Barbara Thalheim am 8. November 2014 im kunsthofgohlis in Dresden

 

 

uesc1114 20141112 1460581308
Ein Konzertbericht mit Fotostrecke von Marion "Mary" Dudel


Endlich pilgere ich wieder verstärkt zu den Bühnen, wo Musik gespielt wird, die ich mag ... Mein Privatleben bremst mich immer noch aus, aber wenn ich kann, bin ich dort, wo ich mich glücklich fühle. Dort, wo mich Töne wegtragen, mich alles vergessen lassen: an den Bühnen. So auch am Samstag, dem 8. November 2014.

Barbara Thalheim trat am Rand von Dresden im kunsthofgohlis auf. Das durfte ich mir nicht entgehen lassen. Sie spielt nicht oft an für mich erreichbaren Orten. Also morgens schnell "Dienst geschoben" - zum Glück hatte ich Frühdienst! Und abends ab nach Gohlis! Kerzenlicht empfing mich, einige Freunde waren da, unter anderen auch Francis D.D. String, der hier fast zum "Inventar" gehört. Als Barbara Thalheim ihren Auftritt begann, konnte ich kaum glauben, dass sie in drei Jahren 70 wird. In Lederjacke und mit frecher Kurzhaarfrisur machte sie mir deutlich und klar: auch ich brauche mich nicht ändern. Ich zweifle ja manchmal ein wenig an mir. Barbara Thalheim beginnt den Konzertabend mit einem ihrer Texte, den sie rezitiert während sie vor der Bühne auf und ab geht. Erst danach begibt sie sich auf die Bühne, und greift zur Gitarre. Nun mag ich Barbara Thalheims Lieder sehr, aber ich gehöre nicht zu denen, die jedes einzelne betiteln können und die jeden Text kennen. Ich weiß aber mit Sicherheit: was sie singt hat "Hand und Fuß", vieles spricht mir einfach aus der Seele. Ich saß nah am Bühnenrand (wie es sich gehört ;-)) und habe ihr förmlich die Worte von den Lippen gerissen. Und wenn sie singt, "verrückt sind wir alle, oder etwa nicht ...?", kann ich das nur bejahen.

Hier vor mir sitzt eine Musikerin, die mit klarem Verstand beobachtet, was um sie geschieht und ihre Beobachtungen verpackt sie in wunderbare Lieder, kritisch und satirisch. Oft ein Thema: Deutschland. Später stellt sie auch ihr Buch "Vorm Tod ist alles Leben" vor. Ich erinnere mich noch sehr gut: Im Jahre 2011 war im Dresdner "Thalia" eine Veranstaltung mit ihr, als dieses Buch erschien - und ich war natürlich dabei. Ein Buch, bebildert von einer Malerin aus Brandenburg, mit Songtexten, Geschichten und Episoden. Barbara Thalheim gibt darin Einblicke in ihre Vergangenheit. Die Geschichte ihrer Eltern, ihrer Geburt ... Was sie an diesem Abend liest, geht mir zu Herzen. Besonders die Zeilen, "In einem dieser Betten wurde am 31. Dezember 1946 bei beträchtlichen Minusgraden ein Kind gezeugt - ICH. Der Erzeuger war 40 Jahre alt, auf 50 Kilo abgemagert, 1945 aus dem KZ Dachau in seine Heimatstadt Leipzig zurückgekehrt ... Am 5. September 1947 öffnete mein Vater die Tür am Ende des Korridors der ehemaligen Kriegskreisleiterwohnung im 4. Stock in der Lößnitzer Straße 38 und schrie in die Leipziger Nacht hinaus: 'Eine Tochter, es ist eine Tochter, sie soll Barbara, die Fremde heißen.' Fremder als in dieser Naziwohnung, die ihm von dem deutschen Kommunisten, von den Alliierten, nach seiner Rückkehr aus Exil und KZ zugewiesen worden war, habe er sich in seinem ganzen Leben nie wieder gefühlt, erzählte mein Vater ..."

Nach dieser "Leseeinlage" greift sie wieder in die Saiten, sagt davor, dass sie Einzelkind war und ihren Eltern die schlimmsten Sachen serviert habe, die ein Kind je seinen Eltern servieren kann. Der "Teppichklau" mit 12 Jahren, um Bandenchefin zu werden, bewegt und belustigt die Zuschauer. Barbara Thalheim bezeichnet sich selbst in dieser Zeit als grenzwertig "asozial".

Natürlich hat diese wunderbare Frau auch eine Brücke zur heutigen Zeit geschlagen. Hut ab vor der kleinen DDR, die das ohne moderne Technik "rausbekommen" konnte. Der Titel, der nun folgte passte wunderbar, er begann - wie kann es anders sein - mit "Damals auf der Schulbank ..." Von der Schulbank ging es zur "Insel-Freakin". Barbara liebt Hiddensee über alles, mag Inseln überhaupt und landete prompt in Frankreich, in einem Paradies der "Nackten".c 20141112 2033821916 Das, liebe Leser, müsst Ihr von ihr selbst hören! Ihr amüsiert Euch köstlich! "Ich will 'ne Insel sein", singt sie, und ich nehme ihr das so ab, wie sie es singt. Irgendwann sang sie "Sehnsucht nach der Schönhauser". Ein Titel, der mich irgendwie zu meiner Vergangenheit führte, wenn es auch bei mir eine Straße in Dresden war. Aus der Vergangenheit berichtet Barbara Thalheim von einem Klassenausflug nach Warschau, der im "Desaster" endete.

Als sie auf ihr älteres Buch "Mugge" kommt und fragt, was Mugge bedeutet, habe ich als Kandidat 100 Punkte, ich rufe: "MUsikalisches Gelegenheits GEschäft". "Super", sagt Barbara Thalheim. Und ich fühle mich einfach gut. In diesem Buch hat sie an Hand von Tagebucheintragungen vieles niedergeschrieben, was interessant ist und was sie erlebt hat.

Barbara Thalheim wollte nach dem anhaltenden Applaus noch ein ganz neues Lied spielen, was sie dann doch nicht tat. Der Abschluss war dann leider etwas abrupt. Missverständnissen geschuldet, was mich etwas traurig machte. Nichts desto trotz: wer Sinn für anspruchsvolle Lieder hat, sollte unbedingt eines der Konzerte von Barbara Thalheim besuchen! Mein Heimweg führte mich wieder einmal durch Wiesen, die vor nicht all zu langer Zeit im Wasser versunken waren - wie der kunsthofgohlis auch. Ich fragte mich dabei selbst, wie lang ich diesen Weg noch gehe. Kann der Veranstaltungsort überleben oder wird er sterben, wie so viele Träume im Leben?
 




Über diesen Bericht könnt ihr in unserem Forum diskutieren.


 
Termine:

• 16.11.2014 - Oderaue - Theater am Rand (Vorpremiere "AltTag")
• 22.11.2014 - Berlin - Babylon (Premiere "AltTag")
• 29.11.2014 - Berlin - Schlossplatztheater (Krampf der Generationen)
• 30.11.2014 - Berlin - Schlossplatztheater (Krampf der Generationen)

Alle Termine ohne Gewähr. Weitere Termine und Infos auf Barbaras Homepage



Bitte beachtet auch:

• Off. Homepage von Barbara Thalheim: www.barbara-thalheim.de
• Homepage vom kunsthofgohlis: www.barbara-thalheim.de
• "Zeitzeugen"-Beitrag: Helft dem kunsthofgohlis: HIER




Fotostrecke:

 
 
 
 
 
 




   
   
© Deutsche Mugge (2007 - 2023)

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.