Was macht eigentlich...
Christiane Ufholz
ls wir zu Christiane Ufholz fuhren, war uns schon sehr bewusst, dass wir dabei sind, eine Legende zu besuchen. Eine Frau mit einer sowohl beachtenswerten als auch von vielen Einschnitten geprägten Karriere. In gewisser Hinsicht war Christiane Ufholz der erste weibliche Beat-Star der DDR. Und begleitete ihr Publikum dort sehr lange, ob nun mit Renft bei den Butlers oder als Mitbegründerin der Gruppe "Lift". Als sie die Petition gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns unterschrieb, war ihre Karriere in der DDR plötzlich beendet, nach einigen Fehlschlägen siedelte sie in die BRD über. Doch es schien, als könnte sie nichts erschüttern. Und heute ist sie immer noch da, singend für ihr Publikum, derzeit hauptsächlich als Sängerin der "Jonathan Blues Band". Nein, wir begegneten wohl nicht einer Legende, unserem Eindruck nach. Wir trafen eine muntere, lebenslustige und sehr erfahrene Frau mit einem immerwährendem Lächeln in den Augen und einem einnehmendem herzlichen Gemüt. Wir stiegen aus dem Auto, als sie gerade vom Einkaufen kam: Kuchen für die Leute von "deutsche-mugge.de". Sie ließ uns in ihrer Wohnung Kaffee kochen, und plauderte vom ersten Moment herzlich drauflos, während sie einige Telefonate führte. Dann setzten wir uns, und ein Gespräch entspann sich, wirbelnd durch eine von Höhen und Tiefen voll ausgefüllten Biographie. Als Interview würde ich das nicht bezeichnen, auch wenn es als solches geplant war. Es war eine Unterhaltung. Manchmal auch ein Monolog einer aufgeweckten und zutiefst beeindruckenden Frau.
Am Anfang war der Rundfunk Kinderchor Leipzig. Da bin ich mit sechs Jahren eingetreten. Durch meinen Vater. Und blieb dort, bis ich so dreizehn, vierzehn war. Das war meine ganze Kindheit. Bis zum Jugendchor. Aber ich glaube, da wollte ich schon was ganz anderes wissen. Die Bibers waren nämlich gekommen, die hatte ich entdeckt. Da hat es "Knall" gemacht in der Birne.
Die Bibers? Kenne ich nicht...
Was, du kennst nicht die Beatles?
Ach, die Beatles?
Ja, genau. Irgenwann sagte jemand zu mir: "He, Christiane, da gibt's jetzt welche, die musst du unbedingt hören: die Bibers." Sprache kennt halt Grenzen, Musik kennt keine. Eines Nachts saß ich dann ganz alleine in unserer großen Wohnung in meinem Zimmer. Meine Geschwister waren schon alle ausgezogen, ich war ja die jüngste. Und ich hab die Bibers angemacht. Und ich dachte: Oh, das ist es. Ja, das ist es. Kurze Zeit später bin ich zu den "Butlers" gefahren und da ich hatte das Gefühl, der Mond platzt. Und dann hat der Renft mich entdeckt und ich habe bei den "Butlers" gesungen. Da war ich 16. Das wurde so eine Hassliebe, über 40 Jahre lang.
Zu der Band oder zu Klaus Renft?
Zu Klaus Renft. So wie ich meine Stimme geschenkt bekommen habe von irgendwoher, genauso hat er das Feeling irgendwoher gekriegt. Der hat gerochen, wo was ist. Der hatte die Nase. Das hat ihn ausgemacht als Bandleader.
Jetzt sitzt der Renft oben neben James Brown, und der versucht ihm jetzt den Rhythmus beizubringen. Aber der hat schon telefoniert mit mir und gesagt: "Es hat keinen Sinn." Und der Heinz Prüfer ist leider auch schon tot. Und so einige. Ich glaube, die wollen da eine Band aufmachen, dort oben im Himmel. Ich habe Renft sehr geliebt, nicht als Mann, aber als Mensch und Macher. Manchmal haben wir uns auch angebrüllt, aber egal was war, wir haben am Ende doch immer jeder für den anderen, na nicht die ganze Hand, aber zwei Finger auf jeden Fall ins Feuer gelegt. Die von der Band, von Renft, die sind alle wie meine Brüder. Wenn wir uns mal sehen, freuen wir uns riesig, oder ich mach da auch mal mit. Ist doch egal, dass wir musikalisch unterschiedliche Gleise fahren. Das ist ja das Unverständliche manchmal zwischen den Jazzern und den Bluesern oder den Sachsen und den Preußen, die hatten sich ja immer gegenseitig die Augen ausgehackt. Ob das heute noch so ist, weiß ich nicht, aber damals war das so. Keiner akzeptierte den anderen. Was soll denn das nur? Die einen machen diese Musik, andere andere Musik. Und bei Renft kam immer Proletenpower runter.
War Renft eine Art Volksband?
Na, sicher. Und auch zu Recht.
Hast du Musik studiert?
Ich hatte in einer Berliner Musikschule zwei Jahre lang dieses Fachstudium gemacht und abgeschlossen, mit 2. Dort habe ich aber nicht wirklich etwas gelernt. Da war auch Toni Krahl, mir gegenüber sitzend. Der hatte mir seine Katze später mal überlassen. Der kam und sagte: "Christiane, kannst du mal meine Katze nehmen. Ich muß mal drei Tage singen gehen." Und hat sie nie wieder abgeholt.
Wie ging es nach den "Butlers" weiter?
Die "Butlers" wurden ja verboten. Danach war ich beim "Studioteam Leipzig". Ich galt ja als junges Talent. Das war sozusagen mein Schlupfloch. Die Band hatten sie verboten und ich habe heimlich weiter gesungen. In verschiedenen Bands und Projekten. Irgendwann beim "Dresden Septett" und daraus wurde dann ja "Lift". Ich war ja die erste Sängerin von "Lift". Das vergessen heute alle. Das war meine erste Profisache. Die haben mich als professionelle Sängerin eingekauft. Im Dresdner Kulturpalast wurde der Name "Lift" geboren. Da waren ganz viele Bonzen da. In der Zeitung haben sie darüber geschrieben: Und die Sängerin hat gerufen "Hallo Mausi!" Dabei habe ich gesungen: "Holy Moses!" Das stand so im "Eulenspiegel".
Na, da wars ja sicher satirisch gemeint...
Nein, das hatten die schon ernst gemeint. Und runtergemacht haben sie uns auch. Dabei hatten wir einen so wunderbaren Sänger: Bernd Schlund. Mit dem war ich schon mit Renft bei den "Butlers". Vor zwei Jahren habe ich ihn wiedergetroffen und war wieder ganz angetan, wie der noch gesungen hat. Wie David Clayton Thomas, der Sänger von "Blood Sweat and Tears". Schlund war bei der "Lift"-Gründung völlig betrunken. Da waren halt die ganzen Stasi-Leute da, Wodka-Flasche auf dem Tisch und daraus hat er einen genommen. Dann hatte er den ganzen Text vergessen und hat dann auch gesungen: "Holy Moses!" Aber Gerhard Zachar war ganz ernst an diesem Abend, als aus dem "Dresden Septett" die Gruppe "Lift" wurde. Und er war sehr traurig, als ich dann ausgestiegen und zu Klaus Lenz gegangen bin.
Ich habe den Eindruck, Lift war auch eine richtige Idee, also eine Art Konzept.
Der Zachar hat auch richtig gute Songs gemacht. Ich hab dort sogar deutsch gesungen. Das wollte ich eigentlich nicht machen, aber das war eben so im Osten. Ein Lied habe ich mal gesungen, das hieß "Ich will keinen Krieg mehr" oder so ähnlich. Das wollte ich dann einstampfen lassen. Damals gab es ja bloß eine Plattenfirma und die haben dann zu mir gesagt: "Sie haben wohl Größenwahn. Das ist doch alles schon fertig." Die meinten, ich müsste denen dann das Geld zurückgeben. Und dann haben sie angefangen, an den Texten herumzuknaubeln bei "Lift". "Was singen Sie denn da?" "ein meer aus grauen strahlen strahlt auf den tag herab" und dann "drüben die reine ..." --- "Was meinen Sie denn mit ´drüben´?" Die hatten alles auseinandergepflückt. Das wär' beinahe nicht durchgegangen, wegen ´drüben´. "Meinen Sie denn den Eisernen Vorhang?" Ich denke da an anderes, aber nicht an den Eisenern Vorhang. Die waren doch dämlich.
Und wie lange warst du bei Lift?
Bis 1975. Da kam der Klaus Lenz. Der Lenz kam. Mit dem habe ich mich heftig gestritten. Wir haben uns angebrüllt auf der Straße und dann hat er sich umgedreht ... den habe ich übrigens jetzt wiedergesehen bei "Modern Soul". Aber der macht ja keine Musik mehr. Der repariert jetzt alte Häuser. Und vor kurzem hat er mal mitgespielt bei "Modern". Na, jedenfalls kam der. Wir hatten mit "Lift" ein Konzert in Halle. Und da hatten wir uns gestritten, der Lenz und ich, und er hat dann plötzlich gesagt: "Am sosundsovielten dreizehn Uhr bist du bei mir in Berlin". Da bin ich dann auch hin, klein und doof wie ich damals war.
Das heißt, Ihr habt Euch gestritten und deshalb bist Du dann bei ihm in die Band eingestiegen?
Genau. Ich wollte mir damals schon nie etwas auf mir sitzen lassen.
Und das war ja dann doch sehr lange deins?
Ja, ich hab heute noch Plakate und alles mögliche aus dieser Zeit. Und dann kam Günther Fischer. Und danach war Sense, leider. Entweder hätten sie mich eingesperrt nach dieser Zeit mit Fischer oder ich hätte mich tot gesoffen. Eins von beidem wäre passiert, wenn ich nicht abgehauen wäre. Sie haben mir ja das Singen verboten. Davor saß noch Nina Hagen bei mir zu Hause und hatte dort ihren Ausreiseantrag geschrieben. Und sagte zu mir: "Komm mit." und ich hatte gesagt: "Mich muß es erst selber erwischen". Nina war gerade vierzehn Tage weg, da hatten die mich zur Stasi einbestellt und mir alles gestrichen.
Hatten die gesagt, du sollst nicht mehr singen?
Ich sollte meine Unterschrift unter die Biermann-Petition zurücknehmen, sonst geht gar nichts mehr. Ganz knallhart. Ich hab gesagt: "Nein, mach ich nicht". Und wie ich dann erfahren habe, war ja unser lieber Günther auch bei denen.
Das hat ja Manfred Krug mal ziemlich heftig thematisiert.
Ich hab das auch alles erst nach der Wende erfahren.
Und dann bist du rüber?
Na, erst wollte ich im Osten ganz von unten wieder anfangen. Ich wollte mir eine Bluesband suchen. Ich wollte das nicht mehr mitmachen. Auch bei Fischer wollte ich aufhören. Da sollte ich um Manfred Krug herumtanzen mit einem Regenschirm und mir eine Perücke aufsetzen, weil ich so kurze Haare hatte. Englisch durfte ich auch nicht singen. Da hab ich gesagt: "Nein, das mach ich nicht." Da hat dann Fischer zu mir noch gesagt: "Mach doch einfach mit. Du kriegst doch dafür das Geld." Und ich hab dann gesagt: "Mir geht's doch gar nicht ums Geld." Da wurde ich dann da als "exotisch" geführt und hab nur noch einen eigenen Titel gesungen und mit Krug zusammen ein paar Sachen.
Wie war Dein Verhältnis zu Manfred Krug?
Mit dem konnte ich gut. Zwei Jahre haben wir miteinander gearbeitet. Wir sind viel zusammen in einem Auto gefahren und habe eine Menge geredet dabei. Er hat ja auch den Namen meines Sohnes mit gefunden. Viele schimpfen ja über ihn, aber ich kam sehr gut mit ihm klar. Ich sage immer: Wenn Sie den Begriff "ehrlicher Gauner" kennen, das ist Krug für mich. Ich hätte ja auch vor einiger Zeit wieder mit ihm singen können, aber da waren meine Lebensumstände gerade nicht so passend. Ach, da waren überhaupt viele Brüche in meinem Leben.
Wie bist du eigentlich in den Westen umgezogen?
Ich bin doch nicht umgezogen, ich bin abgehauen. Die haben an meine Tür geklopft, Heiligabend, und haben mir da gesagt: "Sie haben 24 Stunden Zeit, die DDR zu verlassen." Auf dem Visum stand trotzdem drauf, bis zum 31.12. Morbide war das, krank ... Naja, die hatten mich da auch gequält, die hatten mir verboten zu singen und bei Fischer wollten die mich aus dem Auto rausschmeißen nachts in Thüringen, weil ich gesagt habe, ich ziehe den Ausreiseantrag nicht zurück. Es ging ja alles von Biermann aus. Und Biermann sagte noch ein paar Tage davor zu mir: "Na, ob die mich wohl wieder reinlassen." Aus der heutigen Sicht sage ich mir, irgendwas stimmt da auch nicht ganz an dieser Geschichte ... Aber nichts gegen Biermann. Er hatte seine Berechtigung im Osten sehr wohl gehabt. Er war ja auch der einzige, der das Maul aufgemacht hat. Weil er es auch gekonnt hat. Weil sie ihn ja nicht wegsperren konnten.
Im Westen hast du ein paar musikalische Versuche unternommen und dann klappte erst mal nichts...
Es klappte schon was. Aber die Zeit war damals noch nicht reif.
Die Zeit war noch nicht reif?
Die Zeit war nicht reif. Es war grade der Punk modern in der Zeit. Was am Ende jeder neuen Mode doch immer wieder die Massen erreicht, sind aber Musiken, die Melodien haben. Zur gleichen Zeit wie der Punk kam dann die Discowelle. Das hat sich mehr verkauft.
Bei der Disocwelle fand ich aber auch nicht so toll, was da an Songs kam.
Da waren aber schon paar gute Sachen dabei. Donna Summer und so.
Das war aber doch stilistisch nichts Neues.
Das haben die aber dann alles etwas rhythmischer gemacht eben. Aber mich geht das Stilgezerre nichts an. Ich will, dass das gut klingt und dass alle das Richtige machen.
Für das, was du machen wolltest, war ´76 die Zeit also noch nicht reif.
Nein, die Zeit war noch nicht reif. Und dann war das sehr hoch angesetzt, eigentlich vermessen. Ich hatte noch keinen Ton Schlagzeug gespielt, da war das Konzert schon abgemacht. Also ich sollte Schlagzeug spielen. Hab ich dann auch. Ich habe wohl ein Jahr im Keller gesessen, so als Kellerassel, und hab zehn Stunden am Tag Schlagzeug geübt. Das war grauenhaft. Der Monster von Renft sollte Baß spielen. Also die Instrumente wurden einfach ausgetauscht und Olaf Wegner und der Eberhard Klunker, die im Osten bei der Hansi Biebl Band waren, waren beide ja auch dabei. Der Olaf war ja damals auch mein Lebenspartner, an die zehn Jahre. Der hat gesagt, du bist rhythmisch und wir machen hier eine Band. Ich hatte mit Renft gearbeitet und dann kam Nina Hagen. Die hatte auch eine Zeitlang bei mir gewohnt. Die hat uns dann die Musiker weggenommen. Ich habe sie dann im Cartier gehört und hab so gedacht, die verarscht die Leute. So geht's natürlich auch. Ich steh da ja nicht drauf, ich find das ja graulich. Aber das ist nicht so wichtig. Wir kannten uns gut, wir hatten ein gutes Verhältnis gehabt. Nur was sie machte, das war nicht so meine Welle. Ich sag immer, die versaut jede Musik. Also ich sage das. Das ist aber wieder alles Geschmackssache. Wir leben in einer Demokratie und ich hab im Osten schon alles so gesagt, wie ich das sehe und jetzt sage ich das auch so. Meinen Musikern sage ich das und ich sag das meinem Sohn und der sagt dann wieder zu mir: `Du machst auch Fehler. Hab mal nicht so die große Schnauze.`
Da hat er wohl recht.
Eben. Und ich weiß das auch. Und wenn ich einen Fehler bei mir bemerke, bin ich auch bereit, ihn zuzugeben. Früher war ich jung, da habe ich geträllert wie der liebe Gott es mir gegeben hat und heute ist das eben eine andere Welt. Früher haben wir nachgesungen, englisch, nur abgehört und nicht verstanden und heute muss ich schon wissen, was ich da singe. Dafür habe ich auch einiges getan. Also das Projekt Windminister ging dann in die Brüche, weil die Zeit nicht reif war. Es war schon eine wunderbare Musik. Wir sind natürlich freundschaftlich verbunden geblieben und haben auch ein paar andere Sachen zusammen gemacht. Das ging dann mit der Technik nicht. Ich musste da an irgendwelche Glocken gehen. Die wurden da extra gebaut. Das war eher so eine konzertante Beatmusik.
So etwas was Lift eigentlich auch gemacht hat?
Ja, aber ein bisschen schärfer. Als ich dabei war, hat Lift noch nicht diese schwülstige Musik gemacht. Übrigens zu Windminister habe ich erfahren ... - die im Publikum haben ja alle gebrüllt: Macht mal Musik endlich! Und ich hatte mich besoffen, hatte fünf Toms und zehn Becken und wusste gar nichts mehr und hatte gedacht, ich sterbe an diesem Abend ... - daß da lauter Stasileute da waren, die da gebrüllt haben. Die haben das torpediert. Bis ´89 haben die doch Protokoll über mich geführt: "Verhält sich unauffällig, keine besonderen Aktivitäten." Und mein Kind ist von Mann Krug ...
Das haben die so bei dir in die Akte reingeschrieben?
Ja. Und "Bei der Ufholz wurden pseudointellektuelle Gespräche geführt und es sah aus wie Sau." So ungefähr. Also ich war immer ordentlich. Auch in meiner Knallizeit. Also ... pseudointellektuelles Gequatsche, die wissen gar nicht, was ich rede.
Ich glaube, das war ein Lieblingswort von denen.
Wir haben uns über Gott und die Welt unterhalten und nicht immer hochgeistig und hochintelligent.
Aber einer muß bei dir zu Hause gewesen sein.
Das nehme ich auch an. Aber über Tote soll man nicht schlecht reden.
Wie war die Zeit nach "Windminister"?
Chaotisch. Privat und musikalisch. Nach "Windminister" habe ich mich von meinem Partner getrennt. Und musikalisch habe ich alles Mögliche gemacht. Das war eine grausliche Zeit. Sowas wünsche ich keinem. Ich konnte bei einem sehr guten Friseur arbeiten und der meinte dann, ich könnte doch einen Lehrgang machen. Den habe ich dann in Eigenregie durchgezogen und war so wieder ganz schnell drin im Friseurberuf. Eines Tages kam Zicke Schneider in den Laden im Forum Steglitz, in dem ich arbeitete. Der war mal Schlagzeuger bei Fischer und hatte dort ein Musikgeschäft und war ganz überrascht: "Was machst Du denn hier, Christiane?" Und da habe ich dann von jetzt auf gleich dort wieder aufgehört. Dann war ich wieder in diversen Projekten. Allerdings habe ich mich nirgendwo wohl gefühlt. In einer Frauenband habe ich gesungen und Punk gemacht und die Augen habe ich mir schwarz gemalt und mit einem Drumcomputer habe ich gespielt. Die Frauenband konnte gerade mal fünf Harmonien spielen und weil ich bei denen gesungen habe, hatten sie gedacht, sie könnten jetzt mal Jazz machen, aber das konnten sie nicht richtig. Dann bin ich zusammengeklappt. Die Wände sind plötzlich auf mich zugekommen und ich hab schlapp gemacht. Ich war keine richtige Alkoholikerin, ich war eine Spiegeltrinkerin. Ich brauchte immer so meinen Pegel. Ich hatte da schlimme Zeiten durch. Ich hatte ja alle unter den Tisch getrunken. Ich hab das gar nicht für voll genommen. Als Jugendliche hatte ich heftig viel Schnaps getrunken. Wein hatte ich getrunken. Dann hatte ich eine Sektzeit und immer große Feiern. Zum meinem 30., das war die Zeit, in der ich gerade in den Westen kam, zum Beispiel. Dann durch die Trennung von Olaf Wegner, das war meine große Liebe, habe ich mir alkoholisch fast das Genick gebrochen. Man hat ja wohl nur eine große Liebe im Leben, aber der Olaf ist ja sehr krank. Zwischen Wahnsinn und Genie halt ...
Das heißt, du bist wegen des Alkohols zusammengebrochen?
Da bin ich mir sicher. So richtig betrunken war ich ja nie. Aber wenn ich alleine war, kamen die Depressionen.
Und Alkohol verstärkt das ja eigentlich noch.
Nach außen hin war ja nichts zu merken, ich bin ja nicht herumgetorkelt, aber eben die Depressionen. Ja, und dann hatte ich dieses Schlüsselerlebnis. Ich hab mir morgens um acht in der Küche eine Flasche Sekt aufgemacht und wollte wissen, ob ich Entzugserscheinungen habe oder nicht. Ich habe mich ja vorher beschäftigt mit dem Thema, wie sich das äußert, wie sich das auswirkt und so weiter und hatte mich schon umgehört, wohin man dann gehen muß, was man da tun kann. Ich wusste, ich muß weg. Sofort. Und ich ging zu so einer Krisenstation. Sieben Tage im Urban-Krankenhaus. Gedacht hab ich: Sieben Tage, das schaffst du nie. Aber ich war am Ende. So richtig am Ende. Ich konnte zwar laufen und so und bin auch nüchtern da rein. Und dann haben die mich dort vier Stunden da sitzen lassen. Die wollten auf diese Weise meine Motivation testen. Dort habe ich die ganze Kaputten gesehen. Es war furchtbar und ich habe immer nur auf die Uhr geschaut. Als die sieben Tage vorbei waren, man lernt ja da vor allem "Nein" sagen, habe ich eine Therapie gemacht. Ein halbes Jahr am Wannsee. Da sollte man ja auch seine ganze Lebensgeschichte aufschreiben und dabei ist mir augefallen, dass ich beim Schreiben immer etwas trinken wollte. Und Musik war für mich gekoppelt mit Alkohol. Musik = rote Lampe an = Alkohol. Wir waren eine große Familie zu Hause, sieben Kinder, mein Vater war Musiker. Wann ich wirklich angefangen habe, weiß ich nicht. Ich hatte ja als Kind auch Gläser ausgeleckt zum Beispiel. Naja, und plötzlich hatte ich meine Grenze erreicht. Ich hatte aber während meiner Auftritte nie gesoffen. Ein einziges Mal hatte ich das gemacht. Das war noch mit Krug. Da musste ich einen Scat-Gesang machen und der ging völlig daneben. Danach habe ich nie wieder vor den Auftritten getrunken. Mit Krug hatte ich noch ein schönes Erlebnis. Ich hab ja in meiner Schwangerschaft noch bis zum achten Monat gesungen bei Fischer. --- Ich bin sprunghaft, ich weiß. --- Und da hat er immer gesagt: "Mach dir keinen Kopf, das holen wir dann schon raus, wenn es soweit ist." Und hat gefragt: "Wie soll denn das Kind heißen?" Ich hab gesagt, meine Mutter heißt Maria, aber David find ich auch schön. Sagt Krug: "Dann nenn es doch David Maria." Den Nachnamen Wunder hat er dann von mir, also nicht von dem Mann, mit dem ich verheiratet war. Das war mein Mädchenname.
Woher stammt der Name Ufholz?
Das ist der Name des Mannes, mit dem ich verheiratet war. Das war auch ein Musiker. Das ist aber nicht der Vater. Mehr habe ich zu dem Thema nicht zu sagen. Meinem Sohn habe ich das freigestellt, seinen Vater kennenzulernen und hab auch versucht, die beiden zusammenzuführen, aber das klappte nicht.
Wie lange hast du wieder gebraucht, um wieder so richtig zu "stehen"?
Da war erst mal gar nichts. Ich hab die Musik hingeworfen, habe alle Verbindungen gekappt, hab nur noch Klassik gehört und bin 10 Jahre lang regelmäßig in eine Alkoholikergruppe gegangen. In der Zeit habe ich dann wieder gearbeitet als Friseuse. Ich hatte sogar einen eigenen Laden gehabt. Aber das ging nur ungefähr ein Jahr gut. Sowas geht dann nicht mehr, wenn der Haarschnitt woanders nur noch einen Fünfer kostet. Dadurch ist der Beruf ja auch heruntergewirtschaftet bis zum Gehtnichtmehr. Ich bin gespannt darauf, wann man sich mal bei Tchibo die Schuhe besohlen lassen kann. Wie die die Menschen bescheißen, überleg doch mal: "Wir haben hier genug Arbeit und es geht voran." Das sehe ich, wenn ich ein Konzert gebe und da ist eine Frau, die mich gerne mal sehen will, die arbeitet für 3,50€ gerade, im Wachdienst. Mensch, wo leben wir denn? Wieso kann sich denn eine Familie nicht mehr ernähren von der Hände Arbeit? Eine Frechheit! Ich frage, wo fängt denn die Eigenverantwortung an? Das ist ja wie im Osten. Sonst würde so etwas ja nicht entstehen. Wehret den Anfängen, sage ich da. Mache ich das oder mache ich das nicht? Tanze ich mit dem Regenschirm oder tanze ich nicht mit dem Regenschirm um Manne Krug? Auch wenn das ein kleines Thema ist. Jeder muß seine Grenze sehen und sich sagen, mach ich da mit oder mach ich da nicht mehr mit. "Aber du kriegst doch Geld dafür." Ist mir doch egal. Es geht ja heute alles nur noch ums Geld. Ja, und irgendwann kamen die Depressionen wieder, 2003. Das war schon merkwürdig, denn ich hatte ja seit dem Tag meines ersten Zusammenbruchs 1991 nie wieder etwas getrunken. Ich glaube, jeder Mensch hat eine elementare Leidensgrenze. Deswegen fallen ja manche um, und wenn sie doch weiter machen, ist es noch nicht genug. Die müssen dann noch mal auf die Fresse fallen. Meine Leidensgrenze war aber wahrscheinlich erreicht. Also bei mir war es aus. In der Zeit war gerade die "Super Illu" bei mir und da stand so etwas wie "Sie lebt wieder" und genau als das veröffentlicht wurde, kamen die Depressionen. Und ich habe ja auch immer so ein albernes Zeug gedacht über Depressionen. Leute, die nichts zu tun haben, kriegen Depressionen. Aber endogene Depressionen kommen aus dem Körper heraus. Meine Schwestern hatten das auch. Das wusste ich gar nicht.
Was ist das, endogene Depression?
Da fehlt ein Botenstoff. Serotonin. Eine chemische Geschichte. Ich bin immer dünner geworden und bin nicht mehr aufgestanden. Ich hab dann nur noch Arbeitslosengeld gekriegt oder Rentengeld, also sehr wenig. Und da wollte ich erst nicht ins Krankenhaus. Aber ich hatte einen sehr guten Arzt. Der wusste alles von mir. Bei dem war ich 22 Jahre, der könnte ein Buch über mich schreiben. Mich haben sie am Ende doch wieder hingekriegt, aber mit Pillen, also nicht mit Gesprächen. Die gab es aber auch. Ich konnte nicht mehr laufen, ich wog nur noch 50 Kilo. Den ganzen Irak-Krieg, den "Desert Storm", habe ich quasi aus dem Bett heraus erlebt. Meinem Sohn hatte ich gesagt, ich hätte Migräne oder so etwas. Um mich hat sich dann eine sehr gute Freundin gekümmert, der ich heute noch sehr sehr dankbar bin. Irgendwann hat der Arzt zu mir gesagt: "Paß mal auf, Baby, so geht's nicht mehr Geh mal ins Krankenhaus." Also bin ich in die Schlosspark-Klinik gegangen und da haben sie mich wirklich wieder wunderbar hingekriegt. Der Juhnke war auch da gewesen ...
Aber der hat es ja leider nicht geschafft ...
Nee, der hat dann mit Laternenpfählen geredet, der arme Mensch, furchtbar, kann ich da nur sagen. Das hatte ja auch zum Glück eben mit dem Saufen nichts mehr zu tun gehabt, weswegen ich da war. Manche verspüren ja dann so ein Trinkbedürfnis, so etwas hatte ich ja nicht. Und wenn, wüsste ich auch Mittel dagegen. Auch wenn die um mich herum mal betrunken sind, das stört mich nicht mehr. So gesehen glaube ich, der liebe Gott meint es gut mit mir. Ich meine, ich habe bezahlt. Man muß im Leben alles bezahlen, denke ich mir. Das ist so meine Erfahrung.
Und du bist dort wieder weg gekommen.
Dort kamen auf einmal der Reinhard Fißler und einige andere Musiker. Dadurch habe ich dann zu mir gesagt: Wie lange willst du denn noch hier drin bleiben. Ich wollte so langsam wieder los und Musik machen. Und das hat mich erst mal seelisch motiviert, auf jeden Fall. Bei mir hatten sie ja sechs Pillen ausprobiert, was ja auch eine ganze Weile dauert und irgendwann hatte ich gesagt: "Ich weiß nicht, was ich noch hier soll." Ich konnte auch schon wieder etwas laufen, ich war wieder beieinander Es war ja auch schon ein viertel Jahr, die ich im Krankenhaus verbrachte. Der Professor sagte dann: "Wir machen jetzt etwas ganz anderes. Nehmen Sie mal diese Tabletten." Ich nehme diese Tabletten und es ist weg, als wäre es nicht da gewesen. Nach vier Wochen Test haben die das herunterdosiert auf eine davon. In derselben Zeit stand übrigens über einen ganz bekannten Fußballer in der Zeitung: "Depression, das Monster, das einen anfällt und niederreißt." So ist es. Und es ist ja eher so verbreitet, als hätte man eine Meise, wenn man Depressionen hat. Die hatte ich ja auch schon so vorher. Ich hab mich mit der Materie sehr eingehend beschäftigt, auch mit Süchten. Man muß alles in Maßen machen ... Und ich bin ja heute froh. Ich weiß alles, ich weiß, was ich gestern gesagt habe und was mir gestern erzählt wurde, ich bin immer voll da. Was natürlich auch nicht immer gut ist.
Und du hast wirklich wieder zu singen angefangen.
Mit Peter Pabst und der "Jonathan Blues Band". Das war so etwas wie Liebe auf den zweiten Blick. Monster hatte mich da mal hin geführt. Das hatte mir sehr gefallen, der Blues, den sie machten. Da waren mal wieder einige Lernprozesse angesagt, bei mir und bei der Band. Und es gab immer mal die eine oder andere Schwierigkeit miteinander. Gibt es heute noch manchmal. Aber wenn wir dann spielen, dann sind wir eins. Und ich stehe sehr auf diese Band. Das wissen die auch. Das Problem dabei ist natürlich, die arbeiten alle. Sonst würden wir mehr spielen. Schade eigentlich. Es sind ja musikalisch gesehen alle Profis. Ich selbst kann mir das ja einteilen. Ich gehe ja nicht mehr arbeiten. Was ich mache, ist natürlich auch Arbeit. Die ganzen Texte lernen und die Songs. Jetzt muß ich gerade drei neue Lieder lernen in zwei Tagen. Das bleibt dann auch nicht mehr so schnell sitzen wie früher. Die Stilistik dann üben. Man will es ja auch gut machen. Ich nehm die ganze Singerei heute auch viel ernster als früher. Wahrscheinlich weil ich auch keinen Alkohol mehr trinke seit siebzehn Jahren. Ja, und dann mache ich ja auch wieder ein neues Projekt mit Eberhard Klunker von "Windminister". Erst hatte ich gedacht, ich kann so etwas gar nicht, nur mit Gitarre und Gesang. Daraus kann sich auch mehr entwickeln, sagt mir mein Gefühl. Ich mache ja Musik hauptsächlich für die Seele und weil es der Sinn meines Lebens ist. Aber ich habe mittlerweile auch andere Interessen. Kriminalfilme zum Beispiel am Sonntagabend.
Bearbeitung: cr
Fotos: Patti Heidrich