Bernd Rinser
RootsRock @ git.
Christoph John
am 21. Oktober 2014 in Oberhausen

 

Ein Konzertbericht mit Fotostrecke von Anita Rose



Endlich ist sie vorbei, die Zeit ohne Konzerte. Zumindest die, die für mich von Interesse sind. Für das Wochenende steht das Castroper Bluesfestival an, auf das ich mich schon mächtig freue. Echter ehrlicher Sound, ursprüngliche Töne und Klänge. Und nun kam Kamerad Zufall für mich noch dazu: In der vergangenen Woche erfuhr ich eher zufällig, dass Bernd Rinser wieder durch mein Revier tourt. Der gebürtige Landsberger, der seinen Wohnsitz in Bayern hat und den es mit seiner Musik kreuz und quer durch das Land treibt, würde in Oberhausen spielen. Dort, wo ich schon ein anderes Konzert besuchen durfte, nämlich im 'Gdanska'. Im 'Gdanska' gefiel mir die Atmosphäre und das Drumherum schon damals außerordentlich gut.

Bisher hatte ich zwei Mal das Vergnügen, Bernd in überschaubarem kleinen Rahmen zu lauschen; einmal in einem irischen Pub und zuletzt im März im Dortmunder Eliaskeller. Beide Locations boten nicht allzu viel Platz für eine Bühne. Viele denken sicher, was braucht ein Solokünstler der nur mit Gitarre und Blues Harp bewaffnet ist, großartig viel Platz. Ganz einfach: auch wenn er keine High-Tech-Anlage mit mehreren 100 oder 1000 Watt braucht, sondern nur seinen alten Verstärker, so ist es die Vielzahl der verschiedenen Gitarren, die die Bühne ausfüllen und Platz brauchen. Dabei ist jedes einzelne Instrument einzigartig in Form und Klang. Man wird da ein wenig an Schwarzenegger im Film "Phantomkommando" erinnert, wie sich der Protagonist für die Schlacht mit verschiedenen Waffen eindeckte, und wie er passend zu jeder Situation eine andere benutzte. Allerdings zieht Rinser in keine Schlacht, sondern gibt Konzerte. Aber von seinen "Waffen" wird man trotzdem getroffen. Hier sind es aber Seele und Herz, wenn seine Musik in den Körper der Zuhörer eindringt. Bei Bernd habe ich auch immer den einsamen Wolf, Trapper, Ranger oder Outlaw im Kopf - sozusagen eine gewisse Lagerfeuerromantik, die da mitschwingt. Am Ende des Tages wird die Gitarre heraus geholt, und los geht's ... Jeder Song hat seine Geschichte, die im Vordergrund steht und erzählt wird. Bei Bernd kommt noch hinzu, dass auch sein Instrument eine Geschichte hat. Seine Gitarren, die vom Klang her genau auf die Song abgestimmt sind, ob mit hartem kratzendem Unterton oder weich, fast schon geigenähnlich, haben alle eine. Am vergangenen Dienstag spielte Bernd also in Oberhausen. Bei diesem Konzert sogar in Begleitung von Gitarrist Christoph John aus Lünen.

Ein Abend des RootsRock lag nun vor mir, Musik im Stil von Größen wie J.J. Cale, Creedence Clearwater Revival, Steve Earle, John Fogerty, Green on Red, Mary Ann Redmond, Calvin Russell oder auch Patti Scialfa, die bessere Hälfte vom Boss (Bruce Springsteen)! RootsRock ist eine Richtung der Rockmusik, die Rock wieder stärker mit seinen Wurzeln (engl. roots) in der US-amerikanischen Folklore bzw. Volksmusik verbindet, das heißt mit Country, Blues und Folk.b 20141024 1812877482 RootsRock rechnet man gemeinhin zum Genre des Americana. Ein weiterer musikalischer Zuordnungsbegriff, der eine vergleichbare Bedeutung hat, aber stärker eine Hinwendung zum Country betont, ist Alternative Country. Es sollte eine Alternative zum Psychodelic oder Progressive Rock sein. Später, als der RootsRock in den 80ern ein Revival feierte, auch zu Punk, New Wave oder Heavy Metal. Doch genug der Vorrede und kleinen Träumereien ...

Frühzeitig in Oberhausen angekommen, begrüßte uns (meine Begleitung und mich) Bernd zuerst mit einer herzlichen Umarmung und stellte uns bei der Gelegenheit auch gleich Christoph John vor. Vor etwa eineinhalb Jahren hatte ich schon einmal das Vergnügen, den beiden zuhören zu dürfen. Dies war allerdings nur ein kurzes Intermezzo und nicht als Konzert in meiner Erinnerung gespeichert. Bei ausgewählten Konzerten treten die beiden Musiker gelegentlich zu zweit auf, und John unterstützt seinen Freund Bernd mit seinem Gitarrenspiel. Es kam auch zur Sprache, dass er Plattformen wie Youtube zwar gut fände, dass diese den Künstlern aber auch schwer zu schaffen machen würden. Er begründete das damit, dass je mehr Clips von einem Künstler dort zu sehen seien, desto weniger Publikum in die Konzerte kämen. Am heimischen PC ist es für viele Leute einfacher, günstiger und gemütlicher, Musik zu konsumieren. Aber mal ehrlich: Kann ein Videoclip das Live-Gefühl bei einem Konzert wirklich ersetzen? Ich glaube das eher nicht! Das 'Gdanska' in Oberhausen sei eine seiner Lieblingslokalitäten, so Rinser, in denen er etwa einmal im Jahr auftrete. Ich kann das gut verstehen, denn z. B. Major Heuser und Helge Schneider mit ihren Bands spielen auch gerne an dieser Stelle. Der Veranstalter hat wirklich ein Händchen bei der Auswahl seiner Künstler und kümmert sich auch rührend um sie. So hatte Bernd später nur kurz angemerkt, dass er gern ein Glas Weißwein trinken würde und es dauerte nicht lang, bis ihm eins gebracht wurde. Das Ambiente im 'Gdanska' ist angenehm und es herrscht eine Mischung aus Konzertsaal und Clubatmosphäre. Die Lokalität ist auch ohne eine der vielen Veranstaltungen einen Besuch wert. Abgesehen von der urigen Atmosphäre und dem freundlichen Personal gibt es dort leckeres polnisches Bier und polnische Speisen und Spezialitäten.

Bernd klärte noch kurz ein paar Kleinigkeiten mit der Technik ab, und dann betraten die Protagonisten die Bühne. Ohne große Vorrede legte Bernd mit seiner schwarzen Gitarre, die sicher wie fast alle anderen auch einen Namen hat, und dem Song "Split Pea Shell" los. Der Einstieg war ein Blues vom Feinsten, in dem all der Schmutz, die Probleme und das Leid der auf der Straße lebenden Menschen zu hören war. Schon hier wurde der Unterschied zwischen dem Soloauftritt und dem in der Duo-Besetzung deutlich.c 20141024 1514546118 Bernd übernahm den melodischen Part und John die treibenden Riffs. Bereits nach dem ersten Song stellte Bernd seinen Gitarristen John vor, um dann direkt den nächsten Song einzuleiten. "Cross Tie Jump" ist eine akustische Homage an Jonny Cash, die sich auch auf Bernds zuletzt erschienenem 2010er Album befindet. Vom Bahnschwellenhüpfer des Lebens ist darin die Rede, und dass man oft dem nachläuft, was man schon besitzt. Bei dem Song ist mir besonders der - wie ich es ausdrücken möchte - scharbende und markante Sound aufgefallen.

Die Vielseitigkeit der Stücke und die wechselnden Gitarren - sagenhafte 11 hatte Bernd auf der Bühne platziert - sorgten für eine ganze Menge Abwechslung und unterstrichen, dass Akustik-Konzerte nur mit zwei Gitarren auf keinen Fall eintönig oder langweilig sein müssen. Immer wieder wurden wir Zuhörer eingebunden und direkt in die Welt des RootsRock geführt. Ich glaube, jeder der nur etwa 30 Zuhörer fühlte sich richtig in diese staubige Welt hinein versetzt, in der viele wie Straßenköter im Dreck leben und täglich ums Überleben kämpfen müssen. Das folgende "Gonna Knock On Your Door Again" ist ein Song, bei dem im Konzert am Dienstagabend zwei ganz besondere Gitarren zum Einsatz kamen: Bernd spielte die von ihm liebevoll genannte Straßenschlampe. Straßenschlampe deshalb, weil man mit ihr ganz wunderbar auf der Straße und in den Fußgängerzonen spielen könne. John setzte seine Achtsaitige ein, was auch eine Besonderheit ist, haben Gitarren üblicher Weise sonst nur sechs Saiten.

Mein Favorit - auch an diesem Abend - war "Gates of Eternity & Guardian Angel", ein Stück zum Träumen; da wurden Herz und Seele einfach von der rauchig sanft klingenden Stimme Rinsers, sowie den darin sehr weich und melodisch klingenden Instrumenten in den siebten Himmel geleitet. Der "Silver Spoon Song" erzählte die Geschichte, dass auch mit dem Silberlöffel im Mund Geborene herausfinden müssen was wirklich wichtig ist im Leben.d 20141024 1767851937 In der Live-Umsetzung ist von allem etwas enthalten; das Stück kam gleichzeitig virtuos, dreckig, treibend, heulend, jammernd, jaulend und schlagend rüber. Der Sound erinnerte ein wenig an die Beastie Boys, die auch schon wieder Geschichte sind.

Nach dem Rootsblues "Hangin' On Your Hook", dem Tejano Titel "Turn Off The Tap" und dem rauhen Streetdog Blues "Luck" wurde es vor der Pause dann nochmal ruhig. Nachdem zuvor die Gitarren zum Teil stakkatohaft bearbeitet wurden und die Bluesharp auch ihren Teil zum Gelingen beigetragen hatten, folgte nun ein Lied, in dem Bernd auch gesanglich seine weiche und sehnsuchtsvolle Ader zum Klingen bringen konnte. Langsam, leise, die Stimme voller Laszivität, tief und dunkel wie ein zufrieden brummender Grizzly-Bär. Ein weiterer Farbtupfer, der die Vielschichtigkeit in Rinsers Musik aufzeigte.

Nach der Pause ging es gegensätzlich weiter. Nach den warmen und weichen Tönen zum Abschied in die Pause, wurden wir Zuhörer mit dreckig harten und stampfenden Tönen zum zweiten Teil des Konzerts begrüßt. Die Müdigkeit, die in der Pause auch von mir Besitz ergriffen hatte, war im Nu verflogen. Ich war plötzlich wieder aufmerksam und gespannt, als wären bissige Hunde hinter mir her. Mit einem regelrechten Gitarrenduell und dem Satz, "... bring den Müll runter!", endete der Song. Immer wieder wurden zwischen und in Verbindung mit den Liedern Geschichten von Bluesgrößen erzählt, die der Fleischeslust und den hochprozentigen Getränken zugetan waren. Auch von Marianne Faithfull, die mit ihrer Stimme manch einem Song den besonders rauchigen und herben Touch verleiht, erzählte Rinser. Aber auch in den Arrangements meinte man, auf andere Größen der Musik zu treffen. Beim Lied "The Chapel" fühlte ich mich vom Gitarrenspiel z.B. ein wenig an Mark Knopfler und den typischen Sound der DIRE STRAITS erinnert. Wieder eine andere Facette von Bernd, der mit John an seiner Seite inzwischen zur Höchstform aufgelaufen war. Die zweite Gitarre bescherte doch einige Freiheiten und ausreichend Platz für die Feinheiten, die sich bei Solo-Konzerten nicht bieten. Dafür ist - da muss ich Bernd einfach recht geben - Chris John ein herausragender Gitarrist und idealer Partner. Bernd merkte zu John noch an, dass er froh sei, dass beide nur etwa 300 Kilometer voneinander entfernt beheimatet seien.

Rinser hielt den Spannungsbogen über das komplette Konzert aufrecht. Das lag u.a. auch an seiner Art, die Songs vorzutragen und sie einzuleiten. Im Stück "Burnin' On Both Sides" geht es um einen Straßenmusiker aus dem Raum München, der als Einsiedler lebte und eines Tages den Feuertod erlitt. Soweit der wahre Teil der Geschichte ... In Rinsers Lied ist e 20141024 1194900583ein Falke sein ständiger Begleiter. Der Wechsel zwischen dem erzählenden Teil, der durch eine gezupfte Gitarre untermalt wurde, und dem musikalischen Teil des Songs, sorgte für einen zusätzlichen Reiz, so wie auch die Geschichten, die er - wie schon erwähnt - zwischen den einzelnen Liedern erzählte. Dieses Stilmittel baute immer wieder Spannung auf, ebenso wie die Frage, welches Instrument zu welchem Song gespielt würde. Während Bernd fast bei jedem Lied sein Instrument wechselte, begnügte sich Christoph mit nur seltenen Wechseln zwischen E- und Akustik-Gitarre.

Zum Ende des Konzertes - nachdem uns Bernd Rinser noch einen schönen Abend, einen guten Heimweg und eine gute Nacht gewünscht hatte - kam der Landsberger von der Bühne und nahm mit Christoph John davor Platz. Hier gaben die beiden noch zwei Zugaben, und zwar unplugged und so, wie Rinser es beim letzten Konzert im März 2014 im Dortmunder Eliaskeller in der Solobesetzung auch gemacht hatte. Es war ein tolles Konzert - von der ersten bis zur letzten Minute. Traurig nur, dass die Veranstaltung für meinen Geschmack einfach zu wenig Resonanz gefunden hatte. Handgemachte und ehrliche Musik scheint im Gegensatz zu künstlicher und am Reißbrett geplanter Musik im Moment in unseren Breitengraden wohl nicht so gefragt zu sein. Warum das so ist, kann ich nicht sagen. Aber eines weiß ich bestimmt: In angemessener Zeit werde ich sicher wieder einen Gig von Bernd besuchen, weil er sich ständig weiterentwickelt und keins seiner Konzerte wie das andere ist. Vielleicht bietet sich ja in absehbarer Zeit auch die Möglichkeit, Bernd Rinser musikalisch mit einem neuen Album vorzustellen. Auch auf ein Wiedersehen im 'Gdanska' mit anderen Künstlern bin ich gespannt und freue mich darauf, davon in Wort und Bild berichten zu können.

Setlist:
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Termine:

• 06.11.2014 - Köln - Mannis Rästorang
• 07.11.2014 - Erftstadt - Gymnicher Mühle
• 08.11.2014 - Solingen - Gasthaus Schaaf
• 09.11.2014 - Wachtberg - Drehwerk
• 12.11.2014 - Miltenberg - Beavers
• 14.11.2014 - Magdeburg - Hegel Bar & Restaurant
• 15.11.2014 - Halberstadt - Papermoon
• 19.11.2014 - Berlin - Dio's Musik Cafe
• 20.11.2014 - Berlin - Sandmann
• 21.11.2014 - Berlin - Speiches Rock und Blueskneipe
• 22.11.2014 - Borgsdorf - Lindeneck
• 24.11.2014 - Berlin - Jägerklause

Alle Angaben ohne Gewähr. Nähere Infos und weitere Termine auf Bernds Homepage



Bitte beachtet auch:

• Off. Homepage von Bernd Rinser: www.berndrinser.de
• Homepage des 'www.gdanska.de' in Oberhausen: www.gdanska.de




 

   
   
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