Was macht eigentlich...
Werner Kunze
Unser neues "Rauchzeichen" beschäftigt sich mit einem Mann, der vor 42 Jahren (!!!) bei der Stern-Combo Meißen einstieg, jener Band, die in diesem Jahr ihr 45-jähriges Jubiläum feiern wird: Werner Kunze. Insgesamt 8 Jahre war er Teil dieser fantastischen Formation. Später - nach der großen FUSION-Tour - war er Mitbegründer der legendären Band Reform. In den späten 70ern und frühen 80ern spielte er bei der Gruppe "Elefant", die Ute Freudenberg musikalisch bis zu ihrer Ausreise begleitete. Es folgten noch weitere Stationen, bis sich die Spur in den Wirren der Wende, und den oft verworrenen Zeiten vor dem Fall der Mauer (und kurz danach), verlor. Was ist aus ihm geworden,... dem Werner Kunze, von der Stern-Combo und von Reform? Dem Werner Kunze, aus dessen Feder Lieder stammen wie z.B. "Hat der Tag sein Werk vollbracht" (SCM), "Heh Schwester küß mich" (Reform) oder "Mit den Augen der Kinder" (Ute Freudenberg & Elefant). Werner Kunzes Karriere hatte viele Stationen, er war sogar kabarettistisch tätig (Kabarett Die Distel). Nach der Wende zog es ihn in den Westen. Wir sind auf Spurensuche gegangen, und Reinhard hatte die Fährte schon längst aufgenommen. Getroffen hat er einen aufgeschlossenen und freundlichen Musiker, der uns und Euch eine ganze Menge zu erzählen hat. Dank Reinhard Kennke bekommen wir das, was er zu erzählen hat, auch zu hören (bzw. lesen). Was? Lest selbst, was er Reinhard für Antworten auf seine vielen Fragen gegeben hat...
Hallo Reinhard, und herzlichen Dank für die Einladung zu diesem Interview!
Mir ist bekannt, dass Du vor Deiner Zeit bei der Stern-Combo Meißen auch schon musikalisch aktiv warst. Darüber weiß ich allerdings recht wenig. Und wie ich mich erinnere, gibt es aus dieser Zeit auch keine Tondokumente. Wie bist Du zur SCM gekommen?
"Musikalisch aktiv" - stimmt genau! Noch in den Kinderschuhen schickten mich meine Eltern zum Klavierunterricht. Es stand nun mal ein Klavier zu Hause herum, auf dem ich begeistert das nachklimperte, was so aus dem Mittelwellen-Radio tönte. An UKW war zu dieser Zeit noch nicht zu denken, vor allem nicht im "Tal der Ahnungslosen". Hatte ich erwähnt, dass ich in Meißen geboren wurde? Wurde ich also und verbrachte die ersten 15 Lebensjahre dort. Fünf davon im Pionierblasorchester. Also nicht immer, aber immer öfter. Denn bereits zu dieser Zeit war es eine Mordsgaudi, mit den Kumpels auf Tour zu gehen. Ein gewisses Gespür für das spätere Gauklerdasein muss sich da zwangsläufig entwickelt haben. Ganz nebenbei wurden mir dort übrigens die Trompetentöne beigebracht. Das neunte Schuljahr besuchte ich in einer Schule, in der Martin Schreier in der zehnten Klasse war. Wir kannten uns demnach flüchtig. Später gestand mir der ringende Raufbold, dass er mich dort immer mal verprügeln wollte. Dazu kam es nicht, weil mich meine Eltern mit nach Riesa (um)zogen. Fasziniert von Sendungen wie "Die großen Acht" oder "Die Hitparade" (nun schon auf Kurzwelle), in denen wir erstmals mit Beatles-Songs Bekanntschaft machten, lieh ich mir zunächst eine abgedroschene Wanderklampfe, die später einer "richtigen E-Gitarre" weichen musste. Mann, war ich stolz! Ich schloss mich einer Amateurband namens ECHO 65 an und gelangte darüber zu den PEPITAS, die schon zahlreiche Live-Auftritte vorzuweisen hatten. Beides übrigens Riesaer Lokalmatadoren. Tondokumente aus dieser Zeit gibt es tatsächlich nicht. Aber immerhin waren wir nun in der ähnlichen Szene wie die "Stern-Combo Meißen" unterwegs, und auf Stadtfesten u.ä.m. begegnete man sich schon mal. Norbert Jäger, den ich vom gemeinsamen, verbotenen Baden in Meißner Steinbrüchen her kannte, versuchte zunächst vergeblich, mich zum Wechseln der Fronten zu bewegen. Vielleicht hatte ich ja immer noch Angst vor Martins Schwitzkasten? Eines Tages jedoch (1967) lud Norbert mich kurzentschlossen auf seine RT (ein DDR-Motorrad, Anm. d. Red.) und karrte mich nach Meißen, wo STERN gerade "Keep on running" von der SPENCER DAVIS GROUP probte. Man drückte mir eine Klampfe in die Hand, ließ mich erstmals auf einen Eigenbau-Verzerrer treten. Na ja, und das war's dann wohl...
Ist es in Ordnung, wenn ich einfach mal kurz zurückschaue, wie ich Dich kennengelernt habe? Also, das war Anfang der 70er Jahre. Die Stern-Combo Meißen spielte im Kulturhaus der Porzellanmanufaktur Colditz. Es ging schon am Nachmittag los, aber auch das hatte seinen Zauber: Der Saal hatte sehr schmale und hohe Fenster. Die Sonne zauberte die ideale Beleuchtung, man kam sich vor wie in einem Dom. Schräge Sonnenstrahlen fielen auf die Bühne und dazu "Jerusalem" von Emerson, Lake & Palmer. Wahnsinn! Das war also die Zeit, in der Ihr noch viele Fremdtitel spieltet, z.B. "Lighthouse" von The Flock, "Masterpiece" von den Temptations oder auch "Pictures at an Exhibition" von ELP. Aber eben auch schon die eigenen, wie "Der Kampf um den Südpol" oder "Söhnchen" . Deine dominante Gitarrenarbeit fiel auf, war absolut unverkennbar. Wie siehst Du Deine Zeit bei der Stern-Combo aus heutiger Sicht?
Hier muss ich zunächst eine kleine Korrektur vornehmen. Wenngleich Jahrzehnte zuvor ausgefochten, fand "Der Kampf um den Südpol" nämlich erst nach meiner Zeit statt. Möglich allerdings, dass dieser Song von Elementen beeinflusst wurde, die von "Papa was a rolling stone" (TEMPTATIONS) herrührten. Also einem Song, bei dem ich durchaus noch mitwirkte. Meine Zeit bei SCM währte 8 Jahre, abzüglich 18 Monate "bei der Fahne". Es waren die Lebensjahre, in denen ein Mensch zu sich selbst findet - in denen er geprägt wird. Folglich prägten mich diese Jahre ungemein. Die Tatsache, dass STERN bei meinem Wiedereinstieg 1971 bereits ins Profilager übergewechselt war, mag das noch verstärkt haben. Hatten wir doch unser Hobby zu unserer Berufung gemacht. Um überhaupt als Profi-Musiker arbeiten zu können, war die Aufnahme eines Musikstudiums unabdingbar. Zwar kollidierten die morgendlichen Seminare oftmals mit unseren gewöhnlichen Zu-Bett-Geh-Zeiten, aber geschadet hat es uns allen garantiert nicht. Die Auseinandersetzung mit musikalischen Gesetzmäßigkeiten hat gewiss auch bewirkt, dass wir uns an klassischen Adaptionen versuchten. Dazu traten auch noch EMERSON, LAKE & PALMER auf den Plan. Oder EKSEPTION. Wir konnten uns glücklich schätzen, einen Top-Virtuosen wie Thomas Kurzhals zu gewinnen, der in der Lage war, solcherlei Tasten-Akrobatik realisieren zu können. Aber auch die Zeiten Anfang der 70er, als wir mit Bläsern arbeiteten und Songs von CHICAGO, BLOOD SWEAT & TEARS und THE FLOCK coverten, war unheimlich lehrreich. Was erklangen da für Sätze - jetzt mal im Vergleich zum Pionierblasorchester (s.o. ;-)). Im damaligen Posaunisten Manfred Nytsch fand ich einen guten Lehrmeister, dessen Notationen/Partituren ich mir genauestens reinzog. Diese Lehrzeit, kombiniert mit den an der Musikhochschule Dresden erworbenen Kenntnissen, half mir später, mehr und mehr selbst als Arrangeur in Erscheinung zu treten.
Was empfandest Du, als später die Stimme von IC und poppigere Elemente den Sound der SCM prägten?
Ich habe versucht, Martins Statement, die Zeit sei reif für Veränderungen, zu tolerieren.
Die Stern-Combo ist heute noch immer aktiv, hat sich im vorigen Jahr umformiert, um zu ihren Wurzeln zurückzukehren. Hattest Du Gelegenheit, diese neue Besetzung zu hören? (Wenn ja) Wie gefällt es Dir, was denkst Du darüber?
Mit meiner Familie lebte ich von 1989 bis 2006 in NRW. Dennoch fand ich gelegentlich Zeit für Kontakte, u.a. zu Thomas Kurzhals. Es fiel ihm verständlicherweise nicht leicht, die Entwicklungen bei SCM als Außenstehender zu beobachten. Umso mehr ist es ihm und der Band zu gönnen, dass sie wieder zueinander gefunden haben. Gehört habe ich die neue Besetzung noch nicht. Von ihm, Norbert Jäger und Egge Schumann weiß ich allerdings, dass sie die Umbesetzung als nochmalige Aufwertung empfinden. Da sich SCM ja immer noch einer begeisterten Zuhörerschaft erfreut, haben Live-Gigs mit STERNs Klassikern sicher noch ihre Berechtigung. Ob es zeitgemäß ist, sich erneut an großen Werken zu versuchen, wird die Zukunft zeigen und die Zuhörerschaft entscheiden.
Möchtest Du etwas zu "Stern akustisch" sagen?
Ich hatte vereinzelt Gelegenheit zu Gesprächen mit Alex Prokop, kenne also auch deren Ambitionen. Zumindest bei den Keyboard-lastigen STERN-Klassikern wage ich zu bezweifeln, dass eine Unplugged-Version überhaupt sinnvoll ist. Gehört habe ich es noch nicht. Es hat ja wohl viele Diskussionen darüber gegeben. Viel Für und Wider. Also auch hier: Wenn die Fürsprecher dem Projekt einen Sinn abgewinnen können und dieses generell erfolgsträchtig ist, sollte man das wohl als temporäres, marktorientiertes Experiment respektieren.
1975 kam es gemeinsam mit den Klosterbrüdern zu der "FUSION-Tour". Daraus entstanden drei Bands: Stern-Combo Meißen, Magdeburg und Reform. Erzählst Du uns ein wenig darüber?
Die FUSION war schon eine tolle Sache, wenn auch sehr gewagt! Nicht so sehr die Songs aus dem Repertoire der einzelnen Bands, derentwegen die Fans gekommen waren. Die versprachen von vornherein Erfolg, auch TEMPTATIONS' "Masterpiece", das wir gemeinsam spielten. Nein, Axel Gothe hatte eigens für dieses Projekt experimentelle Stücke geschrieben, die selbst wir als "Exekutive" - und nach langen Proben - erst mal zu verdauen hatten. Geschweige denn die einmaligen Zuhörer. Aber irgendwie schwebte ein gemeinsamer Geist über der FUSION, den man uns bereitwillig abnahm. Das war schon faszinierend. Kurz vor Ende der Tournee wurde Hansi Gerber (Flöte, Trompete, Piano) und mir eröffnet, dass SCMs zukünftiges Konzept unsere Mitwirkung nicht mehr vorsah. Das traf mich zutiefst - ich fiel zunächst in ein tiefes Loch! Ein/zwei Tage später traten Jörg (Matze) Blankenburg und Peter Piele mit der Idee an mich heran, bei REFORM einzusteigen. Dort sollte ursprünglich Lothar Kramer Keyboards spielen; die Pläne, sich von den Klosterbrüdern zu trennen, existierten also bereits. "Lottes" Platz war, da er als zweiter Keyboarder neben Thomas Kurzhals zum Einsatz kommen sollte, nunmehr freigeworden. Nun, das war schon eine große Entscheidung; schließlich ging es dabei auch um einen Wohnsitzwechsel. Aber: Rettender Strohhalm, nach dem ich relativ schnell griff. Es gab wieder ein Ziel, dem ich mich mehr als intensiv widmen konnte. Außerdem hatte Magdeburg mehr als zwei Kinos, (m)eine begehrenswerte Braut und - - - man kannte dort bereits UKW!!
Reform war eine Band, in der (vermutlich) erstmals in der DDR zwei Leadgitarren eingesetzt wurden. Für mich war dies Deine größte Zeit. Siehst Du das auch so?
Ob es das erste Mal war, kann ich echt nicht sagen. Es war ja, siehe oben, eher ein Gelegenheits(Verlegenheits?)-produkt, das es erst mal zu etablieren galt. Und das nicht mal mit der Absicht, etwas bisher nie Dagewesenes zu schaffen. Als aber dann der Startschuss gefallen war, haben wir all unsere Energie hineingesteckt. Ich zitiere aus meiner kleinen Homepage (www.kunzewerner.de):
Zitat:
Das war wohl die kreativste, auch aufregendste Zeit meiner musikalischen Laufbahn. Ein Großteil der Szene wusste: Da ist etwas im Entstehen - schau'n wir mal. Nächtelang wurden Arrangements ausgefeilt, wochenlang in einer Garage geprobt - auf Grund sengender Hitze zum Teil barfuß in Wasserschüsseln stehend. Zwei Lead-Gitarren schienen prädestiniert zu sein für etliche Songs von WISHBONE ASH. Aber auch Mammutwerke von GENESIS, THE FLOCK und vor allem KING CRIMSON standen auf der Liste. Bereits nach einem halben Jahr des Tourens durch DDR-Lande begannen sich die investierten "Blood, Sweat & Tears" auszuzahlen; REFORM hatte einen festen Stellenwert in der Szene erlangt - wenngleich vorrangig in der Szene der "Grünkutten". Man möge sich erinnern, dass dem Staat genau diese Szene ein Dorn im Auge war. Gewisse Auftrittsorte wurden der Gruppe deswegen verwehrt. Das ging bis an die Existenz.
Zitat Ende
Ja, die Grünkutten! Wenn wir uns mit teilweise geliehenem Fuhrpark den legendären Rockschuppen näherten, war es schon geil, die Trauben am Eingang stehen zu sehen. Oftmals halfen welche beim Reintragen, die wir wiederum als "unsere Techniker" reinschleusten. Gegenseitiges Geben und Nehmen. Aber es war auch nicht ungefährlich, siehe Ende obiges Zitat. Mich würde mal interessieren, was so aus dem einen oder anderen Grünen geworden ist, in dessen Antlitz wir von der Bühne aus blickten oder mit dem wir Zeit für Gespräche vor, zwischen bzw. nach den Sets fanden. Manch Unentwegten kannten wir ja beim Namen. Bei einigen haben wir auch übernachtet, vor allem im grenznahen Gebiet, wo wir gemeinsam noch den ROCKPALAST schauen konnten. Irre! Von der Herausforderung her war dies sicher meine größte Zeit, da hast Du schon Recht, Reinhard! Nämlich: Bei STERN hatte ich mich in ein bereits etabliertes Projekt begeben - hier aber sollte erst mal eins geschmiedet werden. Was spielen wir für Titel, sind sie überhaupt realisierbar usw. Allein auf zwei Gitarren wollten wir nicht bauen. Vielleicht erinnerst Du Dich, dass wir auch Keyboards stehen hatten, die in der Gründerbesetzung von Frank Schönfeld und mir (teilweise mit der Klampfe auf den Knien) bedient wurden. Die Stücke mussten also so geschrieben werden, dass sie sich - unseren Fähigkeiten als Tastendrücker entsprechend - spielen ließen. Dabei haben wir sicher so manches Mal über unser Ziel hinausgeschossen...
Die Zeit mit Frank Schönfeld habe ich leider bei "der Fahne" verpasst. "Leider" sage ich aus folgendem Grund: Ich glaube, dass in egal welchem Projekt nach einem Neubeginn eine solch' unglaubliche Energie steckt, die später nie wieder zu toppen ist. Vorausgesetzt natürlich, daß alle Beteiligten an das Projekt glauben und ihr Herzblut einbringen. Und das schien mir, als Außenstehendem, durchaus so. Aber das nur am Rande. Die Tasten, daran erinnere ich mich - waren eigentlich immer dabei. Mal bediente sie der Eine, mal der Andere.
Ja ja, ich will gern glauben, dass manch eine/r erst auf REFORM aufmerksam wurde, nachdem Stefan Trepte hinzugekommen war. Viele kennen aber gerade auch die Gründerzeit, in der tatsächlich noch das Herzblut aller Beteiligten dem Projekt zum Erfolg verhalf. Als „Frontschwein“ spielte Frank (Friedhelm) Schönfeld mit seinem charismatischen Auftreten dabei eine durchaus prägende, bedauerlicherweise später kaum erwähnte Rolle. Sich z.B. großen Werken von GENESIS zu widmen („The Musical Box“, „The Fountain of Salmacis“), entsprang praktisch seinen Anregungen.
Ich kann mich an ein Interview im Rundfunk erinnern, bei dem Stefan Trepte total ins Schwärmen geriet. Es ging um Euren Song "Ich suche Dich". Er liebte offenbar die Band sehr, denn er wurde nicht müde zu sagen: "Hört Euch jetzt das Zusammenspiel der beiden Gitarren an! Und wenn dann jemand imstande ist, dies zu singen, dann ziehe ich den Hut!!!!" Und zum Schluss sagte er: "Es ist eine wunderbare Band. Und in einer Band ist es, wie in einer Ehe. Ich hoffe, es hält lange, lange, lange…". Werner, wie siehst Du diese Zeit bei Reform?
Vielleicht greife ich mal Stefans letzte Äußerung zuerst auf. Bekannt ist, dass er im Laufe seines Lebens mehrere Ehen einging...
Aber gut damit! Inspiriert von den Songs, die wir coverten, haben wir natürlich versucht, solche Elemente auch in unsere eigenen Stücke einzubringen. Und gerade bei "Ich suche dich" ist das sicher gelungen. Worüber ich heute noch schmunzle, sind die "Dicken Bohnen". Auch da wird man im Mittelteil seine Schwierigkeiten beim Nachsingen haben. Überhaupt stehe ich zu diesem Song, zu dem darin steckenden Augenzwinkern. Ein Höllenspaß! Leider war die Zeit wohl nicht reif genug für "Dicke Bohnen". Vielleicht hätte man sie z.B. einem Frank Zander eher abgenommen? Die beiden Gitarren, ja! Ich glaube, Matze und ich haben uns recht gut ergänzt und uns sowohl als Musiker wie auch als Menschen stets gegenseitig respektiert. Einerseits hatte jeder seinen eigenen Stil, andererseits konnten wir es zu einer übereinstimmenden Stilistik bringen. Wenn ich mir heute einen Schwarzmitschnitt aus dem Jahr 1976 reinziehe, auf dem WISHBONE ASHs "F.U.B.B." oder "Don't come back" erklingen, berührt mich das sehr.
Es gab einen Split, Du und Peter Piele verabschiedeten sich zu Ute Freudenberg. Wenige haben das damals verstanden. Wie kam es dazu?
Weißt Du, Reinhard, als wir früher vorrangig Songs coverten, hat mir persönlich das fast mehr Spaß gemacht. Ich habe es eher als unumgängliche Pflicht angesehen, irgendwann eigene Stücke schreiben bzw. produzieren zu müssen. Vielleicht auch, weil ich mich kaum als geborenen Songwriter sehe, als Arrangeur aber durchaus. Mit Stefan Trepte, Peter Piele und Werner Kunze waren nun (sagen wir mal) Individualisten aufeinander getroffen, was einerseits die Grundlage gemeinsamer Kreativität schuf, aber auch nicht frei von Konfliktpotenzial war. Als nun kommerzielle Aspekte mehr und mehr in den Vordergrund rückten, drohte der ursprüngliche Geist der Band auf der Strecke zu bleiben. Solcherlei blieb in der engen Tätärä (Anm.: gemeint ist die ehemalige DDR) nicht lange unbemerkt. Burkhard Lasch (Texter, damaliger Leit-ELEFANT) klopfte sowohl an meine wie auch an Peter Pieles und Micha Heubachs Tür. Lockte mit sicherer Existenz, gepflegten Auftrittsmöglichkeiten, Medienpräsenz und - nicht zuletzt - West-Gastspielen. Ich muss gestehen, dass wir diesen Versuchungen erlagen - zumindest ich mich beLA(t)SCHern ließ. Klar, von der bisherigen, eher avantgardistischen Linie blieb dabei nicht mehr viel übrig. Zwar versuchte Micha Heubach noch etwas in dieser Art einzubringen, woran wir unsere Freude hatten (z.B. "Wo das Meer beginnt"), jedoch konnte so etwas nie den Ruhm jenes Liedchens erlangen, welches man gezwungenermaßen mit dem Namen Ute Freudenberg in Verbindung bringt und welches wir (wenngleich zur Freude unserer Eltern und deren Arbeitskollegen…) so oft und gern im TV playbackten ;o( Sei's drum, wir haben dennoch versucht, saubere Arbeit abzuliefern. Lebten von Musikantengags, für die auch Ute durchaus offen war.
Bei Ute spieltest Du plötzlich nicht mehr Gitarre, sondern Bass. Warum eigentlich?
Für die zweite ELEFANT-LP hatte ich einen Reggae-ähnlichen Song geschrieben, bei dem Bass und Gitarre unisono (das Gleiche) spielen sollten, nämlich den "Showman". Unseren AMIGA-Tonmeister Helmar Federowski konnte man nicht überlisten, das wussten wir. Etwaige Nichtübereinstimmungen in der Stilistik hätte er sofort bemerkt. Ich bot daher an, zunächst den Bass einzuspielen und danach die Gitarre zu synchronisieren - mit sich selbst ist man immer noch am ehesten im Reinen. Dies zum Abschluss gebracht, bestand Helmar jedoch darauf, dass ich auch den Rest der LP als Bassist einspiele. So etwas wiederum machte Burkhard Lasch hellhörig, und es kam zu einem generellen Besetzungswechsel. Nicht mal gegen meinen Willen; Bass habe ich von jeher als ein geiles Instrument angesehen, welches von geilen Muschkanten auch geil gespielt werden kann. In unserem Fall hat es sich mehr darauf konzentriert, der Band ein stabiles Fundament liefern zu wollen.
Gibt es eine Band, in der Du gern länger musiziert hättest?
Ich denke, es ist nicht realistisch, davon auszugehen, ewig in ein- und derselben Band zu spielen - nicht mal übermäßig lange. Global betrachtet bringt gerade diese Szene eine starke Fluktuation mit sich, und diese wiederum bringt die Szene voran. Sicher, als "Bereits-REFORMER" die Entwicklung STERNs verfolgend, dachte ich anfangs, ich hätte genauso gut einige der Keyboard-Parts übernehmen können, die Lothar Kramer zuerkannt wurden. Und hätte nach wie vor was von der Gitarre oder Trompete beisteuern können. Aber vielleicht fühlte ich mich auch in meinem jugendlichen Ego verletzt, habe die Dinge noch nicht so global gesehen.
Auch mit REFORM hätte es durchaus weitergehen können, hätten Peters, Matzes, meine und anderer Bemühungen Früchte getragen. Und wie es mit ELEFANT zu Ende ging, dürfte hinreichend bekannt sein. Mit jahrzehntelangem Abstand möchte ich Deine Frage eher so beantworten: Ich hätte ÜBERHAUPT bei der Musike bleiben sollen. Mit WENNs und HÄTTEs ist aber eben nicht getan. 1990 in Düsseldorf beim Künstlerdienst angestellt, wurde mir jegliche Mitwirkung an öffentlichen Auftritten untersagt. Eine Regelung, die ich leider viel, viel zu lange ernst nahm. Und als ich zum Jahrtausendwechsel die Klampfe verbotenerweise (der alte Rebell?) wieder hervorkramte, musste ich schmerzlich realisieren, dass sich die gesamte Motorik nicht wieder aktivieren lässt, trotz verzweifelter Übungsversuche. Es reichte lediglich für die Mitwirkung in einem Tanzmusik-Duo, mit dem wir gelegentlich auf Privatfeiern, Firmenjubiläen usw. muggten. Wiederholt habe ich versucht, mein Dilemma denjenigen zu schildern, die mich danach befragten, warum ich überhaupt nicht mehr in Erscheinung trete. Zum größten Teil vergeblich. Also bitte noch einmal: Auch z.B. meine Nichtmitwirkung an diversen STERN-Jubiläen hat keine vergeltungsähnlichen Hintergründe, wie man ob des oben Geschilderten vielleicht vermuten mag - und teilweise unterstellt. Diese Wogen sind längst geglättet, die Narben nach kurzer Zeit verheilt. Es ist absolut persönlicher Natur. Wenn sich Leute wie Du und Eure Lesergemeinde überhaupt an einen Werner Kunze erinnern, weiß ich das als Anerkennung weitaus mehr zu schätzen, als wenn ich bei Mitwirkung an einem dieser Events feststellen müsste, dass sich Musiker wie Zuhörer zuraunen: "Das hätte er lieber bleiben lassen."
Wie denkst Du heute über all die Jahre?
Noch mal im Schnelldurchlauf:
1956 - 1960 (Klavier): verspielte Neugier
1959 - 1964 (Pionierorchester): kindlich/jugendliche Unbeschwertheit
1965 - 1967 (ECHO 65/Pepitas): Lehrjahre/Praktikum
1967 - 1969 (SCM): Aufbruch
1971 - 1975 (SCM): Sturm und Drang
1975 - 1979 (REFORM): Verwirklichung
1980 - 1984 (ELEFANT): Gaukelei
1984 - 1986 (PALLAS): Brot und Spiele
1987 - 1989 (DISTEL): Warten auf Ausreise
1989 - 1990 (div.): unerfüllte Hoffnung
2000 - 2006 (Wolfgang-Haase-Duo): zweckdienliche Routine
Wie bereits erwähnt, prägten mich gerade die frühen Jahre - sie waren mein Leben. Kaum eine Zeit davon möchte ich missen. Das danach Folgende war größtenteils Pillepalle und diente vorrangig dem Lebensunterhalt.
Von Prägen möchte ich im umgekehrten Fall nicht sprechen. Ich hatte halt das Glück, in einigen Bands zu spielen, die einen guten Ruf genossen, zum Teil noch genießen bzw. sich eines guten Nachrufs erfreuen. Wenn man sich also heutzutage und hierzulande daran erinnert, dass auch Werner Kunze eine Zeitlang ein Rädchen in diesem ganzen Getriebe war, kann ich das durchaus mit ins Grab nehmen, auf dessen Stein ja einst nach Aussagen eines Fans der 70er stehen sollte: ER SPIELTE LIGHTHOUSE.
Würdest Du aus heutiger Sicht etwas anderes tun, wenn Du noch einmal die Chance hättest?
Sicher! Es tut mir leid um die Zeiten, die wir zwischen den Muggen faulenzend, Karten spielend, würfelnd, saufend in Hotels vergammelten. Ich würde jede Chance nutzen (wollen?) zu üben. Gelegenheiten hatten wir genug. Ich z.B. habe sie vergeudet.
Möchtest Du unseren Lesern noch etwas mit auf den Weg geben?
In Zeiten, in denen Jugendliche Ende 20 die Frage, ob die Mauer 1961 oder 1931 errichtet wurde, mit 1931 beantworten, kann man Deine Bemühungen, lieber Reinhard, diese, unsere Szene zu hinterfragen, nicht hoch genug bewerten. Viel Zeit wird uns nicht mehr bleiben.
Vielen Dank!
Es ist an mir, mich für Dein Interesse und den Lesern für ihre Geduld zu bedanken!
Bearbeitung: kf, cr
Fotos: Privatarchiv Werner Kunze