Bericht:
Christian Reder Fotos: Steffen Nitzsche |
tÄssA geht ihren Weg...
Stadtfeste sind immer so eine Sache. Zumindest in meiner Heimatstadt fehlt mir so richtig die Lust, daran teilzunehmen. Einmal im Jahr laden die lokalen Küchenchefs auf den Castroper Marktplatz und offerieren dort ihre Leckereien. Die örtliche Brauerei steht mit ihrem "Brandlöschzug" bereit und schenkt selbstgebrautes Bier aus. Meine Begeisterung, die durch das richtig gut organisierte und durchdachte Konzept dieses Spektakels mit dem Namen "Castrop kocht über" bei seiner erstmaligen Vorstellung entstanden ist, wurde durch das seit Jahren langweilige und einfallslose Programm auf der Bühne neutralisiert und inzwischen sogar ins Gegenteil umgekehrt. Hier stolpert man seit Jahren über ein und dieselbe Coverband, die als Hauptact am wichtigsten Tag, nämlich dem Samstag, für die Musik auf der Bühne zuständig ist. Egal ob Tote Hosen, Ärzte oder Van Halen... die Band versucht krampfhaft nah am Orignal zu operieren. Sorry, aber da kann ich mir auch 'ne CD auflegen! Der musikalische Nachwuchs, von dem unsere Stadt eine Menge zu bieten hat, bleibt bei dieser Programmplanung außen vor. Ich bleibe diesem Fest auch schon seit Jahren fern, denn das, was mir da auf der Bühne geboten wird, gibt mir überhaupt nichts. Das könnte man alles viel abwechslungsreicher und vor allem spannender machen. Das komplette Gegenteil dieses Stadtfestes ist das Bergstadtfest in Freiberg (Sachsen). Hier gibt es für jeden Geschmack etwas: Am ersten Tag (Donnerstag) kommen die Fans der Blues- und Jazz-Musik auf ihre Kosten, am zweiten Tag (Freitag) die des Schlager und der Volksmusik, am dritten Tag (Samstag) gibt's Big Band, Pop und Rock und am vierten Tag (Sonntag) ein Feuerwerk aus allem. Dabei trifft man auf namhafte Künstler, Musiker aus der Region und junge, talentierte Nachwuchsmusiker. Purple Schulz, Christina Stürmer, Veronika Fischer und - wegen ihr waren wir vor Ort - die bei uns vor ein paar Jahren schon als Insider Tipp vorgestellte tÄssA traten in diesem Jahr dort auf.
Petrus meinte es mit den Besuchern und Organisatoren des Bergstadtfestes in diesem Jahr nicht sehr gut. Von Sommer kann mal wieder keine Rede sein und so hatte man in den ersten Tagen dieses Festes kräftig mit Regen und ungemütlichen Temperaturen zu kämpfen. Ein Glühweinstand hätte sich sicher dumm und dämlich verdient. Wir wollten aber am Samstag in Freiberg auf der dortigen Jump Bühne (Hauptbühne) den Auftritt von tÄssA besuchen. Unsere Freundin Petra aus dem Striegistal gab uns den Tipp, dass die junge Sängerin in diesem Jahr erstmalig ein Programm bestehend aus nur ihren eigenen Liedern spielt. Inzwischen ist das Mädel gereift und hat eine Menge Erfahrung sammeln können. Das drückt sich nun auch dadurch aus, dass sie ihre Bühnenshow erweitert hat und mit vier Tänzerinnen auftritt. Ihr und ihrer Tanzabteilung gehörten dann auch ab 19:30 Uhr die große Hauptbühne.
tÄssA ist eine junge Dame aus Siebenlehn, die schon eine ganze Weile Musik macht. Sie hat es mit ihrem Talent und ihren bemerkenswerten Songs sogar schon ins Vorprogramm der legendären PUHDYS geschafft. Ich selbst wurde auf sie Aufmerksam, als sie einen von Claudius Dreilich (Karat) geschriebenen Song produziert und als Single veröffentlicht hat. Das hatte mich damals sehr gewundert, zumal die Gruppe Karat ja selbst gute neue Songs gebrauchen könnte. "Träume sterben nicht" heißt das Lied und tÄssA ging ins Studio um dieses mit ihrer Stimme zum Leben zu erwecken. Dabei herausgekommen ist ist eine knackige und sehr ansprechende Pop/Rock-Nummer, die schnell zu einem Ohrwurm wird und die der Gruppe Karat auch nicht schlecht zu Gesicht gestanden hätte. Das ist aber schon wieder drei Jahre her und die Sängerin hat sich inzwischen ein anderes Betätigungsfeld gesucht. Sie ist selbst eine typische Vertreterin der Gruppe Jugendlicher zwischen 14 und 20 Jahren, die bevorzugt Elektro-Pop und Dancemusic hört. Das kann man auch an ihrem Äußeren ablesen. Kein Wunder also, dass sie jetzt erstmal in diese Richtung geht und ihre Vorstellungen von Musik in die Realität umsetzt. Ob das auch für den Rest ihrer Laufbahn so bleiben wird oder muss, wird sich zeigen. Sie ist ja noch sehr jung und kann sich noch ausprobieren. Besonders erwähnenswert aus ihrem aktuellen Repertoire ist ihr Song "Deja Vu". Das ist eine Ballade, bei der sie sich nur vom Piano begleiten lässt und der mich beim Hören total begeistert hat. Sie zeigt dabei einmal mehr ihre Wandlungsfähigkeit. Leider bekamen wir den Song am Samstag aber nicht zu hören. So richtig passend ist so eine Nummer für ein Stadtfest allerdings auch nicht....
Dafür aber andere Stücke, die für sie geschrieben wurden. Wie schon erwähnt hatte tÄssA am Samstag nicht viel Zeit, lediglich vier Songs hatten Platz in dem eng gestrickten Ablaufplan. Dafür hatte sie aber richtig Glück mit dem Wetter, denn während ihres Auftritts blieben die Schotten im Himmel dicht - es regnete nicht. Für eine Band ist derzeit wohl noch nicht das Budget vorhanden, und so sang sie ihre Lieder im Halbplayback. Ihren Auftritt eröffnete sie um 19:30 Uhr mit ihrer eigenen Version des Nena Klassikers "Rette mich". Dass wir uns nach meinen einleitenden Worten über Coverbands nicht missverstehen: Ja, das war natürlich eine Covernummer. Aber wenn eine junge Künstlerin sich eines Songs annimmt, der vor Jahren ein Hit und sie selbst damals noch gar nicht geboren war, diesen dann in einer ganz neuen musikalischen Umsetzung präsentiert und obendrein mit so einer Stimme arbeiten kann, dann hat das schon was. So lässt man sich dann auch einen Coversong gefallen. Tässa präsentierte dieses Stück gesanglich auf einem ganz hohen Niveau, machte sich die große Vorlage zu eigen und damit sehr deutlich, dass in der Originalversion dann doch eher ein ziemlich dünnes Stimmchen zu hören ist.
Die Distanz zwischen Künstler und Publikum (falls diese überhaupt bestanden hat) hatte die junge Sängerin schon innerhalb weniger Sekunden beseitigt und die interessierten Zuhörer vor der Bühne abgeholt. So sorgte sie für die nötige Aufmerksamkeit für die nun folgenden, eigenen Songs. Das erste ihrer eigenen Lieder trägt den Namen "Tanzen". Eine flotte Elektropop-Nummer mit einer eingängigen Melodie und straffem Beat. Inzwischen waren auch die angekündigten Tänzerinnen mit auf die Bühne gekommen. Eigentlich wären es - wie schon erwähnt - vier Mädels, die tÄssA während ihres Auftritts mit Tanzeinlagen und einstudierter Choreographie unterstützen. Am Samstag waren es aber nur zwei der vier Tänzerinnen, da auf der Bühne wegen des bereits aufgebauten Instrumentariums der nachfolgenden Bands kaum Platz war. Die beiden Mädels machten einen guten Job. Die rechts von uns aus positionierte Tänzerin machte zudem mit einem angestrengten Minenspiel auf sich aufmerksam. Völlig in sich versunken und tanzend konnte man ihr die Konzentration am Gesicht ablesen. Dies änderte sich auch bei den noch folgenden zwei Songs nicht...
"Du bist die Nacht", eine Ballade, folgte als dritter Song aus tÄssAs Set. Dabei handelt es sich um ein ziemlich neues Lied, und die Sängerin konnte bei dieser doch eher ruhigeren Nummer unterstreichen, dass ihre Stimme auch in ruhigeren Fahrwassern funktioniert.
Mit "Tanktop" läutete sie dann das Ende ihres Auftritts ein. Nach der Ballade kamen wieder die elektronischen Dancebeats an die Reihe. Die Nummer geht richtig gut ab, und tÄssA rundete mit einer erneut tollen Leistung einen sehr guten Auftritt ab. Vor der Bühne konnte man eine Reihe junger Festbesucher entdecken, die entweder schon zum Fankreis von tÄssA gehören oder am Samstag frisch dazu gestoßen sind. Sie hatten jedenfalls eine Menge Spaß und ließen diesem auch freien Lauf. Am Ende von tÄssAs Auftritt gab's noch ein kurzes Interview mit den Jump Moderatoren des Abends. Dabei erfuhren wir, dass sie derzeit in Berlin mit den Arbeiten an einer eigenen CD beschäftigt ist. Wann und wo diese erscheinen wird, steht noch nicht fest. Um 19:50 Uhr war das kurze Abenteuer für die junge Sängerin auf der Hauptbühne dann auch schon vorbei. Das hätte gut und gerne noch etwas länger gehen können...
Alles in allem war das ein gelungener Auftritt. Es ist tÄssA zu wünschen, dass sie bald ihren Durchbruch in der deutschen Musikszene hat. Außerdem, dass sie unbeirrt an ihrem Weg festhält und sich nicht von außen verbiegen lässt. Sie ist ohne jeden Zweifel mit einer sagenhaft guten Stimme ausgestattet, so dass sie sich keine Flausen von besserwissenden "Fachleuten" in den Kopf setzten lassen sollte. Ich persönlich würde sie gerne mit kompletter Band sehen, um den interessanten Kompositionen mit ihren ebenso guten Texten mehr Tiefe und musikalische Breite zu verleihen. Wie man elektronische Musik auch in Bandbesetzung astrein über die Bühne wuppen kann, konnte man ja zuletzt beim Camouflage-Konzert in Neuenhagen (wir berichteten) erleben. Das Songmaterial hat dafür durchaus die Qualität. An ihrer Bühnenpräsenz muss tÄssA auch noch arbeiten, und dabei viel mehr sie selbst sein. Das Selbstvertrauen, ihren eigenen Stil zu entwickeln und noch mehr Überzeugung in ihren Auftritt zu legen, sollte sie ob ihrer Stimme und der Art, die Lieder zu singen, haben. Da ist also noch etwas Luft nach oben. Ob man die Tänzerinnen im Hintergrund braucht, oder ob da lieber eine Band stehen sollte, mag jeder für sich entscheiden. Auch wenn die beiden Mädels, speziell die linke der beiden, einen guten Auftritt hingelegt haben, bin ich kein Freund dieser "Fernsehballett"-Auftritte bei Konzerten. Sie lenken viel zu sehr von der Hauptperson ab, und das hat tÄssA nicht mehr nötig.
Bitte beachtet auch:
- off. Homepage von tÄssA: www.tässa.de
- Homepage des Veranstalters: www.bergstadtfest.de
- Portrait über tÄssA: HIER
Live-Impressionen