Dieter "Maschine" Birr am 25. März 2014 in Berlin
Record Release Konzert

 

Ein Bericht von Torsten Meyer mit Fotos von Sandy Reichel



Berlin ist in Sachen Konzerte eigentlich immer eine schwer ausrechenbare Wundertüte. Aufgrund der auf kulturellem, sportlichem und künstlerischem Gebiet vorhandenen Vielfalt kann man nie vorher mit Bestimmtheit sagen, welche Show, welche Theateraufführung, welches Fußballspiel, welches Konzert mit wie vielen Besuchern rechnen kann. Namen sind dabei Schall und Rauch, von einigen wenigen Ausnahmen mal abgesehen. Bestes Beispiel letzte Woche, als STATUS QUO in der Hauptstadt einen Gig in ihrer einzigartigen Frantic Four-Besetzung spielten. In jeder anderen Stadt hätten ihnen die Leute die Bude eingerannt, in Berlin war der Saal vom Status "ausverkauft" weit entfernt.

Aber es gibt auch das gegenteilige Phänomen zu beobachten, so geschehen am gestrigen Dienstagabend im Kesselhaus der Kulturbrauerei. Normalerweise ist ein solcher Termin tödlich für ein Konzert in der Metropole. Aber als ich mich etwa 70 Minuten vor Beginn den Türen der Location näherte, glaubte ich meinen Augen nicht zu trauen: eine lange, endlos scheinende Schlange wartete ungeduldig darauf, dass der Sturm auf den Innenraum beginnen konnte. Sie alle wollten einem Mann huldigen, der vor ein paar Tagen stolze 70 Jahre alt wurde. Ein Mann, der mit seiner Band unbestreitbar die Rockmusik der DDR mitgeprägt hat, und der auch danach im vereinten Deutschland dem Deutschrock seinen Stempel aufgedrückt hat: Dieter "Maschine" Birr. Angetreten zur Live-Präsentation seines zweiten Soloalbums, schlicht "MASCHINE" betitelt, strömten die Fans in Scharen ins Kesselhaus, um dem in dieser Form einmaligen, ganz besonderen Event beizuwohnen.

Jaaaa, das Album ... Auf Platz 13 der Verkaufscharts ist die Scheibe eingestiegen, das ist natürlich ein Hammer! Ich gönne es Maschine auch wirklich von ganzem Herzen. Die Presse, die Bewertungen bei amazon - alles jubelt in den höchsten Tönen über das Werk des Jubilars. Nur bin ich scheinbar der Einzige, der da nicht so recht einstimmen kann in den Chor der allgemeinen Glückseligkeit, denn ich sehe den künstlerischen Wert des Silberlings aus verschiedenen Gründen eher mit gemischten Gefühlen. Mehr will ich an dieser Stelle dazu gar nicht sagen, denn es soll ja keine CD-Rezi werden. Die haben wir bei Deutsche Mugge nämlich schon vorliegen (siehe HIER). Und bevor mich jetzt von allen Seiten die Wellen der Empörung treffen - womit ich übrigens vortrefflich leben kann, solange es sachlich bleibt -, kommen wir zum eigentlichen Anlass dieses Berichtes, nämlich zum Konzert.

Sei's drum, die Platte ist das Eine, die Darbietung des Ganzen auf der Bühne das Andere. Zumal das vielversprechende Drumherum, sprich: das Line-Up der CD-Produktion, an diesem Abend im Kesselhaus 1:1 umgesetzt wird. Vor allem kann man mit dem Pfund wuchern, solche begnadeten Acts wie Julia Neigel und Wolfgang Niedecken als aktive Gäste dabei zu haben. Das macht mich neugierig. Aber ich möchte eben auch den Jubilar sehen, möchte seine so charakteristische Stimme hören, möchte erleben, wie die Liveumsetzung des Albums gelingt. Vielleicht guckt ja (im Gegensatz zur Platte) der Rocker, der Maschine ja nach eigenem Bekunden immer noch sein will, doch hier und da mal vorsichtig raus.

b 20140329 1386288664Die Location ist prall gefüllt, es passt keiner mehr rein. Fast pünktlich erscheint plötzlich Maschines Gesicht per Projektion auf der nackten, blanken Seitenwand des Kesselhauses und erzählt uns in lockeren Worten von der Produktion des Albums. Auch seine musikalischen Gäste kommen zu Wort, erzählen kurz von ihren Beweggründen, Dieter Birr bei diesem Album zur Seite zu stehen. Man hört deutlich den Respekt und die Achtung heraus, die sie Maschine entgegenbringen. Aber irgendwann zieht sich das alles ein bisschen zu lange hin, so dass die ersten Zuschauer mürrisch werden und endlich Musik hören wollen. Doch zuvor dürfen sie noch Wolfgang Martins kurze Rede aufsaugen, dem Autor von Maschines Biografie, die zeitgleich mit dem Album erschien. Auch hier wieder warme Worte für den PUHDYS-Frontmann, und ein paar Worte zur Entstehung des Buches.

Und dann ging es endlich los. Kurz vor 21:00 Uhr kommen Uwe Hassbecker und Maschine unter großem Jubel der eintausend Zuschauer auf die Bühne, setzen sich auf ihre Hocker und intonieren den Beginn vom "Lied für Generationen". Bekamen auf der neuen CD die Klavierbegleitung und später auch die Streicher bei dieser bereits 1975 erstmals auf Platte gepressten Ballade viel Platz eingeräumt, bestimmen nun zunächst die akustisch tönenden Gitarren von Uwe Hassbecker und Maschine das Geschehen. Nach und nach setzen die übrigen Musiker mit ihren Instrumenten ein und lassen diese wunderschöne Nummer zum gelungenen Auftakt werden. Als dieses Stück Musik herauskam, war ich noch ein Steppke, aber irgendwie mochte ich den Song schon damals, woran sich bis heute nichts geändert hat. Ich finde, es zeugt von viel Selbstbewusstsein, ein Konzert mit einem solchen Schleicher zu beginnen. Aber hier funktioniert es prächtig, was für die Unvergänglichkeit und Klasse der Nummer spricht.

Maschine ist aufgeregt, davor schützen eben auch siebzig Jahre Lebenserfahrung nicht. Doch es bleibt ihm keine Zeit, darüber zu sinnieren, denn sogleich kommt mit Dirk Michaelis der erste Gast auf die Bühne, um im Background eine der Neukompositionen des Albums zu begleiten: "Mein Weg". Die Nummer hätte stilistisch auch gut auf das 2012er-Softie-Album "Es war schön" der PUHDYS gepasst.c 20140329 1885869026 Wieder (oder noch immer) sitzen die Gitarreros Maschine, Uwe Hassbecker und Maxs Repke auf ihren Hockern, was mir dem Ganzen zu sehr den Anstrich einer Unplugged-Session aufdrückt. Irgendwann hält es aber Hasbe nicht mehr dort, und er dreht zumindest eine kleine Runde auf der Bühne und lässt uns auch mal ansatzweise hören, dass seine Klampfe durchaus bereit ist für ein paar rockige Momente. Wunderbar.

Es geht Schlag auf Schlag, auf der Bühne ist ein Kommen und Gehen. Toni Krahl ist der Nächste, und der Rhythmus wechselt zu leichtem Swing, als der Klassiker "Lebenszeit" in neuem Gewand ertönt. Drängt mich diese Version auf der CD dazu, den "Zum-nächsten-Titel"-Knopf zu drücken, muss ich gestehen, dass mich die Liveinterpretation viel mehr anspricht. Maschines angenehm tiefes, knurriges Organ im Zusammenspiel mit Tonis rauchiger Stimme, dazu etwas mehr Druck hinter dem Spiel der Band - das hat was. Den Fans gefällt es auch, die Stimmung ist prächtig.

Die Familienbande wurde bei den PUHDYS ja schon immer gepflegt. Diesmal darf Maschines achtjährige Enkelin Annabell ihr Können zeigen, wird aber beim Gang auf die Bühne durch Maxs Repke aufgehalten, der wissen will, wo sie denn hin will. Stolz lässt sie verlauten: "Zu meinem Opa!" Putzig. Genauso wie ihr Auftritt, als sie mit Opa Maschine zusammen das rührselige Liedchen "Wirst Du für mich da sein" schmettert und natürlich umgehend die Herzen der Fans gewinnt.

d 20140329 1012973766Zeit für die Bandvorstellung durch den Gastgeber des Abends. Und so benennt Maschine seinem Publikum all die großartigen Musiker, die ihm bei der Einspielung der Platte zur Seite standen, und auch an diesem Abend dabei waren:

Uwe Hassbecker (Gitarre)
Maxs Repke (Gitarre)
Marcus Gorstein (Keyboards)
Felix Lehrmann (Drums)
Christian Liebig (Bass)

"Das Buch" war eines der erfolgreichsten PUHDYS-Alben. Von diesem stammt "Boote der Jugend". Für mich die gelungenste "Verfremdung" aller auf Maschines Solo-Platte enthaltenen Klassiker. Ein sanfter, ruhiger Beginn, Hasbe wechselt zur Mandoline, und so allmählich nervt mich dieser abgespeckte, oder wie man heutzutage sagt: dieser reduzierte Sound etwas. Aber als wäre es Gedankenübertragung gewesen, entwickelt sich der Song nach und nach zu einer fast schon rockig dargebotenen Geschichte. Zur Krönung legt Hassbecker ein erstes anständiges Solo hin, und ich schließe meinen Frieden mit den Jungs da oben. Erst recht, als gleich darauf die immer noch äußerst ansehnliche Julia Neigel zu "Regen" die Bühne zu rocken beginnt. Eigentlich ist das ja auch eher ein ruhigerer Song, was die Neigel aber keinesfalls davon abhält, von links nach rechts und wieder zurück übers Parkett zu fegen. Sie hat sichtlich Spaß, was sich ungefiltert auf die Massen überträgt.

Die musikalische deutsch-deutsche Gemeinschaftsparty erfährt ihren Höhepunkt, als das BAP-Urgestein Wolfgang Niedecken erscheint. Die Geschichte der beiden Bands hat sich inzwischen sicher auch bis zum letzten Interessierten herumgesprochen.e 20140329 1564976467 Aber für alle, die es bis dato doch noch nicht wissen, dass die PUHDYS vor 30 Jahren die BAP-Vertretung übernahmen, als diese sich spontan zu einer Absage des Berlin-Konzertes, und auch gleich ihrer gesamten DDR-Tournee entschlossen, erzählt Niedecken die Story in wenigen Sätzen. Gleich zweimal assistiert der Kölsche Jung auf Maschines Album, was ich als echten Glücksgriff bezeichnen möchte. Die zwei Rocklegenden mögen sich, das merkt man, und irgendwie passen ihre Stimmen auch zusammen wie Topf und Deckel. "Leben ist kurz" zählt für mich genauso wie "Was wussten wir denn schon" zu den stärksten Songs des Albums, textlich wie musikalisch. Hassbecker darf mal wieder ordentlich hörbar in seine Saiten greifen und seine außergewöhnliche Klasse als Rockgitarrist nachweisen, ein Hauch Frische weht durch das Kesselhaus. Ich wünsche mir an dieser Stelle mehr davon.

Das wird mir aber leider nicht gewährt, denn schon gehen die PUHDYS-Festspiele weiter. Diesmal in Begleitung der ZÖLLNER HORNS, was dem Sound eine angenehme Farbe verleiht, aber dennoch nicht verhindert, dass das Gedenken an "Die Legende von Paul und Paula" in Gestalt von "Wenn ein Mensch lebt" zum mitschunkeln animiert. Das soll jetzt nicht negativ klingen, solcherlei Momente sind halt nur nicht mein Ding. Die überwiegende Mehrheit im Saal hatte ihre Freude an der Neufassung des Songs, und nur das zählt am Ende des Tages. Als im Anschluss noch einmal Dirk Michaelis auf der Bühne erschien, die Maultrommel in den Händen, wusste jeder, was kommen würde: "Geh zu ihr" als krönender Abschluss des Konzertes. Hier wurde nochmal ordentlich Dampf auf den Kessel gegeben.

Sichtlich zufrieden über den Verlauf des Abends ließen sich die Akteure natürlich nicht lange bitten, und erschienen zum Nachschlag. Felix Lehrmann schien es nicht mitbekommen zu haben, denn der war plötzlich verschwunden, und so sprang spontan Marcus Gorstein hinter die Schlagbude, Hasbe legte sich die Geige zurecht,f 20140329 2099154178 und nachdem auch noch Toni Krahl gefunden wurde, war klar, dass jetzt eigentlich nur "Am Fenster" kommen konnte, ehe mit "Was bleibt", dem Titelsong des gleichnamigen PUHDYS-Albums aus dem Jahr 2000, der Abgesang eingeläutet wurde. Das Publikum sang den Refrain nach dem Abmarsch der Musiker noch minutenlang a capella weiter, was natürlich einen sehr atmosphärischen Schlusspunkt unter dieses Konzert setzte.

Es fällt mir schwer, ein Fazit zu ziehen. Natürlich bin ich geneigt, den Anlass des Abends, also die Solo-CD von Maschine, in Verbindung zu setzen zu dem eigentlichen Konzerterlebnis. Aber ich denke, das macht hier wenig Sinn, denn ansonsten würde ich jetzt zunächst einmal darüber nachdenken (was ich eigentlich schon seit dem Erscheinen des Albums mache), warum ein so kreativer, kantiger Typ wie Dieter Birr sich ein Album dieser Machart angetan hat. Ein Dutzend Songs in butterweichem, seicht dahinplätscherndem Gewand, die noch dazu größtenteils schon vorher mehrfach einem Remake unterzogen wurden, kann mich nicht vom Hocker reißen. Betrachte ich stattdessen das Konzert als solches, habe ich einen von tollem Ton und Licht ummantelten unterhaltsamen Abend mit vielen PUHDYS-Songs erlebt, die sicher durch das anwesende Ensemble hervorragender Musiker eine Aufwertung erlebten, wobei - nun sage ich es doch nochmal - die neuen Versionen nicht immer die bessere Option im Vergleich zu den Originalen darstellten. Es ist bezeichnend, dass für mich die beiden neu geschriebenen Duette mit Wolfgang Niedecken die Highlights des Abends waren. Nichts desto trotz wünsche ich Maschine für das Album weiterhin viele zufriedene Käufer, sowie für seine nachfolgenden Auftritte alles Gute und volle Säle.

Setlist:
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set



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Termine: Maschine Solo - Buchvorstellung

• 01.04.2014 - Rostock - Thalia
• 03.04.2014 - Dresden - Haus des Buches
• 08.04.2014 - Bad Langensalza - Kultur- und Kongresszentrum
• 09.04.2014 - Erfurt - Stadtgarten
• 10.04.2014 - Arnstadt - Theater im Schlossgarten
• 13.04.2014 - Rudolstadt - Theater
• 19.04.2014 - Annaberg Buchholz - Alte Brauerei
• 24.04.2014 - Hoyerswerda - Kulturfabrik
• 25.04.2014 - Wandlitz - Goldener Löwe
• 27.04.2014 - Braunschweig - Gastwerk
• 28.04.2014 - Magdeburg - Festung Mark
• 29.04.2014 - Chemnitz - Villa Esche
• 22.05.2014 - Guben - Werk Eins
• 23.05.2014 - Freiberg - Tivoli
• 23.05.2014 - Herzberg - Bürgerzentrum
• 11.06.2014 - Greiz - Vogtlandhalle

Alle Angaben ohne Gewähr. Weitere Termine und nähere Infos auf Maschines Homepage.



Bitte beachtet auch:

• Off. Homepage von Maschine: www.dieter-maschine-birr.de
• Off. Homepage von Julia Neigel: www.julianeigel.com
• Off. Homepage von Uwe Hassbecker: www.hassbecker.de
• Off. Homepage der BAP/Wolfgang Niedecken: www.bap.de




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