lp1 20130307 1552509676 lp2 20130307 1010109776 lp3 20130307 1199314248

 

Club der toten Dichter

 

Seit fünf Jahren gibt es ihn jetzt schon, den "Club der toten Dichter". Erfinder dieses Projekts ist Reinhardt "Maxs" Repke, der sich vorher als Bassist von Reform und Rockhaus einen guten Namen erspielte. Er ist auch der einzige Musiker, der bei allen bisherigen Programmen dabei war, denn das Personal wird nach jeder abgelaufenen Tournee pünktlich zum neuen Programm ausgetauscht. Immer neue Gesichter und neue Gedichte halten das Projekt frisch und machen es für die Zuschauer interessant. Das erste Projekt war die Vertonung von Gedichten Heinrich Heines, bei dem Dirk Zöllner den Gesangsteil übernommen hat. Das zweite Programm hatte Wilhelm Buschs Werke zum Thema, vorgetragen von Keimzeit-Sänger Norbert Leisegang. In diesem und im nächsten Jahr präsentieren uns Maxs Repke und Kollegen vertonte Werke Rainer Maria Rilkes. Erstmals ist jetzt eine Frau beim "Club" dabei, nämlich Katharina Franck, die Sängerin der ehemaligen Band Rainbirds. Am 29. Oktober kommt die CD "Eines Wunders Melodie" in die Läden. Die ersten drei Konzerte der Tour sind bereits gespielt. Zeit also, mal beim Chef des Clubs Maxs Repke und der Sängerin des aktuellen Programms, Katharina Franck, nachzufragen...
 

 

001 20130307 1447610671
Interview mit Maxs Repke:
Das Interview mit Katharina Frank folgt im Anschluss
 

Bevor wir zum eigentlichen Thema kommen, stelle ich mal eine von mehreren Lesern besorgt gestellte Frage: Ist Maxs Repke noch Mitglied von Rockhaus?
Maxs: Theoretisch ja. Es ist nur so, dass ich mich wegen des Arbeitsumfangs beim "Club der toten Dichter" aus den Aktivitäten bei Rockhaus dieses und nächstes Jahr herausziehen musste. Wir sind damit auch ganz offen umgegangen. Die Kollegen freuen sich für mich und verstehen das total; sie verfolgen das Projekt auch aufmerksam. Wir hatten mit dem "Club der toten Dichter" gerade Premiere und Reini (Petereit) hat mir viel Glück gewünscht. Darüber freue ich mich sehr. Ich bin auch mit Heinz (Haberstroh) in ständigem Kontakt.
Rockhaus spielt jetzt mit "Inge" (Ingo York) am Bass, der ja die Band mit gründete.

Die Frage kommt meiner Meinung nach nicht von Ungefähr. Es gibt ein Online-Interview, das ein paar Fans mit Mike Kilian geführt haben. Darin heißt es u.a., dass für 2011 eine neue CD geplant ist. Du selbst bist aber bis 2011 mit dem Club der toten Dichter unterwegs. Stimmt es, dass es eine neue Rockhaus-CD geben wird und stimmt es auch, dass Du daran nicht mitwirken wirst?
Maxs: Es ist richtig, dass wir mit dem "Club der toten Dichter" bis Ende 2011 unterwegs sind. Ich hab' auch zu den Kollegen gesagt: "Was immer Ihr auch plant, macht ruhig. Ihr braucht da auf mich keine Rücksicht nehmen." Ich kann 2011 definitiv nicht mitmachen, und das wissen die Jungs auch. Was die Band jetzt im Moment plant, kann ich gar nicht so genau sagen. Ich bin nicht angeschlossen, denn sie wissen ja, dass ich sowieso nicht dabei sein kann.

rockhaus1 20130307 1917489666

Die Band spielte im September erstmals bei der Konzertreihe "Ostrock in Klassik" vor über 16.000 Zuschauern in der Berliner Waldbühne. Hast Du das mitbekommen?
Maxs: Ja, aber ich war an diesem Samstag selbst unterwegs. Wir waren mit dem "Club der toten Dichter" in Suhl beim "Provinzschrei"-Festival. Ich hatte aber vorher noch mit "Heinz" telefoniert und hinterher auch mit "Reini". Wir sprachen kurz und sie haben mir erzählt wie's war.

Und was ging da in Dir vor? Hat es Dich nicht irre gejuckt, auch mal wieder vor so vielen Leuten zu spielen?
Maxs: Ich hatte überhaupt keine Zeit, darüber nachzudenken. Seit dem Frühjahr steht fest, dass Katharina Franck beim "Club der toten Dichter" singt, und seitdem arbeite ich nur noch für den Club. Ob das im Studio ist, beim Songwriting oder im Büro: Ich bin damit komplett ausgefüllt, als "Ostrock in Klassik" in Berlin stattfand sowieso, denn wir haben in der Woche davor geprobt und dann kamen die ersten Konzerte mit dem Rilke Programm.

Genug der Vorrede... kommen wir zu der erfreulichen Nachricht, dass der Club der toten Dichter derzeit in die dritte Runde geht. Wieso fiel die Wahl diesmal auf Rainer Maria Rilke als Thema und Katharina Franck als Sängerin für Dein Projekt?
Maxs: Wie bei den vorherigen Dichtern auch, hatte ich ein Initiationserlebnis. Bei Rilke waren es sogar zwei. Einmal war es meine doch schon sehr alte Mutter, die sich darüber freut was ich mache und mich fragte, ob ich schon wüsste, wer der nächste Dichter sein würde. Das war vor 1 ½ Jahren und ich habe gesagt: "Nein, das weiß ich noch nicht." Darauf hat sie gesagt: "Ich würde Rainer Maria Rilke machen." Das blieb mir danach die ganze Zeit im Kopf. Dann war ich irgendwo im Internet auf einem Portal für antiquarische Bücher, machte die Seite auf und fand dort sofort "Der Panter" abgebildet. Das war das zweite Erlebnis. Das habe ich mir ausgedruckt und habe es heute noch bei mir an der Wand hängen. Dann habe ich mich in das Thema reingelesen, dieser Prozess geht immer über Wochen und Monate, und habe dabei bemerkt, dass da was gehen könnte.
Was Katharina Franck betrifft: Sie stand auf meinem Zettel. Ich hatte von Anfang an das Gefühl, dass das eine Frau singen muss. Zuerst habe ich mich nicht getraut, sie anzurufen. Das hab' ich erst ein halbes Jahr später getan. Wie ich jetzt weiß, war das auch gut so, denn ein halbes Jahr vorher war sie noch so sehr mit ihrem letzten Soloalbum beschäftigt, dass sie für etwas anderes gar keinen freien Kopf gehabt hätte. Wer Katharina Franck kennt weiß, dass wenn sie was macht, das so 100%ig macht und sich mit allem was sie hat einbringt, da ist für etwas anderes kein Platz. Als ich dann bei ihr anrief, war es genau der richtige Moment, sie hat sofort gesagt: "Schick mir doch mal was, das hört sich gut an." Sie war noch in Portugal im Urlaub und hat sich danach sofort bei mir gemeldet und gesagt: "Ich möchte mich mit Dir treffen", und kurze Zeit später hab' ich bei ihr zu Hause gesessen und da war das im Grunde genommen klar...

 

cdtd3gr 20130307 1658877383

Kanntet Ihr Euch vorher schon?
Maxs: Nein, überhaupt nicht... Ich habe den Kontakt zu ihr über den ersten "Rückkehrer" beim "Club der toten Dichter", den Schlagzeuger Tim Lorenz hergestellt. Tim hatte ihre Handynummer, denn die beiden haben schon bei den Rainbirds zusammen gespielt. Das war dann mit Katharina wie bisher immer - da muss ich schnell mal auf Holz klopfen - denn jedes mal, wenn ich Leute auf den "Club der toten Dichter" angesprochen habe, haben sie sich total in das Projekt verliebt und waren auch mit Herz und Seele dabei. Darauf bin ich auch ein bisschen stolz, dass das bei Katharina und bei allen Mitwirkenden wieder so ist und man uns das auch auf der Bühne anmerkt. Wir haben ja schon die ersten drei Konzerte gespielt und dabei sehr viele Komplimente für die Musik, aber auch dafür, wie wir miteinander auf der Bühne wirken, bekommen.

Du hast ihn gerade schon genannt: Tim Lorenz. Er ist nach dem Wilhelm Busch-Programm auch am Rilke-Projekt beteiligt. Du tauschst sonst immer alle Musiker aus, ihn diesmal aber nicht. Warum?
Maxs: Ich hab mir dieses Dogma auferlegt, dass ich bei jedem neuen Programm auch immer komplett andere Musiker dabei haben will, nur ich der einzige bin, der sitzen bleibt. Bei der Arbeit an den Rilke Songs musste ich oft an Tim denken, er ist wirklich ein sehr außergewöhnlicher Schlagzeuger. Ich hab' ihn einfach angerufen, als wir eine Produktion für das Video hatten und ihn gefragt, ob er nächsten Montag und danach für die nächsten 1 ½ Jahre Zeit hat. Da hat er gelacht, sich an die schöne Zeit mit dem Wilhelm Busch-Programm erinnert und zugesagt.

rockhaus3 20130307 1295749593

Nach welchen Kriterien suchst Du die Musiker für Deine Projekte eigentlich aus?
Maxs: In erster Linie natürlich musikalisch. Dann achte ich auch darauf, dass sie zueinander passen, auch menschlich. Ich habe keine Lust, mit guten Musikern zusammenzuarbeiten und unterwegs zu sein, die aber rumnerven. Mir ist Harmonie sehr wichtig, bis hin zu den Technikern. Übrigens auch zwei Rückkehrer, der Tonmischer Jürgen Block und am Lichtpult Andreas Graupner. Für die schöne Atmosphäre ist auch Reyk Zöllner, der Manager des Clubs, sehr wichtig. Wir arbeiten ja seit Anfang an zusammen. Man muss halt gerne in den Tourbus steigen und zusammen unterwegs sein wollen. Das ist mir ganz wichtig. Bei Tim kannte ich das schon, und bei Katharina habe ich schnell gemerkt, dass das bei ihr auch so ist. Den Bassisten Markus Runzheimer kannte ich vorher überhaupt nicht, aber wir haben bei mir zu Hause einen Song zusammen gespielt, da war musikalisch wie menschlich sofort alles klar. "Spatzi" von Keimzeit (Andreas Sperling) kenne ich schon eine ganze Weile. Er hat das Projekt verfolgt, im letzten Jahr natürlich auch wegen Norbert Leisegang, der beim Busch-Programm gesungen hat. Er hat immer zu mir gesagt: "Maxs, ich will auch mal mit dabei sein." Ich hab ihm geantwortet: "Du hast ja nie Zeit, bist immer mit Keimzeit beschäftigt." Jetzt ist es aber so, dass er im nächsten Jahr Zeit hat, da habe ich gesagt: "Komm, lass uns das machen." "Spatzi" ist ein Supertyp und ein toller Musiker. Das passt alles sehr sehr gut zusammen.

Rilke hat in seinem Leben unterschiedliche Phasen in seiner Schreibkunst gehabt. Nach welchen Kriterien hast Du die Werke ausgesucht, die Du letztlich vertont hast?
Maxs: Meine Herangehensweise ist - sagen wir mal - eine eher kindliche. Ich beschäftige mich vorher überhaupt nicht mit dem Dichter und auch nicht mit - wie Du sagst - den Phasen, die er hatte. Ich möchte mich davon nicht beeinflussen und durcheinander bringen lassen. Das ist so, als ob ich in eine Galerie gehen würde und ein Bild sähe. Entweder es spricht mich an und löst ein Gefühl bei mir aus oder nicht. Und so lese ich auch die Gedichte. Das geht - wie ich schon sagte - über Wochen und Monate und irgendwann springt mich etwas an. Das war bisher immer so. Das kann mal das komplette Gedicht sein, manchmal auch erstmal nur zwei Zeilen, die in mir etwas auslösen oder hinterlassen. So arbeite ich mich durch das gesamte Werk des Künstlers und streiche an, was mir gefällt. Am Ende waren es bei Rilke knapp 70 Gedichte, die ich mir ausgedruckt habe. Dann beginnt die eigentliche Arbeit. Entweder ich sitze mit der Gitarre vor den Gedichten oder habe schon Fragmente eines Songs, die ich irgendwann mal aufgenommen habe und die dazu passen könnten. Nach wochenlanger Arbeit öffnen sich immer mehr Türen, und man ist dann mitten im Thema. Meine Wahrnehmung ist die, dass der Dichter mich beobachtet, ob ich es wirklich ernst meine. Und wenn er merkt, ich meine es ernst, macht er für mich immer mehr Türen auf und irgendwann das große Tor. Ein herrliches Gefühl! Dann geht es auf eine andere Art und Weise weiter, das kann man gar nicht beschreiben. Ab einem gewissen Punkt fliegen einem die Sachen nur so zu. Das ist übrigens auch der Punkt, an dem ich mir erst sicher bin, dass das geht und sich umsetzen lässt.

rilke 20130307 1990329979

Interessiert es Dich denn nach der kreativen Phase, was der Dichter, den Du gerade vertonst, für ein Mensch war?
Maxs: Ja, dann lese ich etwas über den Menschen, weil wir im Live-Programm zwischendurch auch immer mal wieder etwas über den Dichter erzählen. Aber ich will das auch gar nicht allzu sehr ausweiten, denn es soll ja kein Abend werden, an dem man die ganze Biographie des Dichters erzählt. Wenn, dann sind es kurze Passagen, denn im Grunde genommen geht es um das Werk des Dichters und wie wir das musikalisch umsetzen. Nichts liegt mir ferner, als daraus eine Belehrungs-Veranstaltung zu machen und den Leuten Rilke zu erklären. Das war auch meine Erfahrung aus der Schule: Wenn mir jemand etwas vorsetzen will, ist das dann eher abstoßend. Man braucht eine gewisse Freiheit, um zu sagen, das gefällt mir, also schau ich mal selber. Man kann niemanden dazu zwingen oder mit dem erhobenen Zeigefinger dazu bringen, Gedichte zu lesen. Wer bin ich, dass ich den Leuten den Stoff erkläre, wo ich selbst bei manchen Gedichten Wochen und Monate brauchte, um meine eigene Deutung hinzukriegen? Jeder soll - wie Katharina das so schön sagt - nach dem Konzert, wenn er uns gesehen oder unsere CD gehört hat, seinen "eigenen Rilke" mit nach Hause nehmen und dadurch inspiriert sein, vielleicht weiter zu lesen. Das ist auch die Reaktion, die wir von Anfang an haben - sei es bei Heine, Busch oder jetzt anfänglich auch bei Rilke - dass die Leute sagen: "Es hat mich animiert, mir davon jetzt ein Buch zu kaufen und mich weiter damit zu beschäftigen", oder "Ich kannte bisher ein oder zwei Gedichte, und so habe ich das noch gar nicht gesehen. Jetzt kommen die auf einmal ganz anders daher." Es ist schön, wenn das Publikum durch unsere Vertonung einen neuen Zugang oder überhaupt einen Zugang dazu finden. Diese Leichtigkeit und Freiheit wird uns bescheinigt, und die lässt den Konzertbesuchern einfach genügend Freiräume.

cdtd1 20130307 1424165218

Ihr bringt damit den jüngeren Leuten, aber auch den älteren Zuhörern, die Dichtkunst alter - teilweise vielleicht auch schon vergessener - Autoren und Dichter wieder näher. Ist Dir das eigentlich bewusst, war das vielleicht sogar eines der Ziele, die Du mit dem "Club der toten Dichter" erreichen wolltest?
Maxs: Nein, das muss ich mal ganz egoistisch so sagen. Man muss als Künstler auch ein Stück weit so egoistisch sein und sagen: "Ich will das jetzt machen, egal was passiert." Egoismus jetzt gar nicht mal negativ behaftet, sondern als Antrieb. Ich denke gar nicht darüber nach, ob jemand dies oder das hören will. Wenn ich mich danach richte, ist ja schon irgendwo was falsch. Ich will das erstmal machen, völlig egal, was mir jemand dazu erzählt. Dass sich dabei solche Sachen ergeben, dass man nicht nur in eine Richtung wirkt, ist toll. Es ist schön, dass das für das ältere Publikum eine Auffrischung und eine vielleicht neue Sicht auf einen ihrer Lieblingsdichter ist, und dass jüngere Leute vielleicht damit konfrontiert werden, und hinterher sagen: "Mensch, das ist ja richtig gut. In der Schule hat mich das nur genervt", und durch uns einen Zugang dazu finden. Ich kann dabei auch immer nur von mir ausgehen: Was hat mich früher schon interessiert? Schillers "Kabale und Liebe" war für uns ein Brust- und Busen-Buch, ständig dieses "Komm an meine Brust" und "…sank vertrauend an meinen Busen" und so… Darüber haben wir immer gekichert. Wenn ich das heute lese, tu ich das freiwillig und sehe das ganz anders. Das hat der Lehrer nicht geschafft, vielleicht ist es in dem Alter auch einfach noch zu früh, sich damit zu beschäftigen. Keine Ahnung. Auch Marcel Reich-Ranicki sagt, dass man in der Schule dieses oder jenes Buch weglassen und dafür lieber ein anderes nehmen sollte. Man soll die Leute nicht gleich mit so was Schwierigem konfrontieren. Wenn das dann wie bei uns so gut ankommt, freuen wir uns und sind auch ein Stück stolz darauf.

Einer unserer Leser möchte wissen, wie sich das mit den Tantiemen beim "Club der toten Dichter" verhält. Ihr arbeitet ja ausschließlich mit Fremdtexten. Wie wird das geregelt?
Maxs: Es ist so, dass wenn ein Dichter schon über 70 Jahre tot ist, es da keine Rechte mehr gibt. Die Texte und Gedichte sind dann frei. Wenn das nicht so wäre, müsste man sich zuerst mit dem Verlag oder den Erben, also mit den Rechteinhabern, in Verbindung setzen und sagen, dass man die Texte verwenden möchte. Es muss also vorher rechtlich geregelt werden. Bei Heine, Busch und Rilke war das nicht der Fall.

cdtd1gr 20130307 2080426273

Sowohl das Heine- als auch das Wilhelm Busch-Programm waren schon anspruchsvoll. Bei Rilke wird da noch eine Schippe drauf gelegt. Hast Du diese Steigerung eigentlich selbst schon bemerkt?
Maxs: Wie meinst Du das? Beim Text oder bei der Musik?

Vom Text her. Von der Musik natürlich auch, aber hier in erster Linie von den Texten her...
Maxs: Ja, vielleicht. Aber wie schon gesagt, diese Angst vor einem Gedicht, das sich einem möglicherweise nicht sofort erschließt oder das damit belegt ist, dass ein bestimmtes intellektuelles Publikum sagt: "Das ist unser Gedicht, das verstehen andere nicht", die spüre ich nicht. Ich weiß, dass es diese Angst gibt, aber sie ist mir egal. Ich versuche, sie auch wegzunehmen, zwar mit dem Respekt vor dem Dichter aber nicht mit einem Kniefall vor der Interpretation von Gelehrten oder Professoren. Das will ich nicht, und die Reaktionen des Publikums zeigen ja auch, dass sie das genauso sehen und froh darüber sind, dass man den Staub von den Schulbüchern weggeblasen hat, es wieder rausholt und auf unsere Art und Weise vorträgt. Nun bin ich jetzt nicht derjenige, der Rilke gerade neu erfindet, aber ich befreie sie vielleicht aus den Händen der Interpretatoren. Ich höre von den Leuten immer wieder, dass ihnen der Stoff in der Schule komisch rübergebracht wurde. Nicht jeder Deutschlehrer ist vielleicht so, aber es kommt oft so eine seltsame Angst auf: "Das verstehe ich nicht, deshalb kann ich mich auch gar nicht damit beschäftigen." Man hat vielleicht Angst wenn man sagt, dass einen "Der Panter" auf diese oder jene Weise berührt hat und ein anderer erwidern könnte: "So hat der Dichter es aber gar nicht gemeint. Das musst Du vielmehr so und so sehen."

cdtd2 20130307 1143332391

Ich glaube, der gängigere Weg - einige Musiker behaupten das zumindest - ist der, dass zuerst eine Liedidee bzw. eine Komposition vorliegen muss, die dann betextet wird. Umgekehrt ist das wohl ungleich schwerer und der eher weniger verwendete Weg zum fertigen Lied. Fällt es Dir leicht, nach einem vorgegebenen Text die Musik zu kreieren oder ist das für Dich auch eine knifflige Aufgabe?
Maxs: Sie ist leicht und knifflig zugleich. Manche Texte lassen sich relativ einfach vertonen. "Der Panter" ist z.B. ein Stück, das ich schon sehr lange fertig habe. Ich habe die Gitarre in die Hand genommen, hatte sofort eine Melodie, die zum Text passte und schon hatte ich im Grunde genommen den ersten Song fertig. Das ging ganz schnell. Bei mir ist es so, dass ich mit dem Text vor der Nase komponiere. Oder dass ich eine Idee im Kopf habe, die ich mit der Gitarre schon vor mich her summe und merke, dass der eine oder andere Text darauf passt, ohne dass ich den Song, so wie ich ihn gemacht habe, verändern muss. Wenn es ab einem gewissen Punkt nicht leicht ist, einen Text zu vertonen, dann merke ich das meinen Kompositionen auch an. Das sind dann die Songs, die wir letzten Endes nicht machen. Es waren beim Rilke-Programm z.B. 30 Songs fertig, 24 davon werden wir live spielen und 17 sind auf der CD. Die, die am Ende raus fallen, sind die, die ich so ein bisschen gepresst habe. Das war bisher bei allen drei Dichtern dasselbe.

Wie kann man sich den kreativen Prozess vorher bei der Probe und am Ende im Studio bei der Aufnahme der Songs vorstellen? Ist das pauschal das Wirken von Maxs Repke, auch bei den Arrangements, oder sprechen die Musiker bei der Umsetzung auch noch ein Wörtchen mit?
Maxs: Ja klar! Deswegen holt man sich ja Kollegen dazu, die man musikalisch und menschlich toll findet, weil die die drei Noten, die bei mir schon da waren spielen, aber eben auf ihre Art. Das ist wie bei der Oper. Obwohl der Tenor A genau die gleichen Töne singt wie Tenor B, rennen die Leute alle zu dem einen hin, weil der eine andere Ausstrahlung und eine andere Färbung in der Stimme hat. So ist das auch beim "Club der toten Dichter". Die Kollegen bringen ihre eigene Ideen mit ein und sagen z.B.: "An dieser Stelle würde ich gerne etwas verändern", oder "Hier würde ich das gerne anders spielen." Man probiert das aus und findet es am Ende besser als die erste Idee. Ich gebe komplette Demos vor, die ich hier bei mir zu Hause im Studio mit allem Drum und Dran mache. Schlagzeug, Bass, Chöre und Gesänge etc. sind da schon drauf und das ist die Basis, die alle haben. Darauf baut sich alles auf. Da bleibt einiges übrig, was ich gemacht habe, andere Sachen verschieben sich auch. Es gibt Lieder, die hinterher im Tempo ganz anders sind als auf dem Demo. Ein gewisser Grundstock bleibt immer vorhanden, am Ende ist es aber doch die Band, die die Lieder ganz anders klingen lässt, als es auf dem Demo zu hören ist.

cdtd2b 20130307 1185436929

Ihr seid mit dem Programm live auch schon unterwegs gewesen und Du hast erzählt, Ihr habt 24 Lieder im Programm. Ist in dem neuen Programm auch Platz für Songs aus den beiden vorherigen Alben?
Maxs: Nein. Ich bin so ein Kämpfer gegen Verwässerung. Es werden also nicht die erfolgreichsten Songs aus den vorherigen Programmen mit im aktuellen Programm gespielt. Es gibt an den Abenden immer nur Rilke, genauso wie es vorher immer nur Heine und Wilhelm Busch gab. Es kamen zwar schon die Fragen, wann es mal so was wie ein "Best of" geben wird, aber wir sind ja erst beim dritten Dichter und gucken erstmal, wie's weitergehen wird. Im Moment denke ich an nichts anderes außer an Rilke.

Der Club der toten Dichter hat inzwischen ja eine recht große Fangemeinde. Wie bist Du überhaupt auf die Idee gekommen, so ein Projekt ins Leben zu rufen und Dich dabei für jedes Programm von anderen Musikern begleiten zu lassen?
Maxs: Die Idee kam etwa 2004 oder 2005. Auslöser war Liebeskummer. Ich hatte mich damals mit einem Freund unterhalten und er sagte mir: "Das habe ich auch gerade hinter mir. Zur Zerstreuung habe ich Heinrich-Heine-Gedichte gelesen, weil ich dachte, da hatte einer vor 150 oder 180 Jahren genau die selben Probleme und hat das in schöne Worte gefasst." Das war so eine Art Initialzündung, worauf ich mir das erste kleine Büchlein "Heinrich Heine - Liebesgedichte" gekauft habe. Ich hab's aufgeschlagen, das erste Gedicht war "Ich hab' im Traum geweinet" und diese Zeile hat mich umgehau'n. Ich hatte gleich Harmonien dafür im Kopf und dachte: "Das werde ich vertonen." Mir war auch sofort klar, dass ich das mit anderen Leuten machen würde. Immer mit einem Sänger dabei, aber ich wollte auch selber singen. Da war die Idee zu dem Projekt plötzlich da, und ich wusste auch gleich, dass ich das "Club der toten Dichter" nennen würde, und dass - so mir denn was einfallen würde - es auch weitergehen wird. Die ganze Idee des "Clubs" mit den verschiedenen Programmen und wechselnden Musikern war an einem Tag geboren, und dann ging's los.

rockhaus2 20130307 1725870634

Beim CdtD spielst Du Gitarre, obwohl man Dich sowohl von Reform als auch von Rockhaus her nur als Bassisten kennt. Warum hast Du hier Dein Stamminstrument abgegeben und stattdessen zur Gitarre gegriffen?
Maxs: Mein Stamminstrument ist ja eigentlich die Gitarre. Ich habe mit Gitarre angefangen und bin mehr oder weniger durch Zufall Bassist geworden. Ich empfinde mich auch gar nicht so als guten Bassisten. Ich habe meinen Job zwar ganz gut gemacht, aber virtuos war ich an dem Instrument nicht. Mit der Gitarre bin ich groß geworden, ich habe mir das Spielen autodidaktisch beigebracht und mich immer weiterentwickelt. Das war immer mein Instrument. Auch in der Zeit, wo ich Bass gespielt habe, habe ich zu Hause immer nur Gitarre gespielt. Mein großer, aber vielleicht unterbewusster, Wunsch war, zurückzukehren, vielleicht auch zur Akustikgitarre. Da schließt sich für mich ein Kreis, und deshalb bin ich mit dem "Club der toten Dichter" auch so rund, weil ich mich angekommen fühle und immer auch den Wunsch hatte, selber ein bisschen mehr zu singen. Das hat sich hier alles in wunderbarer Weise vereint.

Das ist auch die nächste Frage, die ich mir notiert habe: Du bist beim "Club" immer wieder als Sänger zu hören. Warum hast Du das vorher nicht schon längst mal gemacht?
Maxs: Ich glaube, dass ich mich schlicht und ergreifend nicht getraut habe, bzw. das auch nicht angedacht war. Ich war bei Rockhaus Bassist und da hat natürlich Mike Kilian gesungen, der viel besser singt als ich. Die Frage stellte sich da einfach nicht. Ich hatte vorher nie ein Projekt im Kopf, wo ich gesagt habe: "Das mache ich jetzt alles alleine und singe da auch." Durch den "Club der toten Dichter" ist es aber dazu gekommen, und dafür bin ich sehr sehr dankbar, weil ich mich damit sehr wohl fühle und die Songs, die ich singe, auch sehr mag und die Mischung mit dem jeweiligen Sänger oder der jeweiligen Sängerin, wie jetzt mit Katharina, auch sehr gut zusammen passt. Unsere Stimmen mischen sich sehr gut, mit Katharina singe ich u.a. ein Duett. Das macht sehr großen Spaß und ist für die Leute schön, weil sie eine Abwechslung im Programm haben, wenn ich mal kurz einen Song singe und es dann zurück zu Katharina geht. Live singt übrigens auch "Spatzi" einen Song.

 

cdtd3gr2 20130307 1117920991

Jetzt haben wir darüber gesprochen, wie es zum "Club der toten Dichter" kam. Aber wie kam es überhaupt dazu, dass der Erfinder des "Clubs" zur Musik kam? Wann stand für Dich fest, dass Du Musiker werden würdest?
Maxs: Ich weiß nicht, ob ich damals schon dran gedacht habe, aber bei mir ging das mit 12 Jahren los. Damals hatte ich meine erste Gitarre in der Hand. Du kannst Dich mit der Gitarre auch alleine irgendwo hinsetzen und etwas spielen, und vielleicht auch etwas dazu singen. Du kannst damit jedenfalls Leute unterhalten. Das hat mich z.B. bei Stefan Diestelmann fasziniert, den ich, als ich noch jung war, zwei oder drei Mal live gesehen habe. Ich habe damals auch mit ihm sprechen können, und er hat mir ein paar Tipps auf der Gitarre gegeben. Das waren so Blues-Sachen, aber auch, wie man die Gitarre umstimmt um mit einem Röhrchen (Bottleneck) zu spielen. Das hat Diestelmann mir gezeigt und das war einer dieser Schlüsselmomente. Der zweite war Leo Kottke, ein amerikanischer Folk-Gitarrist, der ganz viele Platten mit 12-saitigen und 6-saitigen Gitarren aufgenommen hat und selber auch singt. Von dem hatte ich mir eine Platte mitbringen lassen - später auch noch mehr - und es hat mich fasziniert, wie der Gitarre gespielt hat. Das habe ich damals versucht, irgendwie nachzuspielen. Dabei ist auch so ein bisschen mein komischer Stil entstanden, weil ich nicht Zupfen kann und will, und stattdessen alles mit dem Plektrum mache. Gerade wenn jemand Slide- oder Folkgitarre spielt, bin ich sofort angezündet. Das ist ganz tief in mir drin.

Welche musikalische Ausbildung hast Du genossen?
Maxs: Gar keine! Ich habe keine Musikschule o.ä. gemacht. Dann bekam ich das Angebot bei der Gruppe Reform einzusteigen. Da hieß es dann aber: "Du musst dazu erstmal Berufsmusiker werden." Ich sollte ein Direktstudium beginnen, habe mich aber irgendwie raus gewunden und ein externes Studium u.a. mit Bassunterricht angefangen. Da sollte ich auch Notenlesen lernen, wollte das aber nie. Ich habe immer nur so getan, als ob ich vom Blatt spiele. Ich hatte das vorher immer auswendig gelernt. Ich kann bis heute keine Noten lesen, und das hat mich bisher in keiner Form eingeschränkt.

Was war Deine erste Amateurband und was Deine erste Profistation, und wann war das?
Maxs: Reform war meine erste Profistation. Davor gab es auch schon Bands. Die erste hieß "Cockpit", damit sind wir aber nie groß aufgetreten. Dann kamen die Gruppen "Mephisto" (die es unter dem Namen "Double Action" heute noch gibt, Anm. d. Red.) und "Vantom". "Vantom" mit "V" wegen "Van Halen", die wir ein bisschen nachgespielt haben. Und von da ging's dann zu Reform. Das muss Ende 1984 oder Anfang 1985 gewesen sein, denn ich war nur zwei Jahre dort und bin im Herbst 1986 schon zu Rockhaus gewechselt.

002 20130307 1622462083

Wie bist Du damals zu Rockhaus gekommen, kanntest Du die Jungs vorher schon?
Maxs: Die haben mich irgendwo mal wahrgenommen. Ich hab' als Gag mal zu "Heinz" gesagt, als wir irgendwann zusammen in der Kneipe waren: "Falls Ihr mal einen Bassisten sucht, sagt Bescheid." Irgendwann war das dann tatsächlich soweit und "Reini" stand bei mir vor der Tür und hat mich gefragt, ob ich zu Rockhaus wechseln will. Die Jungs haben mir dann ihre AMIGA Quartett-Single vorgespielt. Das weiß ich noch, da waren "Bleib cool" und "Träume" drauf, die ich total geil fand. Und dann war ich dabei.

Ich habe gelesen, dass Du schon vor einigen Jahren das Theater für Dich entdeckt hast. Stimmt es, dass Du 2002 erstmals für ein Theaterstück tätig warst? Was war das genau, und wie sieht Deine Arbeit am Theater aus?
Maxs: Im Jahre 2002 habe ich etwas mit "Reini" zusammen am Theater von Frankfurt/Main gemacht. Wir haben Musik für ein Stück geschrieben und sind auch als Schauspieler aufgetreten, wir waren ein fahrendes Musikvolk. Das war meine erste Theatererfahrung, "Reini" hatte zu dem Zeitpunkt schon mehr Erfahrung beim Theater sammeln können. Ich fand das toll und habe dann noch drei oder vier andere Sachen gemacht. Das war in Magdeburg und in Halle. Das waren tolle Sachen, nur ist das jetzt irgendwie eingeschlafen. Ich habe ja auch nicht viel Zeit wegen des Clubs und musste dieses Jahr sogar eine Theaterproduktion absagen.

Du scheinst damit fast ausschließlich in den ersten Jahren des neuen Jahrtausends beschäftigt gewesen zu sein, kann das sein?
Maxs: Ich habe, nachdem sich Rockhaus 1998 getrennt hat, um diese 7-jährige Pause einzulegen, erstmal keine Live-Musik mehr gemacht. Das war für mich wie eine Liebe, die vorbei war. Ich habe mich in dieser Zeit auf andere Dinge konzentriert, und da war eben auch das Theater dabei und ich habe angefangen zu schreiben - es gibt ja auch ein Theaterstück von mir. Später kam der "Club der toten Dichter" und ich habe gemerkt, dass das ein musikalisches Projekt ist, das ich mit 100% machen will, was meins ist und das eine Zukunft hat. Da musste alles andere erstmal zurückstehen...

rockhaus4 20130307 1600355238

Du bist inzwischen schon sehr lange in der Musikszene aktiv, hast also einen guten Überblick. Wo liegen für Dich die größten Unterschiede in Deiner Arbeit als Musiker, Komponist und Produzent früher in der DDR und heute im vereinten Deutschland?
Maxs: Ich mag diese Ost/West Vergleiche nicht. Für mich hat sich das über die Jahre einfach immer erweitert und weiterentwickelt, abgesehen davon, dass Du gerade jetzt im Computerzeitalter bestimmte Sachen von zu Hause aus machen und gut vorbereiten kannst. Die kreative Arbeit an sich hat sich aber über die Jahre nicht verändert. Es ist schwer oder leicht geblieben - was auch immer. Ich habe Phasen, in denen ich ganz wenig mache, in denen ich auch merke, dass nichts passieren wird. Und doch passiert was, das Unterbewusstsein ruht sich nie aus. Dann gibt es wieder Phasen, in denen ich wochenlang nur kreativ bin, mache und tu und mich dabei überschlage. Auf diese Phasen muss ich dann halt warten. Rilke und auch Hesse sagten: "Geduld ist alles." Das ist auch das wichtigste, was es zu lernen lohnt, nämlich Geduld zu haben. Dran bleiben, Geduld haben… ich glaube, das ist überall dasselbe. Da gibt es keine Unterschiede zu früher. Ich freue mich einfach, dass ich immer noch Musik mache und das mir immer noch was einfällt. Dafür bin ich sehr dankbar.

Gibt es spezielle Momente in Deiner Karriere, an die Du immer gerne zurück denkst?
Maxs: Ich habe wahnsinnig viele schöne Momente in meinem Leben gehabt. In musikalischer Hinsicht waren die Jahre mit Rockhaus toll. Auch was wir da erlebt haben als Band. Diese Zeit war einfach schön und sie ist es nach wie vor. Ich bin aber kein Mensch, der viel zurück denkt und sagt: "Mensch, damals war das alles so toll", weil sich bei mir ab einem gewissen Punkt immer alles nach vorne bewegt. Das ist jetzt beim "Club" auch so. Wir hatten eine wahnsinnig intensive Zeit mit dem Heine-Programm, oder auch mit Wilhelm Busch. Es ist nach so vielen Konzerten mit einer tollen Band auch immer schwer zu sagen: "So, jetzt ist es vorbei", aber ich bin da relativ radikal auch mir selber gegenüber und sage: "Jetzt ist Schluss", und dann geht's weiter. Mein großer Vorteil ist, dass ich immer fließend schon am nächsten Projekt arbeite und nicht in ein Loch falle, wo ich nicht weiß wie es weitergeht. Ich weiß, was ich zu tun habe und wie es weiter geht. Diese Arbeitsweise ist für mich gut, es dreht sich immer um die Zukunft. Privat sieht das auch nicht anders aus. Ich hatte auch da total schöne, aber auch schwere Zeiten. "Das Leben hat immer Recht", sagt Rilke.

Ein Leser möchte wissen, ob Du Dich immer noch als "Ostmusiker" oder "Ostrocker" siehst, oder ob das für Dich abgeschlossen ist.
Maxs: Ich sehe mich in erster Linie als Musiker!

cdtd2c 20130307 2078499842

Gab es für Dich eigentlich so was wie "Ostmusik"?
Maxs: Kurz nach der Wende haben wir mit Rockhaus in Hamburg gespielt, in der Großen Freiheit. Ein Doppelkonzert, eine Band aus dem Osten, eine aus dem Westen. Die zweite Band war Pur. Damals kannte die kaum einer. Nach dem Konzert kam der Techniker des Hauses zu uns in die Garderobe und sagte: "Ach ihr seit die Ostband, ich dachte Pur!" Ich mag den Begriff "Ostmusik" nicht, denn was sagt er aus?

Schubladendenken gibt's bei Dir also nicht...
Maxs: Sicher, man selber benutzt auch schon mal eine Schublade, wenn man sagt: "Dieser Musiker macht Folk-Musik", oder "Das ist eine Rockband", um sich damit ein bisschen zu helfen. Aber letztendlich ist es egal, was eine Band macht. Entweder es spricht einen an oder nicht.

Mit welchem internationalen Künstler möchtest Du gerne mal was zusammen machen, wenn Du die Möglichkeit dazu hättest?
Maxs: Mein Traum wäre - da habe ich letztens noch drüber nachgedacht - mit drei anderen Gitarristen auf der Bühne zu spielen. Das ist einmal der vorhin erwähnte Leo Kottke, dann Kevin Breit und Robbie McIntosh. Die beiden zuletzt genannten Musiker haben auch bei Norah Jones' Tour zum zweiten Album gespielt. Robbie McIntosh spielt u.a. auch bei John Mayer. Das sind beide begnadete Gitarristen. Leo Kottke auch, ihn finde ich immer noch gut und er hat mich inspiriert. Stell Dir mal vor, wir vier auf einer Bühne… wenn die überhaupt mit mir spielen würden (lacht). Aber wir sprechen ja von einem Traum. So'n Ding gemeinsam knacken zu lassen, mit Akustik-Gitarren… das kann ich mir sehr gut vorstellen.

003 20130307 2049461084

Du hast gerade gesagt, Du bist ein sehr zukunftsorientierter Mensch. Demnach wirst Du sicher noch Ziele haben, die Du erreichen möchtest...
Maxs: Das hängt alles mit dem "Club der toten Dichter" zusammen. Aktuell in die Zukunft gesehen möchte ich viele schöne Konzerte machen. Natürlich wünsche ich mir, dass viele Menschen unsere CD kaufen und das gut finden, und dass sich das, so wie sich das bis jetzt entwickelt hat, von Heine über Busch zu Rilke, weiter fortsetzt und alle beflügelt. Wir merken das bereits: Es kommen mehr Leute, wir verkaufen mehr CDs, die Presse und die Medien nehmen uns noch mehr wahr. So geht es immer noch ein Stückchen weiter. Die Entwicklung, die wir jetzt haben, ist total gesund und schön. Ich würde mich freuen, wenn's so weiter geht.

Wir drücken Euch die Daumen.
Maxs: Danke!

Ich danke Dir für das Gespräch. Möchtest Du den Lesern vielleicht noch eine Botschaft mit auf den Weg geben?
Maxs: Ich würde mich freuen, wenn viele der Leser auch zu unseren Konzerten kommen. Wir sind derzeit noch am Buchen für 2011, es stehen also noch nicht alle Termine für das nächste Jahr fest. Nach den Konzerten kommen wir auch immer noch nach vorne an unseren Merchandisingstand, unterschreiben unsere CDs und unterhalten uns mit dem Publikum. Wir freuen uns dann immer über Feedbacks. Es ist sehr schön, wenn man direkt nach dem Konzert noch mit den Leuten sprechen kann und sie einem sagen, wie's ihnen gefallen hat.



Interview mit Katharina Franck:franck1 20130307 2001862336

Was hast Du gedacht, als Maxs Dir seiner Idee vom "Club der toten Dichter" vorgestellt hat und Dich gefragt hat, ob Du das singen möchtest? Wie kam es zu diesem Kontakt?
Katharina Franck: Maxs hat meine Mobilnummer von Tim Lorenz bekommen, mit dem ich zuletzt in 2002 gespielt habe, als ich meine CD Zeitlupenkino live präsentierte. Maxs hat mich Anfang März 2010 angerufen, als ich gerade in Portugal angekommen war, die Beine noch nicht ganz hochgelegt hatte und das Handy noch nicht abgeschaltet war. Ich habe ihm dann gesagt, dass ich mich nach meinem Urlaub melde. Habe dann noch ein bisschen im Netz geforscht, was es so über den "Club der toten Dichter" zu lesen gibt, und habe gedacht: dieses Projekt passt zu mir, vor allem mit Rilke-Gedichten, und mit Tim würde ich auch gerne mal wieder spielen.

Wusstest Du, dass Maxs den Anruf bei Dir ein halbes Jahr herausgezögert hat, weil er sich anfangs nicht getraut hat, Dich zu fragen?
Katharina Franck: Er erzählt es dem Publikum während der Konzerte. So habe ich es erfahren. Und er hat ja genau zum richtigen Zeitpunkt angerufen. Ah, und mit dem richtigen Dichter.
Ich bin derzeit noch mit meinem Solo-Programm unterwegs, spiele Songs von allen Katharina Franck- und Rainbirds-Veröffentlichungen, und stelle immer mal wieder einen brandneuen Song vor. Doch als nächstes steht erst einmal an, Songs für ein komplett neues Repertoire zu schreiben. Da sind augenblicklich vor allem deutsche Texte dabei, und so schien es mir trefflich zu passen, dass ich mich über Rilke mit der deutschen Sprache, gesungen, beschäftigen kann.

franck2 20130307 1895402330

Hast Du Dich vor der eigentlichen Arbeit an dem Projekt mit Rilke beschäftigt?
Katharina Franck: Als Kind kannte ich zumindest den "Panther". Als Teenager ist mir Rilke in den Gedichten und Interviews meines Idols Patti Smith wieder begegnet. Ich habe dann einiges gelesen, die "Duineser Elegien" und die "Briefe an einen jungen Dichter."

Du spielst in der Besetzung auch wieder mit Tim Lorenz zusammen, der schon für die Rainbirds getrommelt hat. Kommen da Erinnerungen an die Zeit mit den Rainbirds wieder auf?
Katharina Franck: Klar. Man erinnert sich daran, es damals schon genossen zu haben zusammen zu spielen. Ich war ein bisschen enttäuscht, als es zunächst hieß, dass Tim in der neuen Club der toten Dichter-Besetzung gar nicht dabei sein würde. Es kam zum Glück dann doch anders.

Wie war die Arbeit im Studio, als ihr die Songs aufgenommen habt? Kannst Du uns die Stimmung und das Erlebte kurz schildern? Wie lief der Arbeitsprozess ab und wie viel Deiner Kreativität bei den Arrangements steckt in den neuen Liedern?
Katharina Franck: Erst einmal ist es ja so, dass sämtlich Songs bis auf einen von Maxs geschrieben wurden, und dass die Zeitspanne zwischen dem ersten Hören und dem Einspielen im Studio sehr kurz war. Es gab dann nach der ersten Aufnahmesession noch eine komplette Umbesetzung der Band. Außer Maxs und mir, alle neu! Er musste zig Musiker kontaktieren, Gespräche führen, kleine Sessions spielen. Und ich habe mich sehr gefreut, dass er immer auch mit mir Rücksprache gehalten hat.
Für die Arbeit im Studio hatten wir sehr klare Vorgaben anhand der Demos auf der einen, und einen offenen und begeisterungsfähigen Maxs auf der anderen Seite. Unser aller Input ist also unsere Auffassungsgabe, unser jeweiliger Stil und das, was wir dann gemeinsam erspielen. Wir haben hochkonzentriert gearbeitet, waren dabei sehr locker und lustig.
Bei meinen Gesangsaufnahmen hatte ich zwei Zuhörer: Maxs und Spatzi (Andreas Sperling), die meine Intension verstanden haben und mich angefeuert haben, aber auch immer an den richtigen Stellen genörgelt haben und Vorschläge hatten, wo ich selber nicht froh war. Wir drei waren auch beim Mix die ganze Zeit dabei.

franck3 20130307 2019887468

Ist das Duett mit Maxs, das auf der CD zu hören ist, eigentlich der erste Titel, den Du im Duett mit einem Mann singst?
Katharina Franck: Nein. Ich habe schon Duette mit anderen Männern gesungen. Zuletzt haben Manfred Maurenbrecher und ich meinen Song "Holz" vom Album Zeitlupenkino live aufgeführt.

Die ersten Konzerte habt Ihr schon gespielt. Welche Eindrücke hast Du bei den ersten Auftritten mit dem Programm sammeln können?
Katharina Franck: Noch sind wir sehr konzentriert. Wir tasten uns ganz langsam an die Freiräume heran, die die Songs von Maxs unseren Interpretationen lassen. Wir merken uns die jeweiligen Unsicherheiten, die Sensibilitäten, wann der eine nervös wird, worauf der andere Wert legt.
Ich genieße es sehr, nicht permanent im Mittelpunkt zu stehen, und liebe es in die Band zurückzutreten, wenn Maxs seine Songs singt und seine Gitarrenthemen spielt. Wenn ich selber die Leadstimme singe, spüre ich den Rückhalt der gesamten Band.

Zu Dir als Musikerin: Welche musikalische Ausbildung hast Du genossen?
Katharina Franck: Nada.

Du hast erstmals mit den Rainbirds auf Dich aufmerksam gemacht. Wie ist die Band entstanden, war das Deine Idee?
Katharina Franck: Die erste Band mit der ich auch außerhalb Berlins bemerkt wurde, hieß Les Black Carnations. Ich nannte mich damals Justine Time. Der Künstlername war Pflicht. Rainbirds habe ich gegründet nachdem ich auch in dieser Band nicht als Songwriterin zum Zuge kam. Das war damals, neben meinen 4-Spur-Demos und meinem Tatendrang, die einzige Vorgabe an die Musiker die ich ansprach: Ich möchte meine eigenen Songs spielen. Macht ihr mit?

rainbirds4 20130307 1980875923

Ein Leser wollte wissen, woher der Bandname kam?
Katharina Franck: Es ist der Titel eines wunderschönen Instrumentalstückes von Tom Waits. Auf seinem Album "Swordfishtrombones" ist es zu hören. Für mich war es die klangliche Umsetzung meiner Idee von der Band Rainbirds.

"Blueprint" war ja der Überhit von den Rainbirds. Wie ist dieser Song entstanden?
Katharina Franck: Auf der Matratzenkante sitzend, in meiner kleinen Wohnung in Berlin. Ich habe, so wie ich es noch heute mache, Gitarre gespielt und dazu eine Melodie improvisiert. Beim Singen, Fühlen, Überlegen ist der Text entstanden.

Ein anderer Leser wollte wissen, ob so ein Song gleich zu Beginn der Karriere ein Segen oder eher ein Fluch für die Band war?
Katharina Franck: Es ist so ziemlich das größte, was man als SongwriterIn erleben kann: ein Hit. Und "Blueprint" ist mit seinen ca. 23 Jahren ja inzwischen schon ein Evergreen. Wenn man es, aus welchen Gründen auch immer, nicht schafft, den Erfolg dieses einen Liedes zu toppen, kommt irgendwann die Zeit, in der man sich von dieser Vorlage emanzipieren möchte. Manche Bands distanzieren sich ja komplett vom eigenen Sound, so wie Keimzeit z.B., die, wie Spatzi erzählte, zeitweilig ihre Fans aus den Hallen rausgespielt haben.
Bei Rainbirds ist diese Rebellion verhältnismässig sanft ausgefallen. Eine veränderte Live-Version ist auf dem Album "rainbirds.3000live" zu hören, das 1999 erschienen ist. Soundlich hatten wir uns ja schon in 1992 verändert. Und die Version passte hervorragend zu der damaligen Besetzung. Das war das Trio mit Tim und Ulrike Haage. Und zwischen 2000 und 2003 ungefähr, hatte ich den Song gar nicht im Live-Programm. Da habe ich ja überwiegend Gesprochene Popsongs gespielt, und erst ganz allmählich alte und neue englischsprachige Songs ins Repertoire aufgenommen. Ich spiele "Blueprint" inzwischen mit oder ohne Band. Es ist im Juni 2010 sogar eine Solo-Version als Download veröffentlicht worden.
Die Frage nach Fluch oder Segen ist damit zwar nicht beantwortet, aber ich weiß, dass ich auch ohne solch einen Hit weiter Musik gemacht hätte. Darüber wie sich meine Karriere ohne den Erfolg des Rainbirds Debuts entwickelt hätte, kann man ja nur spekulieren.

rainbirds2 20130307 1053008735

Was glaubst Du, warum dieser Erfolg nicht wiederholt werden konnte? Immerhin hatten alle anderen Singles auch große Qualität...
Katharina Franck: Nicht "Blueprint" allein, das gesamte erste Album war eine Überraschung in der deutschen Szene. Nicht zuletzt auch wie ich sang, und diese Unfertigkeit meiner kleinen Person, die gleichzeitig ausstrahlte, dass sie niemand aufhalten kann. Das hat viele mitgerissen, und es konnten sich viele mit mir identifizieren. Aber die plötzliche Trennung der ersten Bandbesetzung, zu einem Zeitpunkt, als das Business sich dazu entschlossen hatte, diese Band international zu puschen, war eben ein richtiger Karriereknick, nicht in künstlerischer Hinsicht. Rainbirds war auf Businessebene danach einfach kein Thema mehr. Und auch bei dem Gros der Medienpartner sind dann nur noch die übriggeblieben, die sich wirklich für Musik interessieren. Man darf ja nicht vergessen, dass Journalisten in der Regel ihr Geld mit den Artikeln verdienen, die sie schreiben. Warum sollten sie sich also mit etwas aufhalten, das gerade aus dem Business gefallen ist? Dass ich nach dem tatsächlichen Ende der Rainbirds in 1999/2000 erst einmal mit einem Hörspiel für den Bayerischen Rundfunk und meinen Gesprochenen Popsongs in Erscheinung trat, tat sein Übriges. Auf künstlerischer Ebene ist es für mich aber immer weiter bergauf gegangen. Die besten Musiker, Tonmeister und Produzenten arbeiten mit mir. Und so schließt sich der Kreis, und ein großen Hit zu Beginn der Karriere ist ein Segen: Ich könnte mir sonst diese Leute und die Studios, in denen wir aufnehmen, auch bei bestem Willen nicht leisten.

Nach dem Aus der Rainbirds im Jahre 1999: Wie ging es da mit Dir weiter? Bist Du ausschließlich als Solistin aktiv gewesen oder gab es noch weitere Projekte und / oder Bands, wo Du mitgewirkt hast?
Katharina Franck: Ich möchte hier gerne auf meine eigene Website hinweisen. Man kann alles auf www.katharinafranck.de nachlesen.

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass es irgendwann ein Comeback der Rainbirds geben wird?
Katharina Franck: Ein Comeback welcher Rainbirds denn? Rainbirds bin ich! Rainbirds hat es in 3 Kernbesetzungen gegeben. Das Trio mit Ulrike Haage und Tim Lorenz, das für die letzten 5 Jahre bestand, wäre die Besetzung, mit der ich auf ein Rainbirds-Comeback Lust hätte. Aber Rainbirds ist doch nur ein Name. Ich habe ganz bewußt das THE weggelassen. Wir waren einfach nur RAINBIRDS. Die sich wandeln, die weiterziehen, wenn ihnen danach ist. Eine Band zu haben war und ist mir heute noch wichtig. Eine Bande, sozusagen. Doch ganz alleine aufzutreten ist mir inzwischen auch ein großes Vergnügen.

Mit welchem internationalen Künstler möchtest Du gerne mal was zusammen machen, wenn Du die Möglichkeit dazu hättest?
Katharina Franck: Mit Ulrich Schnauss möchte ich gerne arbeiten. Mit Zélia Fonseca. Mit Gillian Welch und David Rawlings im Chor singen. Mit spannenden Instrumentalisten, wie z.B. Dan Brantigan gesprochen Popsongs vertonen. Aber es ist schon schwer genug in Deutschland die eigene Band terminlich zusammen zu bringen. Ich würde jedenfalls sehr gerne mal mit großem Orchester auftreten, als Arrangeur und Vibraphonisten Peter Hinderthür, den Bassisten und Co-Produzenten meines letzten Albums "On The Verge Of An Autobiography".

Möchtest Du den Lesern vielleicht noch eine Botschaft mit auf den Weg geben?
Katharina Franck: Ich schließe mich Udo Lindenberg an, der hat gesungen: Hinter'm Horizont geht's weiter!

 

Interviews: Christian Reder
Bearbeitung: kf, cr
Fotos: Pressematerial Club der toten Dichter & Katharina Franck, Carsten Klick, Teldec, Maxs Repke privat, Redaktion

 

 

 


   
   
© Deutsche Mugge (2007 - 2023)

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.