Christian Haase am 30. Oktober 2014
im Parkbad Süd in Castrop-Rauxel

 

 

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Ein Konzertbericht von Christian Reder mit
Fotos von Frank Süßenbach und Elmar Rahn


Irgendwie ist Frühling mitten im Herbst. An einem Donnerstag, Ende Oktober, parkt ein weißer Transporter mit der Aufschrift "Haase & Band" auf einer Kreisstraße mitten im Ruhrgebiet. "Alles was gut ist" hat der Fahrer dieses Transporters, Christian Haase, im Gepäck, denn am Abend dieses sonnigen Tages wird er das erste von Deutsche Mugge veranstaltete Konzert im Ruhrpott geben. Zuerst aber wird sich mit Kaffee und Kuchen beim Veranstalter der Mugge gestärkt und im Gespräch erfahren wir die Neuigkeiten aus dem Haase-Land und auch etwas darüber, welchen Eindruck die Gegend und gerade die Stadt Castrop-Rauxel ("für uns Berliner bzw. Leipziger fast unaussprechlich") mit seinen Resten und Überbleibseln der längst vergangenen Zechen-Ära auf ihn macht. Man stellt fest, dass die Menschen im Osten und im Westen mit dem Strukturwandel völlig anders umgegangen sind und auch heute noch umgehen. Trotzdem sei man voneinander gar nicht so weit entfernt, wie viele Leute glauben und andere uns weismachen wollen. Der Kuchen ist verputzt, die Kanne Kaffee geleert ... dann startet der Treck in Richtung Veranstaltungsort, denn es muss für den Abend ja alles noch vorbereitet werden. Der Saal (hier befanden sich die Damen-Umkleideräume des 1992 geschlossenen Parkbads - ist schnell für den Abend hergerichtet. Christian baut sein Instrumentarium auf und checkt den Ton. Das Keyboard steht, die Gitarre ist gestimmt und die Boxen vom Sound her auf den Raum eingestellt. Alles startklar ... doch noch sind fast drei Stunden Zeit bis zum Beginn des Gigs. Fast sechs Jahre nach dem letzten Konzert von Deutsche Mugge, damals im Juli 2008 mit BERLUC in Altenburg, und knapp zwei Jahre nach der "Deutschen Mugge" in Berlin, laden wir also wieder zu einem Konzert ein. Dass dieses stattfinden kann, ist zu einem großen Teil auch der Verdienst von Christian Haase. Und wir beide betreten am 30. Oktober 2014 Neuland ... Christian Haase als Musiker auf einer Bühne tief im Westen und unser Verein in Sachen Organisation von Club-Konzerten. Zu den Veranstaltern gehören neben Deutsche Mugge auch der Verein "Hände weg vom Stadtgarten e.V.", der dafür sorgt, dass das Parkbad sowohl von innen als auch von außen mit Leben gefüllt wird, und die Gastronomie im Inneren, die von den Eheleuten Welz betrieben wird. Wer einmal Castrop-Rauxel besucht, sollte einen Abstecher ins Parkbad unbedingt einplanen. Von allen "Sehenswürdigkeiten" ist das hier das schönste, und das Essen im darin befindlichen Restaurant ist ausgezeichnet. Wer es gesehen und erlebt hat wird verstehen, warum wir ausgerechnet hier unsere Muggen veranstalten wollen ...

Um 19:00 Uhr treffen die ersten Konzertgäste ein. Freunde und Familienmitglieder sind darunter, aber auch Gesichter, die man schon länger nicht gesehen hat und auch fast nicht wiedererkannt hätte. Schöne Grüße nach Herne! Was würde die Konzertgäste erwarten? Christian Haases Programm war in zwei Teile aufgeteilt. In beiden Teilen brachte er eine bunte Mischung aus seinem bisher erarbeiteten Songfundus, gespickt mit ausgewählten Fremdkompositionen, unter. Neben überwiegend selbst geschriebenen Songs befanden sich auch Kompositionen von Springsteen, John Lennon und Gerhard Gundermann auf der Setlist. So z.B. das Lied "Ich mache meinen Frieden", das ich mir vor dem Konzert noch von meinem Namensvetter gewünscht hatte. Es ist kurz vor 20:00 Uhr, als Christian Haase von einem Spaziergang im Stadtgarten (Park) zurückkehrt. Er war noch schnell Luft und Kraft tanken - die Gegend erkunden und die Wartezeit bis zum eigenen Auftritt verkürzen.b 20141031 1268495069 Christian ist startklar und ich bin es auch. Um kurz nach 20:00 Uhr stehe ich an der Stelle, wo kurz darauf der Künstler des Abends sein Publikum begrüßen wird. Ein paar kurze und einleitende Worte richte ich ans Publikum und bitte dann auch schon den Musikanten auf die Bühne, der ohne lange Vorrede in die Saiten greift.

Die ersten Töne eines Bruce Springsteen-Songs erklingen. Gerhard Gundermann, der singende Baggerfahrer aus der Lausitz, hat für diesen Song vor einigen Jahren einen deutschen Text geschrieben, den Haase gleich als erstes zum Vortrag bringt. Es gibt mehr als nur eine Verbindung zwischen Christian Haase und Gerhard Gundermann. Die alle in einem kurzen Bericht aufzuzählen, würde den Rahmen sprengen, aber zwei ganz wichtige Punkte sollte man schon erwähnen: Christian Haase spielte bereits eigene Programme, die mit Gundermann-Liedern bestückt waren, und er ist inzwischen auch Frontmann der SEILSCHAFT, Gundermanns ehemaliger Band, mit der er bis zu seinem Tod im Jahre 1998 auf Tourneen und im Studio war. Hier kopiert er Gundermann aber nicht, sondern interpretiert die Lieder des Lausitzers auf seine Weise. Und das kommt beim Publikum sehr gut an. Nach dem Opener nimmt sich Haase ausreichend Zeit, sein Publikum zu begrüßen. Er erklärt auch gleich, welch großes Wunder es ist, dass man jetzt gerade im Moment zusammen im Parkbad sei, um ein Konzert gemeinsam zu erleben. Wie viele Menschen eigentlich dafür verantwortlich sind und wie viele Generationen es brauchte, dass dieser Zufall zustande kam. Als Christian so redet, hängt das Publikum ihm bereits an den Lippen. Gesetzte Pointen werden mit Lachen quittiert, die Quintessenz seiner kleinen Ansprache mit Applaus aufgenommen. Das viel zitierte Eis musste gar nicht gebrochen werden, denn der See war von Anfang an erst gar nicht zugefroren. Von diesen Momenten zwischen den Songs sollte es noch einige mehr geben. "Bin, wie ich bin" ist der zweite Titel, den uns der blonde Musiker spielt. "Ich bin lieber mal im Unrecht | Lieber bin ich der Idiot | Als schweigend ohne Meinung | Nichts zu sagen bis zum Tod", heißt es darin und er spricht damit offenbar allen im Saal aus der Seele. Für mich kein Wunder, dass Haase auch die Leute in anderen Ecken des Landes erreicht. Man muss sie halt nur auf ihn aufmerksam machen, denn Unterstützung von irgendwelchen Medien bekommen Künstler wie er ja nicht mehr. Nickend stimmen ihm einige Leute während des Stücks zu und lauschen ihm still. Ja, eine "Mitklatsch-Veranstaltung" ist dieses Konzert definitiv nicht. Nur ein einziges Mal fordert Christian Haase sein Publikum zum Mitmachen auf, und das war im zweiten Teil des Konzerts beim Song "Stell Dir vor", seiner deutschen Version von Lennons "Imagine". Und hier passte es auch ganz gut ...

Lieder wie z.B. "Jacke am Kap Horn", "Überleben", "Höflich sein" oder "12 1/2" hat der junge Wahl-Berliner nach Castrop mitgebracht und im ersten Teil seines Konzerts eingebaut. Immer wieder erzählte er kleine Geschichten zwischen seinen Liedern. Immer wieder waren sie gewürzt mit kleinen Gags und lockeren Sprüchen, mit denen er das Publikum ein ums andere Mal zum Lachen brachte.c 20141031 1251080729 Es ist schier unmöglich, sich all die Geschichten und ihre Einzelheiten zu merken, denn dafür reicht ein einziger Besuch beim Haasen nicht aus. Aber Vieles bleibt irgendwie im Gedächtnis. Er erzählte u.a. darüber, wie er zu Horrorfilmen steht, und dass er bis vor ein paar Jahren nie einen dieser Filme gesehen habe. Erst Freunde hätten ihn dazu überredet, mit ihnen gemeinsam und bei voller Beleuchtung (damit er sich nicht fürchtet) einen dieser Streifen anzuschauen. Das wäre dann auch der Tag gewesen, den er erstmals schlafend in einer Küche beendet habe, weil er sich nicht mehr über den großen und weiten Flur in sein Schlafzimmer getraut habe. In diesem Zusammenhang berichtete er auch über seine Schwester, mit der er sich in der Kindheit ein Zimmer teilen musste und die sich lange einen Spaß daraus gemacht hat, ihn zu Tode zu erschrecken. Was passt da besser, als das Stück "Schwarzer Mann" folgen zu lassen? An einer anderen Stelle merkte er an, dass die Jahreszeit Herbst wohl nur etwas für die eher morbide eingestellten Zeitgenossen sei, denn "wer schaut schon gern Dingen beim Sterben zu"? Zum Thema gemacht wurde auch Haases Umzug von Leipzig nach Berlin - in die große Stadt. Es zog ihn in den Ortsteil Friedrichshain von Berlin, weil da das Leben pulsierte. Es gab einen Supermarkt, der 24 Stunden geöffnet hatte, es gab Straßen-Cafés und Klubs, und es war rund um die Uhr Leben im Kiez. Aber irgendwann geht einem soviel Leben dann doch auf die Nerven, besonders dann, wenn man in mehreren Nächten durch die bierselige Stimmung einiger "Nachbarn" und die daraus resultierende Lust auf lauten Gesang kein Auge mehr zumachen könne. "So schnell wird man zum Spießer", merkte Haase augenzwinkernd an und begann das Lied "Tomatensaft" zu spielen. Vor dem Stück "Die Irren" erzählte uns Haase von einem Bürgermeister, in dessen Ort der Friedhof so überfüllt war, dass man dort hätte anbauen müssen. Egal auf welch höhere Instanz er zugriff, keiner wollte ihm helfen und die benötigen Gelder zur Verfügung stellen. Also erließ dieser Bürgermeister kurzerhand ein Sterbeverbot in seinem Ort. Und weil sich schon in den ersten Monaten einige der Bürger an das neue Gesetzt "nicht halten wollten", wandte er sich wieder an die übergeordneten Stellen und bekam letztlich die gewünschten Mittel. Merke: Nicht alles hinnehmen, wie es kommt und auch mal zu unkonventionellen Mitteln greifen, um sein Ziel zu erreichen.

Im zweiten Teil des Abends wurden wir auch in die Welt der Fabeln entführt. Die Geschichte von der Wolke und der Düne mit der Botschaft, "Die Liebe stirbt nie, sie verändert sich nur", berührte die Konzertgäste am Herzen. Dafür ging die Fabel vom Bären, der eine Todesliste geschrieben hätte, direkt ans Zwerchfell. Held dieser Bären-Geschichte ist übrigens ein Ha(a)se, der auf pfiffige Art und Weise sein Leben rettet und uns alle lehrt, dass wir mehr miteinander reden sollten. Zum "Neurosenbeet" griff Christian zur Mundharmonika und merkte an, dass er bis vor kurzem gar kein Bob Dylan Album in seinem Regal hatte. Dies hätte er dann aber geändert und festgestellt, dass es gar nicht nötig gewesen sei, eins zu haben. Mit den Worten, "So gut wie ein Neil Young bin ich an der Mundharmonika nicht, aber besser als Bob Dylan allemal", leitete er das Lied ein. Waren einige von Christians Erzählungen nur Überleitungen zum nächsten Song, so hatten sie doch fast alle immer einen Hintergrund, um dem Zuhörer etwas mit auf den Weg zu geben.d 20141031 1761175080 Auch in seinen Liedern stecken diese Botschaften, und Haase arbeitet in seinen Texten nicht selten mit Metaphern, einem Stilmittel, dem man in der heutigen Musik "Made in Germany" immer seltener über den Weg läuft. Man muss also gut aufpassen, was er uns da in seinen Liedern verpackt hat. Auch der zweite Teil des Programms beinhaltete eine Reihe toller Songs, so z.B. "Bronzemedaille", mit dem er aus der Pause zurück kam und die zweite Runde einläutete, "Alte Schwerter", "Sieht nach Regen aus" und "Kompass nach Süden".

Im Parkbad von Castrop trat Christian Haase mit seinem Solo-Programm auf. Sonst mit einer vierköpfigen Band unterwegs, präsentiert der Rockpoet seine Lieder auch ab und zu ganz pur und ohne großes Besteck. Gitarre, Keyboard und Mundharmonika - mehr braucht er dafür nicht. Einzelne Lieder vom Donnerstagabend herauszupicken und als Highlight zu bezeichnen, geht gar nicht. Das komplette Konzert war ein Highlight! Einen in diesem Winkel Deutschlands doch eher noch unbekannten Künstler auf eine Bühne zu stellen birgt immer die Gefahr, dass es keinen interessiert und der Saal leer bleibt. Blieb er aber nicht. Und dass Haase im Ruhrpott ankommt, wurde auch dadurch deutlich, dass das Publikum ordentlich Applaus spendete und Rabatz machte, als Haase die Bühne um kurz nach 22:00 Uhr verlassen wollte. Man wollte mehr von ihm hören, und so ließ er sich auch gar nicht lange bitten. "Du vom Dorf", mit einer extra angehängten und vom Künstler in niederländischer Sprache gesungenen Strophe, war eine der Zugaben. Auch "Fledermäuse" gehörte zum Nachtisch dazu. Mit einer letzten Geschichte, nämlich die vom Gurkenglas und seinem Professor an der Uni, sowie dem sich anschließenden Song "Wenn man liebt" verabschiedete sich Christian dann endgültig vom Castroper Publikum, verbunden mit dem Wunsch, vielleicht auch im nächsten Jahr wieder hier in Castrop spielen zu dürfen. Christian Haase - ob mit oder ohne Band - muss man einfach erlebt haben. Vor allem deshalb, weil sich die Atmosphäre und die Stimmung so schlecht in einem Bericht einfangen lässt. Mein Bericht gibt nur einen Bruchteil dessen wieder, was einem ein Abend mit Christian Haase bieten kann. Die Art und Weise, wie er als Entertainer durch den Abend führt, wie er seine Geschichten - gesprochen oder gesungen - rüber bringt, erreicht jeden im Saal und ist absolut bemerkenswert. Haase ist ein echter Vollblut-Musiker. Keiner, der am Ende des Tages das Geld, sondern die glücklichen Gesichter im Publikum zählt. Er liebt seinen Job und betrachtet es als seine Mission, durchs Land zu reisen, und seine Lieder zu verbreiten. Und wenn ihn eine seiner Reise in Eure Stadt oder Dorf führt, dann solltet Ihr die Gelegenheit beim Schopfe packen und den reisenden Rockpoeten besuchen. Das Konzert am Donnerstagabend in Castrop-Rauxel war jedenfalls ein Geschenk - für die Sinne, den Verstand, die Liebe zur Musik und überhaupt. Am Tag danach parkte der weiße Transporter mit der Aufschrift "Haase & Band" noch einmal an der Kreisstraße in Castrop-Rauxel. Noch einmal gibt es Kaffee und ein nettes Gespräch. Wir sehen uns wieder - Herzlichen Dank für alles, Christian!



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Termine:

• 29.11.2014 - Berlin - Schlossplatztheater (Akustisch)
• 30.11.2014 - Berlin - Schlossplatztheater (Akustisch)
• 05.12.2014 - Dresden - Club Passage (Solo)
• 06.12.2014 - Joachimsthal - Heidekrug (Solo)
• 23.12.2014 - Müncheberg - Landhaus Luckas (Solo)

Alle Termine ohne Gewähr. Weitere Termine und nähere Infos auf Christians Homepage.



Bitte beachtet auch:

• off. Homepage von Christian Haase: www.haase-band.de
• Homepage vom Parkbad Süd in Castrop-Rauxel: www.parkbad-sued.de
• Portrait über Christian Haase: HIER





Fotostrecke:

 
 
 
 




   
   
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