Jan Plewka
"Das ist wie Gott spielen"
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Der damalige Intendant des Schauspielhauses Hamburg, Tom Stromberg, war ein großer und glühender Rio-Reiser-Verehrer und wollte schon immer einen Rio-Reiser-Abend machen. Eine Hommage an den "König von Deutschland". Und er hat mich eines Tages gefragt, ob ich mir so etwas vorstellen könnte. Ich hab` ihm geantwortet: Nein, das werde ich nicht machen. Das ist ja so, als wenn man Gott spielen würde. Rio Reiser ist ja wirklich auch mein Idol. Wegen ihm habe ich auch angefangen, deutsche Texte zu schreiben. Aber Tom Stromberg hat immer wieder nachgefragt und ich hab´ mich wirklich mächtig gewunden, weil ich das nicht machen wollte. Und dann hat meine Freundin zu mir gesagt: "Jan, du bist echt doof - Rios Lieder müssen leben und es wäre einfach gut, wenn du das machst. Du musst ihn singen, du musst ihn weiterverbreiten, er ist doch dein Held." Dann habe ich mich also doch mit der Schwarz-Roten Heilsarmee, das war damals die Schauspielhaus-Band, zusammengesetzt und drei Lieder geprobt. Und das war dann sehr gut. Sehr schön. Daraufhin haben wir diesen Abend innerhalb von vier Wochen einstudiert. Eine tolle Zeit. Und die Lieder von Rio im Schauspielhaus aufzuführen, das war wunderbar. Und seitdem machen wir das.
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Also erst war es ein Programm für das Schauspielhaus Hamburg und danach seid Ihr damit auf Tournee gegangen?
Ja. Wir hatten uns einfach gedacht, das wäre ja auch etwas für andere Schauspielhäuser. Normalerweise spielen wir das in Theatern, nicht in Rock-Clubs.
Du hast ja bezüglich Rio Reiser auch einen Film gemacht. Ich habe ihn leider nicht gesehen. "Alles Lüge". Ist das ein Dokumentarfilm gewesen oder ein Spielfilm?
Halbe-halbe. Der Film handelte von einer Theatertruppe, die das Leben von "Ton Steine Scherben" nachspielt.
Hast Du denn selbst Kontakt zu "Ton Steine Scherben", also zur family?
Wir sind mal nach Fresenhagen gefahren, um uns diesen Ort für unsere Aufführung anzuschauen. Auch um Rios Grab zu besuchen. Dort haben wir Marius del Mestre kennen gelernt, auch die anderen Scherben. Die waren dann auch bei der Premiere in Hamburg. Das war aufregend. Sie waren alle da. Auch der Bruder von Rio und Rios letzter Freund. Ich hab mir gesagt: Wenn denen das nicht gefällt, dann machen wir das noch einen Monat und dann ist es gut. Aber wir sind seitdem richtige Freunde. Gerd Möbius kommt regelmäßig, wenn wir hier spielen, heute abend zum Beispiel. Die "Ton Steine Scherbe Family" haben mich und unseren Gitarristen Marco Schmedtje eingeladen, mit ihnen zusammen zu spielen. So dass wir bei denen auch mal zwei drei Lieder spielen. Wir sind richtige Kumpels geworden. Das kann man wirklich sagen. Und LanRue ist noch mal auf einem Treffen in Fresenhagen auf mich zugekommen und hat zu mir gesagt: Jan, das ist wunderbar, dass du das machst. Gerade, dass es mit diesem Augenzwinkern passiert, mit dem kleinen Schalk bei diesem Programm. Er meinte, das wäre genau richtig.
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Man weiß ja leider im Moment nicht genau, was aus Fresenhagen wird. Es wird ja auch spekuliert, dass Rios Grab verlegt werden soll, weil sich vielleicht niemand in Fresenhagen drum kümmern kann...
Er ist halt immer noch unterwegs, der Rio.
Du selbst bist ja auch sehr viel auf Achse. Du hast ja zum Beispiel eine Zeitlang in Schweden gelebt.
Ja, in Schweden auch. Das stimmt.
Bist Du immer noch so viel unterwegs oder bist Du jetzt irgendwo zu Hause?
Ich bin immer noch sehr unstet. Ich habe natürlich Familie, das ist klar. Aber meine Kinder kennen das nur so, dass der Papa immer sehr viel unterwegs ist. Aber wenn ich da bin, bin ich auch sehr intensiv da.
Dein Lebensmittelpunkt ist aber Hamburg?
Ja. Das ist so.
Jetzt mache ich mal einen kleinen Sprung, hinüber zu Selig. Ihr hattet ja ein Comeback und nun steht die Frage im Raum, jedenfalls für mich, ob ihr da weiter ansetzt.
Wir setzen da natürlich an. Gerade im Moment sind wir im Studio und nehmen unsere fünfte Platte auf. Das macht Spaß und ist echt gut.
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Also Selig existiert weiter...
...bis zur Unendlichkeit und viel viel weiter. Wir hatten ja immerhin eine Pause von zehn Jahren gehabt.
Hat Dir das gut getan, die Selig-Abstinenz?
Das musste damals sein, dass wir uns auflösen. Wir konnten uns nicht mehr ertragen. Das war wie bei einer Ehe, die nicht mehr funktioniert. Wenn die Liebe plötzlich weg ist und man sich fragt: Was soll das? Jetzt haben wir uns wieder getroffen und unsere Liebe füreinander ist wieder voll erblüht.
Wie war denn die Resonanz auf die CD und auf die Tour?
Das war wirklich großartig. Wir hatten ausverkaufte Häuser. Die Menschen haben getanzt, geweint, geschrien, gesungen, gelacht. Da war so viel. Und das hat uns so viel gegeben. Wir haben gemerkt, dass die Leute wirklich sehr lange auf uns gewartet haben.
Habt Ihr so eine Resonanz erwartet?
Wir haben gar nichts erwartet. Wir waren nach dieser langen Zeit einfach nur selber froh, dass wir wieder zusammen sind. Aber mit diesem immensen Erfolg haben wir überhaupt nicht gerechnet. So viele verkaufte CD´s, so viele ausverkaufte Konzerte, so viele Menschen, die so glücklich sind darüber. Damit hatten wir überhaupt nicht gerechnet. Plötzlich waren wir in den Charts auf Platz 5. Das war früher nicht so. Wir sind eigentlich jetzt erfolgreicher als damals. Das ist ein tolles Gefühl.
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Und kreativ seid Ihr auch, denn Ihr macht ja immer noch alle Songs selber.
Ja, genau. Wir sind ja alle irgendwie dieselben, nur eben zehn Jahre älter. Da fühlt man schon so etwas wie eine Altersmildheit - oder wie auch immer man das bezeichnen könnte. Jeder von uns ist bereit, sein Ego mehr zurückzunehmen. Wir sind ja alle sehr krasse Persönlichkeiten. Und wenn die Kraftfelder damals aufeinander getroffen sind, da gab es oft richtigen Krawall. Das ist jetzt nicht mehr so. Wir sind alle etwas schlauer geworden und können sehr viel besser mit uns umgehen.
Du bist ja nicht nur Musiker, sondern auch Schauspieler. Und ich hab gelesen, das beides wohl verbindend, dass Du den Soundtrack fürden Film "Knockin On Heavens Door" gemacht hast.
Mit Selig haben wir das gemacht. Ich finde, wir sind musikalisch sehr filmaffin. Und das ist eine richtig schöne Arbeit. Wenn man im Studio steht und da laufen die Szenen über die Leinwand und man spielt den Track live ein, das ist toll. Wenn mal wieder so etwas kommt, sagen wir natürlich nicht nein.
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Dann habe ich gelesen, Du bist auch Grafiker.
Nee. Das war der ordentliche Beruf. Aber Grafiker bin ich nicht. Das habe ich mal gelernt. Manchmal nutze ich das auch. Bei der letzten Platte habe ich für die Gestaltung mit Walter Schönhauer Tag und Nacht gesessen und da haben wir die Entwürfe gemacht. Das macht mir auch Spaß. Es ist schon eine Leidenschaft für mich, etwas zu gestalten. Ich male auch. Aber Grafiker, ein richtiger Grafiker, das bin ich nicht. Das sind andere.
Was hast Du als nächstes vor?
Ich möchte eine richtig schöne neue Platte mit Selig machen. Und ich wünsche mir auch, dass wir mit dem Rio-Reiser-Programm noch recht lange unterwegs sind. Dass wir noch ganz viele Theater glücklich machen können. Genau das habe ich vor.
Dann habe ich noch mitbekommen, Du hast in einer "Zauberflöte"-Inszenierung in Berlin en Papageno gesungen...
Das war echt lustig.
Würdest Du so etwas wieder machen?
Das weiß ich nicht. Kommt drauf an. Es ist auch immer schön, wenn man Angebote kriegt, von denen man auf den ersten Blick sagt: Das klappt nie, das ist doch totaler Schwachsinn. Sich dann aber da reinzuhängen und die Angst zu überwinden und dann wird es auch noch erfolgreich und entpuppt sich als eine sehr angenehme Arbeit, dann ist das wunderschön.
Jan Plewka, vielen Dank, dass Du Dir Zeit genommen hast für dieses Interview, viel Erfolg weiterhin!
Bearbeitung: kf, cr
Fotos: Pressematerial,. Hauptmann Entertainment