Aurora Lacasa
Durch Mails, die ich bekomme, weiß ich, wie die CD ankommt. Aber ich glaube, das meiste Feedback bekomme ich von Menschen, die ins Konzert kommen. Genau da findet ein direkter und emotionaler Austausch mit dem Publikum statt. Auf der CD, im beigelegten Büchlein, wie auch bei meinen Konzerten erkläre ich den Inhalt und die Herkunft meiner auf Spanisch, Deutsch und Französisch gesungenen Lieder. Das halte ich für sehr wichtig, um die Hörer der CD auch im Konzert auf meine musikalische Reise mit zu nehmen. Ich kann Dir die Frage nicht ganz genau beantworten, ob die CD gut ankommt oder nicht, aber in den Konzerten verkauft sie sich sehr gut. Ich bin aber - wie Du sicher merkst - keine, die dieser Sache so hinterher ist (lacht). Nein, wirklich... ich mache das nach Gefühl. Ein Jahr nach der Veröffentlichung werde ich hören, wie sich die CD verkauft hat, aber jetzt ist das ja noch relativ frisch. Die Plattenfirma Buschfunk ist mit den bisherigen Verkäufen zufrieden, haben sie da gesagt.
Das ist ja wirklich ein sehr buntes Album geworden, auf dem ganz unterschiedliche Kompositionen neu arrangiert und interpretiert wurden. Nach welchen Kriterien hast Du die Vorlagen ausgewählt, z.B. Loreena McKennit oder Gerhard Schöne?
Bei Loreena McKennit ist es so, dass ich eine große Liebhaberin ihrer Musik bin. Sie macht genau das, was auch meine musikalische Empfindung ist. Sie vereint in ihrer Musik Geschichten der Kelten und die dazu gehörenden historischen Instrumente sowie ihre so ganz besondere Art, ihre Musik zu interpretieren. Dies hat eine ganze Menge mit dem Kolorit zu tun, das auch die Spanische Musik durch die Mauren bekommen hat. Diese Musik finde ich sehr spannend, sie hat mich deshalb für mein neues Konzept sehr inspiriert. So habe ich 2004 auch beschlossen, mit Musikern zu arbeiten, die auf vielen verschiedenen Naturinstrumenten spielen können. Heute beginnt jedes unserer Konzerte mit einem Lied von Loreena McKennit "Freunde", dass Regina Scheer mit einem neuen deutschen Text versehen hat. Das heutige Programm ist aus den Erfahrungen der letzten sechs Jahre entstanden. Einerseits aus Themen, die mir wichtig sind, andererseits Lieder und Musik, die mir Spaß machen. Für mich ist es ganz wichtig, dass ich nicht an den Realitäten der Welt vorbei lebe, sondern vieles aufnehme und in meinen Liedern wiedergebe. Was in der Gesellschaft passiert, was Globalisierung mit sich bringt und auch, warum die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer wird. Das hat auch sicher etwas mit meiner eigenen Biographie und Erziehung zu tun. Mich hat immer die Biographie meiner Eltern fasziniert und ich habe einen großen Respekt für die aufrechten Menschen, die sie waren. Mein Vater, der sich immer gewünscht hatte, Archäologe oder Biologe zu werden, ging aber letztlich einer Arbeit nach, bei der er die Hoffnung hatte, die Welt ein kleines bisschen besser zu machen. Er war Mitbegründer und Mitorganisator der internationalen Weltfestspiele der Jugend und insbesondere für Lateinamerika zuständig.
In Lateinamerika lebten zudem mehrere Brüder meines Vaters, so dass die Liebe und Neugierde für diesen Kontinent schon früh in mir geweckt wurde. So sind die Themen, wie die der Menschen und Geschehnisse Lateinamerikas, z.B. die der Quechua-Indianer, die nach wie vor als Menschen zweiter Klasse behandelt werden oder das Schicksal und die Lieder von Victor Jara, für mich eine Herzenssache. Du fragst auch nach den Liedern von Gerhard Schöne. Seine Lieder erfüllen in meinem Fall genau das, was ich ausdrücken möchte. Er macht in einer sehr besonderen Art aufmerksam auf Werte, die in dieser so lauten und schnellen Zeit immer mehr verloren gehen. Wenn Lieder schon in einer so schönen und ehrlichen Form vorhanden sind, dann versuche ich, sie auf meine Art zu interpretieren und kann mit ihnen genau ausdrücken, was ich denke und fühle. Die spanischen Lieder auf der CD haben auch mit meinen Eltern und meiner Liebe zu ihnen zu tun. Sie pflanzten in uns Kinder die Liebe für ihre Heimat, für alte, fast vergessene Volklieder, aber auch für die Gedichte von F. Garcia Lorca oder auch A. Machado. Das kubanische Lied ist ebensowenig zufällig gewählt. Den Kubanischen Dichter Nicolas Guillen kannte ich schon aus meinen Oktoberklubzeiten. Dieses Lied handelt von der Liebe zu einem farbigen Mädchen und spricht sich gegen Rassendiskriminierung in ganz Lateinamerika aus. Ich war drei oder vier Mal in Kuba, ich verstehe die Sprache, und durch die Zusammenarbeit mit meinen chilenischen Musikern heute, habe ich dieses vertonte Gedicht der großartigen chilenischen Gruppe Inti Ilimani kennen gelernt. Aus all den Liedern habe ich versucht, eine musikalische Linie zu bauen, und so ist das Programm Stück für Stück entstanden. Die Idee für das Gesamtkonzept ist aufgegangen, das kann ich immer wieder in meinen Konzerten zu meiner Freude feststellen.
Das ist ja ein Live-Konzept, über das wir hier sprechen und das auf der CD auch zu hören ist. Ist das komplett Deine Idee oder hattest Du beratende Hilfe dabei? Das ist schon komplett meine Idee. Ich habe aber mit Ian Ruben Moya, einen jungen chilenischen Musiker an meiner Seite, der mir eine große Hilfe ist und den ich deshalb auch liebevoll "meine Muse" nenne. Die Begegnung mit ihm vor sechs Jahren war auch einer der Gründe für die Entscheidung, wieder auf die Bühne zurück zu kehren. Wenn ich eine Idee habe, bespreche ich das mit ihm, und dann überlegen wir, wie wir das umsetzen können. Aber letztlich suche ich mir die Musik und die Lieder, die ich singen möchte, schon selber aus. Demzufolge liegt es nahe, dass ich eine Mischung gefunden habe von spanischen, lateinamerikanischen, deutschen und französischen Liedern. Mein ganzes Leben ist eine Mischung aus all dem. Auch meine Küche ist so (lacht). Ich wusste es am Anfang nicht, aber es hat sich inzwischen herauskristallisiert, dass es offenbar nur wenige gibt, die eine ähnliche Kunstform präsentieren.
Welche Erfahrungen hast Du bei den Konzerten zu "Lebenslinien" bis jetzt sammeln können?
Ich bin ehrlich sehr beglückt, dass die Menschen eine andere Aurora so gut annehmen. Ich habe festgestellt, dass nicht selten Zuschauer kommen, die denken: "Ach, wenn die Aurora kommt, dann bringt sie sicher ihre Schlager mit." Das findet dann aber nicht statt. Bei dem ersten Lied, nämlich dem vorhin erwähnten McKennit-Titel, könnte man noch meinen, dass das in so eine Richtung gehen könnte, aber spätestens beim zweiten Lied, das übrigens als einziges nicht auf der CD drauf ist, merkt das Publikum, dass das Programm in eine ganz andere Richtung läuft. Es ist ein sehr starkes Lied, das mit den indianischen Zampoñas (so ähnlich wie eine Pan-Flöte, nur viel größer) sehr beeindruckend gespielt wird. Und so habe ich das Gefühl, dass die anfänglichen Erwartungen schnell vergessen sind. Spätestens beim dritten Lied denkt keiner mehr an die Schlager. Im zweiten Teil erklingen meine schönsten Schlager dann aber doch. Virtuos gespielt wird dieses instrumentale Medley auf einzigartigen Naturinstrumenten. Das wird vom Publikum meist mit Taktapplaus begleitet.
Ist es denn schon mal vorgekommen, dass jemand, der, wie Du ja auch selbst sagst, wegen der Schlager gekommen ist und dann einfach ging, weil er die nicht bekommen hat?
Nein, das habe ich noch nicht erlebt. Das würde mich aber auch ehrlich gesagt wundern. Nun, ich singe vielleicht nicht die Schlager, die der eine oder andere Konzertbesucher erwartet hat, aber sie bekommen dafür eine besondere und seltene Musik mit vielen Klangbildern, auch und vor allem hören sie eine Vielzahl von Naturinstrumenten. Diese sind so spannend, dass die Menschen während der ersten drei oder vier Lieder damit zu tun haben, alles zu erfassen, was da an Klängen im Wechsel zu hören ist. "Meine Jungs" spielen vier, fünf verschiedene Instrumente. Dadurch könnte ich sagen, dass drei Musiker, mehr als 15 Instrumente auf der Bühne spielen und das oft im fliegenden Wechsel. Da hat keiner im Publikum Zeit zu überlegen: "Ach, ich wollte eigentlich was anderes hören, also gehe ich jetzt." Das verdanke ich aber auch dem Glück, solche großartigen Musiker gefunden zu haben. Auch davon lebt dieses Programm.
Ich bin schon davon ausgegangen, dass es vielleicht einige Leute gibt, die mit einem großen Fragezeichen über dem Kopf in Deinem Konzert sitzen, weil sie mit Aurora Lacasa dann doch eher die Schlager aus den 70ern verbinden...
Nach den Konzerten bin ich immer sehr nah am Publikum, schreibe auch gerne noch Autogramme, wenn das gewünscht wird und wir unterhalten uns noch eine Weile. Natürlich hat es da schon ein- oder zweimal Leute gegeben, die gesagt haben: "Ich hab' gedacht, ich würde hier die schönen Lieder von früher hören.", aber schon im zweiten Satz hört man dann: "Aber wissen Sie, das was wir heute erlebt haben war so schön, machen sie weiter so!" Das ist die Grundhaltung. Bei meinem Auftritt im "Theater am Rand" bei Tobias Morgenstern waren in den ersten drei oder vier Reihen relativ viele ältere Zuschauer und da habe ich schon eine Ahnung gehabt, dass sie vielleicht etwas anderes erwarten. Aber auch da entwickelte sich alles, wie ich bereits beschrieben habe. Tatsächlich sind es fast über 50% der Lieder, die ich in einer Fremdsprache singe, die ich aber natürlich erkläre. Ich muss auch sagen, dass es mich wirklich glücklich macht, wie dieses Programm angenommen wird. Das also, sind meine Erfahrungen bei unseren Konzerten und dann ist auch der Moment, wo ich feststelle, dass das Fernsehen ein Medium ist, das sein Publikum völlig unterschätzt. Das Publikum ist viel weiter und offener für Neues und etwas andere Musik, als das Fernsehen glaubt. Vielleicht wissen sie das auch, aber es ist bequemer und macht weniger Arbeit, das gewohnte zu senden. Das ist zumindest mein Eindruck.
Stimmt, eine Plattform für so was gibt's überhaupt nicht...
Nein, gar nicht. Es gibt überwiegend nur noch Volksmusik und Schlager und die finden ohnehin fast ohne "Ostkünstler" statt. Diese Anmerkung ist kein Jammern, sondern eine weitere Feststellung! Im Fernsehen findet man auch sehr selten Künstler wie z.B. Gitte, die sich musikalisch auch komplett verändert und weiterentwickelt hat. Es ist einfach bedauerlich, dass die Musiklandschaft wie eine Monokultur stattfindet, und dass dadurch die geniale Möglichkeit des Mediums Fernsehen, im Genre Musik so einseitig bleibt. Musiksendungen wie ein "Kessel Buntes", der unterhaltend eine Vielfalt von Kunstrichtungen zusammenfügte, gibt es gar nicht mehr. Das trifft auch auf Unterhaltungssendungen für die alte Bundesrepublik zu. Ich glaube nicht, dass das Publikum ausschließlich nur Volksmusik und Schlager hören möchte, und diese Erfahrungen mache ich auch bei meinen Konzerten. Für mich war es so, dass ich 2004 nach 9-jähriger Pause wieder mit der Musik angefangen habe. Das war ein ziemlich schwerer Anfang, weil ich nicht zu denen gehöre, die vor Selbstbewusstsein strotzen. Bis heute habe ich mir neben meinem treuen Publikum auch ein neues erspielen können. Viele sind immer wieder gekommen und haben es dann weitererzählt, und so hat sich mein Publikum erweitert und auch verjüngt. Es muss sich irgendwie herumgesprochen haben, und das macht mich sehr glücklich. Das Publikum will diese Musik sehr wohl und ist - wie gesagt - empfangsbereiter, als es die Medien wahrhaben wollen.
Das passende Studioalbum "Lebenslinien" ist inzwischen auch schon fünf Jahre alt. Worin unterscheidet sich dieses Album von deiner aktuellen Live-CD?
Ja, das neueste ist das Album von 2010 "Lebenslinien - Das Konzert", es ist ganz anders, als das 2005er Album "Lebenslinien".
Das Vorgängeralbum war anders strukturiert und ist eine Studioproduktion. Das neue Album ist ein Konzertmitschnitt und meine erste Erfahrung dieser Art für eine CD und ich muss sagen, dass ich es wesentlich lebendiger und emotionaler empfinde. Bevor diese Live-CD entstand, haben wir in vielen vorangegangenen Konzerten Erfahrungen gesammelt, die letztlich zu diesem Ergebnis geführt haben. Viele Themen findet man im alltäglichen Leben wieder. In zunehmendem Alter ist es mir immer wichtiger geworden, die Menschen nicht nur zu unterhalten, sondern sie mit zu nehmen in meine Gedanken- und Gefühlswelt. So bekomme ich von ihnen eine Reaktion, ob sie das eben so empfinden oder genauso denken wie ich. Ich finde, dass die Welt in einer Situation ist, wo man sich bewegen und aufklären muss.
Vor "Lebenslinien" hat man von dir ganz lange nichts mehr gehört. Warum bist Du nach dem Album "Weihnachten in Familie" so lange weg gewesen?
Kurz nach der Wende gab es die Trennung von Frank (Schöbel), und in dieser Situation brauchte ich ehrlich gesagt eine Zeit für mich. Ich glaube, dass das vielen Menschen genau so geht, wenn eine Beziehung beendet ist. Ich war danach nicht in der Lage, künstlerisch etwas für mich zu entwickeln. Und so hatte ich mich damals auch schon längst mit dem Gedanken angefreundet, nicht zur Bühne zurück zu kehren. Dazu kam, dass ich damals eine ganz andere persönliche Haltung zum Beruf hatte. Früher hatte ich immer viel zu große Angst, auf die Bühne zu gehen. Inzwischen habe ich viel darüber nachgedacht, warum das heute ganz anders ist. Im Grunde kann die Erklärung nur die sein, dass ich heute in den zwei Stunden Konzert das mache, was ich auch wirklich bin. Es ist etwas, zu dem ich 100% stehe. Es kann immer etwas geben, was anderen nicht gefällt, aber von mir aus ist das, was ich heute mache, absolut meins. Darum ist es heute umgekehrt, mich drängt es geradezu auf die Bühne. Ich freue mich auf den Klang dieser wunderbaren Instrumente, und habe Lust auf die ausgewählten Lieder, Lust auf den Satzgesang mit meinen Jungs und dann große Lust auf mein Publikum und seine Reaktionen. Damals, um auf Deine Frage zurück zu kommen, kam außerdem dazu, dass zunächst mein Papa und dann auch meine Mama in Spanien schwer erkrankten. Ich beschloss, für beide da zu sein und sie auf diesem letzten Weg zu begleiten. Ich hatte damals, in Absprache mit meiner bereits erwachsenen Töchter, für mich beschlossen, meinen Wohnsitz für diese Zeit nach Spanien zu verlegen. Diese Zeit wurde zu der wichtigsten in meinem Leben. Sie war die schwerste, schönste und zugleich die intensivste Zeit, die mir am meisten gegeben hat. An Kraft, Liebe und einer unerklärbaren Energie, die dazu beitrug, gestärkt aus dieser Zeit heraus gekommen zu sein. Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen esoterisch, aber ich hatte das Gefühl, dass diese Energie, die meine Eltern für ihr Leben hatten - ein nicht so leichtes, aber sehr reiches und schönes Leben - auf mich übertragen wurde.
Du sagtest gerade, dass Du heute gerne auf der Bühne stehst weil Du Sachen machst, hinter denen Du zu 100% stehst. Das heißt im Umkehrschluss, dass Du die Dinge in den 70ern nicht zu 100% gemacht hast und nicht dahinter gestanden hast...
Beim WIE habe ich immer versucht, 100% zu geben, aber das WAS, war dann öfter das Problem. In die Schlagerwelt bin ich regelrecht reingerutscht. Ich sehe, dass heute meine Töchter, die in dem Alter sind, in dem ich früher war, viel konsequenter sind und viel besser wissen, was sie wollen. Mit 20 Jahren war meine Oktoberklubzeit beendet. Dort sang ich Lieder, von denen ich genau wusste, dass sie meins waren, aber ich hatte nicht erkannt, dass ich möglicherweise hätte weitermachen können. Das hat auch meine Freundin Barbara Thalheim nie verstanden. Wir haben damals als Freundinnen eine Zeit lang eine Wohnung geteilt und haben zusammen die Ausbildung im Zentralstudio für Unterhaltungskunst absolviert. Als ich begann, Schlager zu singen, hat sie mir gesagt: "Ick versteh das nicht, dass Du das machst." (lacht) Viele Lieder fand ich schön. Nach wie vor mag ich z.B. "Wenn die Wandervögel zieh'n" oder die klassischen Adaptionen von Bellini oder Albinoni. Aber es gab auch Lieder, die ich nicht mochte und die finde ich auch heute noch total gruselig. Ich muss dazu sagen, dass ich früher manchmal auf der Bühne stand und mich gefragt habe: "Was mache ich eigentlich hier?" Ich weiß es nicht genau, aber ich glaube, es sind so schwache und einfach unreife Momente im Leben, in denen man für sich nicht richtig entscheidet. Wenn ich dagegen aber die Weihnachts-Platte mit Frank sehe, muss ich sagen, dass die zu 100% auch meins war und ist.
Die letzte Veröffentlichung einer Soloplatte von Dir liegt sogar noch länger zurück. Das war das Album "Zu Haus' ist da wo Dein Herz ist" und stammt aus dem Jahre 1979. Warum gab es ab Ende der 70er keine neuen Titel und Platten mehr von Dir als Solistin? Spielte da schon der Fakt eine Rolle, dass das nicht Deine Welt war, oder waren es die Kinder? Woran lag es?
Die Kinder waren natürlich auch ein Grund, ja! Ich habe mir schon als ich selbst noch ein Kind war, immer eigene Kinder gewünscht. Nun hatte ich sie und wollte dann natürlich auch für sie da sein und sie aufwachsen sehen. Ich wusste damals, dass Frank und ich den gleichen Beruf hatten und Frank ein Mensch war, der seinen Beruf sehr ernst nahm und wirklich dafür gelebt hat. Da hätte es gar nicht funktioniert, wenn ich genauso intensiv meinen Beruf hätte leben wollen. Ich war aber auch ganz froh darüber, denn es gab mir die Gelegenheit, mich von der großen Bühne zu entfernen. Dazu kam die Öffentlichkeit, die damals auch nicht so recht meins war, weil ich nicht gern im Mittelpunkt stand. Ich weiß noch, dass Frank diesbezüglich immer große Kämpfe mit mir hatte. Doch der Hauptgrund war, dass ich für unsere Kinder da sein wollte.
Bleiben wir aber nochmal kurz in der Anfangszeit Deiner Karriere. Ich habe gelesen, dass Du eine berufliche Ausbildung zum Facharbeiter für Maschinenbau abgeschlossen hast...
Ja, das stimmt (lacht) nur zum Teil, doch das ist eine andere Geschichte.
Das ist aber etwas ganz anderes als der Beruf "Sängerin". Wie kam es denn dazu?
In der DDR war es so, dass Du Abitur und zur gleichen Zeit eine Ausbildung zum Facharbeiter machen konntest. Da hat man vier Jahre lang, so lang wie man für das Abitur brauchte, einmal in der Woche einen Beruf gelernt. Einige Berufe waren vorgegeben, in meinem Fall war es der Beruf des Technischen Zeichners oder des Maschinenbaus. Ich war sofort für Maschinenbau, weil ich sehr praktisch veranlagt bin und damals schon in meinem Revoluzzer-Denken gesagt habe: "Ich will nah bei den Arbeitern sein!" (lacht) Außerdem wollte ich etwas mit den Händen schaffen. Das war wirklich eine tolle Zeit. Ich war in unserer Fabrikhalle zwar der kleine Exot, aber ich fand das gut. Es war auch etwas, bei dem mich meine Eltern sehr unterstützt haben. Sie haben gesagt: "Kind, mach! Du wirst zwar nie Maschinenbauer sein, aber mach es trotzdem." Das hatte später zur Folge, dass ich mit jeder Bohr- oder Schleifmaschine umgehen konnte und das bis heute.
Das ist nicht ganz so üblich...
Nein, das ist überhaupt nicht üblich, und ich überrasche damit ehrlich gesagt auch viele Menschen. Ich konnte mit all diesen Geräten halt gut umgehen und habe auch ein praktisches Gefühl dafür. Sei es, einen Nagel in die Wand zu hauen oder was man sonst handwerklich im Haushalt so machen kann, das funktioniert bei mir prima. Meine Hände haben immer gut umsetzen können, was ich mir technisch vorgenommen habe. Ich fand die Zeit dieser Ausbildung auch sehr spannend. Warum soll eine Frau das nicht auch machen können?
In Deiner Vita steht, dass Du Deine Wurzeln in Spanien hast, in Paris geboren und in Budapest und der DDR aufgewachsen bist. Haben sich Deine Eltern damals fest in der DDR niedergelassen oder nur des Jobs wegen?
1956, als wir von Ungarn in die DDR gekommen sind, war es nicht vorgesehen, dass wir dort bleiben würden. Damals war in Ungarn der Volksaufstand. Das war eine sehr beeindruckende und zugleich gefährliche Situation. Eine relativ große Gruppe von ausländischen jungen Menschen, auch Familien, sollten über die Donau auf Schiffen aus Ungarn herausgebracht werden, damit ihnen bei dem Volksaufstand nichts passiert. Mein Vater war damals beim WBDJ, dem internationalen "Weltbund der Jugend", das waren die, die alle vier Jahre die Weltfestspiele organisiert haben. Darunter waren Leute aus Venezuela, Schweden, Spanien und aus aller Welt, und die waren gefährdet, weshalb man sie in einer Nacht- und Nebelaktion aus Ungarn rausgeholt hatte. Meine Eltern, mein Brüderchen und ich sind dann bei Berlin in Königswusterhausen gelandet. Nach einer längeren Zeit sollte es dann wieder zurück nach Ungarn gehen, aber meine Eltern haben gemeint, nachdem sie schon das vierte Mal mit einem Köfferchen irgendwohin geflüchtet waren, dass es reichte. Sie beschlossen, einfach in der DDR zu bleiben. Unsere erste Wohnung haben wir dann schließlich in Berlin-Pankow bekommen.
Hättet Ihr damals als "Quereinsteiger" die Möglichkeit gehabt, weiterhin ins nichtsozialistische Ausland reisen zu können?
Nein, damals war das noch nicht so. Weder von Ungarn, noch von der DDR aus. Wir hatten in den ersten Jahren in der DDR einen so genannten Fremdenpass. Mein Papa ist sehr viel gereist, aber beruflich. Meine Mama später auch, sie war eine großartige Simultan-Dolmetscherin beim Friedensrat, und die Kongresse fanden immer im Ausland statt, z.B. in Finnland oder in Indien usw.. Beide waren relativ viel unterwegs und kannten die Welt. Deswegen war dies nicht wirklich ein Problem für sie...
Ich frage das deshalb, weil man als gebürtiger Franzose, Spanier oder Brite nicht irgendwo hin geht, dort seinen Ausweis abgibt und sagt: "So, jetzt bin ich Bürger dieses Landes und unterwerfe mich da den Bedingungen."...
Na ja, im Fall meiner Eltern war es so, dass wir nicht viele andere Möglichkeiten hatten und es ging schon gar nicht darum, DDR Bürger zu werden. Sie hatten immer die Hoffnung, irgendwann in ihre Heimat zurück kehren zu können. Das war aber einfach nicht möglich, weil mein Vater ziemlich früh als Partisan und später auch im Widerstand gegen Staatschef Franco aktiv war. So lange Franco an der Macht war, hätte unsere Familie gar nicht zurück nach Spanien gekonnt, denn spätestens hinter der spanischen Grenze hätte man meinen Vater festgenommen. Insofern waren wir in der DDR politische Emigranten, die mit sehr viel Achtung und Respekt behandelt wurden.
Wie ging's dann nach der Berufsausbildung für Dich weiter? Wie bist Du denn z.B. zum Fernsehen der DDR gekommen?
Zum Fernsehen bin ich gekommen, weil ich - wie das bei jungen Leuten oft üblich ist - nach der Schule nicht wusste, was ich werden will. Meine Mama hatte in unserem Leben immer eine Schlüsselstellung, weil sie die Stärke hatte, Entscheidungen zu treffen. Sie sagte zu mir: "Weißt Du, ich kenn' da jemanden beim Fernsehen. Hast Du nicht Lust, da mal reinzuschnuppern?" Sie hat das organisiert. Ich habe dort vorgesprochen und nach meinem abgebrochenen Abitur eine Ausbildung im Fach Studiotechnik angefangen und beendet. Diese Ausbildung dauerte ein Jahr. In diesem Jahr bin ich - übrigens auch durch meine Mama - zum Oktoberklub gekommen. Nachdem ich die Ausbildung abgeschlossen hatte, hat es sich ergeben, dass ein "Zentralstudio für Unterhaltungskunst" gegründet wurde und Barbara Thalheim und ich uns entschlossen hatten, uns dort zu bewerben. Wir sind beide angenommen worden, haben es erfolgreich abgeschlossen und einen Berufsausweis als Sänger erhalten.
Der Name fällt jetzt schon zum zweiten Mal: Du und Barbara Thalheim sind schon so lange befreundet?
Ja, wir sagen immer: "Wir waren fast noch Kinder." (lacht)
Bei ihr war der spätere Weg auch ein anderer als der, den sie zunächst eingeschlagen hatte. Sie hat auch eine Schlagersingle produziert und wechselte dann das Fach zur Liedermacherin.
Sie war bereits eine sehr gute und auch schon recht bekannte Liedermacherin. Im besagten "Zentralstudio für Unterhaltungskunst" hat man versucht, Barbara in Richtung Schlager zu lenken. Das ging aber irgendwie so gar nicht, und sie wollte es auch nicht. Immer hat sie gesagt: "Das will ich nicht!" Das war aber kein großes Problem, denn bei ihr wusste man schon, dass sie eher eine Interpretin ihrer eigenen Lieder war. Das hat man schnell begriffen und sie auch gelassen. Es war ja nicht so, dass man gezwungen wurde, in irgendeine vorgesehene Richtung zu gehen. Sie war auch diejenige, die damals junge Musiker und Texter zusammen führte, um eine Gruppe zu gründen, die dem Schlager ein anderes, anspruchvolleres Gesicht geben wollte. Dort entstanden wirklich schöne Lieder, auch für mich, wie "Es kann sein", "Söhneland", "Es stehen die Weiden am Fluß" und viele mehr.
Deine ersten Veröffentlichungen waren zwei Singles. Wurde die Veröffentlichung vorher mit Dir abgesprochen oder war es eine Entscheidung der AMIGA?
Amiga ist an mich herangetreten und hat mir mitgeteilt: "Wir möchten gerne eine Single mit Dir machen", und jeder war natürlich froh, wenn er eine Platte veröffentlichen durfte. Ich habe die Lieder im Rundfunk eingesungen, und die kamen dann als Übernahme auf Single raus. Andere Singles habe ich später auch in den Amiga-Studios aufgenommen.
Wie entstanden die Songs und Platten überhaupt? Wieviel Einfluss hattest Du auf die Musik?
Also, wer sich recht bald auf mich stürzte, war der König der Komponisten Arndt Bause. Arndt war jemand, der eine besonders gute Nase hatte für Hits. Als er meine Stimmfärbung gehört hatte, schrieb er für mich sofort Lieder in fremdländisch klingenden Sounds. So entstanden Lieder wie die "Wandervögel" und viele andere. Aber ich sang auch Lieder, viele schöne aber auch weniger schöne, anderer Komponisten und Texter.
Heute denke ich, dass ich zu der Zeit oft nicht kritisch genug war, ich war auf jeden Fall sehr unerfahren oder wollte vielleicht auch nur einfach bekannt werden. Obwohl ich gar nicht so der Typ war, der gerne im Mittelpunkt stand, gefiel mir der Gedanke aber zeitweilig doch. Ich war bei einigen Liedern, die ich angeboten bekam und auch produziert habe, am Ende nicht so wirklich glücklich. Manchmal hab' ich das auch gar nicht erkennen können, denn wenn man früher ein Lied bekommen hatte, dann war die Melodie erstmal nur auf dem Zettel in Form von Noten. Dann ist man ins Studio gegangen, und erst dann konnte man hören, was das eingespielte Lied für einen Klang hatte. Da war es dann oft zu spät, um es abzulehnen. Das ist natürlich heute wesentlich leichter und Liedvorschläge gibt's meistens schon als Demos zum Anhören. Das gab es leider früher alles nicht.
Eine Zeit, in der ich mit meinen Liedern öfter zufrieden war, war die, als ich Frank kennen lernte. Eine Analyse am Anfang war tatsächlich wichtig und auch neu für mich, bevor eine Platte oder nur ein neues Lied entstehen sollte. Ich habe in dieser Zeit viel von ihm lernen können, doch ich glaube umgekehrt auch.
Bis Mitte der 70er warst Du oft auch im Duett mit Thomas Lück zu sehen. Wie kam es zu der Zusammenarbeit?
Thomas und ich haben uns beim Schlagerwettbewerb 1970 in Magdeburg kennen gelernt. Ich sang damals das Lied "Der Tag war sinnvoll." Dieses Lied ist entstanden, als wir mit Barbara zusammen den Schlager revolutionieren wollten. Geschrieben wurde es von dem jungen Komponisten Jürgen Frommhold und war ein Lied aus der Serie, in der wir versuchen wollten, den Schlager anspruchsvoller zu machen. Dort habe ich Thomas kennen gelernt und wir haben uns in einander verliebt. Wir waren dann fünf Jahre zusammen und haben auch als Künstler gemeinsam Musik gemacht. Besonders gern denke ich an unsere Musikexpress Tournee mit Andreas Holm und Ingrid Raack. Unsere Beziehung endete aus verschiedenen Gründen. Wir freuen uns aber immer sehr, wenn wir uns wieder sehen.
Und wann hast Du Frank kennen gelernt?
Ich glaube, das war 1974. Er hatte in seinen Live-Programmen immer einen Gast dabei. Zu dieser Zeit war sein Gast ein Komiker, der aus gesundheitlichen Gründen ausfiel. Frank war auf der Suche und es war Thomas, der die Idee hatte, dass ich den Part übernehmen sollte, nicht als Komikerin, sondern natürlich als Sängerin. Daraufhin haben wir ein paar Konzerte zusammen gespielt und es ergab sich, dass er mit seiner Band nach Kuba sollte. Es war dann nahe liegend, dass ich im Programm blieb und die Konzerte in Kuba auf Spanisch angesagt habe und auch sang. Unter dem Himmel von Havanna ist es dann dazu gekommen, dass Frank meine große Liebe wurde (lacht).
Wenn man heute ein bekannter Künstler ist, ist ein normales Privatleben in einer Stadt wie Berlin gar nicht mehr möglich. Wie war das bei Dir in den 70ern?
Ich habe da nie so darauf geachtet. Wenn mich Leute angesprochen haben, habe ich freundlich geantwortet. Schlimm wurde es, als ich mit Frank zusammen war. Frank und ich waren zusammen die geballte Ladung Aufmerksamkeit. Es gab einmal eine Situation, wo wir eine ganze Hochzeits-Gesellschaft, die vorher gelangweilt am Tisch saß, durch unsere bloße Anwesenheit wieder in Schwung gebracht haben. Frank und ich liefen nur durch die Vorhalle, und die vorher stumme Gesellschaft war plötzlich gerettet. Mich hat das damals schon manchmal belastet. Mit Frank zusammen war das ein richtiger "Spießroutenlauf" und das war gar nicht so mein Ding. Völlig unerkannt irgendwo rumlaufen ging da nicht mehr. Aber auch das sehe ich heute doch ein wenig anders. Ich gehe heute völlig locker zum Einkaufen, und die Menschen sind wunderbar nett, wenn sie mich erkennen. Sie sind freundlich und lächeln, ich lächle zurück und wir kommen ins Gespräch. Ich sehe das heute wirklich alles ein bisschen entspannter. Aber auch das hat damit zu tun, dass ich heute 100%ig zu dem stehe, was ich mache.
Wie sah auf dem Höhepunkt Deiner Solokarriere Dein Tagesablauf mit Karriere, Mann und Kindern aus? Wie kann man sich das vorstellen?
Also meine Tage waren schon sehr gut durchstrukturiert. Wenn man zwei Kinder hat, muss man alles schon richtig gut planen. Ich hatte sehr viel Hilfe durch meine Eltern, wenn ich dann ein paar Tage am Stück unterwegs war. Zeitweilig hatte ich auch eine Frau gefunden, die sich ab und zu um die Kinder gekümmert hat und für sie da war. Aber ansonsten habe ich meine Kinder so selten wie möglich allein gelassen. Große Touren gab's gar nicht. Ich kann mich daran erinnern, dass Frank später noch eine Tour in Kuba gemacht hat, die ich aber nicht mitgemacht habe. Also wir beide im Flieger und die Kinder zu Hause in Berlin kam für mich nicht in Frage.
Mal abgesehen von der ´89er Nummer "Zusammen gehören" gab es aber keine Duette mit Frank und Dir zusammen oder?
Eins hat es gegeben, aber dieses wurde nur im Fernsehen veröffentlicht. Es ist entstanden, als Erich Honecker von Fidel Castro eine Insel geschenkt bekommen hatte. Das Fernsehen hatte mit uns auf dieser Insel gedreht und Frank hatte für diesen Anlass ein Duett für uns geschrieben. Es ist ein sehr schönes Lied und heißt "Insel im Golf von Cazones". Nicht vergessen möchte ich aber die vielen Weihnachtslieder, die wir auf den Weihnachtsplatten und CDs gemeinsam gesungen haben.
Wie kam es zu der "Weihnachten in Familie"-Geschichte? Das ist ja im Prinzip auch eine Sache, wo Ihr zusammen sogar mit den Kindern, an einer Sache gearbeitet habt. Wer hatte die Idee dazu?
Ich würde fast behaupten, dass Frank die Idee hatte. Weihnachten war in der Tat oft so, dass wir mit der Gitarre unter dem Baum saßen und mit den Kindern Lieder gesungen haben. Bevor die Platte entstanden ist, hatten die Kinder und Frank mir zu Weihnachten ein Lied geschenkt, "Liebe, kleine Mama". Das war tatsächlich ihr Geschenk gewesen. Ich hatte immer gesagt, dass ich keine gekauften Geschenke wünsche, sondern etwas, das sie selbst gemacht haben. Die beiden Mädchen sangen dieses Lied so schön, dass Frank, der eine Weihnachtsplatte machen sollte, auf die Idee kam, "Weihnachten in Familie" zu produzieren. Jedenfalls ist die Idee bei AMIGA sofort gut angekommen. Ich erinnere mich noch, kurz nachdem die Platte fertig war und wir die Meinung dazu vom damaligen AMIGA-Chef René Büttner hören wollten, sagte er: "Die ist ganz passabel." Ich glaube, da ist Frank das erste Mal aus dem Anzug gesprungen. Inzwischen sind ganz passable ca. 2,5 Millionen Tonträger verkauft worden.
Ich habe schon öfter über diesen Herrn Büttner von anderen Musikern Anekdoten erzählt bekommen, und ich glaube, der gute Mann war auch an anderen Stellen öfter mal auf dem falschen Dampfer..
Ja, das war er! So sehr... dass später dafür eine leckere Torte in seinem Gesicht landete und sich somit ein ebenso schlecht behandelter Musiker Luft machte. Er war in der Tat ein Beispiel dafür, dass man manchmal auch nur durch eine SED-Mitgliedschaft Chef der Amiga-Plattenfirma werden konnte.
Inzwischen hast Du Dich - wie man auf der CD hören kann und wie Du gerade selbst auch schon erzählt hast - musikalisch komplett gewandelt...
Ich sag's mal so: Ich hab mich nicht komplett verändert, denn eigentlich habe ich so angefangen. Meine ersten Schritte auf einer Live-Bühne habe ich tatsächlich mit meinem Bruder und später mit dem Gitarristen des Oktoberklubs Fred Krüger gemacht. Heute, bin ich einfach nur zu meinen Wurzeln zurückgekehrt.
Davon gibt's aber keine Veröffentlichungen auf Platte oder?
Nein, davon gibt's leider keine Aufzeichnungen. Es gibt nur einen Rundfunkmitschnitt, der mir irgendwann mal durch meine Freundin Barbara Thalheim in die Finger geriet. Barbara hat es von meinen ehemaligen Gitarristen Fred Krüger bekommen. Diese Aufzeichnung ist vom "Festival des politischen Liedes" und ich kann mich erinnern, dass im Saal viele Chilenen wie "Quilapayun" und Isabel Parra meine Lieder hörten. Ich war damals unglaublich aufgeregt und wir haben etwas über eine Stunde nur zur Gitarre viele Lieder gesungen. Es waren Lieder und Texte unter anderem von Lorca oder D.Viglietti aus Uruguay. Dieser schon erwähnte Rundfunkmitschnitt war auch einer der Auslöser für mein neues Programm "Lebenslinien - Das Konzert".
Heute bist Du das Risiko eingegangen und hast eine komplett neue Karriere gestartet. Du hast einen wesentlich steinigeren Weg gewählt, obwohl man sicher mit Schlager weit mehr Geld verdienen könnte...
Mir ist total bewusst, dass wenn ich beim Schlager geblieben wäre, heute meine alten Lieder wieder singen und noch ein paar neue Titel dazu nehmen würde, viel mehr von mir zu hören und zu sehen wäre. Dann wäre ich in einigen der vielen Schlagersendungen öfter präsent und würde sicher auch gutes Geld verdienen. Aber das würde mich einfach nicht zufrieden stellen. Ich finde aber trotzdem, dass der Schlager gut und wichtig ist, nur nicht mehr für mich. Sicherlich ist der musikalische Weg, den ich seit 2004 gehe, kein leichter, aber er erfüllt mich künstlerisch und menschlich. Andererseits habe ich auch bei meinem Publikum das Gefühl, auf dem richtigen Weg zu sein.
Wer eine ähnliche Entwicklung gemacht hat, und das hab' ich in meiner Rezension zur CD schon anklingen lassen, ist Tino Eisbrenner. Kennst Du seine letzten Sachen?
Also nicht alles. Er ist demnächst hier live in Wandlitz, leider fliege ich gerade an diesem Tag nach Spanien. Tino hat ähnliche Beziehungen zur lateinamerikanischen Musik, aber ich glaube, dass der Ursprung bei ihm ein ganz anderer ist. Tino liebt auch diese besonderen Naturinstrumente und arbeitet auch gern mit den chilenischen Musikern. Ich habe sie damals aus Chile hierher geholt und so arbeiten sie mit mir und auch mit Tino. Das ist auch gut so, weil ich ihm eine besondere Begegnung verdanke, die für mich sehr wichtig war. Nach dem mich die Eltern verlassen hatten, kam ich zurück nach Deutschland und in dieser Zeit trafen wir uns zu einem Interview für die Zeitschrift "Melodie und Rhythmus". Er sah mich an und empfahl mir, an einem Schamanenseminar teilzunehmen, das er bis heute regelmäßig organisiert. Ich tat es und auch ein zweites mal und es hat mir gut getan.
...und könntest Du Dir vorstellen, mit ihm mal etwas gemeinsam zu machen?
Ich weiß nicht, ob wir künstlerisch so gut zusammen passen würden, weil wir es noch nie ausprobiert haben. Aber wir wollen es doch in einem meiner weihnachtlichen Konzerte versuchen. Er wird mein Gast sein und ich irgendwann seiner. Natürlich werden wir auch versuchen, zusammen zu singen, schon weil wir uns mögen!
Gibt es denn überhaupt einen potentiellen Kandidaten für eine gemeinsame Arbeit auf der Bühne oder im Studio? Hast Du da jemanden, mit dem Du Dir eine Zusammenarbeit wünschen würdest oder singst und musizierst Du lieber allein?
Nein, es muss nicht nur das Solistische sein. Gerade für meine weihnachtlichen Konzerte lade ich mir ab und zu mal Gäste ein. In Neubrandenburg war es z.B. 2006 der Neubrandenburger Volkschor, dieses Jahr ist es eine Vokalgruppe. Hier in Wandlitz ist das der Chor des Gymnasiums, der aus Schülern und Lehrern besteht. Also ich suche mir regional Gäste aus, wo ich der Meinung bin, dass es schön ist, mit denen etwas Gemeinsames zu machen. Ich überlege aber, ob es da noch jemanden geben könnte. Was das "Lebenslinien"-Programm betrifft ist es schwer, jemanden mit einzufügen. Es müsste jemand sein, der nicht nur emotional sondern inhaltlich nah bei mir ist. So, liegt es nahe, dass ich zuerst an meine Tochter Dominique, die selbst Sängerin ist, denke. Sie kennt meine Lebenslinien und ist einfach mit meinen Wurzeln verbunden. Ich brauche immer den persönlichen Bezug. Mein Programm lebt durch sehr viel Emotion, und das könnte ich mit meiner Tochter fortführen, weil ich diese innere Beziehung und Zärtlichkeit für sie habe. Ich glaube, dass das etwas ist, dass das Publikum spüren würde.
Du sprichst das Thema meiner nächsten Frage gerade selbst an: Wenn man mit und über Aurora Lacasa spricht, darf man heute den Namen Dominique Lacasa nicht unerwähnt lassen. Deine Tochter ist in Deine Fußstapfen getreten. Ist sie wie die Mutter oder geht sie einen anderen Weg?
Nein, sie geht ihren ganz eigenen Weg und das finde ich richtig und gut. Gerade im Moment scheint sie auch etwas Neues zu machen, das für meine Ohren sehr gut klingt. Sie hatte vorher schon ein paar Lieder, mit denen sie aber mehr auf der Pop-Schiene war. Künstlerisch trifft sie ihre eigenen Entscheidungen, die ich akzeptiere. Ich habe in ihrem Alter schließlich auch Popmusik oder Schlager gemacht. Sie hat auf jeden Fall die Vielseitigkeit ihrer Mutter und den Ehrgeiz und die Musikalität ihres Vaters. Ich kann mich erinnern, als sie noch an der Hochschule "Hanns Eisler" studierte, sang sie in einer Zwischenprüfung ein spanisches Lied über die Olivenpflücker in Andalusien. Das ist aus meinem Repertoire und sie hat es ganz toll gemacht. Ein weiteres Lied von Jacques Brel hat sie so gesungen, dass mir die Tränen liefen. Sie könnte eines Tages meinen Staffelstab übernehmen. Es ist im Moment für junge Künstler eine ganz schwere Zeit. Wenn sie nicht in die völlig kommerzielle Pop-Richtung gehen wollen und sich dort nicht verkaufen möchten, ist es total schwer, Fuß zu fassen. Meine andere Tochter, Odette, hat übrigens auch eine wunderschöne und begnadete Stimme. Sie hat aber für sich ganz andere Pläne.
Damit sind wir auch schon am Ende unseres Gesprächs. Was liegt bei Dir als nächstes an, und wann gibt es ein Wiedersehen mit Dir auf der Bühne, auf Platte oder im Fernsehen? Gibt's vielleicht andere Projekte, an denen Du mitwirkst?
Am 28. November startet meine diesjährige Weihnachtstour mit dem ersten Konzert im Admiralspalast in Berlin. Dann u.a. am 3. Dezember in Neubrandenburg, am 8. Dezember in Rostock, am 19. Dezember in Magdeburg und am 20. Dezember in Leipzig. Aber da sind noch viele andere Termine, die man auf meiner Homepage www.aurora-lacasa.de finden kann. Ich hab das alles nicht im Kopf, denn Nummern und auch Daten sind nicht so meine Stärke. Das sind über 12 Konzerte, fast jeden zweiten Tag eins. Das wird ziemlich heftig. Das weihnachtliche Programm wird mit sechs Musikern gespielt, u.a. ist Thomas Natschinski am Piano dabei. Wir machen das jetzt das zweite Jahr zusammen. Wir spielen das Programm, das es seit 2008 auch auf DVD gibt. Es macht ganz viel Spaß, denn ich mag die weihnachtliche Atmosphäre und ihre Lieder sehr. Du hast auch nach neuen Projekten gefragt. Ich bin Gründungsmitglied des Vereins "Kunst trifft Demokratie plus e.V.". Das "plus" steht für mehr Demokratie. Hier sollen sich Künstler der verschiedenen Sparten treffen, die sich mit ihren künstlerischen Mitteln und Formen für die Erhaltung und Weiterentwicklung unserer Demokratie einsetzen wollen. Das finde ich sehr spannend und ganz wichtig auch für die kommenden Generationen. Wir wollen mal sehen, was daraus wird.
Möchtest Du abschließend noch ein paar Worte an die Leser richten?
Eure Leser sollen Euch treu bleiben, weil Ihr Euch mit der Thematik ernsthaft und tiefgreifend beschäftigt. Das tut in der heutigen doch sehr oberflächlichen Welt sehr gut. Danke, dass Ihr Euch bis zu diesen Zeilen durchgelesen habt!
Bearbeitung: kf, cr
Fotos: Aurora Lacasa privat + Pressematerial ihrer Agentur