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Ein Konzertbericht mit Fotos + Videoclip von Christian Reder



Vor knapp 28 Jahren sind meine Freunde und ich regelmäßig in einem Castrop-Rauxeler Pub namens "Casablanca" eingekehrt. Der runde Tisch mit der runden roten Couch in der Fensterecke gleich links neben dem Eingang gehörte uns. Dort sahen wir sofort, wer den Pub betrat und wer ihn wann wieder verließ. Und auch wir wurden sofort wahrgenommen. Wir verbrachten unsere Zeit dort mit Labern, Musikhören und für viele von uns gab es dort auch die erste Begegnung mit einem frischgezapften Pils vom Fass. Gut, es war "Andreas Pils" und aus heutiger Sicht eher was zum Abgewöhnen, aber es fehlten uns damals halt die Vergleichsmöglichkeiten, um es richtig kacke zu finden.

Bewirtet wurden wir von einer Frau namens Irene. Sie sah mit ihren kurzen blonden Haaren aus wie Annie Lennox von EURYTHMICS und konnte auch genauso gut singen. Davon gab es immer wieder mal Kostproben - wenn wir mit ihr allein waren und noch kein anderer Gast den Weg in den Pub gefunden hatte. Für uns Kids war Irene damals nicht nur die Gute-Laune-Garantie, sondern auch die erste Berühmtheit,a 20160228 1976901630 die wir in unserem noch jungen Leben persönlich kennenlernen durften. Irene hatte nämlich eine eigene Schallplatte gemacht und veröffentlicht. Irgendwann in den Jahren davor war sie Teil einer Kapelle und auf dem Cover der einzigen Single, die diese Band veröffentlicht hatte, war sie sofort und unverkennbar auszumachen. Das war schon cool!

Wir haben im "Casablanca" unsere Musik gehört, Freunden die neusten Sachen vorgespielt und auch die eine oder andere Entdeckung machen können, wenn einer seine vorher auf Kassetten überspielten Neuerwerbungen zum Anhören mitbrachte. Dass wir das konnten, war Irenes Verdienst, denn eigentlich sah das Konzept des Ladens gar nicht vor, dass es sich zu einem Treffpunkt der Dorfjugend mit zeitweisem Diskobetrieb entwickelte. Die geile Zeit im "Casablanca" währte nur knapp zwei Jahre. Dann wechselte der Besitzer, Irene gehörte plötzlich nicht mehr zum Personal (sie zog auch weg) und irgendwie wurde der Laden von Tag zu Tag immer uninteressanter - außerdem merkten wir auch langsam, dass das Bier dort gar nicht so der Burner war. Das ist alles - wie gesagt - ziemlich lange her. Man hat sich über all die Jahre aus den Augen verloren, aber bei Treffen unter Freunden immer wieder an Irene und das "Casablanca", das es inzwischen auch schon nicht mehr gibt, gedacht. Dies änderte sich im Herbst 2015 ... als ich über Facebook eine PN von Irene bekam. Es wurde aber auch langsam Zeit für neue Abenteuer!

Irene wohnt immer noch dort, wo sie damals hingezogen war. Sie erzählte mir von ihrem Mann Rainer, ihrem Job, einem Gospel-Chor, in dem sie heute singt, und von dem Band-Projekt 4-4-U (übersetzt: Vier für Dich) mit ihrem Bruder Dietmar, ihrem Mann Rainer und der gemeinsamen Freundin Claudia. "Im Dezember spielen wir bei Euch in Castrop. Komm doch vorbei", sagte sie und sofort stand fest, dass ich natürlich dahin gehen würde. Für diesen Tag war zwar ein familiäres Event angesetzt, aber vorher konnte ich noch gut eine Stunde zu diesem Konzert gehen. Ich traf Irene wieder ... nach fast drei Dekaden ... und auch ihren Bruder Dietmar. Leider konnte ich damals nur eine Hand voll Lieder hören, dann musste ich schon wieder los. "Wir sind bald wieder hier", meinte Dietmar noch und ich versprach, beim nächsten Mal der kompletten Mugge beizuwohnen. An einem Sonntag im Februar - kurz vor dem Monatswechsel - fand dieses Konzert dann statt. Die Gaststätte "Klapsmühle" und die Band 4-4-U luden zur Matinee. Ein Konzert an einem Vormittag hatte ich bis zum Kennenlernen von 4-4-U auch noch nicht miterlebt. Um 11:00 Uhr sollte es losgehen, und fast pünktlich auf die Minute ging es dann auch los ...

4-4-U sind eingangs schon näher vorgestellte Irene Dollmaier (Gesang), die äußerst vielseitige Claudia Strube (Gesang, Bass, Gitarre, Flöte, Percussions, Akkordeon), Dietmar Sobanski (Gesang, Gitarre, Bass) und Rainer Dollmaier (Gitarre, Backgroundgesang). Diese "junge Nachwuchsformation" - es gibt die Band erst seit zwei Jahren - steht in erster Linie der Freude wegen auf der Bühne.b 20160228 1228739611 Keiner der vier Musiker muss damit sein Geld verdienen oder sieht sich sonst wie dazu verpflichtet, mit den anderen aufzutreten. Die vier Damen und Herren haben schlicht und ergreifend großen Bock, gemeinsam mit ihrem Publikum auf große Zeitreise zu gehen. Und diese Ungezwungenheit ist greifbar. Schon beim Aufbau des Instrumentariums herrscht gute Laune und Vorfreude. "Time Jumper" heißt das Programm der vier Musiker, und das kann man so auch wörtlich nehmen. Songs aus den 60ern bis in die Neuzeit werden in einem ganz eigenen Sound präsentiert, der aus vielen der Stücke etwas ganz Neues entstehen lässt. Alles was mit populärer Musik zu tun hat, hat seine Wurzeln ja bekanntlich bei den BEATLES - vielleicht mal abgesehen vom RAP und Hip Hop, der wohl eher beim ohrenbetäubenden Krach einer New Yorker Großbaustelle seine Wurzeln hat. Zahlreiche Musiker nennen die vier Pilzköpfe aus Liverpool als Vorbilder und Inspiration für eigene Musik. Und das generationsübergreifend! Und auch 4-4-U haben nicht nur Titel der BEATLES im Programm ("If I Fell", "And I Love Her", "You've Got to Hide Your Love Away"), sondern sind musikalisch auch sonst von ihnen beeinflusst. Dass eine Höfner 500/1 Bassgitarre, wie sie Paul McCartney einst bei den BEATLES gezupft hat, bei 4-4-U auch zum Instrumentarium gehört, sei hier nur noch am Rande erwähnt.

Und so legte das Quartett dann auch mit dem Titel "If I Fell" von den großen Vorbildern los. Und schon waren wir mitten drin im "Time Jump" und dem Neuentdecken von so manch musikalischer Perle aus vergangener Zeit. Den größten Satz über die Jahre erlebten wir gleich zu Beginn des Konzerts, als wir zuerst das Stück "Calm After The Storm" von den Common Linnets, das sie 2014 veröffentlichten, hörten und anschließend einen großen "Jump" 50 Jahre zurück zu Gary & The Pacemakers und ihrem 1964 veröffentlichten Song "Ferry Cross The Mersey" machten. Beide Lieder klangen wie aus einem Guss und man konnte hier besonders deutlich heraushören, dass die Arrangements der Gruppe 4-4-U ein Wiedererkennen der Lieder zwar ohne Probleme möglich machten, sie aber dennoch frisch und zeitgemäß erklingen ließen. Es ist klassischer Rock/Pop mit akustischen Gitarren, die das Quartett dort auf der Bühne zelebriert. Immer wieder wird man überrascht, dass hier vor keiner noch so großen Vorlage Halt gemacht wird. So bekam das Publikum Klassiker von Crosby Stills Nash & Young  ("Teach The Children") ebenso zu hören, wie die von Bette Midler ("The Rose") oder Cat Stevens ("Father & Son"). Wer kennt ihn nicht, den absoluten Evergreen "Knockin' On Heaven's Door", im Jahre 1973 von Bob Dylan in die Welt geschickt? Bei 4-4-U wird dem Publikum - wie Dietmar in seiner Anmoderation anmerkte - die "Fürchte Version" des Stücks präsentiert. "Fürchte Version"? Ja, das Quartett lässt den Titel mit einem "Hu Hu Hu"-Chor beginnen, wie man ihn sonst nur in einem Spukschloss vermuten würde ... Es gab ausreichend Gelegenheiten für Scherze dieser Art. Dafür sorgten die Ansagen von Irene und Dietmar gleichermaßen. Ebenso gab es viel Platz für solistische Vorträge auf der Gitarre, z.B. von Rainer bei Gordon Lightfoots "Sundown" und der eigenen Interpretation von "I Need More Of You", im Original von den Bellamy Brothers. Nicht zu vergessen das "Rassel-Solo" von Dietmar, auf das er am Ende von eben erwähnten "Sundown" das Publikum noch aufmerksam machte.

Kurz vor Feierabend verteilte Dietmar im Publikum ein paar Cowboy-Hüte. Sie waren wichtiges Zubehör zum folgenden, im Original von Thommie Bayer stammenden, Song "Der letzte Cowboy" - übrigens der einzigen deutschsprachigen Nummer im Programm. Dieses Lied widmete die Band ihrem Freund Ulli "Knüller" Müller, der ebenfalls in der "Klapsmühle" weilte und dort Fotos für die Band schoss.c 20160228 1077341537 Der Text des Songs wurde ein wenig angepasst ("Das waren Zeiten, als wir trampten | von Castrop-Rauxel nach Southampton") und man wähnte sich plötzlich in einem Saloon statt in einer Kneipe im Ruhrpott. Ein absolutes Highlight hatte die Band für den Schluss aufgehoben. Billy Joels "The Longest Time" trugen die vier Musiker komplett ohne Instrumente und nur a cappella vor. Das kam so gut an, dass die Band den Song als Zugabe gleich noch einmal vortragen durfte.

4-4-U zeigte sich bei ihrem Konzert in Castrop-Rauxels "Klapsmühle" frisch, aufgeräumt und voller Spielfreude. Das Programm wurde durch drei kleine Raucherpausen unterbrochen, und die vier Musiker schafften es nach jeder der Pausen, den Faden wieder aufzunehmen und die Stimmung in der Gaststätte auf einem hohen Level zu halten. Besonders beeindruckend ist der Satzgesang, der in fast jedem der Lieder ein Stilmittel ist. Ebenso spannend zu beobachten ist Claudia Strube, die während des Auftritts zahlreiche Instrumente spielt und diese immer wieder wechselt. Von der Gitarre zum Bass, vom Bass zum Akkordeon und kurz vor Toreschluss kommt auch noch eine Flöte zum Einsatz. Was die Musiker da auf die Bühne bringen, macht Spaß, das macht Bock und versaut einem die ganze schlechte Laune, die man wegen des frühen Aufstehens an einem Sonntagmorgen mühsam gehegt und gepflegt hatte. Dass hier keine eigenen Lieder im Programm sind, mag vielleicht daran liegen, dass es diese Formation noch nicht so lange gibt. Das Programm mit drei oder vier eigenen Stücken im Soundgewand der anderen zum Vortrag gebrachten Nummern, würde 4-4-U sicher gut zu Gesicht stehen, ebenso, wie weitere Lieder in deutscher Sprache. Aber wer weiß ... die Band ist ja noch jung und tatendurstig. Vielleicht kommt da ja schon bald was in der Richtung. Mit Dietmar habe ich jedenfalls noch einiges vor in Zukunft. Wir haben da was ausgeheckt, von dem Ihr noch rechtzeitig erfahren werdet. Und mit Irene wird das nächste Wiedersehen ganz sicher nicht wieder fast 30 Jahre dauern!


Setlist
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Live-Termine
• 15.04.2016 - Castrop-Rauxel - BoGi's

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Fotostrecke:

 

 

 

 

 

 

 





Videoclip:




   
   
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