sorgten er und seine "Chefin" für teils völlig neue Versionen bekannter Titel und schmackhafte Appetitanreger für das kommende Album.

e 20160712 1450262977Eben erwähntes "Tom's Diner" in einer längeren und für mich bis dahin völlig neuen Version bildete den Abschluss des offiziellen Teils dieses Konzerts. Die Zeit bis dahin verging so schnell, dass man es nicht merkte. Ich war überrascht, dass zu diesem Zeitpunkt schon 17 Lieder gespielt wurden. Am Ende folgte die Verbeugung vor dem Publikum und schnell waren SUZANNE und Gerry im Backstage-Bereich verschwunden. Lauter Applaus, Pfiffe und Zugabe-Rufe lockten die beiden Protagonisten allerdings schnell wieder zurück auf die Bühne. Diesen Moment nutzte SUZANNEs Tourbegleiter, der der Künstlerin eine Geburtstagstorte überreichte, noch bevor sie zur ersten Zugabe anstimmen konnte. Zuerst mussten die Kerzen ausgeblasen werden und erneut stimmte das Publikum den "Happy Birthday"-Song an. Man kann sich sicher einen schöneren Geburtstag vorstellen, als ihn weit weg von Zuhause und dazu noch "arbeitend" zu verbringen, aber ich glaube, das Wuppertaler Publikum und ihre Crew haben SUZANNE VEGA einen unvergesslichen 57. Geburtstag beschert. Und so zeigte die Sängerin ihre Begeisterung auch dadurch, dass sie statt der drei vorgesehenen Zugaben mit "Undertow" noch eine vierte Zugabe als Bonbon obendrauf gab. Um 21:50 Uhr war der letzte Ton verklungen und ein begeistertes Publikum bewegte sich Richtung Ausgang.

Ein Abend wie dieser wird unvergessen bleiben. SUZANNE VEGA und Gerry Leonard haben der leider nicht ausverkauften Historischen Stadthalle in Wuppertal einen tollen Abend geboten und großartige Songs in ebenso großartigen Versionen präsentiert. Immer wieder einen lockeren Spruch oder einen Scherz auf den Lippen, führte die Künstlerin nicht nur musikalisch durch den Abend. Ihre Moderationen zwischen den Liedern gehörten zu diesem Abend ebenso dazu, wie ihre Lieder, und ließen die Sympathiewerte, die eh schon recht hoch waren, noch weiter ansteigen. Dass sie über all die Jahre ihre wunderbare Stimme halten konnte, und nichts ... aber rein gar nichts ... an ihrem warmen und schönen Klang hat verlieren lassen, ist besonders hervorzuheben. Die alten Songs von vor 30 Jahren singt sie in der gleich hohen Qualität wie eben vor 30 Jahren. Und dass sie dazu die Nähe zu ihren Fans sucht und auch schätzt, zeigte sie im Anschluss an ihren Auftritt, als sie für alle (!) Konzertbesucher, die dies wünschten, geduldig für Autogramme und Fotos bereit stand. Mehr noch ... sie teilte sogar ihre Geburtstagstorte mit ihren Fans! Danke, SUZANNE VEGA und Gerry Leonard. Das hat bleibenden Eindruck hinterlassen, was Sie da in den Saal gezaubert haben! Und auch ein nicht minder großes Danke an die Macher vom "Live Club Barmen", die eine so herrliche Alternative zum sommerlichen Covermarathon auf Markt- und Festplätzen anbieten.


Setlist:
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Termine:
• 13.07.2016 - Lörrach - Stimmen Festival
• 30.09.2016 - Berlin - Passionskirche
• 01.10.2016 - Köln - Gloria
• 02.10.2016 - München - Karl Orff Saal
• 03.10.2016 - Hamburg - Fabrik

Alle Angaben ohne Gewähr! Nähere Infos und weitere Termine auf Suzannes Homepage



Bitte beachtet auch:
• Off. Homepage von Suzanne Vega: www.suzannevega.com
• Homepage des Veranstalters Live Club Barmen: www.liveclub-barmen.de




 
 
 



   
   
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