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Ein Bericht mit Fotos von Anita Rose

"Schweriner" Highlight in Sachen Blues
Schon bevor die Einladung bei mir im Postfach landete, freute ich mich auf dieses Bluesfestival. Im Vorjahr durfte ich es zum ersten Mal besuchen und war begeistert vom top Act CRAZY CHRIS KRAMER und den weiteren anwesenden Künstlern. Gerhard Hatscher ist der Initiator dieses Festivals und hat sicher auch in diesem Jahr für ein abwechslungsreiches Programm gesorgt - Bluesmusiker aus eigenen Landen; es muss nicht unbedingt einen Joe Cocker, Joe Bonamassa oder Eric Clapton sein, um Blues zum Ausdruck zu bringen. Da gibt es in unserem Land sehr gute Eigengewächse! Am Samstagabend bekamen wir da gleich drei geboten: Den Abend eröffnen sollte der Dortmunder Boogie-Pianist HUGGY BORGHARDT. RICHIE ARNDT sollte mit seinem Akustik-Trio ebenso dabei sein, wie die Castroper Musiker GERHARD HATSCHER (Akustik-Gitarre und Gesang) und THILO HATSCHER (Saxophon) mit der Gruppe ACOUSTIC RAMBLERS, die das Publikum bereits im Jahre 2012 an gleicher Stelle begeisterten. Ich war schon im Vorfeld davon überzeugt, dass diese Veranstaltung eines der wenigen echten Highlights im Castroper Veranstaltungskalender 2014 sein würde. Treffen einige der Konzerte auf Castroper Boden nicht wirklich den Nerv des Musikliebhabers, ist das Castroper Bluesfestival da eine echte Abwechslung. Hier geht es noch um die Musik - den Blues! Ich möchte diese Musikrichtung mit einem guten, mindestens 12 Jahre gereiften Whisky bezeichnen, den man einfach nur genießt und nicht planlos in sich hineinschüttet. Auf dieser Veranstaltung war dann auch eher mit dem etwas gesetzteren und reiferen Publikum zu rechnen.

Das "Haus Oe" im Castroper Stadtteil Schwerin ist für so eine Blues-Mugge dann auch der ideale Ort. Die Vorzüge und der Charme dieser Location wurden bereits im Bericht aus dem letzten Jahr ausführlich beschrieben (siehe HIER). Es fällt bei jedem Besuch immer wieder auf, dass das "Haus Oe" völlig ohne künstlichem Glanz auskommt. Das braucht es auch gar nicht, denn die langjährige Geschichte ist hier in jeder Ecke und jedem Winkel spür- und greifbar. Früher einmal das Ziel vieler Castroper Bürger zum Essen, später als Arbeiterkneipe für die Kumpel vom Pütt und Szenetreff, zeigt sich das "Haus Oe" heute mit einem schlichten, aber gemütlichen Inneren und u.a. auch als Veranstaltungsgaststätte.

Als meine Begleitung und ich im "Haus Oe" eintrafen, war das Lokal noch spärlich besetzt und auch der Saal, in dem das Konzert stattfinden sollte, war noch jungfräulich. Nur der Fanartikelstand wurde grade aufgebaut. Auf der Bühne spielte sich HUGGY BORGHARDT am Piano ein. Es dauerte noch ein Weilchen, bis ich Gerhard Hatscher, den Initiator des Bluesfestivals und Gitarristen der ACOUSTIC RAMBLERS, traf.a 20141030 1385753571 Er begrüßte uns freundlich und fand noch lobende Worte für die Berichterstattung über das Bluesfestival bei Deutsche Mugge im letzten Jahr. Ein kurzer Smalltalk über die Szene in Castrop-Rauxel, und schon war er wieder mitten in der Organisation des Abends. Auch andere bekannte Gesichter waren auszumachen, u.a. ein alter Bekannter, der mir als Tipp für weitere Konzertbesuche noch drei andere Lokalitäten mit interessanten Programmen empfahl. Mal schauen, ob wir demnächst auch von dort berichten werden.

HUGGY BORGHARDT
Bald darauf betrat Gerhard die doch eher spärlich eingerichtete Bühne, um den ersten Programmpunkt anzukündigen. Auch für die Sponsoren, eine bekannte Brauerei und eine ortsansässige Kornbrennerei, und das Kultur-Büro Castrop fand Hatscher ein paar Worte des Dankes. Wer sich mit dem Veranstalten von Konzerten beschäftigt weiß, wie schwierig es ist, Unterstützer und Sponsoren zu finden. Dann gab er die Bühne frei für HUGGY BORGHARDT, den aus Dortmund stammenden Pianisten. Dieser begann zuerst mit einem Medley, das schon den ersten Konzertbesucher zum Tanzen animierte. Leider sollte es bei BORGHARDTs Auftritt fast der einzige Tanz bleiben. Später ließ noch eine jüngere Dame aus dem Publikum auf dem vor der Bühne freigelassenen Platz das Tanzbein schwingen, das war es dann aber auch mit der Begeisterung des Publikums für BORGHARDTs Auftritt. Mit dem Bluespiano scheint das so eine Sache zu sein, das war zumindest mein Eindruck, denn so richtig schien das Publikum damit nicht warm zu werden. Das merkte dann am Ende auch der Künstler selbst, der die Frage in den Saal stellte, "Seid Ihr noch bei mir?" HUGGY und sein Vortrag erinnerten mich irgendwie an einen Pianisten aus Western-Filmen, der im Saloon spielend nicht die verdiente Beachtung findet. Die Unruhe im Saal trug zu all dem noch den Rest bei. Das war störend und obendrein auch unhöflich. Aus meiner Sicht muss ich allerdings auch sagen, dass ich dem von HUGGY BORGHARDT gespielten Set etwas zwiegespalten gegenüber stand. Das Pianospiel war sauber, und daran war nun wirklich nichts auszusetzen. Allerdings ist seine Gesangsstimme sicher nicht jedermanns Sache. Auch bei mir kam der Musiker nicht richtig an. Das mag aber auch daran liegen, dass ich persönlich mehr auf die härteren und dreckigeren Bluesstimmen abfahre. Musikalisch waren die Grenzen vom Blues zum Jazz fließend. Es erinnerte vom Klang her - meiner Ansicht nach - weniger an die schnell und fröhlich klingende Spielart des Boogie Woogie, sondern eher an die filigranen und verschnörkelten, zur E-Musik neigenden Sounds von Keith Emmerson (Emmerson Lake & Palmer). Diese ist dann auch eher für eine ruhigere, entspanntere Umgebung ausgelegt, und nicht für einen Saal, in dem der Künstler von den teilweise immer lauter werdenden Gesprächen der Gäste fast übertönt wird. Der Wunsch nach einer Zugabe war dann auch eher spärlich. Mir hat aus HUGGYs Auftritt das Stück "Big Boss Man" am besten gefallen, bei dem der Musiker in seiner Anmoderation erwähnte, dass wohl jeder die Probleme mit dem Boss auf der Arbeit zumindest schonmal gehört hat. Er selbst kenne sie besonders aus seiner Tätigkeit als Betriebsratsmitglied. Nachdem HUGGY die heute anscheinend eher undankbare Aufgabe als erster auftretender Künstler bei einem Festival beendet hatte, wurde die Bühne rasch für den nächsten Programmpunkt umgebaut.

ACOUSTIC RAMBLERS
Die ACOUSTIC RAMBLERS traten als Trio auf, wurden im Verlauf ihres Konzerts aber noch durch HUGGY BORGHARDT an den Tasten verstärkt. An dieser Stelle sei bereits erwähnt, dass BORGHARDT hier vom Publikum dann endlich auch den gebührenden und absolut verdienten Applaus bekam, den er eigentlich schon bei seinem Auftritt hätte ernten müssen! Zur Besetzung des Trios gehörten am Samstag Gerhard Hascher an der Gitarre, sein eigens für diesen Abend aus Heidelberg "eingeflogener" Sohn Thilo an der Querflöte, am Saxophon und Cajón, sowie Wolfgang Furth an der Blues-Harp und am Gesangsmikrophon. Es muss an dieser Stelle noch erwähnt werden, dass Thilo Hascher sozusagen ins kalte Wasser geworfen wurde, denn er hatte vorher überhaupt keine Gelegenheit, mit den anderen Musikern zu proben. Gerhard und Wolfgang durfte ich schon im letzten Jahr in etwas größerer Besetzung, unter anderem auch begleitet von CRAZY CHRIS KRAMER erleben und war schon gespannt, wie sich die diesjährige Besetzung schlagen würde. Auffällig war für mich schon anfangs, dass die Bühne für die Combo nicht grade optimal war, auch was die Ausleuchtung anging. Am Sound gab es dagegen nichts auszusetzen. Thilo wirkte auf seinem Platz ein bisschen verloren, was auch grade das Fotografieren seiner Person erschwerte. Ich hätte ihm im wahrsten Sinne des Wortes ein wenig mehr Rampenlicht gegönnt. So schien es, dass er zumindest optisch ein zurückhaltendes Dasein fristete und sozusagen bescheiden im Hintergrund agierte. Gerhard und Wolfgang merkt man an, dass beide aufeinander eingespielt sind. Dabei ist Gerhard ein wenig mehr der hintergründige und pragmatische Musikant, wohingegen Wolfgang der agierende, erklärende und antreibende Teil der Kapelle zu sein scheint. Seine Ausführungen zu den Titeln waren sehr bildhaft und abwechslungsreich. Besonders gefallen hat mir die Anmoderation zu "Diving Duck" (tauchende Ente). Da war die Rede von einer Ente, die in einem Fluss voll Whisky taucht und nie wieder auftauchen möchte. Wenn es ein guter Tropfen sei, sei das eine feine Vorstellung. Der Song an sich war auch sehr eingängig und Wolfgang zeigte auch hier, wie gut er es versteht, die Zuhörer mitzunehmen. Gerhard an der Gitarre, sein Sohn Thilo, sowie auch später noch HUGGYs Tastenspiel, sorgten für den musikalischen Teppich auf dem Wolfgangs Stimme getragen wurde. Zugegeben, Wolfgang besitzt ganz sicher nicht die Röhre eines Joe Cocker, seine Stimme ähnelt dafür aber mehr dem samtweichen Vortrag eines Paul Anka oder Michael Buble - also sehr angenehm! Und darum wird auf der Bühne auch weniger gerockt, sondern eher mit Elementen des Swing gearbeitet. Auch im Programm standen die Songs "St. James", eine langsame Ballade mit wunderschöner Saxophon-Untermalung, und der "Banker Blues", bei dem es vor der Bühne in Sachen Tanzwut immer mehr und enger wurde, und bei dem die Fotografen schon ein wenig mehr achtgeben mussten, dass sie nicht umgetanzt werden. Bei "Dirty Low Down And Bad" fühlte ich mich in das alte New Orleans versetzt. Es fehlte nur noch das Tuten der Schaufelrad-Dampfer und leise Klänge des Mardi Gras im Hintergrund. Die Vergangenheit dieser geschichtsträchtigen Gegend Amerikas bleibt lebendig, und für mich trugen die ACOUSTIC RAMBLERS am Samstag ein Stück dazu bei. Mit "Don't Know Where I'm Going" stand auch ein Rory Gallagher-Song mit auf der Setlist. Zum Titel "King Of The Road", bei dem Wolfgang zur hohen Kunst des Fingerschnippens aufrief, erklärte dieser mir später, dass jeder diesen Song kenne, ihn aber so gut wie niemand ihn live spielen würde. Mit dem Lied "Let's Work Together", einem alten Song von Willbert Harrison, der später von Canned Heat und unter dem Titel "Let's Stick Together" von Bryan Ferry gecovert wurde, neigte sich der Auftritt der Band dem Ende zu. Hierbei wurde das Trio - wie schon erwähnt - zum Quartett, bei dem HUGGY mit an den Tasten agierte und es dadruch eine fulminante Performance wurde. Die Damen und Herren vor der Bühne hatten sich im wahrsten Sinne warm getanzt und der Saal brodelte - schon während des Auftritts der ACOUSTIC RAMBLERS wurde die Stimmung von Akkord zu Akkord immer besser. Mit "Flip Flop And Fly" endete ein fulminanter Auftritt der Musiker, der wirklich kaum Wünsche offen ließ, und der ein gut bestelltes Feld für den nächsten und letzten Programmpunkt hinterließ. Der abschließende Applaus war die verdiente Würdigung für das Trio. Mich selbst als glühendem Anhänger von Ian Anderson (Jethro Tull) hatte die Einlage von Gerhard an der Querflöte am meisten beeindruckt. Dieser erklärte mir später, dass es das einzige Stück sei, das er mit diesem Instrument begleiten könne. Die nun etwas längere Umbauphase wurde verstärkt zum Ordern von flüssigem Nachschub genutzt. Auch die Ladies and Gentlemen, die vor der Bühne das Tanzbein schwangen (es wurden im Laufe des Abends immer mehr), bekamen eine Verschnaufpause.


RICHIE ARNDT ACOUSTIC BAND
Es wartete nun RICHIE ARNDT aus Bielefeld mit seiner ACOUSTIC BAND auf die Konzertbesucher. Die Band besteht neben RICHIE ARNDT noch aus Jens-Ulrich Handreka am Bass und Frank Boestfleisch an den Drums. Richie feiert derzeit sein 40-jähriges Bühnenjubiläum und lässt es trotz Akustikbesetzung, welche diverse Akustikgitarren, Dobros und Kontrabass vereint, richtig krachen. Den Einstieg machten sie am Samstag mit "Bad Thang" und bedankten sich danach bei den beiden vorher spielenden Bands, die das Publikum für sie so schön warm gespielt hätten. Die Vollblutmusiker aus Ostwestfalen hatten keine Probleme damit, die gute Stimmung aufzunehmen noch noch weiter anzuheizen. Beim zweiten Song "Too Hot To Handle" steppte schon wieder der Bär vor der Bühne: die Tänzerinnen und Tänzer aus dem Publikum liefen so langsam zur Höchstform auf. Selbst langsamere Stücke wie das Stück "When The Train Comes" (übrigens nur einer von mehreren "Train"-Songs), mit einem wunderschönen Gitarren-Part, nutzten sie, um sich dabei lasziv und wie in einem Rausch zur Musik zu bewegen. Der Auftritt der RICHIE ARNDT ACOUSTIC BAND bot auch immer wieder Platz für Soli der einzelnen Musiker - egal ob auf einer der verschiedenen Gitarren oder dem Bass.

Nicht nur, dass in den Stücken geniale Bassläufe zu hören waren, nein ... es gab auch, was eigentlich eine Seltenheit geworden ist, sehr ausgiebige Bass-Soli. "Take Me As I Am" und der "Pillow Blues" waren Titel, die im Gedächtnis bleiben werden. Ebenso das Lied "Misery Train", für das Richie eine Pfeife hervor holte, die er im Juni in den USA erstanden hat und die den Sound eines amerikanischen Zuges nachahmen kann. Auch wurde das Publikum mit ins Programm eingebunden, so bekam es bei einem Song zwei Textzeilen zum Mitsingen zugeteilt. Nachdem es zweimal geübt wurde, gab es keine Probleme bei der Umsetzung, denn die funktionierte prächtig. Kein Wunder bei der Begeisterung über den Auftritt der Formation und der ausgelassenen Stimmung im Saal. Der "Pistol-Slapper-Blues" ist ein Titel des 1995 verstorbenen Gitarristen Rory Gallagher, dem die Band in der Vergangeneheit sogar eine ganze CD gewidmet hatte. Zwischendurch verließen Richie und Jens Ulrich die Bühne und überließen ihrem Drummer das Feld für ein Solo, das sich nicht vor dem anderer und bekannterer Berufskollegen verstecken musste. Zum Ende des Konzertes übernahm das Publikum die Initiative und forderte so laut und intensiv eine Zugabe, wie ich es selten bei einem Konzert erlebt habe. Nach so einem Auftritt auch völlig zurecht! Danach verabschiedeten sich die Protagonisten bei ihrem Publikum verbunden mit dem Wunsch, dass das Konzert, wenn es gefallen hat, in Erinnerung bleiben möge. Wenn nicht, solle man es schnell vergessen. Ich kann mir allerdings nur schwer vorstellen, dass es auch nur einen im Saal gegeben hat, dem dieser Auftritt nicht gefallen hat. Ich konnte jedenfalls keinen ausmachen!

So ging das Bluesfestival in den frühen Morgenstunden zu Ende, aber nicht, ohne dass ich Veranstalter Gerhard Hascher zu den Verbesserung des Ablaufs und einem gelungenen Festival 2014 gratuliert habe. Die kontinuierliche Steigerung im Programm am Samstagabend ließen in diesem Jahr nicht zu, dass sich einzelne Konzertbesucher vorzeitig verabschiedeten. Sicherlich hinterließ dieser Samstag bei vielen Gästen und Musikern gleichermaßen die Vorfreude auf das kommende Jahr und die 7. Ausgabe des Castroper Bluesfestivals, bei dem sicher wieder hochkarätige Musiker die Bühne rocken werden. Auch ich hoffe darauf, 2015 wieder davon berichten zu dürfen.



Über diesen Bericht könnt ihr in unserem Forum diskutieren.



Bitte beachtet auch:

• Off. Homepage von Huggy Borghardt: www.huggyjb.de
• Off. Homepage der Acoustic Ramblers: www.acousticramblers.de
• Off. Homepage von Richie Arndt: www.richiearndt.de
• Homepage des Haus Oe in Castrop-Rauxel: www.haus-oe.de




Fotostrecke:

 
 
Vor der Show:
 
 
 
 
 
Huggy Borghardt:
 
 
 
 
Acoustic Ramblers:
 
 
 
 
Richie Arndt Acoustic Band:
 
 
 
 
 
 




   
   
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