000 20140120 1687564838
Ein Konzertbericht mit Fotos von Torsten Meyer

 

Es wird mal wieder Zeit
Es ist fast auf den Tag genau ein Jahr her, dass ich WALDI WEIZ, den Meister der Bluenotes, zuletzt live erleben durfte. Also wurde es mal wieder höchste Zeit, sich diesen Genuss zu gönnen. Dazu führte mich mein Weg wie schon vor einem Jahr nach Erkner in den dortigen Musikclub "Paris-Rom-Erkner", der sich inzwischen zu einer richtig ernstzunehmenden Konzertlocation in Berlins Speckgürtel entwickelt hat.a 20140120 1844958767 Nannte man sich anfangs noch "Musikcafé", prangt jetzt unübersehbar das Wort "Musikclub" auf dem Logo, was auch viel besser dem Charakter des Hauses entspricht.

Glücklicherweise verkleidet sich der Winter im Moment ja vorzugsweise als Herbst, so dass sich meine Anreise über die Autobahn diesmal einfach gestaltete. Im Innern des Clubs schien Väterchen Frost sich allerdings doch Zutritt verschafft zu haben und sein Unwesen zu treiben, denn die Temperaturen waren anfangs nahezu arktisch, was sich aber im Laufe des Abends glücklicherweise ändern sollte. Während sich WALDI noch ein paar Minuten Zeit für einen Plausch mit mir nahm, füllte sich der überschaubare Saal zusehends, auch wenn am Ende hier und da noch ein paar wenige Lücken zu erkennen waren. Und dann war es auch schon 21:00 Uhr - Showtime!

Kleiner Mann - ganz groß!
Es gibt unter den Bluesgitarristen unserer Tage viele Grobmotoriker, die auf ihren sechs Saiten herumtoben, als wären diese ein Rennpferd, welches unbedingt jedes Derby vom Start weg gewinnen muss. Bitte nicht falsch verstehen, das hat auch durchaus Klasse, wenn man es denn beherrscht. Ein perfekter Vertreter dieser Zunft ist für mich beispielsweise WALTER TROUT.b 20140120 1062577854 Wer einmal einen Liveauftritt dieses Teufelskerls erlebt hat, weiß was ich meine. Das ist gewaltig, das ist nicht von dieser Welt. Aber dann gibt es eben auch die Filigrankünstler, die "Uhrmacher" unter den Gitarreros des Genres. Und da gehört dieser kleine Mann namens WALDI WEIZ für mich zu den ganz Großen. Nicht umsonst sind seine Vorbilder Leute wie FREDDIE und B.B. KING.

Bei vielen Bands, egal welche Art Musik sie machen, hat es sich zur Gewohnheit entwickelt, über Jahre hinweg das gespielte Set kaum zu variieren. Anders bei der WALDI WEIZ BAND. Würde man sich still und heimlich auf mehrere aufeinanderfolgende Gigs schleichen, so kann man sicher sein, dass man niemals sagen wird: "Ist das öde, jetzt spielt der schon wieder dasselbe!". Einerseits liegt das an der hin und wieder wechselnden Besetzung innerhalb der Band, aber hauptsächlich ist die scheinbar nie versiegende individuelle Klasse des Meisters selber und auch seiner Mitspieler Garant für überraschende und hochklassige Improvisationen und immer wieder wechselnde Songs innerhalb des Sets. So war es auch wieder an diesem Abend in Erkner.

Erstklassige Einzelkönner
Gleich zu Beginn fiel mir auf, dass heute die Trommelstöcke nicht in den Händen des mir vertrauten Sebastian Trumpart lagen. Stattdessen nahm ein schlanker, dunkelhäutiger Typ an der Schießbude Platz,c 20140120 1501874513 dessen Namen wohl jeder Musikinteressierte wenigstens schon mal in irgendeiner Form gehört hat: Carlos Dalelane. Dieser drahtige Typ hat den Rhythmus im Blut, was er nicht zuletzt auch in seiner eigenen Afro-Funk-Band immer wieder unter Beweis stellt. Dort zupft er jedoch den Bass. WALDI WEIZ hat eben einfach ein Händchen für superbe Musiker, und so erwies sich auch der gebürtige Mosambikaner als Volltreffer in einem höchsten Ansprüchen genügenden Ensemble. Nach längerer Zeit stand also nun in Erkner endlich mal wieder WALDIs derzeitige Stammbesetzung auf der Bühne, die wie folgt aussah:

• Waldi Weiz (git, voc)
• Carlos Dalelane (dr)
• Simon Pauli (bg)
• Simon Anke (keyb)
• Mathias "Matze" Stolpe (harp, git, voc)

Die ganze Vielseitigkeit des Blues ...
... kann wohl niemand so einzigartig in einem knapp dreistündigen Konzert unterbringen wie WALDI WEIZ mit seiner Band. Was wohl auch darin begründet liegt, dass er von sich selbst behauptet, kein Blues-Purist zu sein, sondern diese Musik lediglich als Grundlage für das zu nutzen, was er wirklich fühlt und spielen will.d 20140120 1654627383 Begann es tatsächlich zunächst mit relativ klassischen Bluesrhythmen aus dem Hause ALLMAN BROTHERS ("Need your love so bad"), so zog der gute WALDI bereits mit dem zweiten Song des Abends einen seiner Trümpfe aus dem Arm: "Sittin' on the dock of the bay". Wie bei ihm üblich scheint hier ein gänzlich neuer Song zu entstehen, nur der Text bleibt so, wie sich die Schöpfer das einst gedacht hatten. Es war wohlgemerkt erst Titel Nummer 2, aber schon jetzt wurde gejammt, was das Zeug hielt. OTIS REDDING hätte gefallen, wie swingig-funkig die Herren seinen Klassiker rübergebracht haben. Vor allem das ausgedehnte, "gegen den Strich" gespielte Piano-Solo von Simon Anke verlieh dem Ganzen eine herrlich jazzige Note, was die Musikästheten im Publikum mit der Zunge schnalzen ließ und für einen ersten Szenenapplaus sorgte.

Ein charakteristisches Merkmal dieser außergewöhnlichen Band kam nicht nur bei "Sittin' on the dock of the bay" zum Tragen, sondern setzte sich über den ganzen Abend fort: die Improvisationsfähigkeit der einzelnen Akteure. WALDI WEIZ leiht den Songs zwar seine durchaus hörenswerte Stimme. Aber letztlich dienen die Vokalparts eigentlich nur dazu, zum nächsten ausgedehnten instrumentalen Sololauf überzuleiten. Die unerschütterlich groovende Rhythmusfraktion mit Carlos Dalelane und dem immer wieder in sich ruhenden Simon Pauli, der diesmal leider seinen Kontrabass zuhause gelassen hatte, goss Song für Song das Fundament für die wechselweisen solistischen Ausbrüche von WALDI WEIZ an seiner Klampfe und dem überragenden Simon Anke am Stage-Piano. So manches Mal hoffte ich, Letztgenannter möge bitte nicht vom Hocker fallen, so körperbetont spielte er.

Seit nun schon zwei Jahren gehört "Matze" Stolpe zum festen Kern der WALDI WEIZ BAND. "Wenn ich eine Frau wäre, würde ich ihn heiraten", so stellte der Bandchef den sympathischen Matze an diesem Abend dem Publikum vor.e 20140120 1251249709 Ich denke, in diesen Worten steckt nicht nur jede Menge Respekt vor dem instrumentalen Können des Herrn Stolpe, sondern man hört auch heraus, wie glücklich WALDI WEIZ nach wie vor darüber ist, diesen Allrounder in seiner Band zu haben. Und auch menschlich scheint es zwischen den beiden zu passen. Mit seinem variablen und intensiven Mundharmonikaspiel bringt er viele neue, interessante Klangfarben in die Songs. Doch wie man inzwischen weiß, beschränkt sich Matzes Können nicht nur darauf. Bei der Engtanznummer "I don't know why" sowie dem sich daran anschließenden, unvermeidlichen "Crossroads"-Evergreen (wieder in einer ganz eigenen Version) schnallte er sich seine weiße Klampfe um, slidete sich durch die Songs und bewies dazu noch, dass aus ihm auch ein ganz passabler Sänger geworden wäre. Beim letzten Song vor der Pause, dem bei Altmeister B.B. KING geliehenen "The thrill is gone", wechselte Matze dann aber wieder zurück zu seiner Harp und schmetterte noch mal ein Gänsehaut-Solo in die Menge.

Ein unerwarteter Gast
Nach einer zwanzigminütigen Pause, die sich die Musiker redlich verdient hatten, ging es mit einer Nummer von THE WAR weiter, die mir bis dahin gänzlich unbekannt war: "The world is a ghetto". Herrlich, was WALDI WEIZ und seine Männer daraus machten. Man wähnte sich auf einer Samba-Party, und auch hier glänzten wieder Gitarre, Keyboards und Mundi mit ausgedehnten, exzessiven Soli. Großes Kino.

Es ist schon komisch: immer, wenn ich in dieser Location zu Gast bin, finde ich im Publikum wenigstens ein bekanntes Gesicht aus der Musikerbranche. Diesmal war es Herr GOTTSCHALK. Nein, nicht der "Wetten dass ...?"-Thomas, sondern der uns allen bekannte Heinz-Jürgen, kurz "GOTTE" genannt.f 20140120 1283335683 "Und wenn er schon mal da ist, kann er auch gleich mal was von seinem Können zeigen", dachte sich WALDI und holte GOTTE kurzerhand auf die Bühne. Dieser behängte sich mit Matze Stolpes Gitarre, und schon gab es eine exzellente, zwar nur drei Titel umfassende, aber dennoch fast halbstündige Session, die das Publikum in Hochstimmung versetzte und immer wieder lautstarken Szenenbeifall hervorbrachte. Beim ersten Song unter GOTTES Mitwirkung ("Before you accuse me") bewies dieser, welch großartiger Blueser in ihm steckt, ehe er dann einen eigenen Titel präsentierte: "Kuba" vom Album "V" (2010). Meine Fresse, man wähnte sich tatsächlich am Strand von Varadero bei diesem phantastischen Latino-Sound, den die Band erzeugte. Es fehlten nur noch die kubanischen Bikini-Schönheiten. Zwar erinnerte mich die Nummer mächtig an "No pasa nada" von der VARGAS BLUES BAND, aber das mag Zufall sein. Auf jeden Fall ein starkes Stück Musik! Mit dem herrlichen "Stormy Monday Blues" wurde dann auch mal die Klammerblues-Abteilung bedient, ehe sich GOTTE unter großem und anerkennendem Jubel der zahlenden Gäste wieder an seinen Tisch zurückzog.

Das Grande Finale
Irgendwie merkte man überhaupt nicht, dass es gnadenlos auf den Beginn des neuen Tages zuging. Logisch, gab es doch weiterhin wunderbare "handmade music" zu hören. Erwähnen will ich unbedingt die JOHN MAYALL-Hommage "Telephone Blues". Hier zeigt WALDI WEIZ, wie gefühlvoll er die Saiten zupfen kann. Und dann kam der Song, auf den ich schon den ganzen Abend wartete: "Ain't no sunshine". Ich habe es in anderen Konzertberichten schon mehrfach erwähnt: von allen Covern dieser Nummer (und das dürften Hunderte sein) gibt es keines, das für mich an die WALDI WEIZ-Interpretation ran reicht. Hier stecken die fünf Vollblutmusiker nochmal all ihre Musikalität und all ihr Rhythmusgefühl rein. Ganz ehrlich, das Original geht mir mittlerweile ziemlich am Süden meines Körpers vorbei. Aber wenn ich diese unheimlich groovende, herrlich jazzig angehauchte, von nicht enden wollenden, phantasiereichen Gitarren- und Keyboard-Soli durchgetränkte WALDI WEIZ-Version höre, schmelze ich dahin.

g 20140120 1096855389Natürlich ließ das fachkundige und (im Gegensatz zum Vorjahr) sehr aufmerksame Publikum die Band nicht ohne einen Nachschlag von der Bühne. Und das bedeutete den üblichen Doppelschlag, der zunächst mit dem Instrumental "Wie Waldi" (was für ein Wortspiel ...) begann und dann ansatzlos in den JAMES BROWN-Erkennungshit "Sex machine" überging. Der schnellste Song des Abends, und man hatte das Gefühl, hier soll nochmal um die Gunst der Zuhörer gebuhlt werden, was aber gar nicht nötig war, denn diese waren einfach nur begeistert von dem Gewitter aus Funk, Blues und Rock, welches zum Abschluss des Konzertes auf sie herab prasselte.

Es ist mir schon fast peinlich, so viel Lob über die Band zu schütten. Und ich weiß, dem guten WALDI werden auch die Ohren glühen beim Lesen. Aber was soll ich machen, wenn genau das passiert ist, was ich hier beschrieben habe? Also: Ehre, wem Ehre gebührt.

65 Jahre - na und?
Ab 9. Juli 2014 darf sich WALDI WEIZ offiziell als Rentner bezeichnen. Sieht man ihn auf der Bühne, nimmt man ihm das in keinster Weise ab. Dieser Mann lebt mit der Musik und von der Musik. Und so wird es hoffentlich auch noch ganz lange bleiben.



Über diesen Bericht könnt ihr in unserem Forum diskutieren.




Bitte beachtet auch:

• Off. Homepage von Waldi Weiz: www.weiz.de
• Homepage des Musikclubs 'Paris-Rom-Erkner': www.paris-rom-erkner.de




Fotostrecke:

 
 

   
   
© Deutsche Mugge (2007 - 2023)

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.