Katrin Lindner mit Sonny Thet & André Gensicke
am 8. März 2014 in Müncheberg

 

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Ein Konzertbericht von Grit Bugasch mit Fotos von Sandy Reichel


Häufig geht es heutzutage um mehr, größer, schneller, weiter, teurer. Umso wichtiger sind die Oasen, wo diese vermeintlich allgegenwärtigen Spielregeln außer Kraft gesetzt werden - sowohl räumlich, wie im Landhaus Luckas, als auch inhaltlich, wie an diesem Abend, in der Ausstellung von Katrin Lindner und dem Konzert, bei dem sie André Gensicke und Sonny Thet begleiten.

Als ich im Landhaus Luckas ankomme, brennt draußen auf dem Hof und drinnen im Kaminsaal das Feuer zur Begrüßung. Es verbreitet wohlige Wärme und gibt mir das Gefühl, willkommen zu sein. Den offiziellen Part übernimmt dann Sven Luckas, der Musiker und Konzertbesucher in der Pilgerherberge begrüßt. Dass Katrin Lindner an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein Bildende Kunst studiert hat, wissen sicher nur wenige. Allerdings war sie der Meinung, in der Musik noch mehr Ausdrucksmöglichkeiten zu finden und so wurde sie in den 70er Jahren als die Rockröhre Katrin Lindner mit der Schubert-Band bekannt. Inzwischen nutzt sie beide Medien parallel, um sich auszudrücken. Nach dem Motto "Lieder zum Sehen und Bilder zum Hören" vermittelt sie mit dem Programm "Nichts bleibt" ihre ganz eigene Sichtweise auf das Leben. Zu ihren Bildern präsentiert sie Songs mit Texten voller Wärme und Lebensweisheit, die ihre Interpretation der Bilder spiegeln.

Das Programm beginnt mit einem wunderschönen Solo am Cello. Als Sonny Thet die ersten Takte spielt, fühle ich mich ganz ruhig und angekommen. "Unsere Wunderwaffe aus Kambodscha", wie André Gensicke ihn bezeichnet, ist ein Meister seines Instruments, das gefühlvoll und warm erklingt. Mit seiner Band BAYON hat er zur Filmmusik für "Das Leben der anderen" beigetragen und dafür einen Oscar bekommen, um den ihn so mancher beneidet, wie wir von André Gensicke hören. Dabei braucht der sich keineswegs hinter seinen Tasten zu verstecken, die er meisterlich beherrscht - sei es hier oder auch als Counterpart von Dirk Zöllner, woher er vielen bestens bekannt ist. Eine ungewohnte Herausforderung scheint hingegen, dass er heute auch für die Leinwandprojektion der passenden Bilder zuständig ist. "Das nächste Bild bitte", tönt es ein ums andere Mal.

"Ich rausche durch mein Leben, halte an, wo mir's gefällt. Manche Träume bleiben liegen. Weiß ich noch, was wirklich zählt? Ja, ich stehe hier und singe mir die Seele aus dem Leib. Mache viel zu viele Dinge, denk das Ende ist so weit." Katrin Lindner erzählt aus ihrem Leben, von den Dingen, die sie umtreiben.c 20140311 1594467325 Sie spricht viel von ihren "Novemberliedern", die sie so mag und die ihr offenbar liegen. Doch das bedeutet keineswegs, dass es alles ruhige oder gar traurige Lieder sind. Die Rockröhre von einst kommt immer wieder durch und so scheint der Raum bei manchem Titel einfach zu klein für ihre Stimme. Ihre Bilder und Lieder zeigen die bunten Facetten des Lebens - Licht und Schatten, Trauer und Freude, Niedergeschlagenheit und Optimismus. Ihre Texte haben eine wunderbar bildhafte Sprache und spiegeln die zarte Poesie des Alltags. "Spring über deinen Schatten, es lohnt sich allemal. Wenn du das nicht schaffst, wird dir jeder Tag zur Qual."

Es macht Spaß, dem Trio zuzuhören und zuzusehen. André Gensicke, der geniale Meister der Tasten, die er einmal schwebend und leicht und ein andermal energisch und kraftvoll bearbeitet. Dazu Sonny Thet, der Virtuose am Cello, der mit seinem grandiosen Spiel jeder Note ausdrucksvoll und nachdrücklich Leben einhaucht. Sie unterstreichen die emotionale Wirkung der Texte und Bilder von Katrin Lindner, die bei jedem Titel scheinbar noch einmal in die Rolle, das ursprüngliche Erlebnis schlüpft und sich absolut mit ihren Werken identifiziert. Sie lebt jedes Bild, fühlt jeden Song bis zum letzten Ton und ihre musikalischen Begleiter tun es ihr gleich. Das alles ergibt eine außergewöhnliche Mischung - ein harmonisches und intensives Zusammenspiel, das auf mich sehr authentisch und überzeugend wirkt. Und mit ihren gleichermaßen ironischen wie liebevollen Wortspielen untereinander verstärken sie zusätzlich den Unterhaltungsfaktor.

In ihren Bildern und Liedern breitet Katrin Lindner ein ganzes Leben vor uns aus - ihre Erlebnisse, Gefühle, Gedanken, Erfahrungen. Vom Beziehungsstress bis zum Gerichtsvollzieher ist alles dabei. Schönes und Trauriges, Fröhlichkeit und Skepsis - eben alles, was zum Leben dazugehört. Sich ihrem Publikum so weit öffnen zu können, war ein Lernprozess, wie sie im Anschluss an das Konzert verrät. Dazu bedarf es eines Vertrauens in sich selbst, das sie erst lernen musste.d 20140311 1017164344 Aber es schafft auch Vertrauen - Vertrauen und Nähe zwischen Künstlerin und Publikum. Dass dies heute Abend hier gelingt, spiegelt sich in der warmen Atmosphäre, die weniger auf das Feuer im Kamin, als das Feuer in den Herzen zurückzuführen ist. Im wechselnden Mienenspiel von Katrin Lindner kann ich ebenso lesen, wie in ihren Bildern und Liedern. Sie hat ein sprechendes Gesicht, vor allem ihre großen, wachen Augen spiegeln ihre Emotionen. Auch das grazile Geflecht der Lachfalten um die Augen reflektiert ihre Lebenserfahrung und vermittelt mir das Gefühl, dass sie sogar aus den weniger schönen Erfahrungen vor allem das Positive für sich mitgenommen hat.

Katrin Lindner ist eine Frau, die mit beiden Beinen im Leben steht. Sie steht zu dem was sie ist und wie sie ist - diese Gelassenheit und Lebenserfahrung strahlt sie aus. So kann sie sich auch eingestehen, wenn andere sie erkennen - wie in ihrem Bild "Die Maske". Dahinter steckt sie, "Die Königin", wie ihr Freund Dirk Zöllner erkannt und in den Text zum gleichnamigen Song geschrieben hat. Und schon landet sie wieder beim Thema Partnerschaft, um das es sich heute Abend häufig dreht. Von "Verliebt" über die "Zeit steht still" passieren wir die verschiedenen Stadien. Doch irgendwann kommt es unvermeidbar zu Stress und Problemen, die sich in "Ich rufe dich" Bahn brechen. Als André Gensicke sein durchdringendes, aufrüttelndes Intro spielt, fragt Katrin Lindner trocken: "Wie, mehr Wut war nicht?" Daraufhin setzt er noch einmal an, hämmert die Takte noch explosiver und dramatischer in die Tasten und garniert sie mit einem kleinen Gruß an Beethovens 5. Sinfonie. Diese Art der Dramatik scheint angemessen.

Mit jedem neuen Titel setzen wir die Lebensreise und Lebenserkenntnis mit Katrin Lindner fort. Jeder muss für sich selbst herausfinden, wohin sein Weg ihn führt. Jeder muss wissen, wann er sich für welche Alternative entscheidet. "Die kurzen Sünden sind bequemer und lange Qualen sind nichts wert", erzählt sie mit einem Augenzwinkern zu ihrem Bild "Der Kuss". Dagegen stellt sie ein ernstes Thema. Frühling, Sommer, Herbst und Winter - das ist der Lauf der Welt, so geht es immer weiter. Dazu gehört auch "Der Abschied" von Menschen, die von ihr gegangen sind, die sie aber weiter im Herzen trägt. Unglaublich emotional und tiefgreifend klingen das Piano von André Gensicke und das Cello von Sonny Thet bei diesem Titel. Einfach zum Heulen schön sind die Klänge, was die Wirkung fühlbar unterstreicht. Sicher bin ich nicht die einzige, die sich dabei an ähnliche Momente erinnert. "Die Zeit ist immer voll Gefühl, mein Herz wird weit und hält nie still." Genau das lebt sie und zeigt es uns hier.

Trotz oder gerade wegen der besonderen Erfahrungen gibt uns Katrin Lindner nach einer kurzen Pause die dringende Empfehlung, uns auf das Leben einzulassen und jeden Augenblick zu genießen. "Du holst was sein kann nie zurück, deshalb genieß den Augenblick. Genauso wird es nie mehr sein, drum lass dich darauf ein." Die melancholischen Novemberlieder, wie "Hoffnung" und "Zerstörung", liegen ihr sehr am Herzen. Es sind Geschichten mit ganz viel Seele und doch bin ich froh über die Abwechslung mit leichteren Werken. Ihr wachsames Auge für die Umwelt und ihr offenes Ohr für die Zwischentöne des Lebens offenbart sich auch in der Kombination des Bildes "Die Gaffer" mit dem Song "Weil sie einsam sind". Genau deshalb sind Menschen, die mit ihrem eigenen Leben nicht klar kommen, so gierig nach Sensationen oder Spannendem im Leben der Anderen. Wie sehr das Temperament mit ihr durchgehen kann, beweist sie uns immer wieder auf unterschiedliche Art. "Wir sind die Täter, sind die Verräter. Wir spielen um die Macht und haben nicht bedacht, wir sind die Täter, sind die Verräter. Und Skrupel sind uns fremd, doch unser letztes Hemd hat keine Taschen."

Sie ist eine aufmerksame und kritische Beobachterin. "Keiner öffnet mehr Herz und Verstand. Denkt, der andere hat ihn dann in der Hand.", stellt sie fest. Und auch, dass wir uns nicht darüber wundern müssen, dass Vertrauen schrumpft und Werte verfallen. Dass dies hier und heute keineswegs der Fall ist, werden sicher alle Anwesenden bestätigen. Die kleinen charmanten Anspielungen und Frotzeleien untereinander zeugen von Vertrauen und auch von Respekt. Der wertschätzende Umgang miteinander spiegelt sich im Publikum, dem dieses Programm offenbar genauso viel Freude bereitet, wie den Musikern selbst. Der spezielle Dank von Katrin Lindner geht an André Gensicke, mit dem sie ihr Projekt vor vier Jahren begonnen hat. Sie hat ihn ganz offensichtlich damit angezündet, wie sie sagt, was in den maßgeschneiderten Kompositionen und seinen Interpretationen deutlich wird. Und ihr Dank geht auch an Sonny Thet, den sie als ebenso engagierten wie einfühlsamen Mitstreiter gewonnen hat.

Es sind nie besonders viele Leute bei dieser Art von Konzerten, erzählt uns Katrin Lindner. Aber die dabei sind, mögen es und genießen es mit Herz und Seele. Und das ist ihr offensichtlich sehr wertvoll. "Nichts bleibt, jeder Tag ist ein Geschenk. Nichts bleibt, jede Nacht verrauscht wie der Wind.e 20140311 1449894357 Nichts bleibt, denn die Zeit, sie wartet nicht." Was uns bleibt, ist die Erinnerung an so besondere Momente, wie heute Abend im Landhaus Luckas. Dass wir immer auf dem Weg bleiben mögen, wünscht sie uns zum Abschied und schenkt uns den passenden Song dazu. "Ich bin auf dem Weg zum kleinen bisschen Glück. Die Kurven sind steil, ich geh nicht zurück." Und dass die drei einzigartigen Musiker mit ihrer unverwechselbaren Art auch uns angezündet haben, beweist der warmherzige Applaus des Publikums, das diesen Weg dankbar mitgegangen ist.

Auch bei den Zugaben greifen sie den Spannungsbogen auf, der uns den gesamten Abend begleitet. Aus der Traurigkeit in "Die Sonne scheint nicht mehr" wird erst dezente Zuversicht, bis dann die deutliche Überzeugung durchdringt: "Flügel wachsen mir, treibe schwerelos. Durch Sterne, Sonne, Mond und fühl mich grenzenlos." Während sie singt, gleiten die Schatten ihrer Arme durch den an die Wand projizierten "Fallschirmspringer" und in ihren Augen strahlt das Licht noch heller als vorher. An diesem Abend wird einmal mehr klar: Das Leben besteht nicht aus Schwarz und Weiß. Millionen feiner Farbnuancen dazwischen machen es bunt und wertvoll. Die Kleinigkeiten und Besonderheiten und das, was jeder für sich selbst daraus mitnimmt, machen das Leben lebens- und liebenswert. Ihr Konzept hat funktioniert. Zwar waren es leider nicht so viele Konzertbesucher, wie es diesem besonderen Trio zu wünschen wäre, aber so war das Erlebnis umso persönlicher und intensiver. Und die meisten Besucher nutzen nach dem Konzert die Gelegenheit, mit den Musikern zu reden und ihnen für diesen einmaligen Abend zu danken.


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Bitte beachtet auch:

• off. Homepage von Katrin Lindner: www.katrinlindner.de
• Homepage vom Landhaus Luckas: www.landhaus-luckas.de
• Portrait über Katrin Lindner: HIER klicken




 
 

   
   
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