Jan Josef Liefers' RADIO DORIA
am 11. Dezember 2014 in der Columbiahalle in Berlin

 

 

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Ein Bericht von Thomas Handrick mit Konzert-Fotos von Sandy Reichel


Über Künstler, die man mag, etwas zu schreiben, fällt in aller Regel leichter, als sich in etwas Neues einzuleben. Hier ist nun beides der Fall. JAN JOSEF LIEFERS & OBLIVION wären so ein Beispiel, wenn es da nicht im April dieses Jahres eine Umbenennung der Formation gegeben hätte: aus JAN JOSEF LIEFERS & OBLIVION wurde RADIO DORIA gemacht. Dass der Fokus dieser Truppe nun namentlich nicht mehr auf dem verhältnismäßig bekannten Schauspieler liegt, ist als Begleiterscheinung ganz im Sinne des singenden Münsteraner Tatortermittlers. Aber um diesen allein soll es ja nicht gehen, obschon man zwangsläufig wieder darauf zurückkommt, gerade wenn man ihn live sieht statt RADIO DORIA im Radio zu hören.

"Radio" dürfte als gutes Stichwort gelten, denn nach JJLs Solonummer "Wo gehst du hin" zu Beginn des Auftritts, begann die Show mit einer hinter der Bühne angebrachten Leinwand, auf der danach ein Röhrenradio aufprojeziert wurde, begleitet von einem Sendersuch-Rauschen, was schließlich in "RADIO DORIA" mündete ... "die freie Stimme der Schlaflosigkeit". Begleitet von Jans Worten, "Lasst doch die Anderen schlafen", spielte die Band zum Opener "Radio Doria" auf. Und das in einem guten Sound: wenig experimentell, mehr radiolastig, hörbar gut und doch wieder anders als technisiertes Gequengel um die Gunst der Hörerschaft. Nein, durchs ganze Konzert wird per Hand gezupft, getrommelt und in die Tasten gezaubert. "Liebe ist nicht wie du", die zweite Auskopplung aus dem aktuellen Album "Die freie Stimme der Schlaflosigkeit", setzt wieder auf eben diesen hörbaren Sound und trifft damit sicherlich den Nerv des breiten Publikums, da auch beim Spielen auf der Bühne ein ordentlicher Feinschliff bemerkbar war.

Ohnehin gewinnt man bald den Eindruck, dass Musik hier für einen Alphamenschen wie Herrn Liefers nicht nur ein Ausflug ist, sondern eine Art "Erlöserfunktion" haben könnte: er kann gerade live seinen Talenten frönen, ohne dass es nur im Ansatz aufgesetzt wirkt - der Typ muss tatsächlich so sein! Die Geschichte von der Hinterlassenschaft eines dahin darbenden Vaters über 17 Kamele zum Aufteilen unter 3 Brüdern, in der zum Schluss ein Berliner auftaucht, der zudem die triviale Lösung parat hält, konnte kaum besser sein. Diese 15 Minuten länger erzählt, und man würde darüber nachdenken, Jan Josef Liefers als alleinigen Bezugsberechtigten für die Lebensversicherung einzusetzen.

So wechselten sich gesangliche und schauspielerische Einlagen im Programm ab und woben sich gegenseitig zu einem roten Faden, der im Verlauf dessen die Ausmaße eines Taus annahm. Dieses wärmedurchzogene Wechselspiel wertete den Abend enorm auf, das Publikum hatte nie das enttäuschende Gefühl sich zu langweilen, auch weil es einfach einbezogen wurde. Zu "So sieht man sich wieder" tanzte JJL mit einer Frau aus der ersten Reihe, die er kurzerhand auf die Bühne holte.

Ein vorgetragenes Gedicht, sanfte Klaviertöne, eine Balletttänzerin - so sahen weitere Zutaten aus, die den Eindruck festigten, mit gut überlegter, sinniger und anspruchsvoller Kunst unterhalten zu werden. Während zahlreiche Songs viele (zwischen)menschliche Themen behandeln, gelang es ihm in den Überleitungen auch die nötige Relevanz auf aktuelles Weltgeschehen zu schaffen. "Wenn irgendwann einer vor mir steht und sagt, für meinen Gott müssen Menschen sterben, antworte ich ihm, ok, warum fängst du nicht mit dir selbst an?" - ist ein Beispiel dafür. Der darauf folgende nachdenkliche Song "Zweifeln" unterstrich die vorherige Aussage "Jeder Zweifel hat seinen Preis". Danach beschreibt der Song "Unbeschreiblich" Dinge, die man kaum beschreiben kann. Besser ist, anstatt sich in abstrakten Beschreibungen zu verrennen, Gefühle zuzulassen und diese wirken zu lassen.

Im weiteren Verlauf bekamen die Bandmitglieder Gelegenheit sich sowohl zu zeigen als auch von sich hören zu lassen: Bei "Mondlied" konnte der Bassist Christian Adameit nicht nur auf seinem Instrument spielen, sondern auch singen.c 20141216 1470014183 Auch das Solo "You are so beautiful" der Gitarristen Johann Weiß und Jens Nickel war eine echte Ohrenweide, ebenso wie das druckvolle Drumsolo während "Verlorene Kinder" von Gunter Papperitz sowie ein weiteres am Keyboard von Timon Fenner. Das alles machte deutlich, dass es sich bei RADIO DORIA um gestandene Musiker handelt, die sich in einer eigenständigen Band gefunden haben. Immerhin machen diese bereits seit 12 Jahren gemeinsam Musik - das Hörerlebnis unterstreicht diese blanke Zahl absolut eindrucksvoll.

Kurz vor "Blutmond" konnte Jan mit Hilfe einer im Saal anwesenden Germanistikstudentin die Frage klären, was es mit dem Futur II auf sich hat, denn wenn es ums Wiedersehen geht, sollte allen klar sein, dass dies Freude auf die Zukunft zum Ausdruck bringt und kein stupides Auseinandergehen beschreiben soll. Als der "rollende Pumakäfig" (O-Ton Liefers über seine Band und sich während der jetzigen Tour) dann nach mehreren Zugaben zum letzten Stück aufspielte, verließ Liefers während diesem die Bühne und lief durchs Publikum, um sich dort persönlich in Reihen von den Zuhörern zu verabschieden. Das hatte wirklich etwas und ist sehr selten zu sehen. Die Columbiahalle schien mit RADIO DORIA wie unter eine magische Glocke gehüllt worden zu sein. Insofern darf die Schlußformel des Abends lauten: Wer sich die Zeit zum Zuhören nimmt, entdeckt neben guter Musik auch einen beeindruckenden Livekünstler - Lohn dem ehrlichen Finder.



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"Verlorene Kinder" (Off. Videoclip)



   
   
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