Meystersinger am 7. November 2014
im Parkbad Süd in Castrop-Rauxel

 

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Ein Konzertbericht von Christian Reder mit Fotos von Frank Süßenbach


Alles ist für das Konzert im Saal vorbereitet. Die MEYSTERSINGER kommen nach Castrop-Rauxel. Die Stuhlreihen stehen, die Bühne ist eingerichtet ... die Musiker können kommen. Vorher müssen wir aber unbedingt noch was essen, denn sonst knurrt uns während der Mugge der Magen. Das geht nicht. Also rüber ins Restaurant im Parkbad Süd. Das gut organisierte Team der Wirtsleute Welz findet für uns dann doch noch ein Plätzchen im komplett ausgebuchten Restaurant, in dem jeder Tisch an diesem Freitagabend reserviert ist. Wir bestellen uns den "Freischwimmer" und den "Hechtsprung". Hinter den pfiffig und passend zu einem (ehemaligen) "Schwimmbad" gewählten Namen für die Speisen verbergen sich ebenso pfiffig angerichtete und extrem leckere Gerichte. Und während wir da so mit "hmmm" und "lecker" in kulinarischen Genüssen versunken sind, öffnet sich plötzlich die Tür.Sofort erkenne ich den Mann, der das Restaurant betritt. Es ist Roman Leitner-Shamov, der männliche Teil des Duo MEYSTERSINGER. Er ist mir sofort sympathisch. Ein umgänglicher und freundlicher Mann, bei dem man gar keine lange Vorlauf- oder Kennenlernphase braucht um sich mit ihm zu verstehen. Ich zeige ihm den Saal und die Bühne, wo das Instrumentarium aufgebaut werden kann. Kurz darauf erscheint auch Luci van Org, der weibliche Teil der MEYSTERSINGER. Ebenso einnehmend (natürlich im positiven Sinne) wie ihr männlicher Kollege freue ich mich sehr, endlich die Frau live und in Farbe kennenzulernen, mit der ich schon zwei Interviews und eine Radiosendung über das Telefon gemacht habe. Sie ist in Natura also genauso nett und locker wie bei den Gesprächen über die längere Distanz. Die beiden Musiker helfen uns bei Deutsche Mugge - ebenso wie Christian Haase eine Woche zuvor - dabei, hier in Castrop-Rauxel eine neue Konzertreihe zu etablieren. Man kann den drei Künstlern dafür gar nicht genug danken, denn sie öffnen uns eine Tür, die wir alleine nicht hätten öffnen können. Kleine Umbauarbeiten was die Bestuhlung betrifft werden nötig, aber das ist mit wenigen Handgriffen erledigt. Jetzt können die Konzertbesucher in einer Reihe sitzen und kommen so auch in den Genuss der Projektionen, die für die Show der beiden ganz wichtig sind. Bei mir fiel der Groschen zwar erst spät und in Cent-Stücken, aber auch ich habe dann verstanden, warum die eigentliche Anordnung nicht funktioniert hätte. Der liebe Roman möge es mir nachsehen ;-)

Der Soundcheck ist schnell erledigt. Es passt alles. Musik und Gesang werden von mehreren Stellen im Saal ausprobiert und es bedurfte keiner weiteren "Justierung" - der Sound und die Lautstärke sind perfekt. Draußen treffen schon die ersten Konzertbesucher ein. Doch noch ist Zeit für eine kleine Stärkung für Luci und Roman. An der Kasse melden sich immer mehr Leute und zahlen den Eintritt.Im Saal nimmt das Ganze jetzt auch Form an. Am Ende sind nur drei Stühle frei geblieben, denn es gab leider kurzfristige Absagen. Höhere Gewalt eben, aber kurz vor dem Startschuss ist der Saal voll. Hinten stehen sogar Konzertgäste und unser Fotograf Frank wuselte sowieso durch den Raum und wollte keinen Sitzplatz.

Um 20:10 Uhr stehe ich nach vergangenem Donnerstag wieder auf der Bühne, und wieder sage ich die Künstler des Abends an. Ich verliere gar nicht viele Worte, denn ein Teil der Gäste kennt die MEYSTERSINGER schon, der andere Teil soll sie selbst kennenlernen. Und dann kommen sie auch schon - beide in reflektierende Anzüge gekleidet ... fast wie Raumfahrer sehen sie aus. Doch ihre Podeste, auf denen sie die ganze Show über stehen werden, besteigen sie noch nicht. Das Licht ist zwar aus, aber es werden noch Getränke geliefert. Luci und Roman wollen sich aber nicht durch Gläserklirren, Geldstückklimpern und Gespräche von Bedienung und Kunden stören lassen, und so improvisieren die beiden Künstler eben solange, bis das letzte Getränk den Besitzer gewechselt hat. Jeder, der mit seinem Getränk in der Hand dann endlich den Platz einnimmt, bekommt vom Publikum Beifall gespendet. Roman gibt gekonnt den Conférencier und bringt das Publikum schon vor der eigentlichen Show zum Lachen. Locker überbrückt er die Wartezeit, bindet seine Bühnenpartnerin mit ein und sorgt dafür, dass keine "peinliche" Pause entsteht. Großartig! Nun sitzen endlich alle. Luci und Roman besteigen je ein Podest, die nebeneinander gestellt sind und die durch ein "Tischchen" getrennt sind, auf dem Romans Fernbedienung für die Musikanlage und ein kleiner Tabletcomputer liegen. "Haifischweide" heißt das erste Stück, das sie ihrem Castroper Publikum kredenzen. Es ist gleichzeitig auch das Stück, das ihrem aktuellen Album den Namen gab. Ohne (!) Mikrophon und zur Musik, die Roman Leitner-Shamov über eben bereits erwähnte Fernbedienung von der Festplatte startet, singen die beiden Künstler ihre Lieder.d 20141110 1040649514Das allein ist schon beeindruckend: Es werden keine technischen Hilfsmittel verwendet und beide bieten sich selbst und ihre Stimmen ganz pur an. Schon im ersten Teil des Programms singen sie mein Lieblingslied. "Selbst alleine" hat von beiden live gesungen eine noch viel intensivere Qualität als es der Song schon auf CD hat. Hier, wie auch bei anderen Songs, bin ich regelrecht angezündet von der Stimme der Luci van Org. Wer heute noch den Fehler macht, sie auf "Mädchen" und LUCILECTRIC zu reduzieren, tut mir leid. Unglaublich, in wie viele Rollen die Frau danach geschlüpft und wie viele Musikarten sie ausprobiert hat. Das MEYSTERSINGER-Programm steht ihr besonders gut. Hier geht sie eine kongeniale Partnerschaft mit Roman Leitner-Shamov ein, die beide überwiegend als Zwei-Personen-Chor, quasi im Satzgesang, ihre Lieder vortragen. Ein ums andere mal bricht einer der beiden Musiker aus und setzt zu einem gesanglichen Solo an. Bei Luci stellt es einem immer wieder die Härchen auf, wenn sie loslegt. Wow! Sie tragen "Kampflieder" und Lieder für "Mondsüchtige" vor. Sie singen über "Wünsche" und die "Reisen" der Menschen, und wechseln dabei innerhalb ihrer elektronischen Musik immer wieder die Farben. Elektronische Musik ist eben nicht immer elektronische Musik. Da gibt es durchaus Unterschiede in der Form, der Geschwindigkeit und überhaupt. Klangkollagen, mystische Synthie-Sounds, tanzbare und "gängige" Melodien und vieles mehr haben sie da für ihre Texte erschaffen.

In mitten ihrer Lieder haben sie eine Geschichte (oder sollte man besser "ein Theaterstück" sagen?) eingebaut. Die Geschichte von "Ding" und "Dong". "Ding Dong" - sowas wie "Yin und Yang", nur eben als Milliarden Jahre alte Urteilchen, die irgendwann und irgendwie zusammengestoßen und seitdem aneinander gekettet sind. Dabei wollen sie das gar nicht wirklich - zumindest "Dong" hat damit zunehmend Probleme, wie wir erfahren. Der etwas überdreht und wankelmütige "Ding" nervt sein Gegenüber "Dong" nämlich inzwischen sehr, und so ist es nicht verwunderlich, dass es zum Streit kommt. Die Geschichte, die die MEYSTERSINGER in drei Teilen im Verlauf der knapp 120 Minuten Konzert aufführen, ist dermaßen witzig und doch so hintergründig sinnig, dass es eine Freude ist, den beiden zuzusehen und zuzuhören. Mit einem "Liebeslied", wie Luci es ansagt, nämlich "Es ist Liebe", schicken uns die beiden MEYSTERSINGER in die Pause und zum Auffüllen von Getränken und Nikotinhaushalten. Die Pause kommt gerade recht, denn die Luft im Saal war zu dem Zeitpunkt extrem verbraucht und aufgeheizt.

Draußen vor dem Parkbad stehen Raucher und Nichtraucher beisammen. Luftschnappen und eben Rauchen. In den Gesprächen hört man immer wieder, dass das, was man hier geboten bekommt, dann doch sehr speziell und unerwartet sei. Wenn man aber so zuhört, ist man sich aber wohl einig, dass das im positiven Sinne zu sehen ist. Es ist eben wirklich kein reines Pop-Konzert wie damals, als Luci noch LUCILECTRIC war und zeitgemäße Musik für Jedermann machte. Darum verlässt auch keiner vorzeitig und heimlich das Konzert.c 20141110 2044768107Nur mein Freund Bernhard muss schweren Herzens das Konzert zur Halbzeit verlassen. Sein Wecker klingelt schon früh am Morgen und er muss arbeiten. Vielleicht hätte man doch eine Stunde eher beginnen sollen. Aber wir lernen ja noch ... Alle anderen nehmen ihre Plätze wieder ein und freuen sich auf den zweiten Teil.

Diesen zweiten Teil beginnen die beiden Künstler mit dem Lied "Geht's Dir gut da" vom Debüt-Album "Trost". Und dieser Song geht tief. Er trifft mich genau an der Stelle, die sich wie ein blauer Fleck auf der Seele anfühlt. Da wo es einen trifft, wenn man schon Verluste erlebt hat. Wenn ein Mensch (oder mehrere) bereits gegangen ist, und man ihn/sie noch lange und wohl bis zum eigenen Ende vermissen wird. "Geht's Dir gut da wo Du bist | Hab Dich manches Mal vermisst". Gänsehaut und ein Klos im Hals. Die Musik und der Text passen so gut zusammen, dass man - wenn man nach einem Lied zu diesem Thema bisher gesucht hat - nie wieder auf die Suche gehen muss. Besser kann man es nicht ausdrücken! Direkt im Anschluss spenden uns Luci und Roman dann aber auch eine ganze Portion "Trost" und den dritten Teil von "Ding und Dong", bei dem das Publikum abermals nicht am herzhaften Lachen vorbei kommt. Roman - dies sei hier noch kurz erwähnt - ist ja auch Schauspieler, und in dieser Rolle des "Ding" geht er förmlich auf. Schaut man ihm dabei zu merkt man, wie tief er in dieser Geschichte steckt. Er spielt diesen "Ding" richtig überzeugend. Luci nicht weniger, auch wenn ihre Rolle etwas kleiner zu sein scheint. Ihre Mimik und ihre Gesten sind einfach nur klasse und auch im gesprochenen Stück passen beide Künstler hervorragend zusammen. Hier haben sich wirklich zwei gesucht und gefunden. Im Anschluss an den letzten "Ding und Dong"-Teil ist die Stimmung der beiden ziemlich locker. Das Lied "Kein Märchen" wird angestimmt und Roman bekommt einen Lach-Flash, ausgelöst durch einen falschen Einsatz Romans, der den ganzen Ablauf des Stücks incl. Playback komplett über den Haufen wirft. Das Lied singen? Geht nicht. Die Musik läuft und Roman lacht und lacht. Steckt prompt seine Partnerin an und das Lied muss gestoppt werden. Ein neuer Versuch. Luci piekt Roman an der Stelle in die Seite, wo sein Einsatz ist, und ... wieder bricht er in Lachen aus. Wieder nix. Nochmal. Inzwischen hat Roman den kompletten Saal angesteckt und das Publikum kann auch nicht anders, als zu Kichern und zu Lachen. Der dritte Versuch, das Lied wird neu gestartet. Romans Einsatz? Perfekt ... es läuft. Doch das Lachen kann er immer noch nicht richtig unterdrücken. Er strengt sich an und letztlich gelingt es ihm auch. Die Textzeile "Und es geht doch gut aus | auch wenn es schlecht beginnt" passt an dieser Stelle so gut, wie der sprichwörtliche Nagel auf den Kopf.
 
Das Lied "Angst" muss ich unbedingt noch erwähnen. Musikalisch stark an KRAFTWERK erinnernd ist auch die Botschaft dieses Stücks einmalig. Es geht um den Umgang mit eigenen Ängsten. Die Angst wird hier persönlich angesprochen, also wie eine Person behandelt, und am Ende stellt man fest, dass es eigentlich doch nur ein ziemlich kleines Ding ist, diese Angst. Man braucht nicht für alles einen Therapeuten. Manchmal hilft auch schon ein Lied. Eins wie "Angst" von den MEYSTERSINGERN.
 
Während der gesamten Show der MEYSTERSINGER stehen die beiden Künstler auf zwei Podesten und verlassen diese auch nur zur Pause und am Ende. Auf ihre Anzüge wird - passend zu jedem Song - eine Projektion geworfen. Mal ist ein Straßenverlauf auf den Körpern beider Musiker zu sehen.
Setlist:

• Haifischweide
• Wie Du scheinst
• Reise
• Ding und Dong (Teil 1)
• Selbst alleine
• Keine Fragen
• Ja, ich will
• Wunsch
• Schläfst Du schon?
• Ding und Dong (Teil 2)
• Es ist Liebe
---- Pause ----
• Geht's Dir gut da?
• Trost
• Ding und Dong (Teil 3)
• Keine Märchen
• Angst
• Am Ende aller Dinge
---- Zugaben ----
• Und ich tanz
• Die Weite
• Wie das Meer
Bei anderen Stücken kommen platzende Glühbirnen, lodernde Feuer, Hochhauszeilen, Blut, und beim Friedenslied am Ende taucht plötzlich sogar ein vietnamesischer Soldat auf den Bäuchen von Luci und Roman auf. Diese Projektionen sind nicht irgendwie zufällig sondern handverlesen und passgenau ausgesucht. Egal ob eine laufende, grüne Figur - ähnlich der eines Ampelmännchens - oder ein Bienenschwarm, die über die reflektierenden Anzüge der beiden Künstler zu sehen sind, sie haben alle einen Bezug zum Text. Mal direkt, mal über sieben Ecken. Sie sind ein ganz wichtiger Teil der MEYSTERSINGER-Show und sowohl die Texte als auch die Projektionen verlangen absolute Aufmerksamkeit vom Publikum, denn sie bilden eine Symbiose. Es gibt also viel zu entdecken!
 
Nachdem der letzte Ton des letzten regulären Songs verklungen war und sich beide Musiker auch schon vom Publikum verabschiedet hatten, verließen Luci und Roman ihre Podeste und entfernten sich Richtung Ausgang. Das Publikum applaudierte lautstark und der Applaus verwandelte sich in ein rhythmisches und forderndes Klatschen. Luci und Roman kehrten natürlich nochmal zurück und Roman merkte augenzwinkernd an, dass man so gar nicht damit gerechnet habe, dass von ihnen eine Zugabe verlangt würde. Diese sollte es aber noch geben, aber nicht, ohne vorher einen gespielten Witz - wie einst Dieter Hallervorden - zum Besten zu geben. Die Ankündigung und die einleitenden Worte zu diesem Witz dauerten allerdings länger, als der Witz selbst. Von der Komik her gehörte allerdings die Einleitung schon mit dazu. Drei weitere Lieder bekam das Castroper Publikum noch als Zugaben zu Hören, dann beendeten die MEYSTERSINGER um nach 22:00 Uhr ihren Auftritt im Parkbad Süd.
 
Dass Luci van Org und Roman Leitner-Shamov Künstler zum Anfassen sind, bewiesen sie bei der anschließenden Autogrammstunde mit CD Verkauf. Sie selbst standen hinter dem Tresen, signierten ihre CDs und tauschten sie gegen Geld ein. Die Konzertgänger nutzten die Gelegenheit für Gespräche, gemeinsame Fotos und den Kauf einer oder mehrerer CDs. Der Saal lichtete sich so langsam und die Konzertbesucher gingen nach Hause. Beim anschließenden gemeinsamen Zusammensitzen in der Garderobe werteten wir den Abend bei Getränken und Flammkuchen aus. Irgendwann - der neue Tag war schon angebrochen - trennten sich dann unsere Wege. Luci und Roman fuhren in ihr Hotel und wir Richtung "Heim Hund Herd". Wir freuen uns sehr darüber, dass wir mit beiden Konzerten - Haase und MEYSTERSINGER - eine positive Bilanz ziehen können, so dass weiteren Muggen dieser Art im Parkbad Süd nichts im Wege stehen dürfte. Danke an alle Beteiligten für Ihr Dazutun. Auf zum nächsten Konzert. Gleiche Stelle, andere Kapelle!



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Termine:

• 15.11.2014 - Chur (CH) - Resort K
• 21.11.2014 - Leipzig - Absintheria Sixtina
• 27.12.2014 - Berlin - Äetherologe (Gastauftritt)

Alle Angaben ohne Gewähr. Nähere Infos und weitere Termine auf bandeigenen Homepage.



Bitte beachtet auch:

• Off. Homepage der Meystersinger: www.meystersinger.com
• Homepage vom Parkbad Süd in Castrop-Rauxel: www.parkbad-sued.de
• Portrait über Luci van Org: HIER




Fotostrecke:
 
 
 
 
 


Videoclips:

"Angst" (Off. Clip) - VÖ: 09.11.2014


"Selbst alleine" (Off. Clip) - VÖ: 01.05.2014


Songs aus dem aktuellen CD-Album "Haifischweide". Zu beziehen sind die
CDs über den Shop der Meystersinger im Internet und bei ihren Konzerten.





   
   
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