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Seien wir ehrlich - die wahren Virtuosen unter den Musikern sind die Jazzer! In keinem anderen Genre werden die Instrumente mit derlei Leidenschaft, ja Inbrunst "malträtiert". Nirgends sonst findet diese filigrane Symbiose aus Künstler und dessen Werkzeug auf einem derart hohen und zumal kontrastreichen Niveau statt.a 20131123 1304703682 Das muss man nicht zwingend mögen, und es soll auch keinesfalls die Leistung all der anderen Meister ihres Faches herabwürdigen. Aber nüchtern betrachtet ist es schlicht ein Fakt, der kaum von der Hand zu weisen ist. Dennoch mutet es bisweilen umso erstaunlicher an, dass der Jazz immer noch ein Nischendasein fristet. Dabei kann eine gute Jazzplatte, vorzugsweise über hochwertiges Equipment wiedergegeben, zu einem regelrechten Erlebnis erwachsen. Was auch die beste HiFi-Anlage der Welt jedoch nie wird ersetzen können, ist die Atmosphäre einer Live-Jazz-Session. Grundlegend Musikinteressierten, denen bislang - aus welchen Gründen auch immer - die Muße hierzu fehlte, ist der Besuch einer solchen dringend anempfohlen, und sei es zur bloßen Erweiterung seines eigenen Horizonts. Man wird staunen, welch Facettenreichtum einem Instrument zu entlocken ist!

Einer der renommiertesten deutschen Jazzpianisten feierte dieser Tage seinen 60. Geburtstag: Wolfgang Fiedler. Diesem Anlass angemessen hat der Mitbegründer der legendären Band FUSION gemeinsam mit seinem einstigen Weggefährten Volker Schlott eine außergewöhnliche 10-köpfige Jazzband zusammengestellt, die derzeit durch die Lande tourt. Im Rahmen der vom Berliner Posaunisten Iven Hausmann seit vielen Jahren organisierten und alljährlich stattfindenden Konzertreihe "Jazz Units" machte das Ensemble am vergangenen Montag Station in der Hauptstadt.

b 20131123 1447769258So sollte sich an diesem Abend denn auch allerlei illustres Publikum im beschaulichen "Grünen Salon" der Volksbühne einfinden. Regine Dobberschütz (seinerzeit zur Gründungsbesetzung gehörend), Jocelyn B. Smith und "Mr. Bajazzo" Jürgen Heckel wurden gesichtet. Polkaholix-Chef Andy Wieczorek indes zog es vor, sein Bier an diesem Abend ausschließlich mit 100-Euro-Scheinen zu bezahlen ...

Einer Laudatio gleich gab es zunächst wohlwollende Worte der Einführung von rbb-Jazzchef Ulf Drechsel. Dabei wurde zunächst die Geschichte des Projektes FUSION skizziert, die eng mit dem Namen Klaus Lenz und später auch Angelika Weiz verbunden ist. Der folgende Einstieg der Band wird sodann regelrecht zelebriert: Eine fortwährend wabernde Basslinie geht fließend in einen stets differenzierbaren Teppich aus insgesamt zehn Instrumenten über. Szenenapplaus allenthalben. Apropos Instrumente - hier die Besetzung:

Volker Schlott (u.a. Fun Horns, Jocelyn B. Smith & Band) - saxes, flute
Falk Breitkreuz (u.a. Fun Horns, BAJAZZO) - saxes, bcl
Nikolaus Neuser (u.a. Hannes Zerbe Jazz Orchester) - trumpet, flh
Iven Hausmann (bis 2012 Polkaholix) - trombone
Werner Neumann (u.a. Jocelyn B. Smith & Band, Die Zöllner) - guitars
Wolfgang Fiedler -(u.a. Klaus Lenz Modern Jazz Big Band) - keys, comp
Matthias Bätzel (Matthias Bätzel Trio) - piano, keys
Peter Inagawa (Veronika Fischer Band) - bass
Christian Tschuggnall (Snooze-On) - drums
Topo Gioia (u.a. Barbara Thalheim & Band) - percussion

Die Setlist umfasst ausnahmslos Stücke aus der Feder des Jubilars, und ein jedes ist von mindestens viertelstündlicher (!) Dauer. Die braucht es denn aber auch, um die vielschichtigen Themata einer jeden "Sinfonie" zu erfassen.c 20131123 1900566407 Und wie es sich für eine anständige Jazz-Session gehört, wird dem einzelnen Orchestermitglied genug Freiraum zur individuellen Entfaltung gegeben, um sich pünktlich zur Reprise wieder einzuordnen. Dennoch - oder auch gerade deshalb - wird nach Noten gespielt. Die Stücke heißen "Calinda", "Conclusion" oder auch "Erection", wobei Fiedler bei letztgenanntem Titel vorsorglich klarstellte, dass mit dieser Wortwahl kein sexueller Bezug einherginge. Vielmehr sollen dem Hörer die sprichwörtlichen Haare zu Berge stehen. Wer's glaubt ...
Von den Solisten sticht insbesondere Falk Breitkreuz heraus, der seinem Saxophon geradezu irrwitzige Töne zu entlocken vermag. Die Kollegen stehen dem gleichwohl in nichts nach; die Spielbälle werden sich gekonnt zugeschoben. Folgestücke sind gar tanzbar, womit an diesem Abend sicher niemand ernsthaft gerechnet hat.

Und dann ein Moment des Innehaltens: Die Ballade "Morph" bietet dem Urheber Wolfgang Fiedler hinlänglich Gelegenheit, nach eigenem spartanischen Piano-Intro es dem Publikum gleichzutun und seiner Komposition andächtig zu lauschen. Letztlich bezeichnend für einen Konzertabend der Extraklasse, musikalisch aus dem Vollen schöpfend.

Bericht:
Rüdiger Lübeck

Fotos:
Sandy Reichel (alle Live-Bilder)
Archiv Fusion (Foto in der Überschrift)

 



 

 

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