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Ein Bericht von Rüdiger Lübeck mit Fotos von Torsten Meyer

Die Fans der legendären Jonathan-Blues-Band hatten es in der Vergangenheit wahrlich nicht leicht. Ganze zweimal im Jahr konnte dem Ensemble - von wenigen Ausnahmen abgesehen - zuletzt auf der Bühne applaudiert werden. Im Sommer gaben Peter Papst und seine Mannen (Hagen Dyballa am Bass und Mathias Fuhrmann am Schlagwerk) regelmäßig den Ausklang des (leider in diesem Jahr beendeten) Köpenicker "Jazz-in-Town"-Festivals; das neue Jahr begrüßen die Musiker dann traditionella 20140114 1335239717 mit dem (inzwischen bereits - in Worten - neunzehnten !!) Neujahrsblues in der Wabe. Die Programme unterscheiden sich im Übrigen allenfalls in Nuancen sowie durch die Auswahl der jeweiligen musikalischen Gäste.

Regelmäßig mit dabei sind mittlerweile Modern-Soul-Chef Gerhard "Hugo" Laartz an den Tasten und Monokel-Kraftblues-Gitarrist Bernd "Kuhle" Kühnert. Auf dem besten Wege, ebenfalls Teil dieses illustren Inventars zu werden, ist Rockhaus-Frontmann Mike Kilian, der mittlerweile auch schon das dritte Mal mit von der Partie ist. Hinzu gesellte sich in diesem Jahr der unangefochtene Meister der Bluesharp, Mr. Bernd Kleinow.

Und ja - die Vorfreude auf das Konzert war der zahlreichst erschienenen Bluesgemeinde regelrecht ins Gesicht geschrieben, und es würde wohl eng werden im beileibe nicht eben kleinen Prenzelberger Sechseck. Umso unverständlicher, dass bei solch einem Event vom Veranstalter ausgerechnet die platz- und tanzflächenvernichtende Bestuhlungsvariante auserwählt wurde. Darauf hätte im Interesse aller Beteiligten wohl besser verzichtet werden können. Aber wo kein Platz zum Tanzen ist, wird sich jener eben verschafft ...

Mit den Bluesstandard "Dust My Broom" und "Heartbreak Train" eröffnete das Trio den abendlichen Reigen, und es braucht allenfalls wenige Takte, bis sich dies- und jenseits der Bühne dieses zufriedene, wohlige Gefühl breitmacht, die richtige Entscheidung für die Gestaltung des Abends getroffen zu haben. Ohne Luft zu holen scheint die Band dies gar mit jedem neuen Titel sukzessive potenzieren zu wollen, und das Folgestück "Vorbei" kracht dann auch gleich noch einmal ein Stück weit kraftvoller und wunderbar treibend in des Publikums Trommelfell. Beim Intro des "Heart Is Right Blues" wähnt man sich zunächst unweigerlich inmitten von "Shake Your Hips" (in der Version der Stones auf "Exile On Main Street"), um alsbald und nicht zuletzt durch geradezu irrwitzige Dialoge beider Gitarristen diesen doch eher müden Pfad wieder zu verlassen und der sprichwörtlichen Post zum Abgang zu verhelfen.b 20140114 2019666609 Apropos Post: Bernd Kleinow gesellt sich hier hinzu und beweist sich beim Folgestück "Swing To Dr. Ross" nicht nur an seinem Instrument, das er bekanntlich wie kein Zweiter beherrscht. Atemberaubend kurze Wechsel zwischen Mundi und (absolut souveränem!) Gesang scheinen das Tempo noch einmal zu steigern - er selbst bezeichnet das Stück denn auch etwas augenzwinkernd als Tanznummer (erste Perlen missverstehen dies offenbar als Animation) ... "Walking On The Sunset" schließt sich an und steht dem in nichts nach.

Das nächste Stück "Daddy's Boogie" wurde - ebenso wie das sich anschließende "Wer ich bin" - der einzigen Jonathan-LP "Überdruck" aus dem Jahre 1987 entnommen. Jene habe man - so Kleinow süffisant - im Amiga-Studio eingespielt und seinerzeit bereits in der "Talenteshow" von Muck dargeboten, da man ja schließlich talentiert gewesen sei. Fast unbemerkt hat sich inzwischen Gerhard "Hugo" Laartz auf die Bühne geschlichen und reichert die Sounds fortan um seine markanten Keyboardteppiche an, die bisweilen an den vor zwei Jahren verstorbenen Jon Lord erinnern. Erinnert wird man unweigerlich auch beim fest zum Jonathan-Stammrepertoire gehörenden "Katzenfreund", und zwar an "Pearly Queen" von Steve Winwood & dessen früherer Band Traffic. Keine Ahnung, inwieweit es sich dabei womöglich gar um ein und denselben Song handelt. Gut ist er jedenfalls uneingeschränkt in beiden Fassungen. Und zum "Hotchie Coochie Man" muss ebenso wenig gesagt werden wie zu "Peter Gun", das auf ausdrücklichen Wunsch von "Kuhle" Kühnert ins Programm aufgenommen wurde. Dann ist PAUSE.

Die zweite Hälfte ist die des Mike Kilian. Mit "I Got A Woman" stimmt er das Publikum zunächst betont ruhig und swingig ein, um im wohldosierten Kontrast hierzu im Anschluss die "Crossroads" zu rocken, abermals unterstützt durch Bernd Kleinow an der Harp.c 20140114 1996839558 Steve Wonders "Superstition" indes musste extra auf Wunsch einer "Saxophonzicke" (O-Ton Kilian) in einer anderen Tonart eingeübt werden, was dem ungemeinen Groove des Songs jedoch keinerlei Abbruch tat. Insbesondere an den äußeren Rängen des Saales wurde hier ausgelassen getanzt und gefeiert - eine Stimmung, wie man sie sich besser nicht wünschen könnte.

Und dann tatsächlich doch noch ein Wermutstropfen: George Harrisons "While My Guitar Gently Weeps" ging komplett daneben und war - die Band möge es nachsehen - schlicht grausam. Abgesehen davon, dass der Song in der Chronologie des auserwählten Repertoires ohnehin nur schwerlich unterzubringen war, fehlte der Interpretation auch jedwede Nähe zum Original, von Claptons Gitarrensolo einmal ganz zu schweigen. Wobei dies bestimmt nicht an mangelnden Fähigkeiten der Musiker liegt, sondern wohl eher an den naturgegebenen Schwierigkeiten des Stückes. Daran haben sich auch viele andere schon erfolglos die Zähne ausgebissen, und dann kann - und sollte - man es vielleicht doch besser lassen. Dass der Sänger hier gleichwohl Szenenapplaus erntete, erscheint vor diesem Hintergrund umso kurioser.

Mike Kilian bekommt dann Gelegenheit, ein Stück seiner unlängst erschienenen neuen CD "N8Wache" ("Guter Rat") vorzustellen. Back to the roots finden wir uns dann bei "You Gotta Move" wieder - vielen sicher am ehesten vertraut in der Version der Stones auf "Sticky Fingers". Kilian vermag es hier auf ausgesprochen gekonnte Weise, eine - tatsächlich nicht vorhandene - Mundi zu improvisieren.d 20140114 1564950473 Überhaupt scheint er dem Entertainment generell nicht abgeneigt zu sein und lässt auch dieses Talent hier und da aufblitzen, insbesondere durch immer wieder spontan entsponnene Seitenhiebe auf die Kollegen. Das Programm gestaltet sich dadurch zusehends kurzweilig und amüsant.

Dann geben sich die Klassiker die Klinke in die Hand. "Georgia On My Mind" darf dabei ebenso wenig fehlen wie "Whole Lotta Love" (grandios!), "Oh well" oder "Gimmie Shelter". Auffallend nur, dass die Songtexte solcher Hits teils immer noch nicht präsent sind und abgelesen werden müssen. Es soll Kinder geben, die das schon können ... Aber Kleinigkeiten, gemessen an der Gesamtperformance. Das Publikum dankt es mit Standing Ovations und fordert seine Zugabe(n). "I'm Going Down" wird auserwählt und - natürlich - "O Sole Mio". Zudem Gelegenheit für auserwählte Zuschauer, dem Sänger zum Abschied die Hand zu reichen. Bernd Kleinow kommt noch einmal und haut einen letzten Song drauf, und dann ist endgültig Schluss.

Schade, dass Neujahr erst wieder 2015 ist ...



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Termine:

• 07.02.2014 - Berlin - Kesselhaus/Kulturbrauerei (Recordrelease-Concert CD "Live in Reitwein 100")




Bitte beachtet auch:

• Portrait über die Jonathan Blues Band: HIER
• Off. Homepage von Mike Kilian: www.mikekilian.de
• Homepage der WABE in Berlin:
www.wabe-berlin.de





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