THE SWEET - European Tour 2014
Teil 1: Berlin am 7. April 2014

 

Ein Bericht mit Fotostrecke von Torsten Meyer

 

Ein Kind der 70er ...
Wenn man wie ich die ersten ernstzunehmenden musikalischen Erfahrungen zu Beginn bis Mitte der für die Rockmusik so bedeutsamen 70er Jahre gemacht hat, dürfte einen die alles entscheidende Frage "BEATLES oder STONES?" schon gar nicht mehr tangiert haben. Nein, bei mir hieß es eher: DEEP PURPLE oder URIAH HEEP? LED ZEPPELIN oder BLACK SABBATH? Letztlich haben ich all die "oder" gegen ein verbindendes "und" getauscht, was dazu führte, dass ich meine Eltern beizeiten an ihre nervlichen Grenzen führte, wenn ich meine unzähligen Radiomitschnitte in der für mich angemessenen Lautstärke hörte. Was sich noch in kaum beschreibbare Dimensionen erweiterte, als ich MOTÖRHEAD und AC/DC für mich entdeckte ... Die ebenfalls gerade aufkeimende Disko-Welle interessierte mich nicht die Bohne - das war mir alles viel zu lauwarm. Hingegen blieb es nicht aus, dass mich nebenher eine weitere, natürlich aus England überschwappende Euphorie erwischte: der Glamrock. Was war das cool, wenn man diesen herrlich frischen Bubblegum-Sound von Bands wie SLADE, T.REX, KENNY, GARY GLITTER, SUZI QUATRO usw. auf seinem heimischen Rekorder hatte. Eine Band setzte dem ganzen Treiben jedoch die berühmte Krone auf: THE SWEET. Es hatte was von Magie, wenn dieser unglaubliche Urschrei "Hell Raiser" einläutete, der stampfende Rhythmus von "Blockbuster" die Boxen platzen ließ. Allein schon dieses aufreizende Glitzeroutfit der Jungs! Herrlich. Ich habe damals mein Sparschwein um schwer angesparte 20 Mark erleichtert, um dafür einen winzig kleinen SWEET-Sticker zu erwerben, den ich übrigens heute noch besitze. Natürlich gab es auch damals die Leute, die - wie später bei ABBA oder MODERN TALKING - das Hören dieser zugegebenermaßen einfach gestrickten und durchschaubaren Musik als peinlich und unwürdig bezeichneten. Dafür standen bei denen dann HAUFF/HENKLER-Platten im Schrank. Aber mal ehrlich, was war an Songs wie "Ballroom Blitz", SLADEs "Goodbye T'Jane" oder "Crimson Moon" (T.REX), um mal nur drei zu nennen, denn peinlich? Nein, das waren Krachersongs, die seinerzeit die Musikwelt genauso bereicherten wie es später die Punk-Welle tat.

"Ohne THE SWEET hätte es KISS nie gegeben" (Gene Simmons, KISS)
Ich will jetzt nicht die SWEET-Story von vorn bis hinten breittreten. Dafür haben wir ja schon einen Vorbericht zur Tour gemacht (HIER). Aber dennoch sei erwähnt, dass jener in der Überschrift dieses Absatzes genannte inhaltsschwere Satz von Gene Simmons hervorragend die Bedeutung aufzeigt, die die Band um Blondie Brian Conolly für die damalige Zeit hatte. Leider Gottes wurden sie das Tennie-Image, welches sie durch die Chinn/Chapman-Hits inne hatten, nie richtig los. Dabei setzten sie mit ihren beiden ersten eigenkomponierten LPs "Sweet Funny Adams" und "Desolation Boulevard" (beide 1974) deutliche Zeichen der Entwicklung hin zu einer echten Rockband, was dann in der Folge durch das '76er Album "Give us a wink" sogar schon fast zum Hardrock tendierte. Aber all diese Informationen sollen nur Beiwerk sein, um dem Leser verständlich zu machen, woher die Faszination kommt, die diese Band seit jeher umgibt.

SWEET heute - nur noch ein Fragment vergangener Tage?
Sieht man sich an, wer da unter dem Namen THE SWEET im Berliner Postbahnhof aufläuft, kann man sich diese Frage tatsächlich stellen. Einzig Gitarrist und Mitbegründer Andy Scott ist noch übrig vom einst glorreichen Quartett. Nachdem er in den Neunzigern krampfhaft versuchte, über Auftritte auf Oldieparties (die Höchststrafe!) den Bandnamen zurück ins Hirn der Leute zu hämmern, geht er inzwischen wieder auf eigene Tourneen mit THE SWEET. Ich war bei aller Freude darüber ein wenig skeptisch, ob sich das Ganze nicht eher zu einer eher peinlichen Veranstaltung entwickeln würde, ließ aber der Neugier in mir freien Lauf. Und so landete ich eine Stunde vor Beginn im Postbahnhof und staunte nicht schlecht, dass bereits eine halbe Stunde später der Laden rappelvoll war. Klar, junge Leute suchte man vergeblich im Auditorium. Stattdessen schienen die mit ihren Idolen gereiften Zuschauer in ihrer Vorfreude den Merchandise-Stand leer kaufen zu wollen, denn enorm viele T-Shirts wanderten vom Verkaufstisch auf die Körper der SWEET-Besessenen. Ein imposantes Bild.

c 20140411 1722628559Warum nur ...
... war es nicht möglich, unter den vielen guten, aber unbekannten Bands dieser Erde eine für das Vorprogramm auszusuchen, die uns mit ihren eigenen Songs betört? Stattdessen taucht eine Band namens HEAVEN in HELL auf, die sich dadurch "auszeichnet", dass sie diverse Rockklassiker der 80er Jahre covert. Zitat von der Webseite der Band: "Mit hohem musikalischem Anspruch präsentieren HEAVEN IN HELL in ihren Konzerten zahlreiche energiegeladene Rockklassiker der 80er Jahre ...". Nun, es mag ja sein, dass es handwerklich tatsächlich gutklassig ist, was sie machen. Und es ist ja möglicherweise auch in Ordnung, dass solche Combos auf Stadtfesten und Tanzveranstaltungen aller Art für gute Stimmung sorgen. Aber wenn ich auf ein hochwertiges Rockkonzert gehe, möchte ich doch bitteschön im Vorprogramm keine Quer-Beet-Coverband sehen! Zumal vom eigentlichen HEAVEN IN HELL-Quintett lediglich der Sänger und ein Gitarrist den Auftritt als Akustik-Mugge bestritten. Ich ließ tapfer die halbe Stunde über mich ergehen. Allerdings kräuselten sich mir dann endgültig die Haare, als plötzlich sogar meine AC/DC-Helden in der Akustikvariante aus den Boxen drangen. Das ging gar nicht, sorry. Fairerweise muss ich aber sagen, dass Sänger Pit eine absolut geile Stimme besitzt. Den würde ich gerne mal in einer "echten" Band mit eigenen Songs im Rücken hören.

Ach, war das schön ...
20:35 Uhr. Dunkelheit im Saal und auf der Bühne. Ein Intro und allmählich heller werdendes Bühnenlicht deuteten an, dass es nun endlich "back to the seventies" gehen sollte. Und schon knallten die Drums los und meldeten meinen Ohren eine wohlbekannte Melodie. Aber Stop, das war doch "New York Groove", und das gehört definitiv nicht zu SWEET! Andy Scott meinte später dazu, als auch noch der DEAD OR ALIVE-Klassiker "You spin me around" verrockt wurde: "We sweetified old songs". Nun denn. Es blieb trotz des Jubels der 800 Fans im pickepackevollen Postbahnhof keine Zeit zum Luft holen, denn jetzt begann das Konzert richtig. "Hell Raiser"! Andy Scotts Klampfe röhrte mächtig, und mir wurde warm ums Herz. Dieser Song geht immer noch durch Mark und Bein, katapultierte mich ungebremst vierzig Jahre zurück. Die Krönung wäre nun natürlich noch Brian Conolly gewesen, aber der sah sicher von irgendeiner Wolke aus zu.

"Hell Raiser" stammt aus der Chinn/Chapman-Ära, für die sich die Band keinesfalls schämen muss. Diese beiden Fließband-Produzenten versorgten in dieser Zeit so ziemlich jeden halbwegs seine Instrumente beherrschenden Klangkörper mit Hits ohne Ende.g 20140411 1541338045 So auch SWEET. Der Sound passte halt in die damalige Zeit. Im weiteren Verlauf des Abends gab es natürlich noch weitere Kostproben diverser Rockhymnen zu hören. Zunächst jedoch wiesen

Andy Scott (Gitarre, Gesang)
Peter Lincoln (Gesang, Bass)
Tony O'Hora (Gitarre, Keyboards, Chor)
Bruce Bisland (Drums, Chor)

eindrucksvoll nach, dass sich hinter dem Namen THE SWEET weitaus mehr verbirgt als nur Teenager-Musik. Wie oben schon angedeutet, lösten sich die Musiker beizeiten von ihren Hitmakern und entwickelten sich mehr und mehr zu einer echten Rockband. Zeugnis davon legten die folgenden Songs des Abends, wie z.B. "The six teens" oder "Turn it down" von der "Desolation Boulevard"-Scheibe ab. Aber auch dem Vorgänger-Album "Sweet Funny Adams" wurde ausgiebig gehuldigt. Witzig fand ich hier den Verweis von Andy Scott auf die "fucking Australians", bei denen der "Peppermint Twist" vom "Sweet Funny Adams"-Album auf den kürzlichen Konzerten im Känguruhland am besten ankam und für Tanzorgien unter den Fans sorgte. Natürlich tanzte auch das Berliner Publikum reichlich mit, was wiederum den Satz "You are all fucking Australians" nach sich zog. Britischer Humor ...

Viele warteten verständlicherweise auf die eigentlichen Hitgranaten wie "Wigwam Bam" und "Little Willy", die nun auch tatsächlich gespielt wurden, ebenso wie das mit dem unvermeidlichen Publikumsruf "We want Sweet!" geforderte "Teenage Rampage". Gott sei Dank wurden die Nummern ordentlich entstaubt, indem man ihnen eine gehörige Portion Härte verpasste. Yeah, das kam herrlich knackig rüber. Überhaupt muss ich sagen, dass vieles vom Songmaterial sehr authentisch klang, aber keinesfalls altbacken. Selbst der so typische Satzgesang in den Refrainteilen gelang prächtig, lediglich bei "Love is like oxygen", was übrigens zu einer echten Artrock-Session im Mittelteil auswucherte, kamen die hohen Töne etwas quäkig rüber.d 20140411 1146087900 Neu-Sänger Peter Lincoln machte seine Sache jedenfalls ausgezeichnet, auch wenn er mich äußerlich, aber komischerweise auch in Gestik und Habitus immer etwas an den SMOKIE-Frontmann Chris Norman erinnerte.

Das Konzert nahm bei bester Stimmung vor und auf der Bühne seinen Lauf. Nix da mit siebzig Minuten Spielzeit, wie ich es vorher immer wieder las. Nach ziemlich genau anderthalb Stunden tobte das Publikum sich zum unvermeidlichen "Fox on the run" aus und forderte danach selbstredend lautstark eine Zugabe, die auch sofort erfüllt wurde. Hier gab es mit "Lady Starlight" die ersten wirklich besinnlichen Momente während des SWEET-Auftrittes, die dann aber umgehend mit "Action" wieder ins rockige Terrain wechselten. Die Luft im Saal war stickig und heiß, was aber Bruce Bisland nicht davon abhielt, ein wunderbares Drumsolo abzuliefern. Mein lieber Scholli, woher nahm dieser nur gefühlte 1,03 Meter große, aber dafür kugelrunde Kerl nach über 90 Minuten Powerrock noch die Kraft her, seine Felle derart zu malträtieren? Hut ab dafür! Früher gehörten die Soloeinlagen eines Schlagzeugers einfach zum guten Ton eines Rockkonzertes, deshalb habe ich mich auch so darüber gefreut.

Wenig Glitzer, viel Rock
Was fehlte noch? Richtig, die Mutter aller Glamrocksongs schlechthin: "Ballroom Blitz". Das ist einfach ein Killersong, auch heute noch. Logisch, dass jetzt alle im Saal irgendwie austickten und die letzten Momente dieses wirklich großartigen Konzertes feierten. 110 Minuten Erinnerungen an eine noch längst nicht vergessene Zeit waren vorbei, und wohl kein einziger Augen- und Ohrenzeuge des Abends bereute sein Kommen. Klar, es hat längst nicht mehr so viel geglitzert und geglamourt wie vor vierzig Jahren. Die Action auf der Bühne hielt sich auch in Grenzen. Aber die Idee, THE SWEET wieder als vollwertige Band mit eigenem abendfüllenden Programm zu präsentieren, ging absolut auf. Mögen die Herren Musiker auch schon jenseits der ...zig sein, so haben sie ihr musikalisches Handwerk noch längst nicht verlernt. Es hat mehr gerockt, als manch einer (auch ich) erwartet hatte - und das war gut so. Das macht alles aber natürlich nur Sinn, wenn man auch etwas anzubieten hat, was die Leute hören wollen. Und diesbezüglich brauchen sich Andy Scott und seine Mannen überhaupt keine Sorgen zu machen. Die Rede ist sogar von einem neuen Album mit ebenso neuen Songs.e 20140411 1432296373 Grundsätzlich befürworte ich so etwas ja immer. Aber in diesem Fall? Man muss abwarten, ob die Fans das überhaupt annehmen, oder ob sie sich lieber weiterhin im Glamrocksound der Siebziger sonnen wollen.

Setlist:
01. New York Groove
02. Hell Raiser
03. Turn it down
04. Gold on the Ceiling
05. Peppermint Twist
06. Into the night
07. AC/DC
08. Wig-Wam Bam
09. Little Willy
10. Teenage Rampage
11. You spin me around
12. Love is like oxygen
13. Set me free
14. Blockbuster!
15. Fox on the run
16. Lady Starlight
17. Action
18. Drumsolo
19. Ballroom Blitz



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Termine von THE SWEET:

• 11.04.2014 – Magdeburg – AMO
• 12.04.2014 – Bremerhaven - Stadthalle
• 13.04.2014 – Osnabrück – Rosenhof
• 19.04.2014 – Solothurn (CH) – Kulturfabrik Kofmehl
• 23.04.2014 – Saarbrücken – Garage
• 24.04.2014 – Karlsruhe – Substage
• 25.04.2014 – Stuttgart – LKA Longhorn
• 26.04.2014 – Aschaffenburg – ColosSaal
• 27.04.2014 – Augsburg – Spectrum
• 02.05.2014 – Nürnberg – Der Hirsch

Alle Termine ohne Gewähr. Nähere Infos auf der bandeigenen Homepage.



Bitte beachtet auch:
• off. Homepage von SWEET: www.thesweet.com
• Teil 2 der Tourreportage: Leipzig, 8. April 2014: HIER





Fotostrecke:

 
Vorprogramm: Heaven In Hell
 
 
 
 
The Sweet
 
 
 

   
   
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