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Ein Bericht von Torsten Meyer mit Fotos von Sandy Reichel & Reinhard Baer



a_ralswiekIntroduktion
Macht es Sinn, unseren Lesern innerhalb von nur wenigen Wochen gleich zwei Konzertberichte zu einer Band zuzumuten? Mit dieser Frage beschäftigten wir uns dieser Tage redaktionsintern, als wir die Möglichkeit bekamen, die ROCKLEGENDEN-Tour 2016 gleich mehrfach zu begleiten. Letztlich entschieden wir uns für ein deutliches JA! Berechtigte Gründe dafür gibt es gleich mehrere - im folgenden Bericht gehe ich darauf ein.

So kam es also, dass Deutsche Mugge nach dem Besuch des Düsseldorf-Konzertes Anfang Mai diesmal die altehrwürdige Berliner Waldbühne für einen Konzertbericht wählte. Diese Location hat etwas Magisches, Mystisches. Nicht nur, weil hier bereits die ROLLING STONES spielten, sondern auch, weil die einmalige Architektur und wunderbare Einbettung in die Natur sowohl auf die Musiker als auch auf die Zuschauer immer wieder einen schwer erklärbaren Reiz ausüben. Hier treten nur die wirklich Großen auf. Nur die Großen? Warum dann KARAT, CITY und die PUHDYS, wird sich manch einer fragen. Ich denke, die Antwort darauf findet man ganz schnell, wenn man sich die Bedeutung dieser drei Bands für die deutsche Musikszene in Erinnerung ruft. Und dazu bitte ich unbedingt die gesamtdeutsche Brille aufzusetzen, denn inzwischen sind sie alle länger im vereinten Deutschland aktiv als seinerzeit in ihrer eigentlichen Heimat, der DDR. Galten viele DDR-Bands in den 70er und 80er Jahren im Westen Deutschlands eher als Exoten, die man belächelte, hat sich diese Arroganz längst gelegt. Auch jenseits der einstigen Mauern und Grenzsteine hat man nämlich inzwischen die Klasse und Qualität dessen erkannt,b 20160601 1810316922 was früher den Stempel "Ostrock" aufgedrückt bekam und dadurch fast automatisch durch das Raster fiel. Wen wundert es da noch, dass die diesjährigen ROCKLEGENDEN-Auftritte in Düsseldorf, Stuttgart und Frankfurt/Main sämtlichst "sold out" vermelden konnten und die Presse in den höchsten Tönen über die Konzerte berichtete?

Im Osten ist die Popularität der genannten Bands ohnehin ungebrochen, ja vielleicht sogar größer denn je, was sich nicht zuletzt daran ablesen lässt, dass an diesem 28. Mai 2016 die Waldbühne mit 21.000 Zuschauern restlos ausverkauft ist. Das schaffen nicht viele. Dazu muss man schon zu den Großen gehören, womit wir wieder beim Ausgangspunkt meiner Betrachtung wären.

Es ist schon imposant, wenn man von seinem Platz aus in den Kessel der Waldbühne schaut. Egal, ob man unten vor der Bühne oder weiter oben auf den Rängen residiert - man ist beeindruckt und freut sich einfach nur auf das Kommende. Während man sich anderswo sonst bis zum Konzertbeginn gerne mal langweilt, vergeht hier die Zeit wie im Fluge, weil man fasziniert ist von dem bunten Treiben links, rechts, oben und unten. Und so kam der überaus pünktliche Startschuss um 20:00 Uhr in Form des Intros beinahe schon überraschend. Die Fotografen bezogen ihren Platz im Graben vor der Bühne, um die erlaubten ersten beiden Songs (sowie dann später auch noch die letzten beiden Nummern des Abends) auf ihre Speicherkarten zu bannen, während die 21.000 Besucher in lautem Jubel ausbrachen, als die Scheinwerfer die riesige Bühne erhellten und das Komplettpaket an 15 Musikern sichtbar machten. Ein tolles Gefühl, so viel versammelte Kompetenz und - gemessen am Alter der Herren - fast tausend (!) gelebte Rockerjahre auf einen Haufen erleben zu dürfen. In drei Reihen postiert (vorne die Gitarristen und Sänger, mittig die Keyboarder und hinten die Drummer) begann mit den "Sternenstunden" ein exzellentes Gewitter aus Hits, die über mehrere Generationen hinweg überlebt haben und immer noch begeistern. Songs, die für viele Fans zum Leben dazu gehör(t)en wie das täglich Brot.

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KARAT
Nach dem Opener wird es in Sachen Musikerüberschuss wieder etwas überschaubarer, denn zurück bleiben nur die KARAT-Männer. Plus PUHDYS-Schlagwerker Klaus Scharfschwerdt, der den Trend der Gastauftritte bzw. des ständigen Hin- und Herwechselns der Musiker zwischen den Bands einleitet, was im Laufe des Abends manche vielleicht nicht ganz so in der Materie stehenden Besucher enorm verwirrt haben dürfte.

c 20160601 1143157386"Der blaue Planet" eröffnet den KARAT-Teil des Abends. Die Nummer klingt so herrlich frisch und dennoch dicht am Original, dass die Verzückung im weiten Rund spürbar ist. Traurig nur, dass der Inhalt des Liedes gerade wieder ziemlich an Aktualität gewinnt. "Jede Stunde" und der "Schwanenkönig" setzen das "Best Of" fort, diesmal mit Unterstützung aus dem CITY-Lager. Großer Jubel brandet vor allem beim Erscheinen von Toni Krahl auf, der sich zu "Jede Stunde" das obligatorische Mundharmonikasolo mit Martin Becker teilt und natürlich auch stimmlich seinen Teil zum Gelingen des Songs beiträgt. Über das nach wie vor geniale, zirka neunminütige Epos "Albatros" gelangt man dann zu DEM KARAT-Song schlechthin, dessen Refrain sofort eindrucksvoll aus 21.000 Kehlen a capella in den Charlottenburger Abendhimmel geschmettert wird: "Über sieben Brücken musst du gehn ...". Claudius Dreilich merkte hier schmunzelnd an, er habe die Nummer mal auf Bulgarisch gehört und ist seitdem echt froh, dass er es auf Deutsch singen darf. Mich plagen ja immer richtige Schuld- und Schamgefühle wenn ich gestehe, dass mir das Lied ziemlich am Süden meines Körpers vorbei geht. Aber in dieser Atmosphäre, mit der Unterstützung dieses tausendfachen Chores finde ich es - zumindest hier und heute - direkt ein bisschen schön. Natürlich lässt man Claudius, Bernd Römer, Christian Liebig, Micha Schwandt und Martin Becker danach nicht einfach so ziehen, sondern fordert lautstark ein Dessert ein, welches mit der Akustikversion von "Blumen aus Eis" und, dem Habitus der ROCKLEGENDEN gehorchend, dem PUHDYS-Cover "An den Ufern der Nacht" gerne serviert wird. Claudius' Gedankenspiele, was sein Vater wohl dazu sagen würde, dass KARAT freiwillig einen PUHDYS-Song spielt, sind dabei wohl eher theoretischer Natur als wirklich ernst gemeint.

d 20160601 2034732552CITY
Wunderbar finde ich die Idee, den gerade mal auf zwei Minuten angesetzten Wechsel der Bands mit einer heruntertickenden Uhr auf der riesigen Bühnenleinwand zu begleiten. Nachdem die letzten Sekunden, die wie zum Jahreswechsel lautstark vom Publikum mitgezählt werden, abgelaufen sind, erscheint auf der Leinwand in dreifacher Ausführung das CITY-Logo. Und schon läuten die ersten Töne von "Flieg ich durch die Welt" das CITY-Set ein. Welch ein Segen, dass Toni Krahl seine Lungenentzündung überstanden hat, die ihn ja u.a. in Düsseldorf und Frankfurt/Main an der Teilnahme hinderte. Natürlich ist es prima, wenn kurzfristig ein Gastsänger einspringen kann, aber CITY ohne Toni Krahl ist wie Bier ohne Schaum. Er geht auch sofort in die Vollen und rockt die Bühne, als hätte es die Lungenentzündung nie gegeben. Auffallend, dass sich die Herren gleich zwei Coversongs gönnen, die auch gleichzeitig meine Highlights dieses ROCKLEGENDEN-Programmteils sind. Zum einen gedenkt man des leider kürzlich verstorbenen David Bowie mit der eingedeutschten Version von "Heroes". Und über die einst von Bettina Wegner geschriebene Ballade "Sind so kleine Hände" muss man wohl keine Worte verlieren. Einfach großartig! Wie überhaupt das gesamte CITY-Ensemble abgeht wie ein Zäpfchen und den Spaß, den sie an der Mugge haben, glaubhaft vermitteln. Entsprechend enthusiastisch sind die Rückmeldungen der völlig elektrisierten Fangemeinde. Natürlich gibt es auch im CITY-Katalog DEN EINEN Hit, der sie groß gemacht hat, sogar weltweit in die Charts brachte und dessen Schatten sie wohl eines Tages noch mit ins Grab nehmen werden. Joro Gogow streichelt nur kurz mit dem Bogen über seine E-Geige und schon gibt es für die Massen vor der Bühne und auf den Rängen kein Halten mehr. "Am Fenster" wird zu einem Fest erhoben, der Teufelsgeiger mit den bulgarischen Wurzeln zelebriert seine solistischen Momente in dem Stück, er streicht und zupft und fidelt, dass es manch einem heiß und kalt den Rücken runter läuft. Seit mehr als vierzig Jahren kennt man dieses Stück Musik nun schon, aber noch immer hat es nichts, aber auch gar nichts von seiner Kraft und Faszination verloren. Völlig zu Recht darf man hier von einem Welthit sprechen.

e 20160601 2075475691PUHDYS
Und noch einmal ticken die zwei Minuten auf der Leinwanduhr herunter. Bislang gibt es nichts zu meckern, die Zeitreise in die ost- und gesamtdeutsche Musikgeschichte ist beeindruckend und überaus gelungen. Wenn nur der Weg zum Getränkestand nicht so weit wäre ...

Die Gier der Fans nach guter Musik, nach IHRER Musik, ist nach wie vor greifbar. Und so fiebern alle dem Auftritt der Legende schlechthin entgegen. Eine Legende, die eigentlich schon vor fünf Monaten ihr Abschiedskonzert gegeben hatte, die sich ihre Rockerrente wahrlich verdient hat, die aber für diese ROCKLEGENDEN-Tour doch noch einmal als Kollektiv dabei ist. Weil ihre Fans es so wollen, weil sie einfach dazugehören, wenn man von Legenden spricht: die PUHDYS. Es ist natürlich sehr schwer bis unmöglich, sich für diese 45 Minuten auf ein Set festzulegen, welches allen gerecht wird. Aber wenigstens versucht man es. Und so bedient man mit "Unser Schiff" und der fürchterlich tropfenden Schmalzette "Es war schön" die Liebhaber der neueren Werke, hat mit "Kühle Lady" einen echten Kracher im Programm, legt aber freilich den Fokus auf die alten Gassenhauer. "Geh zu ihr" und "Melanie" sorgen schon für reichlich gute Laune allenthalben. Als dann endlich "Wenn ein Mensch lebt", "Lebenszeit" und das unvermeidliche "Alt wie ein Baum" erklingen, bebt die Waldbühne, während die Kameras immer wieder einzelne im Glückstaumel schwebende Gesichter erfassen und auf die seitlichen Leinwände beamen. Herrliche Momente. Die "Eisbären"-Hymne lässt sich dann zum Abschluss leider und logischerweise nicht vermeiden, was nochmals zu einem überdurchschnittlichen Ausschlag der Dezibel-Messgeräte führt. Ich hätte mir als Abschluss "Das Buch" gewünscht, aber wie schon gesagt, was will man in die 45 Minuten alles reinlegen?

f 20160601 1375198440Ein rauschendes Fest
Ja, das war es. Man könnte es fast als Werkschau deutscher Rockmusik bezeichnen, was da ablief. Von wegen Rock-Opas! Sicher, bis auf das "Küken" Claudius Dreilich sind "alle keine 60 mehr", wie Toni Krahl treffend bemerkte. Doch mal ehrlich, was an diesem Abend in der Waldbühne geboten wurde, war Unterhaltung vom Feinsten. Musik auf höchstem internationalem Niveau. Mit perfekter Lichtshow, aber ohne großes Getue und Gehabe, es wurde einfach nur ehrliches Handwerk abgeliefert. Wen interessiert da das Alter der Musiker?

Die Idee, die man mit der Geburt des Projektes ROCKLEGENDEN verband, nämlich die drei populärsten Bands aus dem Ostteil Deutschlands gemeinsam auftreten zu lassen, geht bis heute voll auf. Die Betonung liegt dabei auf gemeinsam. Die fortwährend praktizierte Vermischung der Bands ist nicht nur für den Zuschauer etwas, das man nicht alle Tage sieht und somit ein bleibendes Erlebnis, sondern macht auch den Akteuren selber Riesenspaß, die damit nicht zuletzt den jeweils anderen Bands ihren Respekt zollen. Ob man selber mit diesem Erfolg gerechnet hatte? Keine Ahnung. Auf jeden Fall darf man sich bestätigt sehen, denn vor dem Berlin-Konzert wurde den ROCKLEGENDEN durch den Veranstalter Semmel Concerts ein symbolischer Preis für 100.000 verkaufte Tickets verliehen. Herzlichen Glückwunsch dazu auch von uns!


Setlist:
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setberlin


Termine:
• 03.06.2016 - Rostock - Stadthalle ausverkauft
• 04.06.2016 - Dresden - Junge Garde
• 05.06.2016 - Dresden - Junge Garde
• 11.06.2016 - Leipzig - Arena
• 19.06.2016 - Hamburg - Stadtpark
• 24.06.2016 - Schwarzenberg - Waldbühne

Alle Angaben ohne Gewähr!



Bitte beachtet auch:
• Off. Homepage von den PUHDYS: www.puhdys.com
• Off. Homepage von CITY: www.city-internet.de
• Off. Homepage von KARAT: www.karat-band.com
• Homepage des Veranstalters Semmel Concerts: www.semmel.de




Fotostrecke:

 
 
Berlin (28. Mai 2016):
 
 
 
 
 
 
 
 
 



   
   
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