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Ein Konzertbericht mit Fotos von Reinhard Baer



Es war das Jahr 1971, und es gab im DDR-Fernsehen eine Sendung, die hieß "Notenbank". Mehrere ehemalige und auch heute noch bestehenden Rockgruppen wurden hier den Fernsehzuschauern vorgestellt, und für etliche war diese Sendung das Sprungbrett für späteren Erfolg. Die Bands JOCO-DEV, die KLOSTERBRÜDER und auch die PUHDYS hatten hier ihren ersten Fernsehauftritt. In einer Sendung, die in Neubrandenburg im Innenhof des "Hauses der Kultur und Bildung" aufgezeichnet wurde, begann der Erfolg der Gruppe SCIROCCO.


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SCIROCCO in der TV-Sendung "Notenbank" (Foto: Bernd Maywald)



Bandchef Volker Thiele hatte schon 1964 angefangen Musik zu machen. Es folgten Verbote wegen Verbreitung westlicher Unkultur. Während einer solchen Verbotsphase hatte Volker Thiele zusammen mit einigen Musikern in Berlin heimlich ein Demoband mit drei Titeln aufgenommen, darunter einer, mit dem sie in der Notenbank auftreten wollten. Dieser besaß noch keinen Text, der kurz vor Aufzeichnung der TV-Sendung erst noch von einer Textautorin geschrieben werden musste. Als dies erledigt war, musste schnell noch ein neuer Name für die Band gefunden werden, da man unter dem alten ja ein Spielverbot ausgesprochen bekommen hatte. Im Duden stieß man auf das Wort "Scirocco". Scirocco ist eigentlich ein heißer Wind, welcher aus der Sahara in Richtung Mittelmeer weht. Auch eine Zusatzheizung in Fahrzeugen, seinerzeit produziert in einem Werk namens "VEB Scirocco" in Neubrandenburg, trägt den Namen; das gleichnamige Modell von VW kam erst später. Nun trug also auch eine Rockband diesen Namen. Der Titel, den die neu gebildete Band SCIROCCO in der Sendung dann vorstellte, hieß "… sagen meine Tanten" und war fortan in den einschlägigen Sendungen des Rundfunks zu hören. Es war so etwas wie ein Gassenhauer. Das alles ist jetzt 40 Jahre her und SCIROCCO gibt es noch immer. Von der ursprünglichen Besetzung ist jedoch nur noch Volker Thiele dabei, und die Liste der ehemaligen Bandkollegen ist lang. Heute gehören Volker Thiele (voc, key), René Kricke (g), Bernd Büsser (bg) und "Doc" Ahrens (dr) zur Besetzung von SCIROCCO. In den 40 Jahren sind etliche eigene Titel entstanden, welche in erster Linie Volker Thiele geschrieben hat. Es werden aber bei Konzerten zum großen Teil viele internationale Hits gespielt. SCIROCCO ist also so etwas wie eine Oldie-Band mit eigenem Songmaterial. 40 Jahre sind natürlich eine lange Zeit, und so ein Jubiläum gilt es zu feiern. Diese Feier fand am letzten Freitag in der Braconia-Halle in Gadsdorf statt.

Gadsdorf ist ein 200-Seelen-Ort im Landkreis Teltow-Flämming und gehört zur Gemeinde "Am Mellensee". Die Braconia-Halle ist ein als landwirtschaftliche Lagerhalle gebautes Gebäude, welches zur Wendezeit gerade fertig gestellt und dann gar nicht mehr gebraucht wurde. Jürgen Weinrich kaufte das Anwesen und verwandelte dieses Bauwerk in eine schöne Veranstaltungshalle mit Bühne, Tanzfläche, Heizung, Rolltore, einer Empore, Theken usw. Daneben befindet sich noch eine Schießsportanlage und darüber ein Raum für Feste, Tagungen usw. In dieses Projekt hat Weinrich viel Liebe und eine Menge Ideen gesteckt, und etliches ist noch nicht fertig. Unter der Empore stehen Zeugnisse vergangener Zeiten wie z.B. ein Federhammer, eine Drehbank, Bohrmaschinen, Fräse und auch eine Simson SR 1, ein Motoradgespann "Molotow" und ein Motorad MZ ES 250 findet man hier. Draußen vor dem Eingang stehen zwei liebevoll restaurierte Traktoren der Marke Hannomag aus den 50er Jahren. Das ist alles viel zu schade um verschrottet zu werden. "Man muss so etwas doch bewahren", ist die Meinung von Jürgen Weinrich.

Nun aber zum Geburtstag von SCIROCCO. Zu diesem Anlass läd man sich gewöhnlich Gäste ein, und so sind Jürgen Kerth mit Band und die Gruppe JUMP dieser Einladung gerne gefolgt. Bis zum Beginn um 20:00 Uhr füllte sich der Saal mit Publikum, und zunächst einmal gab es etwas Musik aus der Konserve, dargeboten von DJ Achim. Danach kam endlich Live-Musik. Jürgen Kerth, unterstützt von seinem Sohn Stefan am Bass und Marco Thiermann am Schlagzeug, legte los. Der erste Titel hieß "Komm herein", danach spielte er "Komm zurück", "Oma hilf", "Martha", "Frühlingsmelancholie und "Ich finde keine Ruh". Der kurzweilige Auftritt von Jürgen Kerth und Begleitung war viel zu schnell vorbei, doch nun sollten die Jubilare folgen...

SCIROCCO betraten die Bühne und es ging los mit den beiden Status Quo-Klassikern "What You're Proposing" und "Rockin All Over The World". SCIROCCO wird gegenwärtig noch unterstützt von Mathias Wacker am Saxophon. Bei den beiden nächsten Titeln "Urgent" von FOREIGNER und dem Instrumental "Lily Was Here" von Candy Dulfer/Dave Stewart konnte er mal so richtig zeigen, was er auf seinem Instrument drauf hat. Schon bei den ersten Songs von SCIROCCO begann sich die Tanzfläche zu füllen. Gute Laune also auf und vor der Bühne! Einmal spazierte Mathias mit seinem Saxophon durch die tanzenden Konzertbesucher. Natürlich spielte die Band auch ihren Klassiker "… sagen meine Tanten" und weitere eigene Titel wie "Weiße Taube" oder "Allemania Rock". Die ROLLING STONES waren mit "Honky Tonk Woman" und "Brown Suggar" in der Setlist ebenso vertreten, wie DEEP PURPLE mit "Smoke On The Water" und "Child in Time". Beim AC/DC-Titel "Highway To Hell" bekam Gitarrist René Unterstützung von Voker Thieles Sohn Sascha, der auch in die Saiten griff. Von AC/DC gab es noch "T.N.T." zu hören, und dann gab es den im Original ca. 17 Minuten dauernden Titel "In A Gadda Da Vida" von IRON BUTTERFLY. Allerdings dauerte es diesmal keine 17 Minuten. Ein kurzes Keyboard-Intro und dann trommelte "Doc" ein Schlagzeugsolo.

Schließlich machte SCIROCCO dann eine Pause, und es gab Zeit und Platz für ein weiteres Highlight des Abends: Die 3 Mädchen Elena aus Russland am Cello, Masha aus der Ukraine und Lea aus Korea (beide Violine) nennen sich JUMP, und füllten die Pause mit Leben. Sie boten in einer tollen Show Musik von Bach bis ZZ Top. Ihr erster Titel hieß auch "Jump", und stammt im Original von VAN HALEN. Weiterhin spielten sie "The Final Countdown" von EUROPE, DEEP PURPLEs "Smoke On The Water", wechselten dann nach "Kashmir" von LED ZEPPELIN und zu "Carmina Burana" von Orf. Es wechselte immer wieder zwischen Rock und Klassik hin und her, so gab es im Anschluss Rock in Form des Songs "Give Me All Your Lovin" von ZZ TOP, um dann mit Mozarts "Kleine Nachtmusik" wieder klassisch zu werden. Später folgte "Ballroom Blitz" von THE SWEET aus der Rock-Abteilung und "Freude schöner Götterfunken" aus dem klassischen Bereich. Weitere JUMP-Bearbeitungen waren "Cotton Eye Joe" von REDNEX, "Moskau" von DSCHINGIS KHAN und als Zugabe Offenbachs "Can Can". Alle drei Mädchen spielten ihre Instrumente mit großer Perfektion - schließlich haben Elena, Masha und Lea klassische Musik studiert. Die drei Künstlerinnen ernteten zurecht großen Beifall.

Nun ging ging es für SCIROCCO in die zweite Runde. Noch einmal gab es neben eigenen Titeln auch wieder zu hören, was die bunte Welt des internationalen Rock so hergibt, z.B. "Radar Love" (Golden Earring), "Death Of A Clown" (The Kinks), "Baby Come Back" (The Equals) oder "Sweet Home Alabama" (Lynyrd Skynyrd), "I 'm A Beliver" (The Monkees) und die "Tanten" kamen ein zweites Mal.

Nach Mitternacht gab es noch einmal eine kleine Pause, und dann gingen Jürgen Kerth und SCIROCCO zusammen zu einer gemeinsamen Session auf die Bühne. Sie spielten u.a. von CCR den Titel "Suzi Q" und von Jimi Hendrix "Redhouse". Was den Abend betrifft, muss ich unbedingt noch erwähnen, dass alle drei Bands von einer perfekten Lichtshow mit vielen Effekten unterstützt wurden. Auch der Ton ließ keine Wünsche offen... Es war inzwischen weit nach Mitternacht, und der Saal hatte sich doch schon merklich geleert. Volker Thiele wünschte allen einen guten Heimweg und eine gute Nacht. Für mich war es auch Zeit für die Heimreise. Ich verabschiedete mich von Volker Thiele und anderen Musikern und Organisatoren des Abends. Im Auto schob ich die SCIROCCO-CD ein, welche mir Volker Thiele geschenkt hatte, und fuhr los. Gegen 2.45 Uhr kam ich dann zu Hause an und ging rechtschaffend müde zu Bett.



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