Es ist schon einige Zeit her, dass ich die Gelegenheit erhielt, für Deutsche Mugge ein Gespräch mit REINHARD LAKOMY zu führen. Der Anlass war der 30. Geburtstag des "Traumzauberbaums", zu dem es eine neue Show geben sollte. Seine kurz zuvor erschienene CD "Kiki Sonne - eine Sternputzergeschichte", aber auch mir unter den Nägeln brennende Fragen zu seinem Weg als Musiker und Mensch, stellten den inhaltlichen Rahmen eines gut zweistündigen Gesprächs in seinem Zuhause in Berlin dar. Ich durfte in dem Gespräch einen tollen Menschen kennenlernen. Absolut geradlinig, keiner Frage ausweichend, gelegentlich nicht unbedingt sehr diplomatisch, sondern ungeschminkt direkt antwortend ... so erlebte ich REINHARD LAKOMY. Ein gestandener Mann, der einige Stürme im Leben erlebt hatte und sich dabei einen gewissen jungenhaften Schalk und vor allem ein riesengroßes Herz bewahrt hatte, das man mühelos hinter seinen mitunter recht direkten Worten entdecken konnte. Zugleich wurde klar, dass Lacky eine perfektionistische Ader hatte. Was er machte, musste nicht nur gut, sondern in seinen Augen perfekt sein. Das galt wohl auch für die Zusammenarbeit mit Anderen. Ich führte also das nachfolgend zu lesende Interview, schrieb es nach und nach nieder, legte es Reinhard ein erstes Mal vor, bekam alles mit ein paar Anmerkungen zurück und sollte die überarbeitete Fassung bis zu einem Termin x zurück senden. Genau da begann das Problem. Mein uralter Laptop gab seinen Geist auf und nahm alles zum Thema Lakomy-Interview mit sich. Die Texte, die Sprachmitschnitte und und und. Natürlich existierten keine wirklichen Kopien, weil das Interview ja eigentlich fertig war und Kopien eh nur Zeit und Aufwand kosten ... Es war meinerseits vielleicht falsche Scham, eine Portion Dummheit oder was auch immer. Jedenfalls verstrich der Termin für die zweite Korrektur im erfolglosen Bemühen den Laptop wieder zum Leben zu erwecken und guter Rat war teuer. REINHARD LAKOMY ging mit seinem Ensemble auf die Traumzauberbaum Jubiläumstur und hatte für alles Nerven, nur nicht das Interview noch einmal zu führen. Der Termin wurde also verschoben und schlussendlich von Hähle wahrgenommen. Irgendwann später gab es dann die Möglichkeit, die alte Festplatte des Laptops doch wieder herzustellen und mit ihr das Interview. Doch da gab es ja bereits das von Hähle geführte Interview, so dass es keinen wirklichen Grund gab, REINHARD LAKOMY mit der alten Geschichte zu behelligen. Als Lacky unlängst verstarb, dachte ich an die alten Aufzeichnungen und ließ Christian bei Monika Ehrhardt anfragen, ob sie das alte Interview als Erinnerung haben möchte, oder was ansonsten damit geschehen solle. So kam es, dass wir dieses nun nach einigen Jahren im Dornröschenschlaf der modernen Medienwelt doch noch veröffentlichen dürfen ...
Wie kamen Sie zur Musik in einer Zeit, in der es wohl eher unüblich war zu musizieren?
Na ja. Mein Vater hat mir da wohl was mitgegeben. Er war musikalisch, hat Geige, Klavier und Mandoline gespielt, aber mehr so für den Hausgebrauch. Er war eigentlich Malermeister und hatte, wenn man so will, dafür nicht wirklich etwas übrig. Für ihn war Musik an sich immer brotlose Kunst. Handwerk hatte goldenen Boden. Musik war nur für den Hausgebrauch gut. Und so ist's vielleicht ganz gut, dass er irgendwann in den Westen verschwunden ist, sonst wäre ich wohl nie Musiker geworden. Er hätte das nie zugelassen. Meine Mutter war da ein bisschen anders. Sie hat mir nie Steine in den Weg gelegt. Im Gegenteil. Sie hat mich machen lassen. Ich bekam sogar Klavierunterricht und das schon sehr früh. So konnte ich auch eher Noten lesen, als Buchstaben.
Stand also für Sie die Entscheidung, Musiker werden zu wollen, schon von Kindesbeinen an fest?
Das fing zwar alles recht früh an, aber eigentlich wollte ich gar nicht Musiker werden. Denn alle Musiker die ich kannte, die waren so Caféhausmusiker und so. Und das war mir dann doch alles ein bisschen komisch.
Und wann stellten sich dann doch die Weichen in Richtung Berufsmusiker?
Das hat sich dann alles schnell eingependelt. Als ich zur Oberschule kam, also in der 9. Klasse, da gab's 'ne Mathematikarbeit und die war 'ne glatte 5. Auf die Note war ich auch abonniert. Vielleicht mal noch 'ne 4, aber Mathe ging gar nicht - damals. Jedenfalls fragte mich der Klassenlehrer nach dieser Arbeit, was ich denn mal werden möchte. Darauf hab ich geantwortet: "Musiker." Weil: Bei den Mathenoten - Architekt wollte ich da nicht mehr werden. Das zu antworten, hätte mir da wohl auch ein Riesengejohle der Meute der Mitschüler eingebracht. Und irgendwie konnte ich da auch nicht mehr zurück. Ich hatte von da ab so 'nen Jagdschein: Der Lakomy wird eh Musiker, also lasst ihn mal in Ruhe. Wer weiß? Vielleicht wird der mal so berühmt wie Fred Frohberg oder so einer. Andererseits war dieser Jagdschein doch eingeschränkt, weil mein Klassenlehrer, Georg Knoche (spätestens hier sollte man erwähnen, dass Lacky stellenweise den typischen Magdeburger Dialekt spricht. Jagdschein spricht man da als Jachtschein und Georg ist natürlich Gschorsch - Anm. d. Verf.) hat meine Zukunft ganz anders gesehen. Für den war Musik, Kunst und sowas der schlechte Rest. Wer sonst nichts konnte, der wurde Künstler. Wer keine Sinuskurven berechnen konnte, der hätte auch Beethovens Neunte komponieren können und die Fünfte Und die Siebente gleich dazu, der hätte Schuld und Sühne schreiben können, in seinen Augen wäre es nie ein richtiger Mensch gewesen. Der hat mir mal gesagt, in der 11. Klasse - und das war wirklich sehr aufbauend für einen jungen Menschen von 16 / 17, eine echte Ermutigung: "Also Lakomy, aus Dir wird höchstens mal ein Caféhausmusiker oder ein Kellner." Das ist dann doch ein bisschen anders gekommen und ich konnte irgendwann beweisen, dass ich doch ein bisschen was anderes kann als kellnern oder Caféhausmusiker. Das waren alles so Dinge - die Zeit in Magdeburg …. Ich habe sehr lange gebraucht, um mal wieder an einem Klassentreffen teilzunehmen. Diese Schule hat mich echt total angestunken (lacht - wenn Lacky lacht, blitzen seine Augen regelrecht spitzbübisch. Ein herzliches, einnehmendes lachen hat der Mann Anm. d. Verf.).
Was kam nach Magdeburg?
Da bin ich nach Dresden zum Studium an die Musikhochschule gegangen. Aber Dresden war damals so 'ne richtig muffige Provinzstadt. Sogar für einen der aus Magdeburg kam. Das war alles so ein "Weißer Hirsch"-Denken. Der Dresdener hatte damals, zu DDR Zeiten, so kam es mir vor, die Meinung: Die Kunst dreht sich ausschließlich und weltweit um Dresden, findet nirgendwo sonst statt. In der Atmosphäre habe ich es nicht lange ausgehalten und bin nach Berlin gegangen.
Konnte man einfach so wechseln?
Nee. Ich hab nicht gewechselt. Ich hab mich in Dresden exmatrikulieren lassen, weil das so gar nicht ging und ich auch keine Lust mehr hatte. In Berlin hab ich mir dann Hochschullehrer, wie Professor Heicking, gesucht, von denen ich das lernen konnte, was mich interessiert hat. So richtig studiert hab ich da nicht wieder. Ich will auch gleich mal sagen - ich hab ja auch keinen Abschluss oder so. In Berlin hab ich bei Lenz gespielt, da brauchte man keinen Abschluss mehr. Wenn du bei Lenz warst, hat dich keiner mehr was gefragt. Von Prüfungen halte ich eh nicht so viel. Für mich war Prüfung, wenn ich für Tanzorchester Günter Gollasch ein Arrangement abgegeben habe und das geklungen hat, dass die Musiker sagten: "Das ist ein geiles Arrangement." Oder wenn die Musiker und die altgedienten Jazzer sagten: "Der Lakomy mit seinen 20 Jahren spielt ein geiles Klavier." Was ich in Berlin gelernt habe, so Sachen wie komponieren, dirigieren und so, das hab ich privat studiert. Und nie mit 'nem Abschluss. Weil ich das, was ich heute mache, Musik wie sie mir gefällt, dafür brauche ich keinen Abschluss. Das musst du können und wollen, dann geht das. Können heißt: Noten perfekt lesen, vom Blatt spielen, Partituren lesen können und du solltest vom Tonsatz 'ne ganze Menge verstehen. Und genau das hab ich mir privat angeeignet. Vieles autodidaktisch. Und wie man hier und da immer wieder feststellen kann - die Autodidakten sind ja die Verrücktesten (lacht). So hab ich auch viele, die an der Hochschule studiert hatten, recht schnell in meinen musikalischen Möglichkeiten und Fähigkeiten überholt, weil ich das was ich lernte ja lernen wollte, nicht musste.
Wo haben Sie Ihre Schwerpunkte gesetzt?
Ich hab mich mit den Dingen beschäftigt, die mich interessiert haben. Die Sachen kann ich einschätzen und bewerten. Sachen, die mich kurzzeitig mal interessierten, wie zum Beispiel Zwölftonmusik, hab ich dann wieder gelassen. Ich habe festgestellt, diese mathematische Musik, die sich nach neuen, ganz engen Kompositionsregeln richtet, ist nichts für mich, klingt einfach mitunter fürchterlich. Manches klingt, als würde jemand wild auf einem Klavier rumhauen, ohne Sinn und Verstand. Das wollte ich dann doch nicht. Aber es hat mich interessiert. Die Leute, die das erfunden und angewandt haben, das waren irgendwie auch Rebellen, die waren interessant. Moderne Musik, die war interessant. Penderetzki und Ligeti zum Beispiel haben mich immer sehr interessiert. Weil beide immer parallel tonal und avantgardistisch gearbeitet haben. Krystof Penderetzki hab ich mal persönlich kennen gelernt. In der Zwölftonmusik an sich hat man sich formell über viele bestehende Regeln hinweg gesetzt, die in jahrhundertelanger Musikausübung gewachsen sind. Wie zum Beispiel, dass man Quint- und Oktavparallelen vermeiden soll. Das kann man vielleicht bei Streichern machen. Die klingen eigentlich immer. Aber bei Bläsern und beim Gesang klingt das immer flach und Scheiße. Ich konnte und wollte das nicht anwenden, weil wenn Musik anfängt, mathematisch zu werden, dann verliert sie für mich ihren Sinn. Für meine Belange ist sie völlig unwichtig und ich hab sowas nicht weiter verfolgt, weiss aber worum es dabei geht. Aber so Sachen muss man eben kennen und anwenden. Für meine Musik war wichtig zu wissen, wie dieses und jenes Instrument transponiert, wie hoch es geschrieben werden kann, wie tief sein tiefster Ton ist und so was. So praktische Dinge waren mir sehr wichtig. Dieses theoretische Wissen - das ich mir bei Lehrern wie Wolfram Heicking, bei dem ich sehr lange war, angeeignet habe, der mir auch sagte: "Pass mal auf. Das ist jetzt nicht so wichtig für dich. Mach jetzt mal besser dies oder das." - dieses Wissen hab ich dann bei Lenz umgesetzt. Für die praktischen Sachen hab ich in Klaus Lenz einen sehr guten Lehrmeister gehabt, der seinerseits von guten Leuten vieles gelernt hat und das anwendete. Bei anderen Sachen hab ich durch Zuhören, Zusehen und durch Kontakte zu interessanten Leuten viel gelernt. Dass ich mich mit sowas aber mal beschäftigt habe, das war, als ich elektronische Musik machte, schon gut. Ich kannte eben die Musik und die Techniken von Georg Katzer und anderen Leuten, die da Vorreiter waren.
Das fordert ja geradezu die Frage heraus: Kamen Sie als Jazzer schließlich sozusagen zwangsläufig zu elektronischer Musik?
Ich war nicht immer mit dem zufrieden, was man mit den vorhandenen Instrumenten mit einer Band oder einem Orchester machen konnte. Wenn man sich mit der modernen und elektronischen Musik mal befasst hat, dann gehen einem da Ideen im Kopf herum, die Klänge könnte man nicht mal mit einem Orchester erzeugen. Mir ging das jedenfalls so. Da fehlte immer noch irgendwas. Ligetis hat mit raffinierten Kompositionen versucht, solche Sounds zu erzeugen. Aber irgendwann konnte man die dann viel einfacher mit einem 16 stimmigen Synthesizer erzeugen. Zudem klingt das dann auch noch Stereo und man kann noch allerhand Effekte dazugeben und so weiter. Das war mit einem Orchester nicht so einfach zu machen. Und genau das hat mich dann wieder unheimlich gereizt. Sounds mit elektronischen Instrumenten selber bauen. Klänge geradezu suchen. Das wollte ich machen. Wobei das auch eigenwillige Nebeneffekte hatte. Wenn man auf der Suche nach einem bestimmten Klang ist, dann darf man sich nicht davon abbringen lassen, dass man gerade zufällig einen Klang hat, der toll ist, den man aber nicht gesucht hat, den man nicht braucht. Man muss weitersuchen. Als ich anfing war es ja noch nicht möglich, irgendwas abzuspeichern. Die Einstellungen an so 'nem Synthi oder an Kurvengeneratoren, die waren eben da. Entweder du hast dir das gemerkt, alles aufgeschrieben, die Reglereinstellungen fotografiert oder sonstwas, aber speichern wie heute, das ging nicht. Da ging sicher die eine oder andere Idee verloren, die vielleicht ein großer Hit hätte werden können (lacht). Ne, aber wenn ich was suchte, dann hat mich dieses eine Thema beschäftigt und das andere wurde nebensächlich. Und ich wollte meine Klänge, meinen Sound. Da war Disziplin gegen mich selbst und gegen den Mainstream gefragt, obwohl ich ja unverändert Musik machen wollte, die vielen Menschen gefällt. Und anscheinend ist mir das ja auch ein wenig gelungen.
Na ja. Mein Vater hat mir da wohl was mitgegeben. Er war musikalisch, hat Geige, Klavier und Mandoline gespielt, aber mehr so für den Hausgebrauch. Er war eigentlich Malermeister und hatte, wenn man so will, dafür nicht wirklich etwas übrig. Für ihn war Musik an sich immer brotlose Kunst. Handwerk hatte goldenen Boden. Musik war nur für den Hausgebrauch gut. Und so ist's vielleicht ganz gut, dass er irgendwann in den Westen verschwunden ist, sonst wäre ich wohl nie Musiker geworden. Er hätte das nie zugelassen. Meine Mutter war da ein bisschen anders. Sie hat mir nie Steine in den Weg gelegt. Im Gegenteil. Sie hat mich machen lassen. Ich bekam sogar Klavierunterricht und das schon sehr früh. So konnte ich auch eher Noten lesen, als Buchstaben.
Stand also für Sie die Entscheidung, Musiker werden zu wollen, schon von Kindesbeinen an fest?
Das fing zwar alles recht früh an, aber eigentlich wollte ich gar nicht Musiker werden. Denn alle Musiker die ich kannte, die waren so Caféhausmusiker und so. Und das war mir dann doch alles ein bisschen komisch.
Und wann stellten sich dann doch die Weichen in Richtung Berufsmusiker?
Das hat sich dann alles schnell eingependelt. Als ich zur Oberschule kam, also in der 9. Klasse, da gab's 'ne Mathematikarbeit und die war 'ne glatte 5. Auf die Note war ich auch abonniert. Vielleicht mal noch 'ne 4, aber Mathe ging gar nicht - damals. Jedenfalls fragte mich der Klassenlehrer nach dieser Arbeit, was ich denn mal werden möchte. Darauf hab ich geantwortet: "Musiker." Weil: Bei den Mathenoten - Architekt wollte ich da nicht mehr werden. Das zu antworten, hätte mir da wohl auch ein Riesengejohle der Meute der Mitschüler eingebracht. Und irgendwie konnte ich da auch nicht mehr zurück. Ich hatte von da ab so 'nen Jagdschein: Der Lakomy wird eh Musiker, also lasst ihn mal in Ruhe. Wer weiß? Vielleicht wird der mal so berühmt wie Fred Frohberg oder so einer. Andererseits war dieser Jagdschein doch eingeschränkt, weil mein Klassenlehrer, Georg Knoche (spätestens hier sollte man erwähnen, dass Lacky stellenweise den typischen Magdeburger Dialekt spricht. Jagdschein spricht man da als Jachtschein und Georg ist natürlich Gschorsch - Anm. d. Verf.) hat meine Zukunft ganz anders gesehen. Für den war Musik, Kunst und sowas der schlechte Rest. Wer sonst nichts konnte, der wurde Künstler. Wer keine Sinuskurven berechnen konnte, der hätte auch Beethovens Neunte komponieren können und die Fünfte Und die Siebente gleich dazu, der hätte Schuld und Sühne schreiben können, in seinen Augen wäre es nie ein richtiger Mensch gewesen. Der hat mir mal gesagt, in der 11. Klasse - und das war wirklich sehr aufbauend für einen jungen Menschen von 16 / 17, eine echte Ermutigung: "Also Lakomy, aus Dir wird höchstens mal ein Caféhausmusiker oder ein Kellner." Das ist dann doch ein bisschen anders gekommen und ich konnte irgendwann beweisen, dass ich doch ein bisschen was anderes kann als kellnern oder Caféhausmusiker. Das waren alles so Dinge - die Zeit in Magdeburg …. Ich habe sehr lange gebraucht, um mal wieder an einem Klassentreffen teilzunehmen. Diese Schule hat mich echt total angestunken (lacht - wenn Lacky lacht, blitzen seine Augen regelrecht spitzbübisch. Ein herzliches, einnehmendes lachen hat der Mann Anm. d. Verf.).
Was kam nach Magdeburg?
Da bin ich nach Dresden zum Studium an die Musikhochschule gegangen. Aber Dresden war damals so 'ne richtig muffige Provinzstadt. Sogar für einen der aus Magdeburg kam. Das war alles so ein "Weißer Hirsch"-Denken. Der Dresdener hatte damals, zu DDR Zeiten, so kam es mir vor, die Meinung: Die Kunst dreht sich ausschließlich und weltweit um Dresden, findet nirgendwo sonst statt. In der Atmosphäre habe ich es nicht lange ausgehalten und bin nach Berlin gegangen.
Konnte man einfach so wechseln?
Nee. Ich hab nicht gewechselt. Ich hab mich in Dresden exmatrikulieren lassen, weil das so gar nicht ging und ich auch keine Lust mehr hatte. In Berlin hab ich mir dann Hochschullehrer, wie Professor Heicking, gesucht, von denen ich das lernen konnte, was mich interessiert hat. So richtig studiert hab ich da nicht wieder. Ich will auch gleich mal sagen - ich hab ja auch keinen Abschluss oder so. In Berlin hab ich bei Lenz gespielt, da brauchte man keinen Abschluss mehr. Wenn du bei Lenz warst, hat dich keiner mehr was gefragt. Von Prüfungen halte ich eh nicht so viel. Für mich war Prüfung, wenn ich für Tanzorchester Günter Gollasch ein Arrangement abgegeben habe und das geklungen hat, dass die Musiker sagten: "Das ist ein geiles Arrangement." Oder wenn die Musiker und die altgedienten Jazzer sagten: "Der Lakomy mit seinen 20 Jahren spielt ein geiles Klavier." Was ich in Berlin gelernt habe, so Sachen wie komponieren, dirigieren und so, das hab ich privat studiert. Und nie mit 'nem Abschluss. Weil ich das, was ich heute mache, Musik wie sie mir gefällt, dafür brauche ich keinen Abschluss. Das musst du können und wollen, dann geht das. Können heißt: Noten perfekt lesen, vom Blatt spielen, Partituren lesen können und du solltest vom Tonsatz 'ne ganze Menge verstehen. Und genau das hab ich mir privat angeeignet. Vieles autodidaktisch. Und wie man hier und da immer wieder feststellen kann - die Autodidakten sind ja die Verrücktesten (lacht). So hab ich auch viele, die an der Hochschule studiert hatten, recht schnell in meinen musikalischen Möglichkeiten und Fähigkeiten überholt, weil ich das was ich lernte ja lernen wollte, nicht musste.
Wo haben Sie Ihre Schwerpunkte gesetzt?
Ich hab mich mit den Dingen beschäftigt, die mich interessiert haben. Die Sachen kann ich einschätzen und bewerten. Sachen, die mich kurzzeitig mal interessierten, wie zum Beispiel Zwölftonmusik, hab ich dann wieder gelassen. Ich habe festgestellt, diese mathematische Musik, die sich nach neuen, ganz engen Kompositionsregeln richtet, ist nichts für mich, klingt einfach mitunter fürchterlich. Manches klingt, als würde jemand wild auf einem Klavier rumhauen, ohne Sinn und Verstand. Das wollte ich dann doch nicht. Aber es hat mich interessiert. Die Leute, die das erfunden und angewandt haben, das waren irgendwie auch Rebellen, die waren interessant. Moderne Musik, die war interessant. Penderetzki und Ligeti zum Beispiel haben mich immer sehr interessiert. Weil beide immer parallel tonal und avantgardistisch gearbeitet haben. Krystof Penderetzki hab ich mal persönlich kennen gelernt. In der Zwölftonmusik an sich hat man sich formell über viele bestehende Regeln hinweg gesetzt, die in jahrhundertelanger Musikausübung gewachsen sind. Wie zum Beispiel, dass man Quint- und Oktavparallelen vermeiden soll. Das kann man vielleicht bei Streichern machen. Die klingen eigentlich immer. Aber bei Bläsern und beim Gesang klingt das immer flach und Scheiße. Ich konnte und wollte das nicht anwenden, weil wenn Musik anfängt, mathematisch zu werden, dann verliert sie für mich ihren Sinn. Für meine Belange ist sie völlig unwichtig und ich hab sowas nicht weiter verfolgt, weiss aber worum es dabei geht. Aber so Sachen muss man eben kennen und anwenden. Für meine Musik war wichtig zu wissen, wie dieses und jenes Instrument transponiert, wie hoch es geschrieben werden kann, wie tief sein tiefster Ton ist und so was. So praktische Dinge waren mir sehr wichtig. Dieses theoretische Wissen - das ich mir bei Lehrern wie Wolfram Heicking, bei dem ich sehr lange war, angeeignet habe, der mir auch sagte: "Pass mal auf. Das ist jetzt nicht so wichtig für dich. Mach jetzt mal besser dies oder das." - dieses Wissen hab ich dann bei Lenz umgesetzt. Für die praktischen Sachen hab ich in Klaus Lenz einen sehr guten Lehrmeister gehabt, der seinerseits von guten Leuten vieles gelernt hat und das anwendete. Bei anderen Sachen hab ich durch Zuhören, Zusehen und durch Kontakte zu interessanten Leuten viel gelernt. Dass ich mich mit sowas aber mal beschäftigt habe, das war, als ich elektronische Musik machte, schon gut. Ich kannte eben die Musik und die Techniken von Georg Katzer und anderen Leuten, die da Vorreiter waren.
Das fordert ja geradezu die Frage heraus: Kamen Sie als Jazzer schließlich sozusagen zwangsläufig zu elektronischer Musik?
Ich war nicht immer mit dem zufrieden, was man mit den vorhandenen Instrumenten mit einer Band oder einem Orchester machen konnte. Wenn man sich mit der modernen und elektronischen Musik mal befasst hat, dann gehen einem da Ideen im Kopf herum, die Klänge könnte man nicht mal mit einem Orchester erzeugen. Mir ging das jedenfalls so. Da fehlte immer noch irgendwas. Ligetis hat mit raffinierten Kompositionen versucht, solche Sounds zu erzeugen. Aber irgendwann konnte man die dann viel einfacher mit einem 16 stimmigen Synthesizer erzeugen. Zudem klingt das dann auch noch Stereo und man kann noch allerhand Effekte dazugeben und so weiter. Das war mit einem Orchester nicht so einfach zu machen. Und genau das hat mich dann wieder unheimlich gereizt. Sounds mit elektronischen Instrumenten selber bauen. Klänge geradezu suchen. Das wollte ich machen. Wobei das auch eigenwillige Nebeneffekte hatte. Wenn man auf der Suche nach einem bestimmten Klang ist, dann darf man sich nicht davon abbringen lassen, dass man gerade zufällig einen Klang hat, der toll ist, den man aber nicht gesucht hat, den man nicht braucht. Man muss weitersuchen. Als ich anfing war es ja noch nicht möglich, irgendwas abzuspeichern. Die Einstellungen an so 'nem Synthi oder an Kurvengeneratoren, die waren eben da. Entweder du hast dir das gemerkt, alles aufgeschrieben, die Reglereinstellungen fotografiert oder sonstwas, aber speichern wie heute, das ging nicht. Da ging sicher die eine oder andere Idee verloren, die vielleicht ein großer Hit hätte werden können (lacht). Ne, aber wenn ich was suchte, dann hat mich dieses eine Thema beschäftigt und das andere wurde nebensächlich. Und ich wollte meine Klänge, meinen Sound. Da war Disziplin gegen mich selbst und gegen den Mainstream gefragt, obwohl ich ja unverändert Musik machen wollte, die vielen Menschen gefällt. Und anscheinend ist mir das ja auch ein wenig gelungen.
Die Elektronik-Alben:
Das geheime Leben (1981) |
Der Traum von Asgard (1982) |
Zeiten (1984) |
Aer (1991) |
Waren Sie da Ihrer Zeit voraus?
Einerseits war ich jemand, der elektronische Musik machte, als die meisten anderen noch was ganz anderes machten. Irgendwie hat mich immer gereizt, etwas zu machen, was andere gerade nicht machten. Was alle machten, war nicht so interessant für mich. Ich hatte auch nie Spaß daran, auch nicht im Jazz, irgendwelche Leute zu kopieren. Es hat mich nie gereizt, mir etwas solange anzuhören und zu machen, bis ich eine Phrase genauso spielen konnte wie Oskar Peterson oder Earl Garner oder der und der. Gerade im Jazz war ich immer bestrebt, ein Individuum, Reinhard Lakomy, zu sein. Aber es gab vor mir viele, die sich mit den Grundlagen der elektronischen Musik beschäftigt haben und auch einige, die vor mir mit elektronischen Mitteln Musik gemacht haben. In der DDR war ich der erste, der das so konsequent machte. Und so ganz häufig war reine elektronische Musik, so wie ich sie gemacht habe, ja nie. Da kann man nicht wirklich von voraus sprechen. Ich hab zumindest im Osten, vielleicht auch ein wenig darüber hinaus, geholfen, sie zu entwickeln. Als später elektronische Musik und elektronische Klänge Standard wurden, da war ich damit eigentlich fast schon wieder fertig, da war das nicht mehr so spannend. Aber vergessen hab ich das natürlich nie. Vielmehr finden sich natürlich Einflüsse davon in der Kindermusik wieder. Viele sogar. Im Grunde eigentlich alles, was ich mir vorher angeeignet hatte. So existieren in den Geschichtenliedern Jazznummern neben Kunstliedsachen, Rocknummern kommen genauso wie elektronische Musik vor. Und ich brauche für vieles kein Orchester mehr. Und das eigentlich schon sehr früh. Ich habe mit einem Computer Musik gemacht, als viele noch nicht wussten, wie man das Wort Computer schreibt. Ja und wenn man denn so will war ich zumindest hier einigen ein Stück voraus. Und ein bisschen vielleicht auch darüberhinaus. So ist noch heute in dem Programm "Logic Studios", dessen Anfänge ich damals bei der Hamburger Firma mit entwickelt habe, das Notenprogramm, das ich mitentwickelt habe, im Sequenzer Editor enthalten.
Stellen Sie da nicht Ihr Licht ein wenig unter den Scheffel? Sie haben ja zumindest einen Synthesizer entwickelt.
Was heißt Licht unter den Scheffel stellen? Ich bin niemand, der ständig durch die Gegend rennt und rumposaunt: "Guckt mal was für ein toller Hecht ich bin..." Das hab ich nicht nötig, denke ich. Ich weiß was ich kann und vor allem auch was ich nicht kann. Etwas, das man als Künstler sehr gut wissen sollte. Und zum anderen missfällt mir das bei anderen, also mach ich's auch nicht. Und dann war ich ja nicht allein bei all den Sachen. Ich hab dies und das gelernt. Das hab ich angewendet um das zu machen, was ich mir vorstellte. Dazu musste man dies und das neu schaffen. Ja und dazu hab ich mir die Leute gesucht, die mir dabei helfen konnten, die mich dabei weiterbrachten. Ich hab meine Vorstellungen beigesteuert und das was ich musikalisch einbringen konnte. Andere haben anderes beigetragen. Natürlich hab ich dabei viel dazu gelernt. Man musste sich ja mit den Technikern unterhalten können.
Verraten Sie mir, was Sie meinen nicht zu können, wie Sie sagen, was Sie also nicht machen würden?
Zum Beispiel könnte ich nie ein Beethovenklavierkonzert allein spielen. Ich hab dafür im Grunde einfach zu kleine Hände. Darauf hat mich mein Kompositionslehrer in Magdeburg damals noch hingewiesen. Er hat mir empfohlen, in Richtung Komposition und so zu gehen, weil ich als Konzertpianist eben einfach eine zu geringe Spannweite hätte. Und wenn ich was mache, dann muss das auch für mich richtig gut sein. Selbst wenn andere sagen, das ist doch super, kommt es vor, dass ich mich ärgere, nicht zufrieden bin. Das ist ein bisschen wie bei Glenn Gould. Der hat beim kleinsten Fehler alles noch einmal gemacht. Dabei hatte der einen irren Standard. Er konnte das, was er mit der rechten Hand spielte, genauso mit der linken spielen. Da gab's kaum einen Unterschied festzustellen. So etwas kann ich nicht. Also lasse ich solche Dinge. Vielleicht ist das auch ein Grund, warum ich noch nie einen richtigen Flop gelandet habe.
Das heißt - auch die Elektronikplatten waren erfolgreich, obwohl sie doch wirklich Neuland betraten?
Und ob. Alle drei Elektronikplatten waren sehr erfolgreich. Das heißt aber nicht, dass ich die so aus heutiger Sicht noch einmal machen würde. Allerdings - wie gesagt aus heutiger Sicht. "Das geheime Leben" und "Den Traum von Asgard" hab ich jetzt noch mal gemastert. So Surroundeffekte und einiges ein wenig soundmäßig verändert auf Basis der alten Aufnahmen. Aber da gibt es vieles, das man heute wohl anders machen könnte und würde. Da hatte vieles so seine Macken. Aber das ist alles Vergangenheit. Ich würde ja auch nicht mehr für mich allein schreiben. Solche Sachen wie "Es war doch nicht das erste Mal", nicht dass die Sachen schlecht waren, aber es war eine andere Zeit. Dabei waren gerade die Elektronik-LP's keine Flops. Die erste Platte "Das geheime Leben" ist glaub ich so 350.000 mal verkauft worden. Mit der Platte hab ich wirklich Geld verdient. Im Westen hätte ich da wohl sonstwas für kriegen müssen, Gold und Platin oder so. Sowas gab's aber im Osten ja nicht. "Der Traum von Asgard", also die zweite LP, lief auch sehr gut. Dann hab ich noch die dritte Elektronik LP "Zeiten" mit Rainer Oleak gemacht. Das bereue ich ein wenig, weil der Platte die einheitliche Handschrift fehlt, wie ich finde. Das waren zwei Ideen und außerdem waren wir auch nicht gut genug eingespielt. Das merkt man an verschiedenen Stellen. Meine Vorstellungen haben sich an sowas wie Tangerine Dream orientiert. Und das haben wir nicht erreicht. Bei Tangerine Dream war Christoph Franke für die ganze technische Seite zuständig, Edgar Froese mehr für die Gitarren und so und schließlich Johannes Schmölling, von dem ich den großen Moog hatte, den ich bis vor kurzem noch gespielt habe, den er wiederum wohl Mick Jagger abgekauft hatte, der machte die Arrangements. Da passte dann so gut wie alles, da gab es eine sinnvolle Arbeitsteilung. Bei Oleak und mir haben wir vieles jeder für sich und doppelt gemacht. Da waren dann zwei Handschriften gemischt und das ist nicht das geworden, was ich mir vorgestellt habe. Aber verkauft hat sich die Platte auch einigermaßen. Und so wie es musikalisch einiges gibt, was ich heute anders machen würde, weil man heute eben viel mehr Möglichkeiten hat, so würde ich das auch textlich machen. Einige Themen gehen eben nicht mehr. Die gehören nicht mehr zu meinem jetzigen Leben. Die Stücke an sich sehr wohl. Ich bin auch auf das meiste stolz. Aber heute könnte ich vieles nicht mehr machen, heute hab ich andere Themen und ich bin ja auch keine 20 mehr.
Wir sind jetzt von 1965 nach 1980 und später gesprungen. In der Zeit ist aber vieles passiert. Zum Beispiel spielten Sie noch davor in Halle. Wie kam der Magdeburger Reinhard Lakomy nach Halle und was haben Sie da gemacht?
Ich habe damals mit Herbert Dreilich bei den Jazz Youngsters gespielt. Herbert war der Gitarrist der Band. Ich kannte den Bassisten. Der arbeitete in Magdeburg bei Fahlberg List und spielte in dieser Hallenser Band. Irgendwann suchten die 'nen Pianisten und so kam ich da für 'ne Zeit in die Band. Wir haben so Rythm & Blues und eigentlich alles mögliche was es so gab, gespielt. Es wurde vor allem nachgespielt. Da war kaum was Eigenes dabei. Ich bin dann da weg zum Studium und dann nach Berlin. Nach Berlin hab ich dann auch Herbert geholt. Für seine allerersten Rundfunkaufnahmen als Sänger. Der erste Titel, den er im Rundfunk sang, das war einer von mir. Daran fand Luise Mirsch ein bisschen Gefallen und auch Herbert hat wohl gemerkt, dass es in Berlin ganz angenehm sein kann. Ja und dann hat Herbert irgendwann Panta Rhei gegründet. Aber das weiß ich alles gar nicht so genau, weil ich damit ja nichts zu tun hatte.
Wir haben ein Bild aus dieser Zeit, das zeigt Sie mit Saxophon. Ich dachte, Sie sind Pianist?
Aber doch nicht nur. Ich habe auf der Musikschule in Magdeburg Klarinette gelernt und dann auch Saxophon gespielt. Das war sogar gewissermaßen mein Hauptinstrument. Ich hatte aber immer schon ein Problem dabei. Wenn ich zu lange spielte, dann rissen meine Lippen auf. Es bildeten sich Aphthen, die richtig weh taten. Deshalb musste ich mit Klarinette und Saxophon aufhören. Aber ich habe zum Beispiel bei den Berolina Singers zusammen mit Saftel (Kurt Gerlach - Anm. d. Verf.) "Jumping Jack Flash" mit zwei Saxophonen gespielt. Etwas souliger als das die Stones machten, aber dennoch groovig. In Bautzen war das. Danach haben die uns doch allen Ernstes wegen dieses einen Titels verboten. Im Grunde ist das heute noch nicht zu glauben. Ne! Ich will das alles nicht wieder zurück haben. Obwohl es gerade in Sachen Musik auch Dinge gab, die nicht so schlecht waren. Zum Beispiel, dass nicht jeder Idiot der drei Griffe oder Töne konnte, Berufsmusiker wurde. Das fand ich gut und das ist bei manchen Leuten heute noch wünschenswert. Im Osten musste man schon etwas können, um die Pappe zu bekommen. Man musste vom Blatt spielen können oder zumindest eine ganz extrem hohe Musikalität nachweisen. Heute kann sich jeder Clown Musiker nennen. Zu der Gilde gehört letzten Endes aus meiner Sicht auch der Zuckowski. Der hat als Lehrer mal 'ne Gitarre geschenkt bekommen, drei Griffe gelernt und damit macht er seine 1000 Lieder. Das ist immer wieder das Gleiche. Musikalisch ist das keine Konkurrenz für mich. Weil er einfach nicht mehr kann als die drei Griffe. Er ist natürlich bekannt wie ein bunter Hund und verkauft als gebe es nichts anderes. Die kennen ja auch nichts anderes. Der Traumzauberbaum im Westen - ein einziges Trauerspiel... Dass ich mit dem Saxophon aufhören musste, war vielleicht auch ganz gut so. Ich glaube nämlich nicht, dass ich als Saxophonist wirklich gut geworden wäre. Das weiß man zwar nicht, aber ich hab's eben sein lassen müssen.
Irgendwann kamen Sie dann ja zu Lenz, wie Sie sagten die hohe Schule der Ostmusik damals. Wie wurde Lenz auf Sie aufmerksam?
Na ja. Ich war 20 und hab eben gut Klavier gespielt. Bei Lenz war Armin Baptist gerade ausgestiegen und er brauchte einen neuen Pianisten. Ich kannte Günther Sommer, mit dem ich schon gespielt hatte. Wir hatten damals in Dresden ein Trio. Auch Günther Fischer kannte mich. Und die kamen eines Abends in Berlin mit Lenz in die Bude, in der ich mit Uli Gumpert wohnte und Lenz sagte irgendwann: "Du pass ma uff Lakomy. Du bist morgen um soundso viel Uhr im Saalbau Friedrichshain. Wenn du da jut spielst, kannste einsteigen." Da gab es keine Frage oder Widerspruch. Lenz ist nicht auf die Idee gekommen, dass da jemand ablehnen könnte. Hat ja auch keiner.
Mit Günther Fischer gründeten Sie das legendäre Günther Fischer Quintett und verliessen Lenz.
Wir wollten was Eigenes machen und dabei noch stärker als bei Lenz in die Jazzrichtung gehen. Und auch in eine etwas andere Richtung, als sich das damals bei Lenz gerade abzeichnete. Lenz hat ja auch immer wieder die Band und ihren Stil umgebaut. Und so haben Günther und ich eben beschlossen, etwas Eigenes zu machen. Von Lenz bin ich wirklich im Guten gegangen. Wir sind noch heute Freunde.
Die Fischerzeit endete nach nur wenigen Jahren. Waren Ihre Soloprojekte eigentlich der Grund für Ihren Ausstieg bei Fischer?
Ja und nein. Zunächst mal habe ich ja neben den ersten Solotiteln weiter bei Günther Fischer gespielt. Die ganze erste LP des Fischerquintetts hab ich ja mit eingespielt. Also nein. Anfangs habe ich auch gar nicht so recht daran gedacht, dass das eine dauerhafte Geschichte werden könnte. Ich war ja ein Jazzer und wollte das auch weiter machen. Aber die ersten Solo-Titel waren schon richtig erfolgreich. Und ich hab dann auch versucht, Jazzelemente in meine Titel hinein zu bekommen. Dann ist daraus schnell das Lakomy Ensemble entstanden, so dass ich da gar nicht mehr richtig Solist war. Die wichtigsten Titel die ich mit dem Ensemble gemacht habe, sind wohl auf dieser CD "72-76", die ich nach der Wende nochmal zusammengestellt habe.
Sie sind in gewisser Weise Perfektionist. Wenn Sie die frühen Sachen hören, sind Sie zufrieden damit oder würden Sie das heute ganz anders machen?
Die Diskussion kann man sich schenken. Die Beatles hatten Mitte der 60er auch nichts wesentlich anderes als wir. Da kommt auch niemand auf die Idee, die Titel heute ganz anders aufzunehmen. Da will jeder die Originale haben und keine neuen aufgemotzten Varianten. Natürlich würde ich heute das eine oder andere etwas anders machen. Aber damals war das das Mögliche und der Fakt steht. Die Titel sind da und sie sind gut. Und wir haben uns ja damals mit den Vierspurgeräten echt was einfallen lassen. Vier Spuren aufnehmen, mastern und dann die nächsten zwei dazu. Und das so lange, bis alles drin war. Und mit dem Ergebnis bin ich durchaus zufrieden. Was die Best of angeht, die hab ich so gemastert, wie ich mir das vorstelle. Das hab ich ja selbst gemacht. Ich hatte die Originalbänder und hab die auch so belassen wie sie waren. Die Veränderungen waren minimal. Die neu aufgelegte CD von AMIGA ist im Wesentlichen das, was ich damals gemacht habe. Natürlich könnte man das heute richtig verändern und vielleicht sogar besser machen. Das ist doch aber immer so. Das Einzige was man wohl nicht besser machen kann, das sind die Beethovensinfonien mit dem Gewandhausorchester unter Kurt Masur von 1974. Das halte ich für noch weit besser als alles, was Karajan da jemals gemacht hat. Ich kenne auch noch den Tonmeister, der das damals aufgenommen hat. Da hab ich größte Hochachtung davor. Die würde ich nicht mehr anrühren. Da sieht man die einzelnen Instrumente förmlich beim Hören, so klar sind die einzelnen Instrumente in der Aufnahme positioniert. Fabelhaft!
Wie erklären Sie sich den enormen Erfolg ihrer ersten Titel?
Damals hab ich Themen gesucht, die mich bewegten. Und ich hab dies und das gefunden. Heute könnte ich sowas nicht mehr machen. Zum einen bin ich zu alt und einige Themen haben sich ganz erledigt. Damals war ich gewissermaßen ein ganz anderer Mensch. Jünger, unerfahrener und als Jazzman relativ wild. Das hab ich alles versucht, in meinen Liedern umzusetzen. Wobei es auch Zufall war, dass ich überhaupt "Es war doch nicht das erste Mal" selbst gesungen habe. Das hätte eigentlich jemand anders singen sollen. Aber wie er das machte hat mir nicht gefallen, so dass ich es am Ende selbst machte. Ich bin manchmal schon sehr pedantisch, wenn es um meine Musik geht (lacht).
Verraten Sie uns, wer den Titel hat singen sollen?
Nee. Das mach ich nicht. Das wissen auch nur wenige Leute und derjenige lebt auch noch. Wir sind heute auch noch gute Kumpels aus alten Zeiten. Ich verrate nur so viel, dass es kein "berühmter" Kollege war. Vielleicht hätte er damit Erfolg gehabt, aber er hat's halt nicht gesungen. Da hat er eben Pech gehabt. Und wer weiß, vielleicht wäre der mit ihm auch nicht das geworden, als was man ihn heute noch kennt. Da steckt man ja nicht drin.
Wie hat die Jazzszene den Erfolg aufgenommen?
Da war ich der Schlagersänger (lacht). Dabei waren die Titel alles andere als Schlager. Ich hätte auch nichts für die Schlagerleute geschrieben. Aber in den Jazzkreisen hieß es, da kommt der Schlagersänger. Manche "Jazzfundamentalisten" sehen mich ja heute noch so. Ich hab mich erst letztens mit Lenz darüber unterhalten. Da ist auch 'ne Menge Verbitterung und Neid mit dabei. Einige unterstellen mir grenzenlosen Reichtum, was nun wirklich nicht stimmt. Andere diskreditieren die gesamte Musik nach Lenz, was auch Unsinn ist. Ich habe zugegeben in meinem Leben auch einiges Glück gehabt, aber das meiste habe ich mir selbst erarbeitet. Als Glück sehe ich es, dass mir meine Mutter im Grunde erlaubte, mit 16 bis spät in der Nacht in Bars zu spielen. Dabei hab ich den ganzen Unterhaltungskram gelernt. Von "Adelheid" über die "Alten Kameraden" bis zu "Tanze mit mir in den Morgen", den ganzen Kram. Das kann ich heute noch alles spielen (lacht). Oder Tango. Keine Ahnung, wie oft ich Tango spielen musste. Aber ich habe Tango später auch oft in Kinderliedern angewendet. Oder Walzer. Wo lernt man an einer Hochschule, dass man bei einem Wiener Walzer den ersten Takt immer ein wenig gesondert betont und vorgezogen spielt gegenüber dem langsamen Walzer, der ja ebenso meist einen ¾ Takt hat? Ich habe immer versucht, all mein Wissen irgendwo wieder zu benutzen, all das, was ich irgendwo mal gelernt oder gemacht habe wieder in Musik einfließen zu lassen. Und ich finde das bis heute noch unheimlich geil, dass ich das alles kann, dass mir das alles der eine oder andere irgendwann mal beigebracht hat.
Sie haben ja viel geschrieben. Nicht nur für sich selbst, sondern auch für viele namhafte Kollegen und das auch, nachdem Sie sich als Solist aus der aktiven Rockmusik und von der Bühne verabschiedet hatten. Für wen haben Sie eigentlich Musik geschrieben?
Oh, das würde eine lange Liste, die ich so ad hoc gar nicht aufstellen möchte. Bekannte Sachen waren vielleicht die für Uschi Brüning und Angelika Mann, für die ich ja auch mit ihrer Gruppe Obelisk noch geschrieben habe. Am Anfang, als ich selbst noch nicht gesungen habe, hab ich zum Beispiel für Thomas Lück geschrieben. Herbert Dreilich hab ich ja erwähnt. Für Andreas Holm hab ich mal was gemacht. Na ja, da waren noch ein paar Sachen. Und vor allem habe ich sehr viele Arrangements geschrieben. Ob Schöbel oder Hauff/Henkler - es gingen im Grunde alle bekannten Musiker bei mir ein und aus. Das wurde deutlich weniger, als Lakomy plötzlich selbst der Sänger war. Da waren es vor allem noch Titel für Lütte. Für Brigitte Brabant hab ich zu der Zeit noch was geschrieben. Dass ich am Anfang überhaupt so viel für andere gemacht habe liegt daran, dass meine große Leidenschaft der Jazz war. Und davon allein konnte man im Osten nicht leben. Kann man auch heute nicht, behaupte ich mal. Also musste ich ja was anderes dazu machen. Was ich konnte war halt arrangieren und komponieren. Und da ich das nicht im klassischen Schlagerstil machte, war ich eben gefragt. Reich geworden bin ich nicht dabei, aber ein paar Mark brachten sie schon und vor allem die Freiheit, mich ansonsten ausschließlich mit Jazz zu befassen.
Hatten oder haben Sie ein musikalisches Ziel?
Na - ich wollte der beste Jazzer der Welt werden! (lacht) Und (das ruft er fast) ich habe mit Uli Gumpert zusammen in der Schönholzer Straße 7 gewohnt. Das war die Hausnummer, von der aus damals dieser Tunnel gegraben wurde. Wir haben davon allerdings nichts richtig mitbekommen. Aber ich stand so manchen Abend, da war die Mauer noch gar nicht so richtig befestigt, vor dem Haus und hab auf Uli gewartet. Weil wir, wenn einer mal 'ne Mugge gehabt hat, mal wieder was ordentliches essen wollten. Wir haben dann alle paar Tage die paar Mäuse, die wir so bekamen, an so einem Abend zusammen verfressen. Und wenn man da so stand, hab ich mir oft überlegt - läufst du jetzt los und versuchst das ...? War ja nicht weit, sah so einfach aus ... Aber ich war einfach zu feige. Ich hatte zu viel Angst, totgeschossen oder schwer verletzt zu werden. Wer weiss, sonst würde ich jetzt vielleicht irgendwo in Amerika als Jazzman rumhängen oder wäre schon längst wieder zurück und so 'n Muggenkönig, der mit albernem Anzug und blitzenden Lackschuhen komische Schlager in Einkaufszentren singt. Aber ich bin nicht gelaufen. Ich bin hier geblieben und so bin ich wohl nicht der weltbeste Jazzer geworden, aber ich hab den Traumzauberbaum geschrieben, der in diesem Jahr im Herbst 30 Jahre alt wird. Und auch wenn ich das damals nicht für möglich hielt, mittlerweile sind wir ja alle irgendwie im Westen angekommen.
Wie ist das Verhältnis zu Kollegen heute?
Zwiespältig. Dass ich durch die Singerei, die so rein zufällig über mich gekommen ist, dass ich mir damit so nach und nach eine Unabhängigkeit erarbeiten konnte, was bis heute so geblieben ist, das erweckt, so hab ich es gerade in der letzten Zeit wieder festgestellt, auch Neid. Viel mehr als wenn man nur kurzfristig riesigen Erfolg mit einem Titel oder einer ganzen Platte hat und damit mal richtig Kohle verdient. Gerade auch bei alten Kollegen ist meine Unabhängigkeit, machen zu können was ich will, ein richtiger Grund, unglaublich neidisch zu sein. Weil sie oft nur Sänger gewesen sind und mittlerweile auch nicht mehr so toll aussehen. Geht mir ja selbst nicht besser. Aber wenn die Leute nie was anderes konnten als singen und heute nicht mehr gefragt sind, schon weil sie bescheiden aussehen, dann weckt das Neid auf die, die eben noch im Geschäft sind. Ich hab das auf solchen größeren Sachen gemerkt, wo wir alle auf einem Haufen waren. Da herrschte plötzlich so 'n ganz komischer Unterton in den Gesprächen. Und das ist der Grund, warum ich sehr, sehr ungern zu solchen Sachen gehe. Ich selbst kenne das Gefühl Neid eigentlich überhaupt gar nicht, weil ich immer dafür gesorgt habe, dass ich das, was ich erreichen wollte, auch erreicht habe. Dazu hab ich vor allem gearbeitet. Mich aber hinzusetzen und neidisch zu schauen was andere haben, das war nie mein Ding. Genauso wenig, wie jemandem etwas nicht zu gönnen, das er hat. Wenn ich was haben wollte, hab ich mir Gedanken gemacht, wie ich das bekommen kann. Aber ein paar Freunde aus der Branche hab ich dennoch.
Wie passen die vielen verschiedenen Sachen zueinander? Sie haben mit elektronischer Musik begonnen, an den Instrumenten dazu entwickelt, die ersten Kinderlieder gemacht und Filmmusiken und Hörspiele produziert.
Das ist gar kein Problem. Im Gegenteil. Ich mag es nicht, immer das gleiche zu machen. Insofern waren die immer gleichen Programme ohnehin nicht meine Lieblingsbeschäftigung. Ich mag es, da ich auch eine gewisse Vielseitigkeit habe, mich mit immer neuen Dingen zu beschäftigen. Mit der Elektronik hab ich aufgehört, weil es zunehmend uninteressant wurde. Da kamen Instrumente wie der DX7 raus und die ganzen Werksounds. Da konnte das eigentlich jeder, ohne sich mit der Musik wirklich beschäftigt zu haben. Und damit wurde das irgendwie uninteressant. Seither und bis heute konzentriere ich diese Vielseitigkeit auf die Geschichtenlieder und auf die Auftritte mit dem Ensemble. Und ich glaube schon, dass man, wenn man gute Kindersachen machen will, möglichst vielseitig sein sollte.
Wie bezeichnet man das, was Sie mittlerweile seit 30 Jahren und aktuell hauptsächlich machen, am treffendsten?
Geschichtenlieder. Das trifft es wohl am besten. Es sind Lieder, in denen Geschichten erzählt werden.
Geschichten gab's auch früher schon in Lakomys Liedern, oder? Warum verließ einer der profiliertesten Musiker der DDR, der Sänger Lakomy, die Bühne fast schlagartig?
Stimmt schon. Wie ich sagte - ich unterscheide auch nicht, zwischen Kinder- und Erwachsenenliedern. Damit unterscheidet sich das, was ich heute mache, wenn man mal von der viel stärker auf Kinder zugeschnittenen Sprache absieht, gar nicht so sehr von dem, was ich früher mit Gertz zusammen machte. Gertz hatte allerdings zu den Geschichtenliedern keinen so richtigen Zugang. Und so bin ich dann so nach und nach aus seinem Dunstkreis entschwunden und habe auch mit den reinen Erwachsenenkonzerten aufgehört. Das wurde auch richtig anstrengend. Wir hatten ja um die 20 Konzerte im Monat und das muss man erst mal durchhalten. Damals hab ich meiner Managerin gesagt: "Wenn du weiter mehr als 15 Konzerte machst, dann kannst du die allein machen." Und auch das war ja 'ne ganze Menge. Vor allem bin ich zu nichts mehr gekommen. Das hing mir dann irgendwann alles mal richtig zum Halse raus. Der Höhepunkt war eine üble Verleumdung eines Hotels in Karl-Marx-Stadt, ich glaub das hieß Kongress oder so, gegen mich. Die führte dazu, dass ich beim Komitee für Unterhaltungskunst antreten musste, wo mir Herr Czerny, der Generaldirektor des Komitees, mitteilte: "Ja Herr Lakomy, dann werden wir den Exklusivvertrag mal ein ¾ Jahr aussetzen." Daraufhin hab ich ihm gesagt: "Passen sie mal auf Herr Czerny. Sie brauchen gar nichts aussetzen. Ich höre auf!" Der fiel aus allen Wolken. "Nein, nein Herr Lakomy. So war das doch nicht gemeint." Ich sage: "Ne, danke." Das Ding war eins zu viel - und ich habe wirklich aufgehört. Das verrückteste ganz nebenbei: Diese Geschichte in Chemnitz, die ist ein halbes Jahr später im gleichen Hotel haargenau so Walter Kubiczeck, dem Stellvertreter Czernys, passiert. Ich hab die Band aufgelöst und mich dem gewidmet, was ich eh lange vernachlässigt hatte und was ich auch lieber machen wollte, als jeden Tag auf den Bühnen rumzuturnen. Und mir hat's eben auch gereicht. Danach hatte ich dann Zeit für das Komponieren von Film- und Theatermusik und alles was mich interessierte. Jedenfalls hab ich bis auf ein paar Elektroniksachen nach der Geschichte keinen öffentlichen Auftritt mehr gemacht. Etwa 13 Jahre lang. Dafür hab ich mich mit den Kindersachen beschäftigt, mit Hörspielen, Filmmusik, Ballettmusik und einigem anderen. Das waren auch so Ausflüge in die E-Musik, also die klassische Linie.
Der Traumzauberbaum hat ja Geburtstag. Die wievielte CD ist das eigentlich? Und sind die neuen Geschichtenlieder eine direkte Fortsetzung der alten?
Angefangen hat alles mit der LP "Geschichtenlieder". Das ist die heutige CD "Geschichtenlieder mit Paule Platsch". Am Anfang hat niemand wirklich damit gerechnet, dass das immer so weiter geht und wir heute die 11. Geschichtenlieder-CD haben. Das war ja absolutes Neuland, was wir da machten und vor allem, wie wir das produzierten. Ab dem Traumzauberbaum waren das Hörspiele mit einer Geschichte und einer Dramaturgie. Einzelne Figuren entwickeln sich und tauchen dann immer mal wieder auf. So Moosmutzel und Waldwuffel oder Agga Knack und Frau Scheuche oder auch der Sternputzer Funkelfix. Im Augenblick ist Ines noch als Frau Scheuche im Programm. Aber im neuen Programm, das wir ab September 2009 spielen - das Jubiläumsprogramm "30 Jahre Traumzauberbaum" - wird es erstmals die Figur des Waldwuffel auf der Bühne geben, die Ines dann spielen wird. Und insgesamt sind es 11 Geschichten. Die letzte ist Kikisonne - eine Sternputzergeschichte. Die CD behandelt wieder einen durchgehenden Inhalt und der wird mit ganz verschiedenen Mitteln erzählt. Das geht dann wie so oft von der Anlage und vom Sound weit über die üblichen Kinderlieder hinaus. Das Argument, Kinder könnten das nicht verstehen, hab ich nie gelten lassen. Kinder verstehen alles! Nicht immer wie es die Erwachsenen meinen, dass etwas zu verstehen ist, aber sie verstehen es. Im Zweifel machen sie sich ihr eigenes Bild von etwas.
Das Team des Traumzauberbaums hat sich ein wenig verändert. Wie sieht es aktuell aus?
Ich habe eine ganz tolle Truppe. Meine drei Frauen, mit denen ich heute die Geschichtenlieder singe, die singen so geil im Satz, das ist Extraklasse. Hoch professionell! Für die Konzert-CD "30 Jahre Traumzauberbaum" fehlten noch drei Titel, die mussten die Damen noch einsingen. Das hab ich irgendwann gemerkt. Also habe ich meine Tasche, in der mein ganzes Studio untergebracht ist, geschnappt und meinen Kram in einem Hotelzimmer aufgebaut. In zwei Stunden waren die drei Titel im Kasten. So wie ich mir das vorstellte. Die können wirklich was. Alle drei. Darauf bin ich auch wieder ein bisschen stolz. Man kann sich auf meine Truppe 100%ig verlassen. Damit bin ich wieder relativ unabhängig. Und die Truppe ist sozusagen richtig schlagkräftig. Da kann man irre viel machen. Eigentlich können die fast alles singen. Mit der Kathrin (Kathrin Meiner-Schlenstedt) hab ich das Bachlied "Willst du dein Herz mir schenken" aufgenommen. Das hab ich schon mal zu meinem 50. Geburtstag mit Carola Nossek gemacht. Kathrin ist sicher nicht schlechter. Besonders wenn sie in die hohen Töne kommt. Sängerinnen bekommen gerade in der Höhe öfter etwas Schneidendes. Das war zum Beispiel bei der Kallas nicht so. Auch deshalb wurde sie so berühmt. Ihre Stimme blieb selbst in der Höhe weich. Und Kathrin hat das auch, macht jetzt aber eben nicht mehr so sehr das klassische Programm, sondern Unterhaltung. Ines ja sowieso. Sie ist ja durchaus als richtig gute Sängerin bekannt. Und Olivia Winter ist auch keine Unbekannte. Mit den drei Stimmen kann man wirklich 'ne Menge machen. Und das kommt wohl auch ganz gut an. Unsere Konzerte sind immer sehr gut besucht. Viele sind ausverkauft. Wir spielen in der Regel erst ab 300 Besuchern, weil sich das sonst nicht rechnet, da wir ja 'ne richtige Bühne brauchen, die wir anmieten mit Beleuchtung, Anlage und allem was man für ein Musiktheater braucht. Wir bringen einige Kulissen und Requisiten mit und haben zwei eigene Techniker. Und so wird jede unserer Aufführungen eine hochwertige Theateraufführung. An vielen Spielorten sind wir regelmäßig zu Gast. Und ein besonderes Highlight ist es immer, wenn wir von der Theatercrew gelobt werden. Die sind nämlich ein besonderes Völkchen, ohne die sich nichts bewegen würde und die sich nur dann richtig reinhängen, wenn es ihnen wirklich gefällt. Wenn man da ohne Grund aufdreht, dann können die einen auch mal hängen lassen.
Woher nehmen Ihre Frau und Sie eigentlich die Ideen für die Geschichtenlieder?
Das mag sich komisch anhören. Aber die Asterix Comics, die noch von den beiden Erfindern zusammen gemacht wurden, das war etwas Besonderes. Die haben mich immer begeistert. Die waren sowas wie Vorbilder. Da gab es immer zwei Ebenen. Die für Kinder und die für die Erwachsenen mit den wahnsinnigen Sprüchen. Ich hab die alten Hefte verschlungen. Viele hab ich mehrmals gelesen. Die hatten auch nichts mit den flachen Filmen zu tun die es später gab. Ich meine die Hefte, die gemacht worden sind, als Goscinny noch lebte. Die hatten Klasse. Das war richtig gut gemachte Unterhaltung. Und irgendwie habe ich diese Form auch machen wollen. Aber eben nicht kopieren oder so, sondern eigene Geschichten erzählen, die zum Denken und Schmunzeln anregen. Dazu konnte mir gar nichts Besseres passieren als meine Frau mit ihrem speziellen Sprachstil. Zudem haben wir die gleiche Denke - so: Mal, wenn's passt, 'ne Geschichte von hinten durch die kalte Küche erzählen, den Leuten was zum Nachdenken vorsetzen. Dieser Stil, dieses um die Ecke denken, etwas offen zu lassen und Frage- und Antwortmöglichkeiten zu entwickeln, ohne alles sofort fest vorzugeben, das finden Erwachsene wie Kinder gleichermaßen gut. Erwachsene sehen da wohl auch eine bestimmte Ästhetik, da muss es gar nicht die eines Volker Braun sein, der Moni - die beiden sind eng befreundet - seinerseits, wie er schon mal sagte, um diesen Sprachstil beneidet. Auch Heiner Müller hat mal zu ihr gesagt, als er ein Manuskript zu Geschichten las: "Auf solche Worte und Wortspiele würde ich gar nicht kommen, Moni." Das geht beim Traumzauberbaum los, geht über die Geschichtenlieder bis zu den Figurennamen. Man glaubt gar nicht, wie viele versucht haben, uns diesen und jenen Begriff immer wieder zu klauen. Dabei kann man auf solche, eigentlich einfachen Sachen ja auch allein kommen. Große Autoren haben das gekonnt und mit ihrer Sprache und relativ einfachen Geschichten Kinder wie Erwachsene gefesselt. Ob Astrid Lindgren oder Antoine de Saint-Exupéry oder eben die Väter von Asterix - die Geschichten sind für Erwachsene wie für Kinder gleichermaßen bezaubernd. Die Sprache und die Art zu beschreiben, ich finde das Klasse. Die Geschichten werden dadurch zeitlos. Sowas begeistert mich. Eben auch bei Moni.
Sie sprachen gerade Saint-Exupéry an. Da muss man Demmlers "Die Lieder des kleinen Prinzen" erwähnen. Hatten Sie Kontakt zu Demmler? Sehen Sie Parallelen?
Nein ... mit Demmler hatte ich musikalisch nie wirklich zu tun. Wenn ich ihn erlebte, dann hat er mich eher genervt. Seine Art und das ganze Drumherum. Als ich gesungen habe, hat er noch nicht so viel geschrieben. Als ich Elektronik machte, gab's nichts zu schreiben und bei den Geschichtenliedern brauchte ich ihn nicht. Der Traumzauberbaum ist auch was ganz anderes. Das ist eine fiktive Geschichte, die es vorher nicht gab. Der kleine Prinz hat ja eine literarische Vorlage. Ja und dann sind die Geschichtenlieder und der Traumzauberbaum vor Demmlers Liedern erschienen. Ich war unlängst etwas erstaunt darüber, als man zu Demmlers Tod schrieb, "Die Lieder des kleinen Prinzen" wären die erfolgreichste Kinderplatte der DDR. Nicht dass mir das besonders wichtig ist, aber ich halte das für unrichtig. Obwohl mir das völlig egal ist. Für mich stellt sich allerdings auch die Frage, in wie weit sind die Lieder des kleinen Prinzen eine Kinderpatte? Exupéry hat die Figur eines Kindes gewählt und es gibt ein paar kindliche Bezüge, aber ansonsten ist die Vorlage ja nicht explizit ein Kinderbuch. Schöne zum Beispiel hat noch 'ne richtige Kinderplatte gemacht. Aber die von Demmler ...?
Es gibt einige Themen und Vorlagen, bei denen würde ich gern hören, was nach einer Bearbeitung im Hause Lakomy daraus würde. Denken Sie über so etwas nach, wird es das in absehbarer Zeit geben?
Nachdenken tut man ja über sehr viel. Meine Frau würde gern mal Märchen in die Geschichten einfließen lassen oder aber ein ganzes Programm, zum Beispiel zur Schneekönigin, ihrem Lieblingsmärchen, machen. Ich bin da strikt dagegen. Weil wir uns eigentlich einig waren und sind, dass wir keine Vorlagen umarbeiten wollen oder irgendetwas Vorhandenes verwenden. Ich glaube unverändert, so etwas würde uns schaden. Nicht nur, dass sicher einige sagen würden: "Jetzt fällt ihm wohl nichts mehr ein", das ist auch nicht das was ich möchte. Bei einigen Sachen gibt es große, andere musikalische Bearbeitungen und mit denen wird man dann verglichen, obwohl es gar nichts Vergleichbares gibt außer vielleicht ein paar Namen, Begriffe und vielleicht etwas aus der Handlung. Wenn man Hänsel und Gretel macht sieht jeder Humperdinck, beim Hexenhaus jeder Hänsel und Gretel und so ist das mit vielen Vorlagen. Bei unseren Sachen, die uns selbst eingefallen sind, denkt man an Lakomy und die Leute die das gesungen haben. Und das kennen mittlerweile auch ein paar Leute. Ich sehe das wie Bartók oder Orff. Bartók hat mal gesagt: "Wenn sich die guten Komponisten nicht um die Kinder kümmern, tun es die Schlechten." In der westdeutschen Kultur war es so, dass Kindersachen sehr schlecht bezahlt wurden im Vergleich zu sonstigen Geschichten. Ganz nach dem Tenor - Kinder sind unwichtig, die können nichts kaufen. Und daher haben sich da so nach und nach alle guten, wichtigen Komponisten von dem Thema verabschiedet. Dabei sind die Kinder doch unsere Zukunft und damit das wichtigste was es gibt. Sich nicht auch künstlerisch um Kinder zu kümmern, das ist eine große Dummheit, für die wir die Quittung bekommen werden. Ich habe Angst vor dummen, tumben Menschen. Diese Menschen entwickeln auch keine Hemmschwelle, die brüllen nicht mehr nur völlig idiotische Parolen oder reden sonst was für dummes Zeug, die hauen auch zu. Das erkennen jetzt so langsam scheinbar immer mehr Menschen. Ich behaupte, wer mit dem Traumzauberbaum aufgewachsen ist oder unseren anderen Geschichtenliedern, der überlegt es sich zehnmal, ob er einem anderen in die Fresse haut, weil er 'ne andere Meinung hat oder anders aussieht.
Der Traumzauberbaum ist so oft verkauft worden, ist so bekannt und dennoch ist gerade im Osten Extremismus und Gewalt von Jugendlichen nicht wegzureden ...
Das bestreite ich auch gar nicht. Aber ich glaube, es gibt nicht viele unter den Chaoten, die sich mit dem Traumzauberbaum mal befasst haben oder von ihren Eltern damit konfrontiert wurden. Wer das gemacht hat, mit dem wurde sich zum einen beschäftigt und der hat in den Geschichten erlebt, dass Gewalt für gar nichts eine Lösung ist. Natürlich sind die Geschichtenlieder nicht der Stein der Weisen für dieses Problem. Da ist es viel wichtiger, dass die Kinder in halbwegs ordentlichen Verhältnissen aufwachsen und da klemmt es ja mehr denn je. Das fängt beim täglichen Leben an und hört bei der kulturellen Bildung auf. Und ich fürchte, das wird noch schlimmer, wenn man da nichts tut. Denn wenn die Eltern schon keine Bildung mehr mitbringen, was soll dann aus den Kindern werden? Je geringer die Bildung ist, desto komplizierter ist die Sozialisation der Kinder. Das gilt nicht nur für Migranten, ganz im Gegenteil, auch wenn es dort besonders böse Beispiele gibt.
Wie meinen Sie das? Was fehlt aus Ihrer Sicht in der heutigen Schule?
Ich bin 63 und kurz nach dem Krieg in die Schule gekommen. Da gab's zwar keinen Rohrstock mehr, aber vor dem Lehrer hatte man größten Respekt. Wenn man vor 50 Jahren in der Schule Unsinn machte oder irgendwas anstellte, dann gab's zu Hause richtig Ärger. Und heute? Dazu kommt, dass in den Schulen alles mögliche gemacht wird, aber Kulturverständnis oder ethische Werte, die bleiben oft auf der Strecke. Auch weil in den ersten Jahren zunächst vor allem Sachwissen gelehrt wird. Musik zum Beispiel ist in den Grundschulen ein einziger Graus. Obwohl es da ja schon fast zu spät ist, weil bis zu einem Alter von 6, 7 Jahren die wichtigen Entwicklungen im Gehirn abgeschlossen sind, die mit Kulturempfinden und Kulturverständnis zu tun haben. Wenn bis zu dem Alter die Grundlagen nicht gelegt sind, dann ist das fast aussichtslos hinterher. Und genau da klemmt es. Da hilft auch sowas wie die Singepaten von Professor Adamek aus Hamburg nicht wirklich. Wenn man da mit Musik und Gesang etwas bewegen will, dann braucht man das ganz früh und muss auch Pädagogen ausbilden, die Kindern in Grundschulen und davor Musik vermitteln können. Damit legt man Grundlagen, mit denen man viele Probleme verringern kann, weil den Kindern mit der Poesie der Musik eben auch ein positives Werteempfinden mitgegeben werden kann. Das hab ich auch dem Thomas Quasthoff, dem bekannten Bariton, den ich über den Professor Adamek kennen gelernt habe, weil er da mitmacht, so gesagt. Es ist eine Aufgabe des Staates, Kultur zu befördern und der hat er nachzukommen. Es reicht nicht, dass er private Initiativen und Vereine, so schön und löblich sie sind, als nützliche Idioten benutzt, um die Defizite, die es gibt, zu kaschieren. Außerdem schaffen solche privaten Sachen es nicht, alles das abzudecken, was man machen müsste. Im Gegenteil, die Initiativen schaffen zum Teil den Vorwand für den Staat, sich noch weiter zurückzuziehen. Das nette, interessierte, ältere Personen mit Kindern singen, ist einfach kein Ersatz für ordentlichen Musikunterricht im Kindesalter. Die Probleme im Bereich Kulturerziehung muss man auch klar aussprechen und nicht runter reden oder abzuschieben versuchen. Wir haben ein echtes Bildungsproblem. Nicht nur im Musikunterricht, sondern auch darüber hinaus. Dabei ist Bildung eben die beste und einfachste Investition für den Staat. Ich bin auch ein wenig entsetzt darüber, dass man den Eindruck gewinnen kann, der Staat, die Gesellschaft legt sich da zunehmend selbst Fesseln an. Es ist schon schlimm, wie hilflos in vielen Punkten die Politik ist, wie abhängig von der Wirtschaft, von der sie sich hat so lange gängeln lassen. Das Ergebnis ist auch eine ganz erstaunliche Bildungs- und Kulturpolitik, die sich zunehmend auf Sponsoren oder Eigeninitiative Betroffener verlässt. Die haben einige tolle Sachen in Gang gebracht. Wie zum Beispiel Reemtsma, der ja einen gehörigen Teil seines Vermögens für sowas einsetzt. Aber schon das ist wieder so ein Ding. Wenn es sowas nicht gäbe, sehe es wirklich ganz schlimm aus. Andererseits kann man die nicht zwingen, ihr Geld für sowas auszugeben. Und wenn die das nicht machen passiert plötzlich nichts mehr. Irgendwie fehlt mir in solcher Politik die Kontinuität.
Wir waren gerade bei Schule. Es gibt ja zwei Schulen, die Ihren Namen tragen. Wie kam es dazu? Wie fühlen Sie sich als so Geehrter?
Ja ... wie fühlt man sich da ...? Inzwischen hab ich mich daran gewöhnt (lacht). Aber ich will's mal so sagen: Damals als die Halberstädter 1997 an mich herangetreten sind, da war ich erst mal platt. Ich wusste ja nicht, dass es sowas gibt und dachte erst mal, da will mich jemand verarschen. Ich bin ja noch nicht in der Kiste (lacht). Aber dann hat mir die Schulleiterin das erklärt, wie man auf den Namen "Reinhard Lakomy Schule" gekommen ist. Da standen einige Personen zur Auswahl und man hat sich für den Namen entschieden, weil man an der Schule, es ist ja eine Schule für geistig Behinderte, mit unserer Musik so große Erfolge auf allen möglichen Ebenen hatte. Ich hab das mal selbst erlebt. Wir haben viele Jahre auf Elba Urlaub gemacht, meine Familie und ich. Und da gab es sowas wie ein Feriencamp für geistig behinderte Erwachsene, das ein Schweizer dort immer wieder macht. Da waren einmal, als wir da waren, auch zwei Autisten dabei. Die beiden hat wirklich wenig erreicht. Ich bin mit ihnen ganz gut klar gekommen. Vor allem, wenn ich ihnen Musik vorgespielt habe. Mal unsere, mal Beethoven, mal irgendwas anders Gutes. Musikhören, das war das größte für beide. Und irgendwann waren beide dann auch viel besser ansprechbar. Der eine von den beiden ist heute fast wie ein Gesunder ansprechbar. Mit dem kann man sich mittlerweile ganz normal unterhalten. Angefangen hat das mit Musik… Und so ähnlich war das auch in Halberstadt, wurde mir gesagt. Mit unseren Platten hatten die Erzieher dort so gute Ergebnisse bei den Kindern, dass die Eltern den Namen "Lakomy Schule" vorgeschlagen haben. Die hätte genauso gut "Monika Ehrhardt Schule" heißen können. Das hat nichts damit zu tun, dass ich so ein wahnsinnig gut aussehender Mensch bin (lacht), sondern nur mit unserer Arbeit. Und darauf bin ich stolz. Das sind sozusagen die Früchte der Arbeit. Aber darauf bilde ich mir nichts ein.
Gibt es etwas, worauf Sie sich "etwas einbilden", worauf Sie stolz sind?
Mehreres. Einbilden muss man da nicht wörtlich nehmen. Ich bin sehr froh darüber, dass ich es geschafft habe, über die vielen Jahre immer das gemacht zu haben, was andere gerade nicht machten. Und das in 'ner hohen Qualität. Ich bilde mir etwas darauf ein, dass ich es immer wieder geschafft habe, Kinder auch an, sagen wir mal, etwas schwerere Musik heranzuführen, die die Kinder nicht nur rezipiert, sondern verstanden und gemacht haben. Obwohl ich ihnen da immer mal recht anspruchsvolle Dinge untergeschoben habe. Da hatte ich anfangs sogar große Bedenken. Nicht nur ich. Weil ich ja eigentlich gar keine Musik für Kinder gemacht habe. Gemeinsam mit den Texten von Monika Ehrhardt wurde es Musik, die auch Kinder verstehen können. Aber ich habe mich nie hingesetzt und Musik jetzt für Kinder und dann für Erwachsene geschrieben. Ich habe immer Musik gemacht, die mir gefallen hat und zu den Texten passte. Dazu die Arrangements, die Sounds und so - ich produziere ja alles selber, das hatte die Qualität die ich mir vorstellte und die bei den Leuten ankam. Eben auch zu 100% bei den Kindern. Das sieht man auch an der zweiten Schule, der Grundschule in Groß Gaglow, mittlerweile einem Stadtteil von Cottbus, wo man sich auch ganz bewusst für den Namen "Lakomyschule" entschied, weil man dort auch die Art unserer Musik als wertvoll angesehen hat. Und ablehnen kann man so eine Ehrung ja auch nicht, wenn es ehrlich gemeint ist. Und das ist es in Halberstadt ebenso wie in Cottbus gewesen. In Halberstadt haben die Kinder zu meinem 60. Geburtstag im Januar eine Riesenfete für mich gemacht. Ich war mit unserem Moosmutzel da. Wir haben da ein bisschen was gemacht. Da gab es Situationen, da hatte ich richtig 'nen Kloß im Hals, da hätte ich fast angefangen zu heulen. So herzlich, so rührend, so umwerfend ehrlich war das alles, was die Kinder da machten. Und gerade geistig Behinderte sind ja meist völlig ohne Arg und Dünkel, haben eine ganz eigene, besondere Denke. Darauf bin ich irgendwie richtig stolz. Auch wenn man sich damit wie halb in der Kiste fühlt (lacht).
Wie haben Sie die Nachwendezeit erlebt?
Nach der Wende habe ich noch mit der "AER" ein Elektronikalbum und eine Platte für Erwachsene, "Die 6 Uhr 13 Bahn", gemacht. Gerade von der "6 Uhr 13" ist kein Ton irgendwo gespielt worden. Die war einfach ein bisschen zu links und zu kritisch fürs Radio. Ich wollte vor ein paar Jahren eigentlich auch noch eine zweite machen, hatte sogar einige Titel schon fertig. Aber dann hab ich mir gesagt, das Klinkenputzen, die Buckelei damit die irgendwo verlegt wird, das tust du dir nicht an, da entziehst du dich. Wenn ich an einige Kollegen denke, gerade auch unter denen, die Filmmusiken machen, die das müssen, dann war die Entscheidung wohl richtig. Ein Erlebnis gab den endgültigen Anstoß mich zunehmend von Filmmusik zurück zu ziehen. Ich hab ja viel mit Rolf Losansky, der viele Kinderfilme gemacht hat, gearbeitet. Und der wollte mit mir nach der Wende einen neuen Film machen, "Hans im Glück". Es war alles klar mit dem Produzenten, bis hin zu den Formaten für die Aufnahmen. Da ruft mich Losansky eines Freitagabends an, ich war gerade auf meinem Boot, hatte beste Laune, und erklärt mir: "Du Lacky, ich muss dir was erklären. Der Produzent hat festgelegt, dass die Filmmusik jetzt zwei junge Musiker aus dem Westen machen." Da hab ich ihn um die Telefonnummer des Produzenten gebeten und dort mal durch geklingelt und gefragt, was denn los sei, wir hätten doch schon viele Einzelheiten bis hin zur Produktion besprochen. Seine arrogante Antwort war: "Ich muss ihnen hier gar nichts erklären. Ich hab mich entschieden und sie machen die Musik eben nicht." Da hat's mir gereicht. Da hab ich ihn mal ein bisschen erschreckt und dann aufgelegt. 20 Minuten später hatte ich Losansky am Telefon, der mich fragte, was ich dem Produzenten erzählt hätte. Er sei völlig aufgeregt. Der Auftrag war natürlich weg. Wie konnte so'n armer Ossi irgendwas fordern? Ich habe ganz schnell begriffen, ich muss, wenn ich da mitspielen will, mich viel, viel mehr verbiegen. Viel mehr als ich es zu DDR Zeiten je tun musste, wobei das bei mir damals schon nicht so richtig klappte. Danach hab ich mir gesagt, das musst du dir nicht antun. Für mich war ganz klar - in diese Abhängigkeiten begibst du dich nicht wieder. Das hast du im Osten nicht gemacht, das machst du im Westen auch nicht. Dazu war und bin ich viel zu stolz. Irgendwem den Arsch zu lecken, das geht bei mir nicht. Nach der Geschichte hab ich auch keine Filmmusiken mehr geschrieben. Wobei… das stimmt nicht ganz. Eine für einen großen Film gab's noch und einige für Serien, wie zum Beispiel für "Die Gespenster von Flatterfels" und sowas. Na - mir war klar, du musst so schnell wie möglich völlig unabhängig werden, wenn du keinem in den Hintern kriechen willst. Und das hat auch ganz gut geklappt. Auch weil der Manager, den ich jetzt seit 12 Jahren habe, seine Arbeit sehr ordentlich macht. Wir haben so etwa 90 Konzerte im Jahr, spielen seit Jahren vor vollen Häusern und das reicht. Er verdient, wir verdienen. Dazu kamen die alten Platten, die immer mehr oder weniger gut liefen. Damit bin ich wie gesagt nicht reich geworden, aber ich bin wie ich es wollte unabhängig geblieben und ganz schlecht geht's mir auch nicht.
Sie waren ab 1990 Kulturpolitiker, hab ich gelesen - Vizepräsident des Komponistenverbandes und Verlagsleiter "Neue Musik". Wie kamen Sie dazu? Was haben Sie da gemacht?
Na dazu gekommen bin ich durch 'ne Wahl. Die Mitglieder haben mich halt gewählt. Vielleicht weil ich immer gemacht habe, was ich wollte und man dachte wohl, dass das für einen Neuanfang gut sein könnte. Na und dann bin ich nicht schnell genug weggelaufen (lacht). Ja und gemacht - zunächst mal hab ich das 1 ½ Jahre gemacht. In der Zeit hab ich keine einzige Note geschrieben und musste mich viel mehr mit den Sorgen und Nöten der Mitglieder rumschlagen. Ich war da praktisch nur für die anderen Mitglieder da und hab mich für sie krumm gemacht. Das war gar nicht so einfach, auch weil sich unser Verband so nach und nach aufzulösen begann. Daher ging es vor allem auch um die Zusammenführung mit dem westdeutschen Verband. Ich hatte nach der Zeit dann die Nase voll, wollte wieder selbst was machen, nicht verwalten und Funktionär sein. Die Zeit hat mir auch gereicht und ich hab danach sowas alles nicht mehr gemacht.
Ich möchte noch zu ein, zwei persönlichen Sachen kommen. Die eine: Die Armeezeit. Ich hab wie Sie im Panzerregiment 1 in Burg gedient. Dort hielten sich abenteuerliche Geschichten über den Gefreiten Lakomy, der gar keine Lust auf Armee hatte. Das gipfelte in der Geschichte, dass Sie im Tausch gegen den Erlass von 10 Tagen Bau ihrem Regimentskommandeur ein Lied geschrieben hätten. Was ist dran an den Geschichten?
So ein Quatsch. Das hat mir der Herr auch mal geschrieben nachdem mein Buch raus gekommen war. Aber das ist absoluter Blödsinn. Es gab 'ne Platte, die war kurz vor meiner Armeezeit mit Thomas Lück aufgenommen worden: "So bist nur Du". Die hab ich ihm mal geschenkt. Dass bezog er aber direkt auf sich. In dem Brief nach dem Buch beschwerte er sich dann, dass ich die braven und ehrlichen Offiziere so runtergemacht habe. Mit Armee und sowas hab ich noch nie was am Hut gehabt. Damals schon gar nicht. Ich kam mit 23 zur Fahne und war gerade einigermaßen gut in meine Musikerkarriere gestartet. Ich hatte mit Fischer ein Quartett gegründet und wir waren gerade ganz gut bekannt geworden. Da kam die Armee. Noch dazu die Panzer und man erzählte uns gleich am ersten Abend, welche bösen Unfälle es da immer wieder gäbe - da war die Freude noch größer. Nee - Armee passt einfach nicht zu mir. Zu mir würde auch nicht passen, als Orchestermusiker im Orchester zu sitzen und nach des Dirigenten Taktstock zu tanzen. Aber Armee, das geht ja gar nicht. Und so hab ich mich da auch bewegt. Dafür kannte ich den Regimentsarrest mit 21 Tagen Bau sehr gut und wurde auch aus dem Bau entlassen. Ich musste da später noch mal hin, weil die Angaben im Versicherungsausweis nicht stimmten. Da haben mir die Leute am KdP schon erzählt, was ich da alles angestellt haben soll. Denen hab ich gesagt: "Wenn das alles stimmen würde, säße ich heute noch in Schwedt." Mann… was da immer los war…?! (lacht) Irgendwann hat mal ein so'n Lamettaträger zu mir gesagt: "Wissen sie was Lakomy? Irgendwann machen sie 'nen Fehler und dann bring ich sie nach Schwedt." Ich habe ihm geantwortet: "Vielen Dank, dass sie das jetzt mal gesagt haben, da werd ich jetzt mal ein bisschen besser aufpassen." Nachdem ich dann in drei Kompanien gewesen bin, die ich alle ein wenig durcheinandergebracht habe, bin ich im Stab, bei Hauptmann Zacke, gelandet. ZbV. "Kulturarbeit" - Hauptsache weit weg von der Truppe. Die hätten mich auch nach Hause schicken können… Ich galt als durchgeknallter Typ, der eh nur Ärger macht, also bin ich bei Hauptmann Zacke aus dem Verkehr gezogen worden. Der mochte mich wohl ein bisschen, ich machte ein bisschen Kultur und so kamen wir halbwegs klar. Ich hab dann auch mal ein großes Kulturprogramm gemacht für das Regiment und das dann nochmal für unsere sowjetischen Waffenbrüder. Die wohnten zwischen Burg und dem Panzerregiment, auf halbem Weg so zu sagen. Damals haben wir, meine Magdeburger Freunde von Jürgen Heiders Band, also Hans Albert Möwes, Heinz Hoffmann, Hans Harre, Dieter van Daak, ich weiss aber nicht mehr ob alle dabei waren, ein richtiges Programm zusammengestellt und dann da vorgeführt. Ich konnte nach Magdeburg, also aus der Kaserne, weil ich ja alles vorbereiten musste und dafür bekam der Regimenter ein 1A-Kulturprogramm. Aber diesen Bonzen ein Lied schreiben? Nee! Warum hätte ich das machen sollen? Vielleicht weil man mir am Ende noch meine privaten Bücher geklaut hat, darunter Geschenke von Leuten wie Biermann und so.
Sie kannten Biermann persönlich?
Ja, wir waren sogar mal Freunde. Aber die ganze Geschichte lässt sich bestens in meinem Buch "Es war doch nicht das letzte Mal" nachlesen. Das möchte ich gar nicht viel weiter ausführen. Das zerbrach schon zu DDR-Zeiten und was ich von dem Mann heute halte, das schreiben wir besser nicht ins Internet.
Reinhard Lakomy gilt als ausgesprochener Familienmensch. Jemand sagte mal, Sie seien so stolz auf ihre Tochter Hanna und würden sie so behüten - er bedauere einen künftigen Schwiegersohn schon heute.
Das hat sich etwas entspannt (lacht). Erstmal ist Hanna heute 25 und welcher 25jährige Mensch lässt sich von seinem Vater da etwas erzählen? Hanna jedenfalls nicht. Na klar macht man sich als Vater so seine Gedanken über die Personen, mit denen sich die Kinder umgeben. Aber im Grunde hätte ich nur in dem Fall große Bedenken, wenn das Menschen wären, die außer ihrem Weltbild nichts kennen und akzeptieren. Menschen, die sich nicht einordnen können und irgendwie intolerant und kulturlos sind. Ich hätte wohl auch ein Problem, wenn bei mir jemand reinspaziert, der sich sofort als Hausherr statt als Gast aufführt. Aber im Gegensatz zur Gesellschaft, wo das immer häufiger und an immer mehr Stellen üblich zu werden scheint, hab ich die Hoffnung, dass das in der Familie viel besser läuft.
Hat Reinhard Lakomy heute Hobbys?
Andere haben einen Porsche oder einen Ferrari. Na und? Ich brauch sowas nicht und würde mir so eine unbequeme Kiste nicht kaufen, selbst wenn ich das Geld dafür hätte. Aber ich würde mir Gedanken machen, wie ich da schnellstens dazu käme, wenn ich einen haben wollte. Weil auf 'nen neuen Ferrari muss man ja mehr als ein paar Tage warten. Ich segele dafür. Ich hab ein Boot auf der Müritz. Kein so 'n Riesenschiff, dass ich nicht mehr allein segeln oder anlegen kann, aber eben so ein schönes kleines Segelboot. Da finde ich meinen Ausgleich. Ich genieße das. Ich denke, dass man auch leben und genießen muss, wenn man arbeitet. Und das solange man das noch kann. Weil irgendwann das Leben mal vorbei ist und dann fragt man sich - war's das jetzt? Ich bin überzeugter Atheist und für mich gibt es nur dieses Leben. Klar also, dass man es auch nutzen sollte. Ich sag das gerade auch meiner Frau, die einfach nicht nein sagen kann und in unglaublich vielen Vereinen und Gremien mitmischt. Das geht soweit, dass sie zu unseren eigenen Sachen, wie dem Spielbuch zu unserem neuen Programm, kaum noch kommt. Aber das kenn ich ja von mir selbst aus der Zeit im Komponistenverband.
Kribbelt es in den Fingern? Kommt nochmal was Neues außerhalb der Geschichtenlieder? Jazz oder der ganz alte Lacky?
Ich mache ja immer mal aus Spaß ein paar Sachen. Zwei- oder dreimal im Jahr gehe ich mit der Jonathan Blues Band auf die Bühne. Da machen wir so richtig dreckigen Blues. So richtig mit Orgel und so. Das pfeffert richtig ab und die Jungs sind schwer in Ordnung. Das macht sehr viel Spaß, aber öfter brauch ich das nicht. Jetzt macht ja Klaus Lenz 'ne neue Big Band, da werde ich vielleicht auch mal ein Gastkonzert spielen, wenn sich die Termine nicht gerade alle überschneiden. Denn das Wichtigste bleiben unsere eigenen Programme. Und das reicht mir so auch. Was ich nicht brauche, das ist 'ne richtige große Band. Deshalb hab ich auch viel mit 'ner Workstation gearbeitet und tue das heute noch. Bis das, was man mit ner Band spielt, so klingt wie man sich das vorstellt, da gehört viel dazu. Und dann musst du mit einer Band ja auch wieder mehr spielen. Zudem hat in einer Band der die Vorstellungen, der diese Macken und der jene Probleme. Da kann der mal nicht, dann wird jener krank. Nee. Ich brauche keine Musiker, die mir das Leben schwer machen. Und überdies, mein Sohn hat mir mal gesagt: "Vater, die Leute kommen zu Lakomy, nicht zu irgendeinem Schlagzeuger oder so." Natürlich ist es immer etwas besonderes mit einer guten Band. Es ist eben live und unvorhersehbar. Aber bis man das alles richtig gut drauf hat… Da ist's mit meinem Kasten viel leichter. Da kommt genau der Sound raus, den ich mir vorstelle und zwar immer, wenn ich das will. Vorher hab ich allerdings jeden Ton, jedes Instrument selbst eingespielt. Da ist nichts Vorprogrammiertes bei. Der Sequenzer gibt dann das wieder, was ich vorher da eingespielt habe. Überdies kann meine alte Workstation noch gar nicht die modernen vorprogrammierten Instrumente und Sequenzen einlesen. Die ist einfach zu alt dafür. Die versteht das nicht.
Sie haben den Traumzauberbaum und viele andere grandiose Geschichtenlieder geschrieben. In wie weit sind Sie selbst ein Träumer? Muss man das sein?
Was heißt Träumer? Träumer sind für mich Leute, die sich außerhalb der Realität bewegen, Irrealem nachjagen oder darauf warten, dass was von allein geschieht. Natürlich hat man Träume. Aber was die Geschichtenlieder angeht, da ist weniger Träumerei als eine Mischung aus Fantasie und sachliche Inhalte. Und im Leben bin ich eigentlich eher kein Träumer und auch nie einer gewesen. Ich hab viel mehr, wenn ich etwas wollte, immer versucht, das real zu erreichen. Dazu hab ich mir richtig Gedanken gemacht und bin eine Lösung angegangen. Wenn ich der beste Jazzer der Welt werden wollte, hab ich geübt wie Sau und nicht nur davon geträumt. Ich hab gehört, gelesen - ich lese überhaupt sehr viel, sowohl normale Bücher als auch Musik, ich habe jede Menge Partituren und so - wie haben die großen Alten das gemacht, und danach geübt, geübt und wieder geübt. Zu warten, dass Stevie Wonder kommt und sagt: "Komm Lacky , lass uns mal was machen und ich zeig dir mal was", oder dass Spielberg sagt: "Los Lakomy, schreib mir jetzt mal ne Filmmusik", sowas ist doch nicht realistisch. Das zu glauben ist für mich Träumerei.
Da zwingt sich geradezu die Frage auf: Gibt es jemanden, mit dem Sie mal arbeiten möchten? Einen Traumpartner sozusagen?
Zunächst hab ich schon mit ein paar der ganz großen Leute gespielt. In Buffalo mit Jonny Griffin, in Ungarn mit John Surmann, in Warschau mit Dizzy Gillespie und mit 16 hab ich mal einen Titel mit Louis Armstrong zusammen gespielt. Und dabei hab ich gemerkt, dass das, was ich kann, auch denen reicht. Insofern hab ich da gar nicht so jemanden, mit dem ich nun unbedingt spielen will. Mir reichen meine Frauen und unser Programm. Damit bin ich, gerade wenn die Vorstellungen gut gelaufen sind, schon ganz zufrieden und dann feu' ich mich auch wieder auf die nächste Aufführung. Manchmal sage ich, im Prinzip müssen wir uns ja fast schämen, dass was wir machen als Arbeit zu bezeichnen, weil das sooo einen Spaß macht... Zudem wohnen wir in schönen Hotels und auch ansonsten ist das alles Klasse. Aber schon die Fahrerei kreuz und quer durchs Land kann schon mal Stress bringen. Und ich fahr ja das meiste allein. Dann hab ich die ganzen finanziellen Dinge zu klären. Und am Ende machen wir dann ja noch Musik. Und das macht wie gesagt viel Spaß. Und wenn ich Zeit und Lust finde, dann sitze ich an neuen Ideen und probiere hier was, höre da mal rein und überleg mir da was. Weil noch lange nicht alle Geschichten erzählt sind, die man sich so vorstellen kann, die wir erzählen möchten.
Ich wünsche Ihnen und Ihrem Team viel Spaß bei Ihren Auftritten, volle Säle und viele leuchtende Kinderaugen. Ich freue mich auf weitere Geschichtenlieder, die Reinhard Lakomy und Monika Ehrhardt noch schreiben werden und die eine oder andere Überraschung, für die Lacky wohl immer gut sein wird, und bedanke mich ganz herzlich für das Gespräch.
Ich danke auch
Einerseits war ich jemand, der elektronische Musik machte, als die meisten anderen noch was ganz anderes machten. Irgendwie hat mich immer gereizt, etwas zu machen, was andere gerade nicht machten. Was alle machten, war nicht so interessant für mich. Ich hatte auch nie Spaß daran, auch nicht im Jazz, irgendwelche Leute zu kopieren. Es hat mich nie gereizt, mir etwas solange anzuhören und zu machen, bis ich eine Phrase genauso spielen konnte wie Oskar Peterson oder Earl Garner oder der und der. Gerade im Jazz war ich immer bestrebt, ein Individuum, Reinhard Lakomy, zu sein. Aber es gab vor mir viele, die sich mit den Grundlagen der elektronischen Musik beschäftigt haben und auch einige, die vor mir mit elektronischen Mitteln Musik gemacht haben. In der DDR war ich der erste, der das so konsequent machte. Und so ganz häufig war reine elektronische Musik, so wie ich sie gemacht habe, ja nie. Da kann man nicht wirklich von voraus sprechen. Ich hab zumindest im Osten, vielleicht auch ein wenig darüber hinaus, geholfen, sie zu entwickeln. Als später elektronische Musik und elektronische Klänge Standard wurden, da war ich damit eigentlich fast schon wieder fertig, da war das nicht mehr so spannend. Aber vergessen hab ich das natürlich nie. Vielmehr finden sich natürlich Einflüsse davon in der Kindermusik wieder. Viele sogar. Im Grunde eigentlich alles, was ich mir vorher angeeignet hatte. So existieren in den Geschichtenliedern Jazznummern neben Kunstliedsachen, Rocknummern kommen genauso wie elektronische Musik vor. Und ich brauche für vieles kein Orchester mehr. Und das eigentlich schon sehr früh. Ich habe mit einem Computer Musik gemacht, als viele noch nicht wussten, wie man das Wort Computer schreibt. Ja und wenn man denn so will war ich zumindest hier einigen ein Stück voraus. Und ein bisschen vielleicht auch darüberhinaus. So ist noch heute in dem Programm "Logic Studios", dessen Anfänge ich damals bei der Hamburger Firma mit entwickelt habe, das Notenprogramm, das ich mitentwickelt habe, im Sequenzer Editor enthalten.
Stellen Sie da nicht Ihr Licht ein wenig unter den Scheffel? Sie haben ja zumindest einen Synthesizer entwickelt.
Was heißt Licht unter den Scheffel stellen? Ich bin niemand, der ständig durch die Gegend rennt und rumposaunt: "Guckt mal was für ein toller Hecht ich bin..." Das hab ich nicht nötig, denke ich. Ich weiß was ich kann und vor allem auch was ich nicht kann. Etwas, das man als Künstler sehr gut wissen sollte. Und zum anderen missfällt mir das bei anderen, also mach ich's auch nicht. Und dann war ich ja nicht allein bei all den Sachen. Ich hab dies und das gelernt. Das hab ich angewendet um das zu machen, was ich mir vorstellte. Dazu musste man dies und das neu schaffen. Ja und dazu hab ich mir die Leute gesucht, die mir dabei helfen konnten, die mich dabei weiterbrachten. Ich hab meine Vorstellungen beigesteuert und das was ich musikalisch einbringen konnte. Andere haben anderes beigetragen. Natürlich hab ich dabei viel dazu gelernt. Man musste sich ja mit den Technikern unterhalten können.
Verraten Sie mir, was Sie meinen nicht zu können, wie Sie sagen, was Sie also nicht machen würden?
Zum Beispiel könnte ich nie ein Beethovenklavierkonzert allein spielen. Ich hab dafür im Grunde einfach zu kleine Hände. Darauf hat mich mein Kompositionslehrer in Magdeburg damals noch hingewiesen. Er hat mir empfohlen, in Richtung Komposition und so zu gehen, weil ich als Konzertpianist eben einfach eine zu geringe Spannweite hätte. Und wenn ich was mache, dann muss das auch für mich richtig gut sein. Selbst wenn andere sagen, das ist doch super, kommt es vor, dass ich mich ärgere, nicht zufrieden bin. Das ist ein bisschen wie bei Glenn Gould. Der hat beim kleinsten Fehler alles noch einmal gemacht. Dabei hatte der einen irren Standard. Er konnte das, was er mit der rechten Hand spielte, genauso mit der linken spielen. Da gab's kaum einen Unterschied festzustellen. So etwas kann ich nicht. Also lasse ich solche Dinge. Vielleicht ist das auch ein Grund, warum ich noch nie einen richtigen Flop gelandet habe.
Das heißt - auch die Elektronikplatten waren erfolgreich, obwohl sie doch wirklich Neuland betraten?
Und ob. Alle drei Elektronikplatten waren sehr erfolgreich. Das heißt aber nicht, dass ich die so aus heutiger Sicht noch einmal machen würde. Allerdings - wie gesagt aus heutiger Sicht. "Das geheime Leben" und "Den Traum von Asgard" hab ich jetzt noch mal gemastert. So Surroundeffekte und einiges ein wenig soundmäßig verändert auf Basis der alten Aufnahmen. Aber da gibt es vieles, das man heute wohl anders machen könnte und würde. Da hatte vieles so seine Macken. Aber das ist alles Vergangenheit. Ich würde ja auch nicht mehr für mich allein schreiben. Solche Sachen wie "Es war doch nicht das erste Mal", nicht dass die Sachen schlecht waren, aber es war eine andere Zeit. Dabei waren gerade die Elektronik-LP's keine Flops. Die erste Platte "Das geheime Leben" ist glaub ich so 350.000 mal verkauft worden. Mit der Platte hab ich wirklich Geld verdient. Im Westen hätte ich da wohl sonstwas für kriegen müssen, Gold und Platin oder so. Sowas gab's aber im Osten ja nicht. "Der Traum von Asgard", also die zweite LP, lief auch sehr gut. Dann hab ich noch die dritte Elektronik LP "Zeiten" mit Rainer Oleak gemacht. Das bereue ich ein wenig, weil der Platte die einheitliche Handschrift fehlt, wie ich finde. Das waren zwei Ideen und außerdem waren wir auch nicht gut genug eingespielt. Das merkt man an verschiedenen Stellen. Meine Vorstellungen haben sich an sowas wie Tangerine Dream orientiert. Und das haben wir nicht erreicht. Bei Tangerine Dream war Christoph Franke für die ganze technische Seite zuständig, Edgar Froese mehr für die Gitarren und so und schließlich Johannes Schmölling, von dem ich den großen Moog hatte, den ich bis vor kurzem noch gespielt habe, den er wiederum wohl Mick Jagger abgekauft hatte, der machte die Arrangements. Da passte dann so gut wie alles, da gab es eine sinnvolle Arbeitsteilung. Bei Oleak und mir haben wir vieles jeder für sich und doppelt gemacht. Da waren dann zwei Handschriften gemischt und das ist nicht das geworden, was ich mir vorgestellt habe. Aber verkauft hat sich die Platte auch einigermaßen. Und so wie es musikalisch einiges gibt, was ich heute anders machen würde, weil man heute eben viel mehr Möglichkeiten hat, so würde ich das auch textlich machen. Einige Themen gehen eben nicht mehr. Die gehören nicht mehr zu meinem jetzigen Leben. Die Stücke an sich sehr wohl. Ich bin auch auf das meiste stolz. Aber heute könnte ich vieles nicht mehr machen, heute hab ich andere Themen und ich bin ja auch keine 20 mehr.
Wir sind jetzt von 1965 nach 1980 und später gesprungen. In der Zeit ist aber vieles passiert. Zum Beispiel spielten Sie noch davor in Halle. Wie kam der Magdeburger Reinhard Lakomy nach Halle und was haben Sie da gemacht?
Ich habe damals mit Herbert Dreilich bei den Jazz Youngsters gespielt. Herbert war der Gitarrist der Band. Ich kannte den Bassisten. Der arbeitete in Magdeburg bei Fahlberg List und spielte in dieser Hallenser Band. Irgendwann suchten die 'nen Pianisten und so kam ich da für 'ne Zeit in die Band. Wir haben so Rythm & Blues und eigentlich alles mögliche was es so gab, gespielt. Es wurde vor allem nachgespielt. Da war kaum was Eigenes dabei. Ich bin dann da weg zum Studium und dann nach Berlin. Nach Berlin hab ich dann auch Herbert geholt. Für seine allerersten Rundfunkaufnahmen als Sänger. Der erste Titel, den er im Rundfunk sang, das war einer von mir. Daran fand Luise Mirsch ein bisschen Gefallen und auch Herbert hat wohl gemerkt, dass es in Berlin ganz angenehm sein kann. Ja und dann hat Herbert irgendwann Panta Rhei gegründet. Aber das weiß ich alles gar nicht so genau, weil ich damit ja nichts zu tun hatte.
Wir haben ein Bild aus dieser Zeit, das zeigt Sie mit Saxophon. Ich dachte, Sie sind Pianist?
Aber doch nicht nur. Ich habe auf der Musikschule in Magdeburg Klarinette gelernt und dann auch Saxophon gespielt. Das war sogar gewissermaßen mein Hauptinstrument. Ich hatte aber immer schon ein Problem dabei. Wenn ich zu lange spielte, dann rissen meine Lippen auf. Es bildeten sich Aphthen, die richtig weh taten. Deshalb musste ich mit Klarinette und Saxophon aufhören. Aber ich habe zum Beispiel bei den Berolina Singers zusammen mit Saftel (Kurt Gerlach - Anm. d. Verf.) "Jumping Jack Flash" mit zwei Saxophonen gespielt. Etwas souliger als das die Stones machten, aber dennoch groovig. In Bautzen war das. Danach haben die uns doch allen Ernstes wegen dieses einen Titels verboten. Im Grunde ist das heute noch nicht zu glauben. Ne! Ich will das alles nicht wieder zurück haben. Obwohl es gerade in Sachen Musik auch Dinge gab, die nicht so schlecht waren. Zum Beispiel, dass nicht jeder Idiot der drei Griffe oder Töne konnte, Berufsmusiker wurde. Das fand ich gut und das ist bei manchen Leuten heute noch wünschenswert. Im Osten musste man schon etwas können, um die Pappe zu bekommen. Man musste vom Blatt spielen können oder zumindest eine ganz extrem hohe Musikalität nachweisen. Heute kann sich jeder Clown Musiker nennen. Zu der Gilde gehört letzten Endes aus meiner Sicht auch der Zuckowski. Der hat als Lehrer mal 'ne Gitarre geschenkt bekommen, drei Griffe gelernt und damit macht er seine 1000 Lieder. Das ist immer wieder das Gleiche. Musikalisch ist das keine Konkurrenz für mich. Weil er einfach nicht mehr kann als die drei Griffe. Er ist natürlich bekannt wie ein bunter Hund und verkauft als gebe es nichts anderes. Die kennen ja auch nichts anderes. Der Traumzauberbaum im Westen - ein einziges Trauerspiel... Dass ich mit dem Saxophon aufhören musste, war vielleicht auch ganz gut so. Ich glaube nämlich nicht, dass ich als Saxophonist wirklich gut geworden wäre. Das weiß man zwar nicht, aber ich hab's eben sein lassen müssen.
Irgendwann kamen Sie dann ja zu Lenz, wie Sie sagten die hohe Schule der Ostmusik damals. Wie wurde Lenz auf Sie aufmerksam?
Na ja. Ich war 20 und hab eben gut Klavier gespielt. Bei Lenz war Armin Baptist gerade ausgestiegen und er brauchte einen neuen Pianisten. Ich kannte Günther Sommer, mit dem ich schon gespielt hatte. Wir hatten damals in Dresden ein Trio. Auch Günther Fischer kannte mich. Und die kamen eines Abends in Berlin mit Lenz in die Bude, in der ich mit Uli Gumpert wohnte und Lenz sagte irgendwann: "Du pass ma uff Lakomy. Du bist morgen um soundso viel Uhr im Saalbau Friedrichshain. Wenn du da jut spielst, kannste einsteigen." Da gab es keine Frage oder Widerspruch. Lenz ist nicht auf die Idee gekommen, dass da jemand ablehnen könnte. Hat ja auch keiner.
Mit Günther Fischer gründeten Sie das legendäre Günther Fischer Quintett und verliessen Lenz.
Wir wollten was Eigenes machen und dabei noch stärker als bei Lenz in die Jazzrichtung gehen. Und auch in eine etwas andere Richtung, als sich das damals bei Lenz gerade abzeichnete. Lenz hat ja auch immer wieder die Band und ihren Stil umgebaut. Und so haben Günther und ich eben beschlossen, etwas Eigenes zu machen. Von Lenz bin ich wirklich im Guten gegangen. Wir sind noch heute Freunde.
Die Fischerzeit endete nach nur wenigen Jahren. Waren Ihre Soloprojekte eigentlich der Grund für Ihren Ausstieg bei Fischer?
Ja und nein. Zunächst mal habe ich ja neben den ersten Solotiteln weiter bei Günther Fischer gespielt. Die ganze erste LP des Fischerquintetts hab ich ja mit eingespielt. Also nein. Anfangs habe ich auch gar nicht so recht daran gedacht, dass das eine dauerhafte Geschichte werden könnte. Ich war ja ein Jazzer und wollte das auch weiter machen. Aber die ersten Solo-Titel waren schon richtig erfolgreich. Und ich hab dann auch versucht, Jazzelemente in meine Titel hinein zu bekommen. Dann ist daraus schnell das Lakomy Ensemble entstanden, so dass ich da gar nicht mehr richtig Solist war. Die wichtigsten Titel die ich mit dem Ensemble gemacht habe, sind wohl auf dieser CD "72-76", die ich nach der Wende nochmal zusammengestellt habe.
Sie sind in gewisser Weise Perfektionist. Wenn Sie die frühen Sachen hören, sind Sie zufrieden damit oder würden Sie das heute ganz anders machen?
Die Diskussion kann man sich schenken. Die Beatles hatten Mitte der 60er auch nichts wesentlich anderes als wir. Da kommt auch niemand auf die Idee, die Titel heute ganz anders aufzunehmen. Da will jeder die Originale haben und keine neuen aufgemotzten Varianten. Natürlich würde ich heute das eine oder andere etwas anders machen. Aber damals war das das Mögliche und der Fakt steht. Die Titel sind da und sie sind gut. Und wir haben uns ja damals mit den Vierspurgeräten echt was einfallen lassen. Vier Spuren aufnehmen, mastern und dann die nächsten zwei dazu. Und das so lange, bis alles drin war. Und mit dem Ergebnis bin ich durchaus zufrieden. Was die Best of angeht, die hab ich so gemastert, wie ich mir das vorstelle. Das hab ich ja selbst gemacht. Ich hatte die Originalbänder und hab die auch so belassen wie sie waren. Die Veränderungen waren minimal. Die neu aufgelegte CD von AMIGA ist im Wesentlichen das, was ich damals gemacht habe. Natürlich könnte man das heute richtig verändern und vielleicht sogar besser machen. Das ist doch aber immer so. Das Einzige was man wohl nicht besser machen kann, das sind die Beethovensinfonien mit dem Gewandhausorchester unter Kurt Masur von 1974. Das halte ich für noch weit besser als alles, was Karajan da jemals gemacht hat. Ich kenne auch noch den Tonmeister, der das damals aufgenommen hat. Da hab ich größte Hochachtung davor. Die würde ich nicht mehr anrühren. Da sieht man die einzelnen Instrumente förmlich beim Hören, so klar sind die einzelnen Instrumente in der Aufnahme positioniert. Fabelhaft!
Wie erklären Sie sich den enormen Erfolg ihrer ersten Titel?
Damals hab ich Themen gesucht, die mich bewegten. Und ich hab dies und das gefunden. Heute könnte ich sowas nicht mehr machen. Zum einen bin ich zu alt und einige Themen haben sich ganz erledigt. Damals war ich gewissermaßen ein ganz anderer Mensch. Jünger, unerfahrener und als Jazzman relativ wild. Das hab ich alles versucht, in meinen Liedern umzusetzen. Wobei es auch Zufall war, dass ich überhaupt "Es war doch nicht das erste Mal" selbst gesungen habe. Das hätte eigentlich jemand anders singen sollen. Aber wie er das machte hat mir nicht gefallen, so dass ich es am Ende selbst machte. Ich bin manchmal schon sehr pedantisch, wenn es um meine Musik geht (lacht).
Verraten Sie uns, wer den Titel hat singen sollen?
Nee. Das mach ich nicht. Das wissen auch nur wenige Leute und derjenige lebt auch noch. Wir sind heute auch noch gute Kumpels aus alten Zeiten. Ich verrate nur so viel, dass es kein "berühmter" Kollege war. Vielleicht hätte er damit Erfolg gehabt, aber er hat's halt nicht gesungen. Da hat er eben Pech gehabt. Und wer weiß, vielleicht wäre der mit ihm auch nicht das geworden, als was man ihn heute noch kennt. Da steckt man ja nicht drin.
Wie hat die Jazzszene den Erfolg aufgenommen?
Da war ich der Schlagersänger (lacht). Dabei waren die Titel alles andere als Schlager. Ich hätte auch nichts für die Schlagerleute geschrieben. Aber in den Jazzkreisen hieß es, da kommt der Schlagersänger. Manche "Jazzfundamentalisten" sehen mich ja heute noch so. Ich hab mich erst letztens mit Lenz darüber unterhalten. Da ist auch 'ne Menge Verbitterung und Neid mit dabei. Einige unterstellen mir grenzenlosen Reichtum, was nun wirklich nicht stimmt. Andere diskreditieren die gesamte Musik nach Lenz, was auch Unsinn ist. Ich habe zugegeben in meinem Leben auch einiges Glück gehabt, aber das meiste habe ich mir selbst erarbeitet. Als Glück sehe ich es, dass mir meine Mutter im Grunde erlaubte, mit 16 bis spät in der Nacht in Bars zu spielen. Dabei hab ich den ganzen Unterhaltungskram gelernt. Von "Adelheid" über die "Alten Kameraden" bis zu "Tanze mit mir in den Morgen", den ganzen Kram. Das kann ich heute noch alles spielen (lacht). Oder Tango. Keine Ahnung, wie oft ich Tango spielen musste. Aber ich habe Tango später auch oft in Kinderliedern angewendet. Oder Walzer. Wo lernt man an einer Hochschule, dass man bei einem Wiener Walzer den ersten Takt immer ein wenig gesondert betont und vorgezogen spielt gegenüber dem langsamen Walzer, der ja ebenso meist einen ¾ Takt hat? Ich habe immer versucht, all mein Wissen irgendwo wieder zu benutzen, all das, was ich irgendwo mal gelernt oder gemacht habe wieder in Musik einfließen zu lassen. Und ich finde das bis heute noch unheimlich geil, dass ich das alles kann, dass mir das alles der eine oder andere irgendwann mal beigebracht hat.
Sie haben ja viel geschrieben. Nicht nur für sich selbst, sondern auch für viele namhafte Kollegen und das auch, nachdem Sie sich als Solist aus der aktiven Rockmusik und von der Bühne verabschiedet hatten. Für wen haben Sie eigentlich Musik geschrieben?
Oh, das würde eine lange Liste, die ich so ad hoc gar nicht aufstellen möchte. Bekannte Sachen waren vielleicht die für Uschi Brüning und Angelika Mann, für die ich ja auch mit ihrer Gruppe Obelisk noch geschrieben habe. Am Anfang, als ich selbst noch nicht gesungen habe, hab ich zum Beispiel für Thomas Lück geschrieben. Herbert Dreilich hab ich ja erwähnt. Für Andreas Holm hab ich mal was gemacht. Na ja, da waren noch ein paar Sachen. Und vor allem habe ich sehr viele Arrangements geschrieben. Ob Schöbel oder Hauff/Henkler - es gingen im Grunde alle bekannten Musiker bei mir ein und aus. Das wurde deutlich weniger, als Lakomy plötzlich selbst der Sänger war. Da waren es vor allem noch Titel für Lütte. Für Brigitte Brabant hab ich zu der Zeit noch was geschrieben. Dass ich am Anfang überhaupt so viel für andere gemacht habe liegt daran, dass meine große Leidenschaft der Jazz war. Und davon allein konnte man im Osten nicht leben. Kann man auch heute nicht, behaupte ich mal. Also musste ich ja was anderes dazu machen. Was ich konnte war halt arrangieren und komponieren. Und da ich das nicht im klassischen Schlagerstil machte, war ich eben gefragt. Reich geworden bin ich nicht dabei, aber ein paar Mark brachten sie schon und vor allem die Freiheit, mich ansonsten ausschließlich mit Jazz zu befassen.
Hatten oder haben Sie ein musikalisches Ziel?
Na - ich wollte der beste Jazzer der Welt werden! (lacht) Und (das ruft er fast) ich habe mit Uli Gumpert zusammen in der Schönholzer Straße 7 gewohnt. Das war die Hausnummer, von der aus damals dieser Tunnel gegraben wurde. Wir haben davon allerdings nichts richtig mitbekommen. Aber ich stand so manchen Abend, da war die Mauer noch gar nicht so richtig befestigt, vor dem Haus und hab auf Uli gewartet. Weil wir, wenn einer mal 'ne Mugge gehabt hat, mal wieder was ordentliches essen wollten. Wir haben dann alle paar Tage die paar Mäuse, die wir so bekamen, an so einem Abend zusammen verfressen. Und wenn man da so stand, hab ich mir oft überlegt - läufst du jetzt los und versuchst das ...? War ja nicht weit, sah so einfach aus ... Aber ich war einfach zu feige. Ich hatte zu viel Angst, totgeschossen oder schwer verletzt zu werden. Wer weiss, sonst würde ich jetzt vielleicht irgendwo in Amerika als Jazzman rumhängen oder wäre schon längst wieder zurück und so 'n Muggenkönig, der mit albernem Anzug und blitzenden Lackschuhen komische Schlager in Einkaufszentren singt. Aber ich bin nicht gelaufen. Ich bin hier geblieben und so bin ich wohl nicht der weltbeste Jazzer geworden, aber ich hab den Traumzauberbaum geschrieben, der in diesem Jahr im Herbst 30 Jahre alt wird. Und auch wenn ich das damals nicht für möglich hielt, mittlerweile sind wir ja alle irgendwie im Westen angekommen.
Wie ist das Verhältnis zu Kollegen heute?
Zwiespältig. Dass ich durch die Singerei, die so rein zufällig über mich gekommen ist, dass ich mir damit so nach und nach eine Unabhängigkeit erarbeiten konnte, was bis heute so geblieben ist, das erweckt, so hab ich es gerade in der letzten Zeit wieder festgestellt, auch Neid. Viel mehr als wenn man nur kurzfristig riesigen Erfolg mit einem Titel oder einer ganzen Platte hat und damit mal richtig Kohle verdient. Gerade auch bei alten Kollegen ist meine Unabhängigkeit, machen zu können was ich will, ein richtiger Grund, unglaublich neidisch zu sein. Weil sie oft nur Sänger gewesen sind und mittlerweile auch nicht mehr so toll aussehen. Geht mir ja selbst nicht besser. Aber wenn die Leute nie was anderes konnten als singen und heute nicht mehr gefragt sind, schon weil sie bescheiden aussehen, dann weckt das Neid auf die, die eben noch im Geschäft sind. Ich hab das auf solchen größeren Sachen gemerkt, wo wir alle auf einem Haufen waren. Da herrschte plötzlich so 'n ganz komischer Unterton in den Gesprächen. Und das ist der Grund, warum ich sehr, sehr ungern zu solchen Sachen gehe. Ich selbst kenne das Gefühl Neid eigentlich überhaupt gar nicht, weil ich immer dafür gesorgt habe, dass ich das, was ich erreichen wollte, auch erreicht habe. Dazu hab ich vor allem gearbeitet. Mich aber hinzusetzen und neidisch zu schauen was andere haben, das war nie mein Ding. Genauso wenig, wie jemandem etwas nicht zu gönnen, das er hat. Wenn ich was haben wollte, hab ich mir Gedanken gemacht, wie ich das bekommen kann. Aber ein paar Freunde aus der Branche hab ich dennoch.
Wie passen die vielen verschiedenen Sachen zueinander? Sie haben mit elektronischer Musik begonnen, an den Instrumenten dazu entwickelt, die ersten Kinderlieder gemacht und Filmmusiken und Hörspiele produziert.
Das ist gar kein Problem. Im Gegenteil. Ich mag es nicht, immer das gleiche zu machen. Insofern waren die immer gleichen Programme ohnehin nicht meine Lieblingsbeschäftigung. Ich mag es, da ich auch eine gewisse Vielseitigkeit habe, mich mit immer neuen Dingen zu beschäftigen. Mit der Elektronik hab ich aufgehört, weil es zunehmend uninteressant wurde. Da kamen Instrumente wie der DX7 raus und die ganzen Werksounds. Da konnte das eigentlich jeder, ohne sich mit der Musik wirklich beschäftigt zu haben. Und damit wurde das irgendwie uninteressant. Seither und bis heute konzentriere ich diese Vielseitigkeit auf die Geschichtenlieder und auf die Auftritte mit dem Ensemble. Und ich glaube schon, dass man, wenn man gute Kindersachen machen will, möglichst vielseitig sein sollte.
Wie bezeichnet man das, was Sie mittlerweile seit 30 Jahren und aktuell hauptsächlich machen, am treffendsten?
Geschichtenlieder. Das trifft es wohl am besten. Es sind Lieder, in denen Geschichten erzählt werden.
Geschichten gab's auch früher schon in Lakomys Liedern, oder? Warum verließ einer der profiliertesten Musiker der DDR, der Sänger Lakomy, die Bühne fast schlagartig?
Stimmt schon. Wie ich sagte - ich unterscheide auch nicht, zwischen Kinder- und Erwachsenenliedern. Damit unterscheidet sich das, was ich heute mache, wenn man mal von der viel stärker auf Kinder zugeschnittenen Sprache absieht, gar nicht so sehr von dem, was ich früher mit Gertz zusammen machte. Gertz hatte allerdings zu den Geschichtenliedern keinen so richtigen Zugang. Und so bin ich dann so nach und nach aus seinem Dunstkreis entschwunden und habe auch mit den reinen Erwachsenenkonzerten aufgehört. Das wurde auch richtig anstrengend. Wir hatten ja um die 20 Konzerte im Monat und das muss man erst mal durchhalten. Damals hab ich meiner Managerin gesagt: "Wenn du weiter mehr als 15 Konzerte machst, dann kannst du die allein machen." Und auch das war ja 'ne ganze Menge. Vor allem bin ich zu nichts mehr gekommen. Das hing mir dann irgendwann alles mal richtig zum Halse raus. Der Höhepunkt war eine üble Verleumdung eines Hotels in Karl-Marx-Stadt, ich glaub das hieß Kongress oder so, gegen mich. Die führte dazu, dass ich beim Komitee für Unterhaltungskunst antreten musste, wo mir Herr Czerny, der Generaldirektor des Komitees, mitteilte: "Ja Herr Lakomy, dann werden wir den Exklusivvertrag mal ein ¾ Jahr aussetzen." Daraufhin hab ich ihm gesagt: "Passen sie mal auf Herr Czerny. Sie brauchen gar nichts aussetzen. Ich höre auf!" Der fiel aus allen Wolken. "Nein, nein Herr Lakomy. So war das doch nicht gemeint." Ich sage: "Ne, danke." Das Ding war eins zu viel - und ich habe wirklich aufgehört. Das verrückteste ganz nebenbei: Diese Geschichte in Chemnitz, die ist ein halbes Jahr später im gleichen Hotel haargenau so Walter Kubiczeck, dem Stellvertreter Czernys, passiert. Ich hab die Band aufgelöst und mich dem gewidmet, was ich eh lange vernachlässigt hatte und was ich auch lieber machen wollte, als jeden Tag auf den Bühnen rumzuturnen. Und mir hat's eben auch gereicht. Danach hatte ich dann Zeit für das Komponieren von Film- und Theatermusik und alles was mich interessierte. Jedenfalls hab ich bis auf ein paar Elektroniksachen nach der Geschichte keinen öffentlichen Auftritt mehr gemacht. Etwa 13 Jahre lang. Dafür hab ich mich mit den Kindersachen beschäftigt, mit Hörspielen, Filmmusik, Ballettmusik und einigem anderen. Das waren auch so Ausflüge in die E-Musik, also die klassische Linie.
Der Traumzauberbaum hat ja Geburtstag. Die wievielte CD ist das eigentlich? Und sind die neuen Geschichtenlieder eine direkte Fortsetzung der alten?
Angefangen hat alles mit der LP "Geschichtenlieder". Das ist die heutige CD "Geschichtenlieder mit Paule Platsch". Am Anfang hat niemand wirklich damit gerechnet, dass das immer so weiter geht und wir heute die 11. Geschichtenlieder-CD haben. Das war ja absolutes Neuland, was wir da machten und vor allem, wie wir das produzierten. Ab dem Traumzauberbaum waren das Hörspiele mit einer Geschichte und einer Dramaturgie. Einzelne Figuren entwickeln sich und tauchen dann immer mal wieder auf. So Moosmutzel und Waldwuffel oder Agga Knack und Frau Scheuche oder auch der Sternputzer Funkelfix. Im Augenblick ist Ines noch als Frau Scheuche im Programm. Aber im neuen Programm, das wir ab September 2009 spielen - das Jubiläumsprogramm "30 Jahre Traumzauberbaum" - wird es erstmals die Figur des Waldwuffel auf der Bühne geben, die Ines dann spielen wird. Und insgesamt sind es 11 Geschichten. Die letzte ist Kikisonne - eine Sternputzergeschichte. Die CD behandelt wieder einen durchgehenden Inhalt und der wird mit ganz verschiedenen Mitteln erzählt. Das geht dann wie so oft von der Anlage und vom Sound weit über die üblichen Kinderlieder hinaus. Das Argument, Kinder könnten das nicht verstehen, hab ich nie gelten lassen. Kinder verstehen alles! Nicht immer wie es die Erwachsenen meinen, dass etwas zu verstehen ist, aber sie verstehen es. Im Zweifel machen sie sich ihr eigenes Bild von etwas.
Das Team des Traumzauberbaums hat sich ein wenig verändert. Wie sieht es aktuell aus?
Ich habe eine ganz tolle Truppe. Meine drei Frauen, mit denen ich heute die Geschichtenlieder singe, die singen so geil im Satz, das ist Extraklasse. Hoch professionell! Für die Konzert-CD "30 Jahre Traumzauberbaum" fehlten noch drei Titel, die mussten die Damen noch einsingen. Das hab ich irgendwann gemerkt. Also habe ich meine Tasche, in der mein ganzes Studio untergebracht ist, geschnappt und meinen Kram in einem Hotelzimmer aufgebaut. In zwei Stunden waren die drei Titel im Kasten. So wie ich mir das vorstellte. Die können wirklich was. Alle drei. Darauf bin ich auch wieder ein bisschen stolz. Man kann sich auf meine Truppe 100%ig verlassen. Damit bin ich wieder relativ unabhängig. Und die Truppe ist sozusagen richtig schlagkräftig. Da kann man irre viel machen. Eigentlich können die fast alles singen. Mit der Kathrin (Kathrin Meiner-Schlenstedt) hab ich das Bachlied "Willst du dein Herz mir schenken" aufgenommen. Das hab ich schon mal zu meinem 50. Geburtstag mit Carola Nossek gemacht. Kathrin ist sicher nicht schlechter. Besonders wenn sie in die hohen Töne kommt. Sängerinnen bekommen gerade in der Höhe öfter etwas Schneidendes. Das war zum Beispiel bei der Kallas nicht so. Auch deshalb wurde sie so berühmt. Ihre Stimme blieb selbst in der Höhe weich. Und Kathrin hat das auch, macht jetzt aber eben nicht mehr so sehr das klassische Programm, sondern Unterhaltung. Ines ja sowieso. Sie ist ja durchaus als richtig gute Sängerin bekannt. Und Olivia Winter ist auch keine Unbekannte. Mit den drei Stimmen kann man wirklich 'ne Menge machen. Und das kommt wohl auch ganz gut an. Unsere Konzerte sind immer sehr gut besucht. Viele sind ausverkauft. Wir spielen in der Regel erst ab 300 Besuchern, weil sich das sonst nicht rechnet, da wir ja 'ne richtige Bühne brauchen, die wir anmieten mit Beleuchtung, Anlage und allem was man für ein Musiktheater braucht. Wir bringen einige Kulissen und Requisiten mit und haben zwei eigene Techniker. Und so wird jede unserer Aufführungen eine hochwertige Theateraufführung. An vielen Spielorten sind wir regelmäßig zu Gast. Und ein besonderes Highlight ist es immer, wenn wir von der Theatercrew gelobt werden. Die sind nämlich ein besonderes Völkchen, ohne die sich nichts bewegen würde und die sich nur dann richtig reinhängen, wenn es ihnen wirklich gefällt. Wenn man da ohne Grund aufdreht, dann können die einen auch mal hängen lassen.
Woher nehmen Ihre Frau und Sie eigentlich die Ideen für die Geschichtenlieder?
Das mag sich komisch anhören. Aber die Asterix Comics, die noch von den beiden Erfindern zusammen gemacht wurden, das war etwas Besonderes. Die haben mich immer begeistert. Die waren sowas wie Vorbilder. Da gab es immer zwei Ebenen. Die für Kinder und die für die Erwachsenen mit den wahnsinnigen Sprüchen. Ich hab die alten Hefte verschlungen. Viele hab ich mehrmals gelesen. Die hatten auch nichts mit den flachen Filmen zu tun die es später gab. Ich meine die Hefte, die gemacht worden sind, als Goscinny noch lebte. Die hatten Klasse. Das war richtig gut gemachte Unterhaltung. Und irgendwie habe ich diese Form auch machen wollen. Aber eben nicht kopieren oder so, sondern eigene Geschichten erzählen, die zum Denken und Schmunzeln anregen. Dazu konnte mir gar nichts Besseres passieren als meine Frau mit ihrem speziellen Sprachstil. Zudem haben wir die gleiche Denke - so: Mal, wenn's passt, 'ne Geschichte von hinten durch die kalte Küche erzählen, den Leuten was zum Nachdenken vorsetzen. Dieser Stil, dieses um die Ecke denken, etwas offen zu lassen und Frage- und Antwortmöglichkeiten zu entwickeln, ohne alles sofort fest vorzugeben, das finden Erwachsene wie Kinder gleichermaßen gut. Erwachsene sehen da wohl auch eine bestimmte Ästhetik, da muss es gar nicht die eines Volker Braun sein, der Moni - die beiden sind eng befreundet - seinerseits, wie er schon mal sagte, um diesen Sprachstil beneidet. Auch Heiner Müller hat mal zu ihr gesagt, als er ein Manuskript zu Geschichten las: "Auf solche Worte und Wortspiele würde ich gar nicht kommen, Moni." Das geht beim Traumzauberbaum los, geht über die Geschichtenlieder bis zu den Figurennamen. Man glaubt gar nicht, wie viele versucht haben, uns diesen und jenen Begriff immer wieder zu klauen. Dabei kann man auf solche, eigentlich einfachen Sachen ja auch allein kommen. Große Autoren haben das gekonnt und mit ihrer Sprache und relativ einfachen Geschichten Kinder wie Erwachsene gefesselt. Ob Astrid Lindgren oder Antoine de Saint-Exupéry oder eben die Väter von Asterix - die Geschichten sind für Erwachsene wie für Kinder gleichermaßen bezaubernd. Die Sprache und die Art zu beschreiben, ich finde das Klasse. Die Geschichten werden dadurch zeitlos. Sowas begeistert mich. Eben auch bei Moni.
Sie sprachen gerade Saint-Exupéry an. Da muss man Demmlers "Die Lieder des kleinen Prinzen" erwähnen. Hatten Sie Kontakt zu Demmler? Sehen Sie Parallelen?
Nein ... mit Demmler hatte ich musikalisch nie wirklich zu tun. Wenn ich ihn erlebte, dann hat er mich eher genervt. Seine Art und das ganze Drumherum. Als ich gesungen habe, hat er noch nicht so viel geschrieben. Als ich Elektronik machte, gab's nichts zu schreiben und bei den Geschichtenliedern brauchte ich ihn nicht. Der Traumzauberbaum ist auch was ganz anderes. Das ist eine fiktive Geschichte, die es vorher nicht gab. Der kleine Prinz hat ja eine literarische Vorlage. Ja und dann sind die Geschichtenlieder und der Traumzauberbaum vor Demmlers Liedern erschienen. Ich war unlängst etwas erstaunt darüber, als man zu Demmlers Tod schrieb, "Die Lieder des kleinen Prinzen" wären die erfolgreichste Kinderplatte der DDR. Nicht dass mir das besonders wichtig ist, aber ich halte das für unrichtig. Obwohl mir das völlig egal ist. Für mich stellt sich allerdings auch die Frage, in wie weit sind die Lieder des kleinen Prinzen eine Kinderpatte? Exupéry hat die Figur eines Kindes gewählt und es gibt ein paar kindliche Bezüge, aber ansonsten ist die Vorlage ja nicht explizit ein Kinderbuch. Schöne zum Beispiel hat noch 'ne richtige Kinderplatte gemacht. Aber die von Demmler ...?
Es gibt einige Themen und Vorlagen, bei denen würde ich gern hören, was nach einer Bearbeitung im Hause Lakomy daraus würde. Denken Sie über so etwas nach, wird es das in absehbarer Zeit geben?
Nachdenken tut man ja über sehr viel. Meine Frau würde gern mal Märchen in die Geschichten einfließen lassen oder aber ein ganzes Programm, zum Beispiel zur Schneekönigin, ihrem Lieblingsmärchen, machen. Ich bin da strikt dagegen. Weil wir uns eigentlich einig waren und sind, dass wir keine Vorlagen umarbeiten wollen oder irgendetwas Vorhandenes verwenden. Ich glaube unverändert, so etwas würde uns schaden. Nicht nur, dass sicher einige sagen würden: "Jetzt fällt ihm wohl nichts mehr ein", das ist auch nicht das was ich möchte. Bei einigen Sachen gibt es große, andere musikalische Bearbeitungen und mit denen wird man dann verglichen, obwohl es gar nichts Vergleichbares gibt außer vielleicht ein paar Namen, Begriffe und vielleicht etwas aus der Handlung. Wenn man Hänsel und Gretel macht sieht jeder Humperdinck, beim Hexenhaus jeder Hänsel und Gretel und so ist das mit vielen Vorlagen. Bei unseren Sachen, die uns selbst eingefallen sind, denkt man an Lakomy und die Leute die das gesungen haben. Und das kennen mittlerweile auch ein paar Leute. Ich sehe das wie Bartók oder Orff. Bartók hat mal gesagt: "Wenn sich die guten Komponisten nicht um die Kinder kümmern, tun es die Schlechten." In der westdeutschen Kultur war es so, dass Kindersachen sehr schlecht bezahlt wurden im Vergleich zu sonstigen Geschichten. Ganz nach dem Tenor - Kinder sind unwichtig, die können nichts kaufen. Und daher haben sich da so nach und nach alle guten, wichtigen Komponisten von dem Thema verabschiedet. Dabei sind die Kinder doch unsere Zukunft und damit das wichtigste was es gibt. Sich nicht auch künstlerisch um Kinder zu kümmern, das ist eine große Dummheit, für die wir die Quittung bekommen werden. Ich habe Angst vor dummen, tumben Menschen. Diese Menschen entwickeln auch keine Hemmschwelle, die brüllen nicht mehr nur völlig idiotische Parolen oder reden sonst was für dummes Zeug, die hauen auch zu. Das erkennen jetzt so langsam scheinbar immer mehr Menschen. Ich behaupte, wer mit dem Traumzauberbaum aufgewachsen ist oder unseren anderen Geschichtenliedern, der überlegt es sich zehnmal, ob er einem anderen in die Fresse haut, weil er 'ne andere Meinung hat oder anders aussieht.
Der Traumzauberbaum ist so oft verkauft worden, ist so bekannt und dennoch ist gerade im Osten Extremismus und Gewalt von Jugendlichen nicht wegzureden ...
Das bestreite ich auch gar nicht. Aber ich glaube, es gibt nicht viele unter den Chaoten, die sich mit dem Traumzauberbaum mal befasst haben oder von ihren Eltern damit konfrontiert wurden. Wer das gemacht hat, mit dem wurde sich zum einen beschäftigt und der hat in den Geschichten erlebt, dass Gewalt für gar nichts eine Lösung ist. Natürlich sind die Geschichtenlieder nicht der Stein der Weisen für dieses Problem. Da ist es viel wichtiger, dass die Kinder in halbwegs ordentlichen Verhältnissen aufwachsen und da klemmt es ja mehr denn je. Das fängt beim täglichen Leben an und hört bei der kulturellen Bildung auf. Und ich fürchte, das wird noch schlimmer, wenn man da nichts tut. Denn wenn die Eltern schon keine Bildung mehr mitbringen, was soll dann aus den Kindern werden? Je geringer die Bildung ist, desto komplizierter ist die Sozialisation der Kinder. Das gilt nicht nur für Migranten, ganz im Gegenteil, auch wenn es dort besonders böse Beispiele gibt.
Wie meinen Sie das? Was fehlt aus Ihrer Sicht in der heutigen Schule?
Ich bin 63 und kurz nach dem Krieg in die Schule gekommen. Da gab's zwar keinen Rohrstock mehr, aber vor dem Lehrer hatte man größten Respekt. Wenn man vor 50 Jahren in der Schule Unsinn machte oder irgendwas anstellte, dann gab's zu Hause richtig Ärger. Und heute? Dazu kommt, dass in den Schulen alles mögliche gemacht wird, aber Kulturverständnis oder ethische Werte, die bleiben oft auf der Strecke. Auch weil in den ersten Jahren zunächst vor allem Sachwissen gelehrt wird. Musik zum Beispiel ist in den Grundschulen ein einziger Graus. Obwohl es da ja schon fast zu spät ist, weil bis zu einem Alter von 6, 7 Jahren die wichtigen Entwicklungen im Gehirn abgeschlossen sind, die mit Kulturempfinden und Kulturverständnis zu tun haben. Wenn bis zu dem Alter die Grundlagen nicht gelegt sind, dann ist das fast aussichtslos hinterher. Und genau da klemmt es. Da hilft auch sowas wie die Singepaten von Professor Adamek aus Hamburg nicht wirklich. Wenn man da mit Musik und Gesang etwas bewegen will, dann braucht man das ganz früh und muss auch Pädagogen ausbilden, die Kindern in Grundschulen und davor Musik vermitteln können. Damit legt man Grundlagen, mit denen man viele Probleme verringern kann, weil den Kindern mit der Poesie der Musik eben auch ein positives Werteempfinden mitgegeben werden kann. Das hab ich auch dem Thomas Quasthoff, dem bekannten Bariton, den ich über den Professor Adamek kennen gelernt habe, weil er da mitmacht, so gesagt. Es ist eine Aufgabe des Staates, Kultur zu befördern und der hat er nachzukommen. Es reicht nicht, dass er private Initiativen und Vereine, so schön und löblich sie sind, als nützliche Idioten benutzt, um die Defizite, die es gibt, zu kaschieren. Außerdem schaffen solche privaten Sachen es nicht, alles das abzudecken, was man machen müsste. Im Gegenteil, die Initiativen schaffen zum Teil den Vorwand für den Staat, sich noch weiter zurückzuziehen. Das nette, interessierte, ältere Personen mit Kindern singen, ist einfach kein Ersatz für ordentlichen Musikunterricht im Kindesalter. Die Probleme im Bereich Kulturerziehung muss man auch klar aussprechen und nicht runter reden oder abzuschieben versuchen. Wir haben ein echtes Bildungsproblem. Nicht nur im Musikunterricht, sondern auch darüber hinaus. Dabei ist Bildung eben die beste und einfachste Investition für den Staat. Ich bin auch ein wenig entsetzt darüber, dass man den Eindruck gewinnen kann, der Staat, die Gesellschaft legt sich da zunehmend selbst Fesseln an. Es ist schon schlimm, wie hilflos in vielen Punkten die Politik ist, wie abhängig von der Wirtschaft, von der sie sich hat so lange gängeln lassen. Das Ergebnis ist auch eine ganz erstaunliche Bildungs- und Kulturpolitik, die sich zunehmend auf Sponsoren oder Eigeninitiative Betroffener verlässt. Die haben einige tolle Sachen in Gang gebracht. Wie zum Beispiel Reemtsma, der ja einen gehörigen Teil seines Vermögens für sowas einsetzt. Aber schon das ist wieder so ein Ding. Wenn es sowas nicht gäbe, sehe es wirklich ganz schlimm aus. Andererseits kann man die nicht zwingen, ihr Geld für sowas auszugeben. Und wenn die das nicht machen passiert plötzlich nichts mehr. Irgendwie fehlt mir in solcher Politik die Kontinuität.
Wir waren gerade bei Schule. Es gibt ja zwei Schulen, die Ihren Namen tragen. Wie kam es dazu? Wie fühlen Sie sich als so Geehrter?
Ja ... wie fühlt man sich da ...? Inzwischen hab ich mich daran gewöhnt (lacht). Aber ich will's mal so sagen: Damals als die Halberstädter 1997 an mich herangetreten sind, da war ich erst mal platt. Ich wusste ja nicht, dass es sowas gibt und dachte erst mal, da will mich jemand verarschen. Ich bin ja noch nicht in der Kiste (lacht). Aber dann hat mir die Schulleiterin das erklärt, wie man auf den Namen "Reinhard Lakomy Schule" gekommen ist. Da standen einige Personen zur Auswahl und man hat sich für den Namen entschieden, weil man an der Schule, es ist ja eine Schule für geistig Behinderte, mit unserer Musik so große Erfolge auf allen möglichen Ebenen hatte. Ich hab das mal selbst erlebt. Wir haben viele Jahre auf Elba Urlaub gemacht, meine Familie und ich. Und da gab es sowas wie ein Feriencamp für geistig behinderte Erwachsene, das ein Schweizer dort immer wieder macht. Da waren einmal, als wir da waren, auch zwei Autisten dabei. Die beiden hat wirklich wenig erreicht. Ich bin mit ihnen ganz gut klar gekommen. Vor allem, wenn ich ihnen Musik vorgespielt habe. Mal unsere, mal Beethoven, mal irgendwas anders Gutes. Musikhören, das war das größte für beide. Und irgendwann waren beide dann auch viel besser ansprechbar. Der eine von den beiden ist heute fast wie ein Gesunder ansprechbar. Mit dem kann man sich mittlerweile ganz normal unterhalten. Angefangen hat das mit Musik… Und so ähnlich war das auch in Halberstadt, wurde mir gesagt. Mit unseren Platten hatten die Erzieher dort so gute Ergebnisse bei den Kindern, dass die Eltern den Namen "Lakomy Schule" vorgeschlagen haben. Die hätte genauso gut "Monika Ehrhardt Schule" heißen können. Das hat nichts damit zu tun, dass ich so ein wahnsinnig gut aussehender Mensch bin (lacht), sondern nur mit unserer Arbeit. Und darauf bin ich stolz. Das sind sozusagen die Früchte der Arbeit. Aber darauf bilde ich mir nichts ein.
Gibt es etwas, worauf Sie sich "etwas einbilden", worauf Sie stolz sind?
Mehreres. Einbilden muss man da nicht wörtlich nehmen. Ich bin sehr froh darüber, dass ich es geschafft habe, über die vielen Jahre immer das gemacht zu haben, was andere gerade nicht machten. Und das in 'ner hohen Qualität. Ich bilde mir etwas darauf ein, dass ich es immer wieder geschafft habe, Kinder auch an, sagen wir mal, etwas schwerere Musik heranzuführen, die die Kinder nicht nur rezipiert, sondern verstanden und gemacht haben. Obwohl ich ihnen da immer mal recht anspruchsvolle Dinge untergeschoben habe. Da hatte ich anfangs sogar große Bedenken. Nicht nur ich. Weil ich ja eigentlich gar keine Musik für Kinder gemacht habe. Gemeinsam mit den Texten von Monika Ehrhardt wurde es Musik, die auch Kinder verstehen können. Aber ich habe mich nie hingesetzt und Musik jetzt für Kinder und dann für Erwachsene geschrieben. Ich habe immer Musik gemacht, die mir gefallen hat und zu den Texten passte. Dazu die Arrangements, die Sounds und so - ich produziere ja alles selber, das hatte die Qualität die ich mir vorstellte und die bei den Leuten ankam. Eben auch zu 100% bei den Kindern. Das sieht man auch an der zweiten Schule, der Grundschule in Groß Gaglow, mittlerweile einem Stadtteil von Cottbus, wo man sich auch ganz bewusst für den Namen "Lakomyschule" entschied, weil man dort auch die Art unserer Musik als wertvoll angesehen hat. Und ablehnen kann man so eine Ehrung ja auch nicht, wenn es ehrlich gemeint ist. Und das ist es in Halberstadt ebenso wie in Cottbus gewesen. In Halberstadt haben die Kinder zu meinem 60. Geburtstag im Januar eine Riesenfete für mich gemacht. Ich war mit unserem Moosmutzel da. Wir haben da ein bisschen was gemacht. Da gab es Situationen, da hatte ich richtig 'nen Kloß im Hals, da hätte ich fast angefangen zu heulen. So herzlich, so rührend, so umwerfend ehrlich war das alles, was die Kinder da machten. Und gerade geistig Behinderte sind ja meist völlig ohne Arg und Dünkel, haben eine ganz eigene, besondere Denke. Darauf bin ich irgendwie richtig stolz. Auch wenn man sich damit wie halb in der Kiste fühlt (lacht).
Wie haben Sie die Nachwendezeit erlebt?
Nach der Wende habe ich noch mit der "AER" ein Elektronikalbum und eine Platte für Erwachsene, "Die 6 Uhr 13 Bahn", gemacht. Gerade von der "6 Uhr 13" ist kein Ton irgendwo gespielt worden. Die war einfach ein bisschen zu links und zu kritisch fürs Radio. Ich wollte vor ein paar Jahren eigentlich auch noch eine zweite machen, hatte sogar einige Titel schon fertig. Aber dann hab ich mir gesagt, das Klinkenputzen, die Buckelei damit die irgendwo verlegt wird, das tust du dir nicht an, da entziehst du dich. Wenn ich an einige Kollegen denke, gerade auch unter denen, die Filmmusiken machen, die das müssen, dann war die Entscheidung wohl richtig. Ein Erlebnis gab den endgültigen Anstoß mich zunehmend von Filmmusik zurück zu ziehen. Ich hab ja viel mit Rolf Losansky, der viele Kinderfilme gemacht hat, gearbeitet. Und der wollte mit mir nach der Wende einen neuen Film machen, "Hans im Glück". Es war alles klar mit dem Produzenten, bis hin zu den Formaten für die Aufnahmen. Da ruft mich Losansky eines Freitagabends an, ich war gerade auf meinem Boot, hatte beste Laune, und erklärt mir: "Du Lacky, ich muss dir was erklären. Der Produzent hat festgelegt, dass die Filmmusik jetzt zwei junge Musiker aus dem Westen machen." Da hab ich ihn um die Telefonnummer des Produzenten gebeten und dort mal durch geklingelt und gefragt, was denn los sei, wir hätten doch schon viele Einzelheiten bis hin zur Produktion besprochen. Seine arrogante Antwort war: "Ich muss ihnen hier gar nichts erklären. Ich hab mich entschieden und sie machen die Musik eben nicht." Da hat's mir gereicht. Da hab ich ihn mal ein bisschen erschreckt und dann aufgelegt. 20 Minuten später hatte ich Losansky am Telefon, der mich fragte, was ich dem Produzenten erzählt hätte. Er sei völlig aufgeregt. Der Auftrag war natürlich weg. Wie konnte so'n armer Ossi irgendwas fordern? Ich habe ganz schnell begriffen, ich muss, wenn ich da mitspielen will, mich viel, viel mehr verbiegen. Viel mehr als ich es zu DDR Zeiten je tun musste, wobei das bei mir damals schon nicht so richtig klappte. Danach hab ich mir gesagt, das musst du dir nicht antun. Für mich war ganz klar - in diese Abhängigkeiten begibst du dich nicht wieder. Das hast du im Osten nicht gemacht, das machst du im Westen auch nicht. Dazu war und bin ich viel zu stolz. Irgendwem den Arsch zu lecken, das geht bei mir nicht. Nach der Geschichte hab ich auch keine Filmmusiken mehr geschrieben. Wobei… das stimmt nicht ganz. Eine für einen großen Film gab's noch und einige für Serien, wie zum Beispiel für "Die Gespenster von Flatterfels" und sowas. Na - mir war klar, du musst so schnell wie möglich völlig unabhängig werden, wenn du keinem in den Hintern kriechen willst. Und das hat auch ganz gut geklappt. Auch weil der Manager, den ich jetzt seit 12 Jahren habe, seine Arbeit sehr ordentlich macht. Wir haben so etwa 90 Konzerte im Jahr, spielen seit Jahren vor vollen Häusern und das reicht. Er verdient, wir verdienen. Dazu kamen die alten Platten, die immer mehr oder weniger gut liefen. Damit bin ich wie gesagt nicht reich geworden, aber ich bin wie ich es wollte unabhängig geblieben und ganz schlecht geht's mir auch nicht.
Sie waren ab 1990 Kulturpolitiker, hab ich gelesen - Vizepräsident des Komponistenverbandes und Verlagsleiter "Neue Musik". Wie kamen Sie dazu? Was haben Sie da gemacht?
Na dazu gekommen bin ich durch 'ne Wahl. Die Mitglieder haben mich halt gewählt. Vielleicht weil ich immer gemacht habe, was ich wollte und man dachte wohl, dass das für einen Neuanfang gut sein könnte. Na und dann bin ich nicht schnell genug weggelaufen (lacht). Ja und gemacht - zunächst mal hab ich das 1 ½ Jahre gemacht. In der Zeit hab ich keine einzige Note geschrieben und musste mich viel mehr mit den Sorgen und Nöten der Mitglieder rumschlagen. Ich war da praktisch nur für die anderen Mitglieder da und hab mich für sie krumm gemacht. Das war gar nicht so einfach, auch weil sich unser Verband so nach und nach aufzulösen begann. Daher ging es vor allem auch um die Zusammenführung mit dem westdeutschen Verband. Ich hatte nach der Zeit dann die Nase voll, wollte wieder selbst was machen, nicht verwalten und Funktionär sein. Die Zeit hat mir auch gereicht und ich hab danach sowas alles nicht mehr gemacht.
Ich möchte noch zu ein, zwei persönlichen Sachen kommen. Die eine: Die Armeezeit. Ich hab wie Sie im Panzerregiment 1 in Burg gedient. Dort hielten sich abenteuerliche Geschichten über den Gefreiten Lakomy, der gar keine Lust auf Armee hatte. Das gipfelte in der Geschichte, dass Sie im Tausch gegen den Erlass von 10 Tagen Bau ihrem Regimentskommandeur ein Lied geschrieben hätten. Was ist dran an den Geschichten?
So ein Quatsch. Das hat mir der Herr auch mal geschrieben nachdem mein Buch raus gekommen war. Aber das ist absoluter Blödsinn. Es gab 'ne Platte, die war kurz vor meiner Armeezeit mit Thomas Lück aufgenommen worden: "So bist nur Du". Die hab ich ihm mal geschenkt. Dass bezog er aber direkt auf sich. In dem Brief nach dem Buch beschwerte er sich dann, dass ich die braven und ehrlichen Offiziere so runtergemacht habe. Mit Armee und sowas hab ich noch nie was am Hut gehabt. Damals schon gar nicht. Ich kam mit 23 zur Fahne und war gerade einigermaßen gut in meine Musikerkarriere gestartet. Ich hatte mit Fischer ein Quartett gegründet und wir waren gerade ganz gut bekannt geworden. Da kam die Armee. Noch dazu die Panzer und man erzählte uns gleich am ersten Abend, welche bösen Unfälle es da immer wieder gäbe - da war die Freude noch größer. Nee - Armee passt einfach nicht zu mir. Zu mir würde auch nicht passen, als Orchestermusiker im Orchester zu sitzen und nach des Dirigenten Taktstock zu tanzen. Aber Armee, das geht ja gar nicht. Und so hab ich mich da auch bewegt. Dafür kannte ich den Regimentsarrest mit 21 Tagen Bau sehr gut und wurde auch aus dem Bau entlassen. Ich musste da später noch mal hin, weil die Angaben im Versicherungsausweis nicht stimmten. Da haben mir die Leute am KdP schon erzählt, was ich da alles angestellt haben soll. Denen hab ich gesagt: "Wenn das alles stimmen würde, säße ich heute noch in Schwedt." Mann… was da immer los war…?! (lacht) Irgendwann hat mal ein so'n Lamettaträger zu mir gesagt: "Wissen sie was Lakomy? Irgendwann machen sie 'nen Fehler und dann bring ich sie nach Schwedt." Ich habe ihm geantwortet: "Vielen Dank, dass sie das jetzt mal gesagt haben, da werd ich jetzt mal ein bisschen besser aufpassen." Nachdem ich dann in drei Kompanien gewesen bin, die ich alle ein wenig durcheinandergebracht habe, bin ich im Stab, bei Hauptmann Zacke, gelandet. ZbV. "Kulturarbeit" - Hauptsache weit weg von der Truppe. Die hätten mich auch nach Hause schicken können… Ich galt als durchgeknallter Typ, der eh nur Ärger macht, also bin ich bei Hauptmann Zacke aus dem Verkehr gezogen worden. Der mochte mich wohl ein bisschen, ich machte ein bisschen Kultur und so kamen wir halbwegs klar. Ich hab dann auch mal ein großes Kulturprogramm gemacht für das Regiment und das dann nochmal für unsere sowjetischen Waffenbrüder. Die wohnten zwischen Burg und dem Panzerregiment, auf halbem Weg so zu sagen. Damals haben wir, meine Magdeburger Freunde von Jürgen Heiders Band, also Hans Albert Möwes, Heinz Hoffmann, Hans Harre, Dieter van Daak, ich weiss aber nicht mehr ob alle dabei waren, ein richtiges Programm zusammengestellt und dann da vorgeführt. Ich konnte nach Magdeburg, also aus der Kaserne, weil ich ja alles vorbereiten musste und dafür bekam der Regimenter ein 1A-Kulturprogramm. Aber diesen Bonzen ein Lied schreiben? Nee! Warum hätte ich das machen sollen? Vielleicht weil man mir am Ende noch meine privaten Bücher geklaut hat, darunter Geschenke von Leuten wie Biermann und so.
Sie kannten Biermann persönlich?
Ja, wir waren sogar mal Freunde. Aber die ganze Geschichte lässt sich bestens in meinem Buch "Es war doch nicht das letzte Mal" nachlesen. Das möchte ich gar nicht viel weiter ausführen. Das zerbrach schon zu DDR-Zeiten und was ich von dem Mann heute halte, das schreiben wir besser nicht ins Internet.
Reinhard Lakomy gilt als ausgesprochener Familienmensch. Jemand sagte mal, Sie seien so stolz auf ihre Tochter Hanna und würden sie so behüten - er bedauere einen künftigen Schwiegersohn schon heute.
Das hat sich etwas entspannt (lacht). Erstmal ist Hanna heute 25 und welcher 25jährige Mensch lässt sich von seinem Vater da etwas erzählen? Hanna jedenfalls nicht. Na klar macht man sich als Vater so seine Gedanken über die Personen, mit denen sich die Kinder umgeben. Aber im Grunde hätte ich nur in dem Fall große Bedenken, wenn das Menschen wären, die außer ihrem Weltbild nichts kennen und akzeptieren. Menschen, die sich nicht einordnen können und irgendwie intolerant und kulturlos sind. Ich hätte wohl auch ein Problem, wenn bei mir jemand reinspaziert, der sich sofort als Hausherr statt als Gast aufführt. Aber im Gegensatz zur Gesellschaft, wo das immer häufiger und an immer mehr Stellen üblich zu werden scheint, hab ich die Hoffnung, dass das in der Familie viel besser läuft.
Hat Reinhard Lakomy heute Hobbys?
Andere haben einen Porsche oder einen Ferrari. Na und? Ich brauch sowas nicht und würde mir so eine unbequeme Kiste nicht kaufen, selbst wenn ich das Geld dafür hätte. Aber ich würde mir Gedanken machen, wie ich da schnellstens dazu käme, wenn ich einen haben wollte. Weil auf 'nen neuen Ferrari muss man ja mehr als ein paar Tage warten. Ich segele dafür. Ich hab ein Boot auf der Müritz. Kein so 'n Riesenschiff, dass ich nicht mehr allein segeln oder anlegen kann, aber eben so ein schönes kleines Segelboot. Da finde ich meinen Ausgleich. Ich genieße das. Ich denke, dass man auch leben und genießen muss, wenn man arbeitet. Und das solange man das noch kann. Weil irgendwann das Leben mal vorbei ist und dann fragt man sich - war's das jetzt? Ich bin überzeugter Atheist und für mich gibt es nur dieses Leben. Klar also, dass man es auch nutzen sollte. Ich sag das gerade auch meiner Frau, die einfach nicht nein sagen kann und in unglaublich vielen Vereinen und Gremien mitmischt. Das geht soweit, dass sie zu unseren eigenen Sachen, wie dem Spielbuch zu unserem neuen Programm, kaum noch kommt. Aber das kenn ich ja von mir selbst aus der Zeit im Komponistenverband.
Kribbelt es in den Fingern? Kommt nochmal was Neues außerhalb der Geschichtenlieder? Jazz oder der ganz alte Lacky?
Ich mache ja immer mal aus Spaß ein paar Sachen. Zwei- oder dreimal im Jahr gehe ich mit der Jonathan Blues Band auf die Bühne. Da machen wir so richtig dreckigen Blues. So richtig mit Orgel und so. Das pfeffert richtig ab und die Jungs sind schwer in Ordnung. Das macht sehr viel Spaß, aber öfter brauch ich das nicht. Jetzt macht ja Klaus Lenz 'ne neue Big Band, da werde ich vielleicht auch mal ein Gastkonzert spielen, wenn sich die Termine nicht gerade alle überschneiden. Denn das Wichtigste bleiben unsere eigenen Programme. Und das reicht mir so auch. Was ich nicht brauche, das ist 'ne richtige große Band. Deshalb hab ich auch viel mit 'ner Workstation gearbeitet und tue das heute noch. Bis das, was man mit ner Band spielt, so klingt wie man sich das vorstellt, da gehört viel dazu. Und dann musst du mit einer Band ja auch wieder mehr spielen. Zudem hat in einer Band der die Vorstellungen, der diese Macken und der jene Probleme. Da kann der mal nicht, dann wird jener krank. Nee. Ich brauche keine Musiker, die mir das Leben schwer machen. Und überdies, mein Sohn hat mir mal gesagt: "Vater, die Leute kommen zu Lakomy, nicht zu irgendeinem Schlagzeuger oder so." Natürlich ist es immer etwas besonderes mit einer guten Band. Es ist eben live und unvorhersehbar. Aber bis man das alles richtig gut drauf hat… Da ist's mit meinem Kasten viel leichter. Da kommt genau der Sound raus, den ich mir vorstelle und zwar immer, wenn ich das will. Vorher hab ich allerdings jeden Ton, jedes Instrument selbst eingespielt. Da ist nichts Vorprogrammiertes bei. Der Sequenzer gibt dann das wieder, was ich vorher da eingespielt habe. Überdies kann meine alte Workstation noch gar nicht die modernen vorprogrammierten Instrumente und Sequenzen einlesen. Die ist einfach zu alt dafür. Die versteht das nicht.
Sie haben den Traumzauberbaum und viele andere grandiose Geschichtenlieder geschrieben. In wie weit sind Sie selbst ein Träumer? Muss man das sein?
Was heißt Träumer? Träumer sind für mich Leute, die sich außerhalb der Realität bewegen, Irrealem nachjagen oder darauf warten, dass was von allein geschieht. Natürlich hat man Träume. Aber was die Geschichtenlieder angeht, da ist weniger Träumerei als eine Mischung aus Fantasie und sachliche Inhalte. Und im Leben bin ich eigentlich eher kein Träumer und auch nie einer gewesen. Ich hab viel mehr, wenn ich etwas wollte, immer versucht, das real zu erreichen. Dazu hab ich mir richtig Gedanken gemacht und bin eine Lösung angegangen. Wenn ich der beste Jazzer der Welt werden wollte, hab ich geübt wie Sau und nicht nur davon geträumt. Ich hab gehört, gelesen - ich lese überhaupt sehr viel, sowohl normale Bücher als auch Musik, ich habe jede Menge Partituren und so - wie haben die großen Alten das gemacht, und danach geübt, geübt und wieder geübt. Zu warten, dass Stevie Wonder kommt und sagt: "Komm Lacky , lass uns mal was machen und ich zeig dir mal was", oder dass Spielberg sagt: "Los Lakomy, schreib mir jetzt mal ne Filmmusik", sowas ist doch nicht realistisch. Das zu glauben ist für mich Träumerei.
Da zwingt sich geradezu die Frage auf: Gibt es jemanden, mit dem Sie mal arbeiten möchten? Einen Traumpartner sozusagen?
Zunächst hab ich schon mit ein paar der ganz großen Leute gespielt. In Buffalo mit Jonny Griffin, in Ungarn mit John Surmann, in Warschau mit Dizzy Gillespie und mit 16 hab ich mal einen Titel mit Louis Armstrong zusammen gespielt. Und dabei hab ich gemerkt, dass das, was ich kann, auch denen reicht. Insofern hab ich da gar nicht so jemanden, mit dem ich nun unbedingt spielen will. Mir reichen meine Frauen und unser Programm. Damit bin ich, gerade wenn die Vorstellungen gut gelaufen sind, schon ganz zufrieden und dann feu' ich mich auch wieder auf die nächste Aufführung. Manchmal sage ich, im Prinzip müssen wir uns ja fast schämen, dass was wir machen als Arbeit zu bezeichnen, weil das sooo einen Spaß macht... Zudem wohnen wir in schönen Hotels und auch ansonsten ist das alles Klasse. Aber schon die Fahrerei kreuz und quer durchs Land kann schon mal Stress bringen. Und ich fahr ja das meiste allein. Dann hab ich die ganzen finanziellen Dinge zu klären. Und am Ende machen wir dann ja noch Musik. Und das macht wie gesagt viel Spaß. Und wenn ich Zeit und Lust finde, dann sitze ich an neuen Ideen und probiere hier was, höre da mal rein und überleg mir da was. Weil noch lange nicht alle Geschichten erzählt sind, die man sich so vorstellen kann, die wir erzählen möchten.
Ich wünsche Ihnen und Ihrem Team viel Spaß bei Ihren Auftritten, volle Säle und viele leuchtende Kinderaugen. Ich freue mich auf weitere Geschichtenlieder, die Reinhard Lakomy und Monika Ehrhardt noch schreiben werden und die eine oder andere Überraschung, für die Lacky wohl immer gut sein wird, und bedanke mich ganz herzlich für das Gespräch.
Ich danke auch
Interview: Fred Heiduk (07/2009)
Bearbeitung: mb, cr
Fotos: Reinhard Lakomy privat, Patti Heidrich, Herbert Schulze
Bearbeitung: mb, cr
Fotos: Reinhard Lakomy privat, Patti Heidrich, Herbert Schulze