Fritz Puppel und Toni Krahl
 
von
 
CITY
 
Interview vom 25. Juni 2007
 
CITY gehören zu den dienstältesten Bands in Deutschland, und feiern dieser Tage ihr 35-jähriges Jubliläum. Außerdem waren sie neben den PUHDYS, KARAT und SILLY die bekannteste Band der DDR und ein gefragter Export-Schlager. Die Geschichte der Band begann 1972, als Fritz Puppel (Gitarre) und Klaus Selmke (Schlagzeug) die "City Band Berlin" gründeten. Diese junge Formation spielte in den ersten Jahren ihres Bestehens bekannte Songs, u.a. von Santana, Jimmy Hendrix und Rolling Stones, nach. Personelle Änderungen und ein neuer Name ("City Rock Band") ließen die Männer nun an eigenem Material arbeiten. Mit dem Titel "Der Spatz" erschien 1975 die erste Single in der DDR bei der AMIGA. Knapp drei Jahre später wurde das erste Album veröffentlicht, auf dem ihre bisher erfolgreichste und allseits bekannte Single "Am Fenster" enthalten ist. Besagter Hit ist ein melancholischer Rocksong mit Elementen bulgarischer Folklore und einem atemberaubenden Geigenspiel von Georgi Gogow, der sich damals alleine in der Ex-DDR über 100.000 mal verkaufte. Inzwischen hat das Album Platinstatus erreicht! City zeigte sich über all die Jahre sehr vielseitig, und veröffentlichte bis zur Wende zahlreiche Alben, die teilweise von international sehr erfolgreichen Produzenten abgemischt wurden (u.a. Tom Cunningham beim Album "Casablanca"). Außergewöhnlich für eine DDR-Band war auch ihr 1980 erschienenes Album "Dreamer", auf dem die Band ihre Songs in englischer Sprache präsentierte. Nach der Wende gründeten Fritz Puppel und Toni Krahl mit "K&P Musik" ihr eigenes Plattenlabel, bei dem später auch Andre Herzberg (Pankow), Keimzeit, Karat und Inchtabokatables unter Vertrag waren. Musikalisch war die Gruppe von Anfang bis Mitte der 90er weniger aktiv, ehe 1997 wieder "Rauchzeichen" von ihnen am Rockhimmel auftauchten. Die ganze City-Story kann man inzwischen auch in zwei Büchern nachlesen. Das letzte davon ist jetzt pünktlich zum Jubiläum erschienen, und trägt genau wie das aktuelle Album den Titel "Yeah Yeah Yeah". Anläßlich dieses Jubiläums haben wir die Gruppe zu einem Interview eingeladen. Am 25. Juni 2007 sprachen wir mit Fritz Puppel und Toni Krahl über die bewegte Band-Geschichte von CITY, das aktuelle Album und viele andere Dinge...
 

 
Hallo Fritz, Hallo Toni! Zuerst möchte ich Euch und den Kollegen im Namen des Ostrockforums zum Jubiläum gratulieren!
Toni: Vielen Dank!


Wie fühlt man sich so mit 35?
Toni: Ja, das ist doch ein jugendliches Alter. Man ist damit sozusagen im besten Alter überhaupt!


Das aktuelle Album mit dem Titel „Yeah Yeah Yeah“ ist schon eine Weile erhältlich. Wie zufrieden seid Ihr mit der Resonanz bisher?
Toni: Wir sind sehr zufrieden mit der Resonanz. Einen Großteil der neuen Stücke spielen wir auch in unserem aktuellen Live-Programm. Die Leute reagieren darauf sehr euphorisch. So gut ist neues Material bei unseren Live-Konzerten in 35 Jahren noch nie angenommen worden.


Könnt Ihr uns bitte etwas darüber erzählen, wie es entstanden ist?
Toni: Wir nehmen uns bei jedem neuen Album ungefähr 1 ½ Jahre Zeit und beschäftigen uns mit dem Material. Von der ersten Ideenfindung bis hin zum Mix dauert das bei uns so lange. Zuerst arbeiten wir immer an den Songs und an den Demos, bis wir dann mit einer Auswahl ins Studio gehen. In diesem Fall waren wir wiederholt im Enterprise-Studio in Berlin, wo vorher schon zwei Alben aufgenommen wurden. Da wird dann die Feinarbeit gemacht: die ganzen Arrangements, es wird alles eingespielt, verworfen und neu erfunden, dann abgemischt, und schließlich kommt das Album raus.


Werner Karma, einer der besten Texter des Landes, hat bei zwei Songs die Lyrics gemacht. Wie kam es zur Zusammenarbeit mit ihm?
Toni: Mit Werner haben wir schon seit den 80er Jahren eine mal lockere, mal intensivere Verbindung. Ich glaube, die ersten Texte von Karma hatten wir 1983, und immer wieder steuert er etwas bei. Beim „Yeah! Yeah! Yeah!“-Album sind es glücklicherweise wieder zwei Texte. In der kommenden Woche treffen wir uns schon wieder, und reden über neue „Schweinereien“.


Ganz hinten, und gut versteckt, hört man Walter Ulbricht mit seiner legendären Rede. Im Booklet bedankt Ihr Euch bei den Beatles und auch bei Walter Ulbricht. Zwei absolute Gegensätze in einem Atemzug. Was hat es damit auf sich?
Toni: Die Beatles waren die, die nicht nur uns, sondern ganze Generationen weltweit, in den Rock `n Roll-Dschungel getrieben und gesogen, und den musikalischen Aufruhr in den 60er Jahren mehr oder weniger formuliert haben. Ulbricht hat trotteligerweise verkündet, dass dieses „Yeah! Yeah! Yeah!“ kein Mensch auf der Welt, und schon gar nicht die sozialistische DDR, braucht. Was uns nur noch schärfer gemacht hat, so dass wir bis heute noch nicht von der Bühne runter kommen.


Kommen wir nun zur Geschichte von CITY: die ganze Story kann man inzwischen auch in zwei Büchern nachlesen. Wir haben hier jetzt ein paar Fanfragen, die über das Forum und per eMail an uns herangetragen worden sind. Seid Ihr bereit?
Toni und Fritz: Ja, sind wir...


Klaus und Fritz haben City 1972 gegründet. Wie habt Ihr Euch kennen gelernt und wer hatte die Idee, gemeinsam Musik zu machen?
Fritz: Klaus und ich haben uns kennen gelernt, als wir quasi Aushilfsjobs bei verschiedenen Beat-Bands gemacht haben. Das war auf die Dauer aber unbefriedigend, so nach dem Motto: „Immer das fünfte Rad am Wagen und spontane Anrufe, ob man am Sonnabend irgendwo in Görlitz auftreten kann. Dann drei Minuten vor dem Auftritt gefragt zu werden, ob man den oder den Song kennt“. Wir hatten beide den Wunsch, eine Band zu gründen. Das war für uns die wahre Berufung.


Hattet Ihr zu DDR-Zeiten nie Probleme mit dem englischen Band-Namen? Und wie kamt Ihr überhaupt auf die Idee, Euch CITY zu nennen?
Fritz: Uns war von Anfang an klar, dass wir gleich mit dem Start unserer Band an die Spitze der Revolte wollten. Wir hießen damals „City Rock Band Berlin“. Das sollte den Veranstaltern in der Provinz zeigen: „Hier kommt der absolute Aufruhr“. City so als Stadt, mit dem englischen Namen, dazu dann „Rock Band Berlin“, das war im Grunde genommen schon provokant. Und das sollte es auch sein. Wir waren von Anfang an auf Provokation aus und wollten uns nicht so leise weinend einschmeicheln, sondern gleich auf den Putz hau’n. Das ist uns auch geglückt...


Zuerst wurde nachgespielt, dann entstanden die ersten eigenen Songs. Wie kann man sich die ersten Jahre von CITY vorstellen? Welche Erinnerungen habt Ihr noch an diese Zeit?
Fritz: Das waren die „Lehrjahre“, die man halt durchmacht. Man spielt nach, und irgendwann stellt man fest, man ist nicht so gut im „Kunstfälschen“ und es macht auch keinen Spaß immer den Applaus für Deep Purple oder Santana entgegen zu nehmen. Man sagt sich dann irgendwann: „Lass uns was Eigenes machen“. Und Eigenes heißt gleichzeitig, man macht es auf Deutsch. Das war damals für uns keine Angelegenheit, die von oben befohlen war, sondern es war die legitime Form, uns ausdrücken zu können und zu wollen.


Im Jahre 1975 gab es einen Wechsel am Mikro. Für Emil Bogdanow kam Toni Krahl. Wie kam es dazu?
Fritz: Es war so, dass Emil Bogdanow schlichtweg in den Westen abgehauen ist, und da war plötzlich ein Platz frei. Wir hatten bei unseren Sängern eine sehr sozialistische Auswahl: Zwei von drei haben wegen staatsfeindlicher Hetze im Knast gesessen, der dritte ist abgehau’n. Das zeigt schon, wie linientreu wir waren (lacht).


In dieser Besetzung wurde dann auch das erste Album veröffentlicht und die Single „Am Fenster“ wurde ein Riesen-Hit. Wie entstand „Am Fenster“ und welche Hoffnungen habt Ihr in das Lied gesteckt?
Fritz: Wir haben viele verschiedene musikalische Muster ausprobiert. Von der musikalischen Seite her waren wir eine Hardrock-Band, haben auf der anderen Seite aber auch etwas akustisches gesucht, um dem Programm und der Musik etwas Farbe zu geben. Wir fingen dann an, mit Western-Gitarren zu experimentieren, bis sich herausstellte, dass unser Bassist auch Geige spielen kann. Dann gab es verschiedene Experimentalproben, wo man dieses und jenes versuchte. Ergebnis einer dieser Proben ist „Am Fenster“. Man hört dem Lied an, dass es nicht „klassisch“ überlegt ist, nach dem Motto: „Jetzt haben wir eine Strophe, dann kommt der Refrain, und dann machen wir dieses oder jenes…“, sondern es hat im Prinzip überhaupt keine Strophe und keinen Refrain (lacht). Wir haben einfach drauf los gespielt. Das Lied hatte auch keine normale Länge. Es heißt ja: „Wenn Du was zu sagen hast, dann sag’s in 3:30 Minuten“, aber der Titel sprengte jeden Rahmen und jede Vorstellung, auch dahingehend, dass es ein Erfolg werden könnte. Das wollte am Anfang kein Mensch haben.


Weißt Du noch, wie es dazu kam, dass „Am Fenster“ bis nach Griechenland gekommen ist, und dort ebenfalls sehr erfolgreich wurde?
Fritz: Mittlerweile haben wir auch Reflektionen aus allen möglichen Teilen der Welt, wo das Album veröffentlicht wurde, z.B. aus Süd- und Nordamerika, und aus Korea… Gute Musik setzt sich überall durch. Mit Griechenland war es damals so, dass es in Deutschland viele Gastarbeiter gab. „Am Fenster“ hat eine Affinität zu südeuropäischer Folklore, und da war es nahe liegend, dass die Griechen da als erste drauf angesprungen sind. Sie haben einfach einen guten Geschmack, das muss man mal so sagen (lacht). Zu der Zeit, als der Titel in Griechenland ein Hit wurde, waren wir neben Police und Pink Floyd die einzigen, die dort eine goldene Schallplatte bekommen haben. Die Musikfans in Griechenland waren damals alle sehr lokal eingestellt. Es war so, dass sie in ihrem eigenen Kulturbewusstsein bestärkt waren und nur einheimische Bands und einheimische Musik propagiert und konsumiert wurden. Wir waren da wirklich die absolute Ausnahme.


Euer erster Auftritt im Westen fand 1978 im West-Berliner "Kant-Kino" statt. Erinnert Ihr Euch noch daran, und welche Eindrücke habt Ihr damals gesammelt?
Fritz: Die Eindrücke waren am Anfang überwältigend. Als wir in dieses Kant-Kino kamen um dort aufzubauen, sah es da aus, als ob sich die örtliche Müllabfuhr in der Hausnummer geirrt hätte. Am Tag vorher hatten irgendwelche Punk-Bands dort gespielt, und der Laden war total verwüstet. Aber alles was Rang und Namen hatte, hat in diesem Kant-Kino gespielt. Das war für uns quasi das Signal: „Jetzt sind wir angekommen! Hier ist die internationale Bühne, hier können wir uns vergleichen“.


Wie entstand die Idee, mit „Dreamer“ ein englisches Album zu machen, und wie gestalteten sich die Arbeiten daran?
Fritz: Es war eine Idee der Kulturfunktionäre, die durch unseren großen Erfolg und die positiven West-Zahlen inzwischen Dollarzeichen in den Augen hatten. Sie wollten uns damals international vermarkten. Die Band selber war nicht glücklich darüber, weil wir erklärtermaßen deutsche Musik machen wollten. Aber auf der anderen Seite gab es natürlich auch eine gewisse Spannung, so nach dem Motto: „Lass uns mal gucken, was daraus wird“. Die ganze Sache war aber ein musikalischer und finanziell noch größerer Flopp.


Weshalb hieß das Album in der DDR "Dreamer" und in der BRD "Dreamland" und welcher von beiden war der ursprüngliche Titel?
Fritz: Der ursprüngliche Titel war „Dreamland“. Das fanden die im Osten nicht so witzig, das Ding dann auch noch „Traumland“ zu nennen. Es sollte halt im Osten nicht so heißen. Dieses Album hat uns die Erfahrung gebracht: „Lass die Finger von dem Quatsch“.


Dann brauche ich gar nicht erst zu fragen, ob Ihr so etwas noch einmal machen würdet?
Fritz: Das würden wir auf keinen Fall noch einmal machen! Eine Lebensweisheit kann auch sein, dass man nicht unbedingt aus Fehlern lernen muss, man kann auch gleich das Richtige machen. Aber hier haben wir aus Fehlern gelernt (lacht).


Zu dieser Zeit war die Band auf Sextett-Größe angewachsen. Was waren die Gründe für die Hinzunahme von Gisbert Piatkowski und Rüdiger Barton?
Fritz: Das war damals so, dass die Band in einer menschlichen und künstlerischen Krise war, ich sage mal: Alle Themen betreffend. Das war die Vorstellung einer Partei, die sich dadurch Stimmen dazu kaufen wollte.


Es fällt auf, dass von dieser CITY-Besetzung außer einer Single fast kein kreatives Zeugnis existiert, woran liegt das?
Fritz: Das lag genau daran.


Und das hat wahrscheinlich auch damit zu tun, dass das Sextett bald wieder auseinander fiel, oder?
Fritz: Ja, genau! Es war absoluter Stillstand, und so sehr ich die Kollegen auch schätze, aber sie haben für unseren Teil nichts Kreatives eingebracht. Deshalb hat sich die ganze Sache auch in Wohlgefallen aufgelöst.


Pitti Piatkowski und Richie Barton stiegen kurze Zeit später auch wieder aus, und Goro Gogow ging gleich mit. Warum?
Fritz: Um das mal klar zu machen: Wir haben uns dann definitiv von den dreien getrennt. Wir haben uns gesagt: „Jetzt ist der Experimente genug. Jetzt wollen wir wieder Musik machen“.


Erst drei Jahre nach "Dreamland" habt ihr euch mit "Unter der Haut" zurückgemeldet. Dreiteilige Frage: Warum dauerte das so lange? Wie kam es zum Einstieg von Manfred Hennig? und War sein Einstieg ursächlich für den musikalischen Wandel, den ihr mit der LP vollzogen habt oder eher seine Folge?
Fritz: Es war so, dass wir uns damals überlegt haben: „Wie kann das neue City-Profil aussehen?“. Es sollte schon noch City sein, aber auf der anderen Seite nicht vergleichbar mit der alten Besetzung, sonst hätte jeder gesagt: „Der Goro war der bessere Bassist und Geiger“, usw. Daraufhin haben wir uns überlegt, den Bass und die Geige vollkommen wegzulassen, und haben den Slogan geprägt: „Ohne Bass und ohne Haare – Mit City durch die 80er Jahre“. Durch die damals aufgekommenen elektronischen Möglichkeiten war es auch leicht, diese Instrumente zu imitieren, bzw. damit auch Neuland zu betreten. Genau das ist eingetreten, denn die Besetzungen waren nicht vergleichbar. Das war von daher auch vollkommen originell, denn so was gab es vorher im Osten noch nicht. Wie es das vorher mit der Geige nicht gab, was damals schon originell und eigenständig war, so war die neue Besetzung auch wieder originell und eigenständig. Manfred Hennig hat genau diese Möglichkeiten mitgebracht. Er konnte die elektronischen Instrumente bedienen, und er hatte eine Glatze (lacht). Er hat einfach zu uns gepasst.


Weshalb habt ihr beim Remake von "Sag mir wo die Blumen sind" die dritte Strophe ausgespart?
Fritz: Da bin ich jetzt total überfragt. Wir sollten damals ein Auftragswerk für „Rock für den Frieden“ machen. Wir haben die Sache mit dem Frieden aber nicht so einseitig gesehen, und uns deshalb ein pazifistisches Lied ausgesucht. Dafür haben wir dann auch eins auf den Deckel bekommen. Es hieß, unser Lied sei ja gegen alle Waffen, und man war wohl der Meinung, dass die sozialistischen Waffen doch eigentlich gut waren. Wir haben aber gesagt: „Wenn schon Rock für den Frieden, dann für alle“.


Ist der "Glastraum" pure Erfindung oder tatsächliches Erlebnis?
Fritz: Das ist künstlerische Freiheit.


Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Henry Hübchen, der im Background von „Neongott“ zu hören ist, und der später auch am Album "Casablanca" mitgewirkt hat?
Toni: Es ist so, dass uns mit Henry eine jahrzehntelange Freundschaft verbindet. Ich war gemeinsam mit ihm in der Schule, und habe meine erste Gitarre von ihm abgekauft. Diese Freundschaft besteht bis heute, und wir besuchen uns regelmäßig. Manchmal sind die Abstände ein bisschen größer, mal sind sie kürzer. Damals war es relativ intensiv. Er war zu dem Zeitpunkt an der Volksbühne als Schauspieler beschäftigt, und kam häufig zu uns in den Proberaum, ins Studio von Klaus Selmke in den Keller, um dort ein bisschen Zeit mit uns zu verbringen und uns von der Arbeit abzuhalten. Ihm hat es einfach Spaß gemacht, bei uns und mit dabei zu sein. Da er auch im Amiga-Studio ab und an aufgekreuzt ist, hatte er bei der Entstehung des Songs „Neongott“ die Idee, den „Neongott“ selber akustisch zu performen. Offensichtlich hatte er zu Hause auch noch eine Gitarre gehabt, obwohl er mir schon eine verkauft hatte. Darauf hat er ein bisschen rumgeklimpert und stellte uns irgendwann mal ein paar Sachen vor. „Casablanca“ war schlichtweg ein schönes Stück, so dass wir ihn gefragt haben, ob - wenn er wirklich nichts in Richtung Sängerkarriere vor hat - wir diesen Song im City-Stil bearbeiten dürften. So kam es, dass er bei uns Mit-Urheber geworden ist.


Wie haben City die Wendejahre miterlebt, auch im Hinblick auf das in dieser Zeit veröffentlichte Album "Keine Angst"?
Toni: Es war so, dass die Wende das gesamte Land erschüttert hat und besonders den Osten. Alles ist aus den Fugen geraten. Wir, ganz speziell Fritz und ich, wollten die Zeit nutzen. Wir wollten auch vorher schon die Verantwortung für uns zu 100% übernehmen und in den eigenen Händen halten. Deswegen haben wir dann auch sofort unser Plattenlabel „K&P“ gegründet, mit dem Ziel, uns selber besser zu vermarkten. Parallel dazu haben wir auch angefangen, andere Künstler zu produzieren. Das ging los mit „Herbst in Peking“ über André Herzberg zu Keimzeit und Karat. Außerdem haben wir nie aufgehört, an City zu glauben, und uns auch damit beschäftigt. Am Tag der Währungsunion haben wir unsere paar Kröten zusammen gekratzt, sie umgetauscht und sind in den Westen nach Osnabrück gegangen, um das Album „Keine Angst“ aufzunehmen. Dieser Titel war sehr metaphorisch gemeint, so dass wir sagten: „Wir haben keine Angst vor dem, was da kommt“, und wollten auch dem geneigten Hörer mögliche Ängste nehmen.


Danach hat es ganze 7 Jahre gedauert, bis eine neue CD in die Läden kam. Was habt Ihr zwischen „Keine Angst“ und „Rauchzeichen“ gemacht?
Toni: Wir haben uns voll und ganz „K&P“ gewidmet. Wir hatten viel versprechende und aufstrebende Künstler unter Vertrag, z.B. Inchtabokatables, Keimzeit, Andre Herzberg und auch Karat. Das hat wirklich eine Menge Zeit in Anspruch genommen, so dass wir City in dieser Zeit etwas herunter gefahren haben.


Bei Euch gibt es einige Rituale, die bei dem einen oder anderen Fan Fragen aufwerfen. Was hat es z.B. damit auf sich, dass Klaus bei jedem Konzert Geburtstag hat?
Toni: Das ist zu DDR-Zeiten entstanden, als es bei Konzerten kein Catering-System gab. Das heißt, die Bands sind beim Veranstalter angekommen, haben in der Regel ihre Instrumente und Ausrüstung selber rein getragen und aufgebaut, Soundcheck gemacht und haben dann vier oder fünf Stunden lang gespielt. Es gab da nichts zu fressen und nichts zu saufen (lacht). Eines Tages hatte Klaus während einer Veranstaltung Geburtstag, und der Veranstalter, ein Kneipier, kam dann mit einem Tablett, einer Flasche Sekt und ein paar Bier als Geburtstagsgeschenk hinter die Bühne. Da haben wir uns gedacht: „Wenn das so einfach ist, dann hat er am nächsten Tag eben noch mal Geburtstag“. Und siehe da: Es klappte bei dem nächsten Veranstalter genauso. Und auf diese Art und Weise haben wir uns ein Catering erschlichen.
Mittlerweile gibt es zwar Catering, aber unsere Fans haben sich so sehr daran gewöhnt, mit Klaus Geburtstag zu feiern, dass wir das beibehalten haben. Wir haben eine sehr kreative erste Reihe bei den Konzerten. Die kommt tatsächlich zu jedem Konzert und beschenkt Klaus mit irgendwelchen Sachen, die er nicht braucht (lacht).


Warum spielt Klaus sein Schlagzeug meist ohne Schemel und barfuß und wie kam er auf diese Idee?
Toni: Da gibt es verschiedene Geschichten. Ich erzähl jetzt mal die wahre, Klaus erzählt nämlich sonst immer irgendeine andere, u.a. dass das so unheimlich bequem wäre, weil er so ein großer Mensch ist... Es ist aber so, dass er schlicht und einfach ein vergesslicher Mensch ist. Irgendwann hat er seinen Schlagzeughocker verbummelt, und er stand plötzlich da und hatte keinen Platz zum Sitzen. Dann nahm er sich eine Kiste, die nur 30 cm hoch war, und hat darauf gesessen. Dann kamen die Leute an und sagten: „Ey, das ist ja geil! Du sitzt ja so tief“. Und da hat er gemerkt, dass wenn das so gut ankommt, er das dementsprechend ausbauen wollte. Aber wie gesagt: Er erzählt die Geschichte anders.


Ich nenne Euch jetzt ein paar Stichworte. Bitte antwortet darauf spontan was Euch dazu einfällt:
Toni und Fritz: Wir wollen es versuchen...


Deine erste selbst gekaufte LP:
Fritz: Meine erste LP, die ich mir gekauft habe, war von den Roten Gitarren, oder so was in der Art. Irgendwas, was man im polnischen Pavillon kaufen konnte.
Toni: An meine erste LP kann ich mich gar nicht erinnern. Meine Eltern hatten aber eine von Harry Belafonte, die habe ich sehr gerne gehört. Aber an meine erste Single erinnere ich mich noch. Das war Chubby Checker mit „Let’s Twist Again“.


Lieblingsmusik:
Toni: Ich habe keine definitiven Lieblingsmusiker oder Bands. Ich höre gerne richtig gute Songs, da ist es mir dann auch fast schnurz, von wem es ist. Aber es sollte schon eine gewisse Rock-Attitüde haben. Bevorzugterweise auch deutsch.
Fritz: Ich glaube, da schwindelt Toni, denn wir hören gerade unwahrscheinlich gerne „The White Stripes“ (lacht). Die singen zwar nicht deutsch, aber auf jeden Fall fahren wir unheimlich auf White Stripes ab.


"Arthur-Becker-Klub"
Fritz: Da hatten wir unseren allerersten Auftritt. Wir konnten dort proben, und für die Proberei hatten wir dort unseren ersten Auftritt absolviert. Zum Glück existiert dieser Club noch, und wir haben nach 35 Jahren dort am gleichen Ort wie damals unser Jubiläums-Jahr mit einem Sondergastspiel eröffnet.


Hüte:
Fritz: Es gab mal die Forderung von mir, dass wer Glatze hat, sollte früher Rente bekommen. Denn wer mal auf der Bühne war und im Dunkeln irgendwo rumstolpert, stellt fest, dass wenn man keine Haare hat, man schneller irgendwo anstößt. Noch dazu ist es ja so, dass wir vor der Erderwärmung in einem Klima gelebt haben, wo es öfters mal am Kopf kalt wurde, d.h. man musste sich etwas aufsetzen. Ich habe halt einen Hut aufgesetzt, um beides zu vermeiden: a) stoße ich mir im Dunkeln nicht den Kopf an irgendwelchen Sachen, und b) friere ich dadurch weniger. (lacht)


Ostrock:
Fritz: Das ist eine Bezeichnung, bzw. Schublade wie z.B. „Britpop“. In dieser Schublade finden sich eine ganze Reihe von Bands und Künstlern. Und wie in jeder Schublade gibt es die Nr. 1 und die Nr. 999. Man muss sehr wohl trennen zwischen Qualität und Wellenreitern. Leute, die behaupten, sie machen Ostrock, oder machen überhaupt Musik, um es mal vorsichtig auszudrücken. Und da gibt es extrem schlechte Beispiele, wo wir am liebsten verbieten würden, dass die Leute weiter Musik machen, und sich dann noch mit dem Prädikat „Ostrock“ schmücken. Für mich ist wichtig, noch zu sagen, dass Ostrock keine abgeschlossene Sache ist. Wir zeigen damit, dass wir aus diesem Landstrich kommen und sehr kreativ sind. Wir sind nicht abgeschlossen wie die DDR, und auch keine Oldies, sondern eine Band, die mit diesem Hintergrund kreativ umgeht, und immer wieder an den Start geht.


Zwischen Juli und September gibt es die Ost-Rock Klassik Tour, bei der mehrere Eurer Kollegen in sechs verschiedenen Städten aufspielen? „Am Fenster“ mit Orchester-Begleitung wäre sicher ein Ohrenschmaus gewesen.
Fritz: Ja, das wäre sicher schön gewesen...
 

Warum ist City nicht dabei?
Fritz: Dazu hat der Veranstalter „multiart“ ja schon etwas in einem Interview gesagt. Dazu möchte ich eigentlich nicht mehr viel sagen.


Ich danke Euch für das Interview. Möchtet Ihr den Lesern des Ostrockforums noch etwas sagen?
Fritz: Wir freuen uns über die wachsende Zahl der City-Fans. Wir haben ja auch noch ein bescheidenes Ziel...
Toni: Jeder Mensch auf der Welt sollte zumindest eine City-CD besitzen. Das haben wir noch nicht erreicht...
Fritz: Das heißt übersetzt, wir hören nicht auf und die Leute können sich noch auf viel Neues und Gutes von uns freuen.


Interview: Christian Reder
Bearbeitung: kf, cr
Fotos: City-Internet.de

   
   
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