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Ein Bericht mit Fotos von Christian Reder


Kinder merken, ob man sie ernst nimmt oder nicht. Auch wenn Spielen und Quatschmachen für sie an erster Stelle stehen, und ruhig Sitzen oder gar etwas in der Theorie lernen in der Hitparade der beliebtesten Tätigkeiten ganz unten im Keller rangiert, sind sie doch neugierig und möchten wissen, was um sie rum so passiert. Sie sind offen für Neues und für sie ist das Entdecken noch spannend und aufregend. Am Leichtesten geht das Kennenlernen der Welt mit Musik und einer Geschichte. Dieses Kunststück, sich in die Köpfe der Kinder hinein zu denken und für sie eine Geschichte und Musik zu erfinden, die auch wirklich gut sind, beherrschen leider nicht so viele Erwachsene. Manchmal kommen dabei hochnotpeinliche Sachen raus, für die man sich einfach nur fremdschämen kann.a 20150617 1850337385 Als ich noch ein Junge war, gab es einen Typen namens Rolf, der mir von Anfang an unsympatisch war. Von seinen Liedern fühlte ich mich schon nach wenigen Tönen mächtig auf den Arm und überhaupt nicht ernst genommen. Doch zurück zum Thema. Kinder möchten unterhalten werden und zwar so, dass sie sich nicht nach wenigen Minuten langweilen oder es ihnen einfach zu dumm wird. Hat man sie aber erstmal erreicht und für sich gewonnen, bekommt man schnell ihr Herz geschenkt. Einem, dem das passiert ist, habe ich heute getroffen. Chris Kramer stellte in der Castrop-Rauxeler Stadtbibliothek sein neues Hörbuch mit Musik, das es auch als Muscial gibt, vor.

Das überwiegend blutjunge Auditorium wartete schon gespannt auf den Gast des Nachmittags. Chris Kramer kam pünktlich um 15:00 Uhr zwischen den Bücherregalen hervor und stellte sich neben den Tisch mit Instrumenten, CDs und Vorlesematerial, an dem er nur wenig später Platz nehmen würde. Er wartete noch auf zwei Freunde, die noch nicht da seien, weshalb er auch fünf Minuten später als angekündigt anfangen würde. Diese Zeit könne man aber sinnvoll nutzen, schob er nach, indem man schonmal die Instrumente an die "Band" verteilen würde. Die Band bestand natürlich aus den kleinen Gästen und einer schon großen Konzertbesucherin. Und so wurden innerhalb von wenigen Minuten kleine und große Geräuschemacher an Junge, Mädchen und Frau verteilt. Als die "Band" dann komplett war, konnte es auch schon losgehen.

Chris Kramer, in unserer Region ein bekannter Blues-Musiker und Mundharmonika-Spieler, hat innerhalb eines Jahres eine Geschichte geschrieben, aus der inzwischen nicht nur ein Hörbuch, sondern auch ein Musical entstanden ist. Chris hat durch Zufall bemerkt, dass er als Musiker und Geschichtenerzähler nicht nur für die Erwachsenen interessant ist, sondern dass er auch ziemlich gut bei Kindern ankommt. Dies stellte er fest, als er an 12 Schulen auftrat, um bei einem Besuch den Schülern den Blues näher zu bringen. Die Geschichte von der "kleinen Mundharmonika" ist nun ein weiterer Schritt in die Richtung, der jungen Generation einen Einblick in die Geschichte und die Musik zu geben. Vor allen Dingen aber zu zeigen, dass Musik was anderes ist als das, was TV und Radio einem heute als solche verkaufen wollen.

Die "kleine Mundharmonika" ist so etwas wie eine moderne Fabel, mit dem Unterschied, dass hier keine Tiere, sondern Instrumente die Hauptrollen übernehmen. Allen voran die Mundharmonika, die wegen ihrer Größe und aufgrund der Tatsache, dass sie nicht alle Töne spielen kann, von den anderen Instrumenten nicht akzeptiert wird. Mehr noch: Sie wird aus dem Kreise der Instrumente ausgeschlossen und begibt sich daraufhin in der Brusttasche eines Reisenden auf eine lange Reise durch die Welt und die Zeit. Sie lernt auf ihrer Reise die Wurzeln des Blues kennen, als sie in Amerika ankommt und auf die in Ketten liegenden Sklaven trifft. Weiter geht's über Country und Rock'n Roll bis zur aktuellen Musik der heutigen Zeit. Die Erkenntnis,b 20150617 1031934784 also die Quintessenz der Geschichte, gab Chris seinem Publikum gleich zu Beginn seines Vortrags schon mit auf den Weg. Die Geschichte zeigt, dass man nicht nach Größe oder Äußerem gehen soll, denn es steckt auch in kleinen Dingen viel mehr, als man sich vielleicht vorstellen kann. Und natürlich, dass Musik Spaß macht ...

Der Mann mit der ledernen Schlägermütze hatte das Publikum bereits beim Instrumente-Verteilen für sich gewonnen. Doch nun hörten ihm die kleinen und großen Menschen im Raum aufmerksam zu als er begann, die Geschichte von der "kleinen Mundharmonika" zu erzählen. Mit viel Einfühlungsvermögen brachte er seinen Zuhörern das Instrument näher. Er erzählte, wann es erfunden wurde ("als es noch Kutschen und keine Autos gab"), und wie es auf andere, bereits gängige und etablierte Instrumente stieß. Im übertragenen Sinne waren es die Instrumente, die die kleine Mundharmonika nicht ernst nahmen und sie verspotteten. Immer wieder konnte man zwischen den Zeilen lesen, wie es damals gewesen sein muss, als die Klassik die angesagte Musikrichtung war, und die Mundharmonika wie ein Fremdkörper gewirkt haben muss.

Die Stelle der Geschichte, in der die Mundharmonika wegläuft und bis zum Meer flüchtet, ist der Teil zum Mitmachen. Jetzt kommt die "Band" zum Einsatz, die passend zur Textstelle die Geräusche liefert. Das Rauschen der Blätter, das Spiel des Windes, die Geräusche der Tiere und des Gewitters ... all das erzeugt die "Band", die ihre Sache sehr gut macht. Immerhin hat sie in diese "Besetzung" noch nie zusammen gespielt.
Geschickt spannt Kramer den Bogen vom Europa des frühen 19. Jahrhunderts bis in die Zeit der Sklaverei in den USA. Die Reise dorthin wird - wie könnte es anders sein - mit einem Lied und ohne Worte gezeichnet. Dazu forderte Chris Kramer sein Publikum auf, die Augen zu schließen und sich ganz der Musik hinzugeben. Groß und Klein kamen dieser Bitte nach und ließen ihrer Phantasie freien Lauf. Am Ziel angekommen, wo der Hafen viel größer ist als der, von dem man abgefahren ist, trifft die Geschichte auf eine Realität, wie man sie damals in den Staaten vorfand: Menschen wurden wie Tiere als Sklaven an Ketten gehalten. In ihrer Not machten sie sich selbst Mut durch die Musik, die für sie nichts anderes wie Glaube und Liebe war. Der Glaube an Gott und die Liebe, die sie alle am Leben hielt. Hier trifft die Mundharmonika auf einen der Sklaven, der ihr von seiner Welt und seiner Musik erzählt. Kindgerecht verpackt aber mit der dick unterstrichenen Botschaft, dass Freiheit nichts Selbstverständliches ist. Immer wieder gibt es zwischen den einzelnen Passagen auch Lieder, die Chris derart unterhaltend geformt hat, dass sich die Jungen und Mädchen (und natürlich auch deren großen Begleiter) sofort für sie begeistern. Kinder, die vor dem Konzert noch laut tobten und umhersprangen,c 20150617 1431023328 saßen auf ihren Stühlen und lauschten dem Mann mit den vielen Instrumenten und der tollen Stimme ganz andächtig. Als Chris Kramer einen Blues a capella und ohne instrumentale Begleitung vorträgt, und etwas später mit der Mundi eine Eisenbahn imitiert und musikalisch über seinen Tisch rollen lässt, funkeln und glänzen die vielen Augenpaare vor ihm.

Nach ein paar Seiten seines (Hör)Buches macht Chris Kramer Schluss mit dem Vorlesen und verweist auf sein Werk, in dem man den Rest der Geschichte finden kann. Er wolle nicht zuviel verraten und würde sich freuen, wenn jeder Besucher ein Exemplar seiner CD über die "Kleine Mundharmonika" mit nach Hause nehmen und die Geschichte dort zu Ende hören würde. Kramer verwies auf das Buch zur Geschichte, dass es in Papierform und mit allen Zeichnungen zur Geschichte ab Herbst im Handel geben soll, und schenkte seinem Publikum zum Abschluss noch ein allerletztes Lied. Vorher lud er aber alle dazu ein, hinterher mit ihm noch etwas zu plaudern, die mitgebrachten Instrumente auszuprobieren und vielleicht auch ein Foto mit ihm zu machen. Die vergangene Stunde verging wie im Fluge und war ein Volltreffer!

Chris Kramer ist einer der Erwachsenen, der sein junges Publikum ernst nimmt und es ihnen auch zeigt. Er erzählt auf spielerische und verträumte Weise eine Geschichte, die nicht irgendwo einfach nur ausgedacht ist, sondern einen Bezug zur Realität hat. Das Eintauchen in die Welt der kleinen Mundharmonika bringt für Groß und Klein eine Menge mit sich, z.B. die erste Begegnung (oder bei den Erwachsenen ein Wiederhören) mit dem Blues und Instrumenten, die man vielleicht vorher noch nicht kannte. Auch inhaltlich gibt's was mit auf den Weg ... Die Tatsache, dass in jeder Musikrichtung von heute und jedem Genre ein bisschen was vom Blues steckt, ist dabei nur ein interessantes Detail, das in der Erzählung steckt. Kinder danken es einem, wenn sie merken, dass man es ernst mit ihnen meint. Diesen Dank und ganz viel Applaus hat sich mit seinem Auftritt auch Chris Kramer verdient, denn er hat die Jungen und Mädchen nicht nur überzeugt, sondern ihnen Spaß bereitet. Er ließ sie mitmachen, zuhören, träumen ... und ihre Augen strahlen. Übrigens: "Die kleine Mundharmonika" ist NICHT NUR für Kinder, sondern auch für all die, die im Herzen noch jung geblieben sind. Meine Empfehlung!


Termine der "kleinen Mundharmonika":
• 26.06.2015 - Marl - Theater (Premiere)
• 27.06.2015 - Marl - Theater
• 28.06.2015 - Marl - Theater

Alle Angaben ohne Gewähr! Nähere Infos und weitere Termine auf Chris Kramers Homepage.


Bitte beachtet auch:
• Off. Homepage von Chris Kramer: www.chris-kramer.de




Fotostrecke:

 
 
 
 
 



   
   
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