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Ein Bericht mit Fotostrecke von Bodo Kubatzki



Szimfónia es Rapsózdia


Die ungarische Band OMEGA, die oft als die Rolling Stones des Ostens bezeichnet wurde, gehörte in meiner Jugend ebenso zu meinen musikalischen Idolen wie die Beatles, Deep Purple oder Uriah Heep. Von der Magie, die OMEGAs Musik damals auf mich ausübte, ist auch heute noch nichts verloren gegangen. So sind es zum einen die harten Rock-Riffs und zum anderen die eingängigen Melodien, die mich schon immer faszinierten. 1969 hatte ich als 13-jähriger Gelegenheit, im Rahmen eines Schüleraustausches zum ersten Mal nach Ungarn zu fahren. Das bedeutete zwei Wochen Sommerferien im idyllischen Sárospatak, einem kleinen Städtchen im Nord-Osten des Landes. Mein Interesse an Beatmusik war gerade erwacht und in den ungarischen Schwimmbädern lief jeden Tag diese Art von Musik. Doch neben den Songs der englischen Beatgruppen war auch Musik in der Landessprache zu hören. Da gab es einen Titel, der mir sofort ins Ohr ging und den ich unschwer mit "Petroleumlampe" übersetzen konnte. Doch war auch immer wieder dieses andere Lied zu hören, dessen Namen ich selbst heute nicht fehlerfrei aussprechen kann: Gyöngyhajú lány (Perlenhaariges Mädchen), OMEGAs Welthit. Die Ferienzeit in Ungarn verging viel zu schnell. Drei Dinge hatte ich mir von der Reise mitgebracht: die Klaviernoten der Beatles-Platte "Abbey Road", die Single "House of the rising sun" von Eric Burdon und - natürlich - die Platte "10000 Lépés" (10000 Schritte) von OMEGA.

1973, nur wenige Jahre später, hoffte ich, meine ungarischen Idole endlich live erleben zu dürfen. Sie gaben ein Konzert im Kino Capitol in Rostock. Es war ein Mittwoch, das Datum weiß ich nicht mehr. Den nachmittäglichen ESP-Unterricht (Einführung in die sozialistische Produktion) habe ich einfach geschwänzt und bin mit einem Schulfreund von Neubrandenburg nach Rostock getrampt, in der Hoffnung, dort noch Karten für das Konzert zu erhalten. Aber, denkste! Allerdings waren wir nicht die Einzigen, die sich das Konzert vor dem Kino anhörten, gut beschützt von der Bereitschaftspolizei. Laut genug spielte OMEGA jedenfalls, so dass wir draußen gut hören konnten. Wann ich wieder zurück in Neubrandenburg war, und was am Folgetag aus der Schule wurde, lass ich hier mal weg. Das Ganze liegt jetzt 41 Jahre zurück ...

Am 25. Januar dieses Jahres sollte ich - dank meines Mitwirkens bei Deutsche Mugge - Gelegenheit erhalten, János "Mecky" Kóbor, Sänger der Band, persönlich kennenzulernen und abends das Abschlusskonzert ihrer "Rhapsody" Tour erleben zu dürfen.b 20140129 1224674419 Am Vormittag begleitete mich meine Frau ins "Elbotel", wo wir vom deutschen Manager der Band, Tibor Nagy, empfangen wurden. Es vergingen noch einige Minuten, bis Mecky Zeit für uns fand. Ich wurde langsam nervös vor lauter Aufregung. Doch fiel diese schnell von mir ab, als wir mit dem symphatischen Mecky ins Gespräch kamen. In absolut entspannter Athmosphäre berichtete ich, wie ich auf OMEGA aufmerksam wurde, und dass sie seit vielen Jahren neben Deep Purple und Uriah Heep zu meinen Lieblingsbands gehören. Mecky erzählte, dass er im vergangenen Jahr, als OMEGA nach 51 Jahren zum ersten Mal in Moskau spielen durfte, das Gleiche von einer wichtigen Persönlichkeit schon mal gehört habe. Ich erriet natürlich nicht, dass diese "wichtige" Persönlichkeit der ehemalige russische Präsident Dmitri Medwedew war.

Wir unterhielten uns über die Entwicklung der Rockmusik in der ehemaligen DDR und welche Rolle OMEGA dabei spielte. Mecky schilderte, wie er 1973 beim Rundfunk der DDR das deutschen Album innerhalb von nur drei Stunden eingesungen hat, ohne ein Wort deutsch zu verstehen. Seine guten Deutschkenntnisse eignete er sich erst später an, als die Band in beiden Teilen Deutschlands erfolgreich wurde. Das damalige und das heutige Konzert in Rostock wurden ebenso thematisiert, wie das neue Projekt "OMEGA Oratórium". Damit starteten sie an den vier Adventssonntagen des vergangenen Jahres den Versuch, mit Chor, Orchester, Kirchenorgel und Band in großen ungarischen Kirchen aufzutreten. Das alles mit möglichst geringem technischen Aufwand. Die Athmosphäre in den Kirchen sollte erhalten bleiben. Zusätzlich zum vorhandenen Licht wurden lediglich einige Scheinwerfer und Laser eingesetzt. Der Erfolg war sowohl in den drei katholischen, als auch in der einen evangelischen Kirche überwältigend. Das Projekt wurde inzwischen auf CD veröffentlicht und wird 2014 eines der hauptsächlichen Aktivitäten von OMEGA sein. Ob sie mit "Oratórium" auch in Deutschland zu erleben sein werden, konnte Mecky noch nicht sagen, meinte jedoch, dass es denkbar wäre.

Viel zu rasch verging die Zeit des Plauderns. Schnell noch einen Gruß an die Leser von Deutsche Mugge aufs Handy gesprochen, ein Autogramm auf meine "Csillagok Útján" LP und ein gemeinsames Foto zum Abschied. Die CD "Oratórium" gab's als Geschenk und dann ein "Szia!" und unsererseits ein "Köszönöm szépen!". Jetzt blieb nur noch die Vorfreude auf den Konzertabend.

c 20140129 1534253383Mit Freunden aus Berlin und Cottbus, die sich dieses Erlebnis auch nicht entgehen lassen wollten, ging es in Richtung Stadthalle. Hier waren neben den verschiedensten deutschen Akzenten auch viel ungarisch sprechende Fans zu hören. Der Singer/Songwriter Markus Siebert bemühte sich ab 20:00 Uhr als Support-Act redlich, mit internationalen und eigenen Songs die Stimmung im Saal anzuheizen. Doch war dies im Grunde nicht erforderlich, denn auch er merkte schnell, dass die ca. 1.600 Fans gekommen waren, um OMEGA zu erleben.

Das Anfangsmotiv von Beethovens Fünfter Sinfonie war der Auftakt zur "OMEGA Szimfónia", einer rein orchestralen Umsetzung bekannter OMEGA-Songs, wie z.B. "Nem tudom a neved" oder "Gammapolis", ohne Gesang, aber mit dezent gespieltem Schlagzeug und diversen Keyboards. Das Akademische Orchester der Martin Luther Universität Halle/Wittenberg unter Leitung seines Dirigenten Matthias Erben, das OMEGA Gründungsmitglied László Benko an den Keyboards und der langjährige Schlagzeuger Ferenc "Ciki" Debreceni, bestritten diesen ca. 20-minütigen symphonischen Part des Konzerts. Die Orchesterarrangements schrieb Zsolt Gömörü, der ebenfalls an den Keyboards zu erleben war.

Es folgte die "OMEGA Rapsózdia", eine Auswahl der großen Hits der Band aus sämtlichen Phasen ihres Schaffens, meist vom Orchester unterstützt. Nach dem ersten Song begrüßte Mecky das Rostocker Publikum und entschuldigte sich dafür, dass die Rostocker Fans 41 Jahre auf OMEGA warten mussten. Es würde keine weiteren 41 Jahre dauern, bis OMEGA wieder in Rostock spielen würden, versprach er, und dass die Band weiter aktiv sein wird: "Wir werden mindestens solange weiter machen, wie die Rolling Stones". Immerhin feierten OMEGA 2012 ihr 50-jähriges Jubiläum und gehören damit, neben den Rolling Stones, zu den dienstältesten Rock-Bands in Europa.

Was in den nächsten 105 Minuten folgte, kann und will ich hier nicht im Einzelnen beschreiben. Nur soviel: Eine toll aufgelegte Band mit einem fantastischen Orchester lieferten mit sichtbarem Spaß ein symphonisches Rock-Konzert erster Güte ab. Mecky merkte man sein Alter von 70 Jahren nicht an, wenn er über die Bühne fegte und die Songs mit kraftvoller Stimme intonierte. Zur Live-Band gehörten außerdem der technisch versierte Gitarrist Tamás Szekeres und die symphatisch quirlige Katy Zee an der Bassgitarre.d 20140129 1476184898 Der Dirigent des Orchesters schien förmlich aus dem Häuschen zu geraten und auch die jungen Musiker und Musikerinnen hatten stets ein begeistertes Grinsen im Gesicht. Die Licht- und Lasershow und der transparente Sound sorgten sowohl visuell, als auch akustisch für ein unvergessliches Konzerterlebnis.

Die Mischung aus Rocksongs und Balladen kam beim Publikum an. Mir bleiben vor allem die Songs "Éjfeli koncert" (Late night show) und "Napot hoztam, csillagot" (House of cards) vom 1977er Erfolgsalbum "Idörabó" (Time Robber), aber auch der Rocksong "Babylon" (Tower of Babel) in Erinnerung. Ab dem ersten Zugabenblock mit den OMEGA-Klassikern "Petróleum lámpa" und "Lena" hielt es die Fans kaum noch auf ihren Plätzen. Den krönenden Abschluss bildete natürlich der Hit "Gyöngyhaju lany", dessen Refrain die ganze Stadthalle mitzusingen schien, egal ob in deutscher oder in ungarischer Sprache.

Was kann man nach solch einem fantastischen Konzert noch sagen?

Nachdem ich nachts meine Konzertfotos gesichtet hatte, fand ich via Facebook eine Statusmeldung zu diesem Event, deren Aussage ich voll teile. Daher zitiere ich hier meinen Facebook Freund Eckhard aus Bad Doberan: "Die Herren machen Mut! Es ist schon beruhigend zu wissen, dass man auch mit 70 noch Spaß und Stimmung verbreiten kann und das Leben nicht vorm heimischen Fernseher verschlafen muss. Das war ein Abend!"
Bleibt also die Hoffnung, dass Meckys Versprechen wahr wird, und die Band OMEGA in absehbarer Zeit die lange Reise nach Rostock wieder auf sich nehmen wird.



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Bitte beachtet auch:

• Off. Homepage von OMEGA: www.omega.hu
• Portrait über OMEGA: HIER





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