Bisher las man den Namen des Gitarristen und Sängers Mike Seeber (35) hier auf Deutsche Mugge lediglich als Gastmusiker bei Konzerten von Monokel-Kraftblues und auf den Line-up-Listen diverser Festivalposter. Für viele Musikfreunde ist er sicher noch eine Art Geheimtipp, für einige Tausend andere Fans ist er aber schon seit längerem einer der spektakulärsten Live-Acts, die es hierzulande zu erleben gibt. Dabei spielte er schon mehrmals mit internationalen Größen wie Randy Hansen, Bugs Henderson und Lance Lopez zusammen. Das noch junge Jahr 2012 stellt Mike Seeber unter das Motto ECHTZEIT. Wir wollten wissen, was es damit auf sich hat und trafen ihn in Berlin - an einem der wenigen freien Tage zwischen seinen Aufnahme-Sessions im Studio von Rainer Oleak, einem kleinen Club-Konzert in Berlin-Mitte und seinem Auftritt bei der großen "Lello 65"-Geburtstags-Blues- und Rockparty im brandenburgischen Protzen ...
Mike, Du machst seit Deiner Kindheit Musik. Wer hat Dich dazu gebracht, was waren die wichtigsten Stationen und welche Musik hat Dich beeinflusst?
Der wesentliche Einfluss kam auf jeden Fall von meinem Vater. Der spielt auch Gitarre und hat mich frühzeitig an dieses Instrument herangeführt. Ich war damals noch sehr, sehr jung und konnte das vergleichsweise riesige Instrument noch gar nicht richtig halten oder gar spielen. Aber ich habe es immer wieder und immer weiter probiert. Musikalisch wurde ich vor allem beeinflusst von den Platten, die mein Vater hörte. Das war Musik von Jimi Hendrix, von Stevie Ray Vaughan, Johnny Winter und ZZ Top. Aber auch die ostdeutschen Gitarristen Hansi Biebl und Jürgen Kerth hatten es mir angetan. "Gloriosa" von Jürgen Kerth ist für mich bis heute ein absolutes Meisterwerk - das mich damals oft hat verzweifeln lassen, weil ich es nicht nachspielen konnte.
Später wurden dann auch Bands und Musiker wie Rory Gallagher, Cream und Gary Moore zu meinen Helden und im deutschen Blueslager sind das bis heute Engerling, Jonathan Blues Band mit Peter Pabst und selbstverständlich Monokel. Ich war ja noch nicht mal ein richtiger Jugendlicher und hörte schon Musik, für die ich noch zu jung war - so sehe ich das zumindest heute, wenn ich zurückblicke. Als ich dann etwa 14 Jahre alt war, kamen dann auch mehr Rockmusik und moderne Sachen dazu.
Dein Vater hat Dich als Kind mit zu Auftritten seiner Band genommen. Als Jugendlicher hast Du in einer Band Tanzmusik gespielt, später sogar Heavy Metal, jetzt bist Du seit einigen Jahren im Bluesrock unterwegs.
Ich habe schon immer den Blues-Style gespielt, auch in den Partykapellen oder bei den Rockbands. Da ja fast alle Pop- und Rockmusik vom Blues kommt, ist es mir nie schwer gefallen, mich den jeweiligen Bands anzupassen. Aber letztendlich war es dann doch immer etwas zuviel Blues für die Kollegen. (lacht)
In der Bluesszene wurdest Du unter dem Namen "Texas Mike" bekannt. Eine Reminiszenz an Deine texanischen Vorbilder?
Ja, Texas Mike, das waren zehn gute Jahre ,mit Hut' - und mit allem was dazu gehört. In dieser Zeit hat sich mein Stil immer weiterentwickelt und sich mehr und mehr als mein eigener Stil ausgeprägt. Wir haben viel gespielt, und ich habe echt viel lernen können. Über die Musik, über das Business und über das Leben - und natürlich auch über den Blues. Die Texas-Mike-Band war sehr wichtig für mich.
Das Jahr 2011 stand bei Dir unter dem Motto "Back From Texas". Bedeutete das für Dich zurückzukehren und anzukommen?
Ja, ich habe gemerkt, dass sich für mich etwas ändern musste - für mich als Künstler und als Mensch. Natürlich hat das alles viel mit der Musik zu tun, die ich in all den Jahren gespielt habe. Es war an der Zeit, etwas Neues zu unternehmen. "Texas" war mir zu wenig und zu anonym, zu unpersönlich. Das hatte plötzlich nicht mehr so viel mit mir selbst zu tun. Oft bin ich ja sogar für einen Amerikaner gehalten worden. Das war zwar manchmal amüsant, aber in Wirklichkeit bin ich ja einer von hier. Ich lebe in einer Kleinstadt, gehe in der Woche arbeiten. In meiner Freizeit spiele ich Musik, die sehr ehrlich ist - es gibt sehr viele Parallelen zu meinen Helden in Übersee - aber deshalb muss ich mich nicht länger "Texas" nennen. Ich weiß inzwischen, dass man nicht in den USA leben muss, um diese Musik zu verstehen. Dieses Bluesfeeling kannst Du überall haben, in Austin wie in Aschersleben - und speziell auch im Osten Deutschlands. Der hat ja sowieso eine sehr verwurzelte und verzweigte Bluestradition, in die ich hineingewachsen bin.
Dein Motto in diesem Jahr ist ECHTZEIT - das klingt forsch, worum geht es?
Das bedeutet: ich bin seit einiger Zeit sehr bewusst im Jetzt, ich schaue zurück und schaue nach vorn. Es war ja nicht so, dass ich vorher irgendwie in der Vergangenheit oder in der Zukunft gelebt hätte, aber in den letzten Monaten sind mir ein paar wichtige Dinge des Lebens und natürlich meiner Musik klar geworden, die mir vorher nicht so bewusst waren, die ich nicht so deutlich gesehen habe. Ich habe gemerkt, dass es "echt höchste Zeit" war, lang gehegte Vorstellungen und damit natürlich auch mich selbst als Musiker zu verwirklichen.
Welche Vorstellungen zum Beispiel?
Endlich ein eigenes Album zu machen. Ja, das ist dabei eine der wichtigsten Vorstellungen. Klar, den Wunsch, ein eigenes Album aufzunehmen, hat sicher jeder Musiker, der seine Kunst mit Leidenschaft und Ernsthaftigkeit praktiziert. Ich war aber nie nur Musiker. Ich hatte und habe immer noch eine normale bürgerliche Arbeit, stehe aber trotzdem seit ich 15 Jahre alt war, also seit über 20 Jahren, regelmäßig auf der Bühne. Ich denke, da ist es legitim und wohl wirklich höchste Zeit, all die vielen musikalischen Erfahrungen zusammenzufassen und auf einen Tonträger zu bringen.
Das Album nimmt in diesen Tagen eine reale Gestalt an, Du warst gerade eine Woche im Tonstudio bei Rainer Oleak. Oleak ist für seine Filmmusiken und seine orchestralen Arrangements bekannt, aber auch für Namen wie Puhdys, Karat, Silly und seit Neuestem auch Rockhaus. Warum Rainer Oleak?
Sound - es geht um meinen speziellen Sound, um die Feinheiten in der eigentlich sehr rauen Musik, die ich spiele. Rainer Oleak hat die übergreifenden Erfahrungen und genau die technischen Möglichkeiten, um ein Gitarrenalbum so aufzunehmen, wie ich es mir wünsche. Genauso wichtig ist mir die Mitarbeit meiner Freunde Bernd Römer und Bernd "Kuhle" Kühnert als Produzenten. Sie gehören zu der Generation, die ich als meine musikalischen Eltern bezeichnen würde.
Bernd Römer, Karat, und Kuhle Kühnert, Monokel - beide sind Rock-Gitarristen aber doch Vertreter unterschiedlicher Lager.
Ich möchte ein echtes Bluesrock-Album machen. Bernd Römer ist für den virtuos gespielten Rock zuständig, Kuhle für das Bluesfeeling, das Echte und das Deftige. Und Rainer Oleak wird das alles klanglich auf den Punkt bringen. Rainer ist ein Soundgourmet und hat mich vom ersten Gespräch an verstanden und respektiert. Hinter mir liegt gerade eine sehr intensive und anstrengende aber vor allem sehr erfüllte und erfüllende Woche. Ich weiß, dass ich mit diesem Team auf dem für mich richtigen Weg bin - und damit hoffentlich auch auf dem richtigen Weg zum Publikum. Die Platte soll für die Fans härterer Gangarten genauso interessant sein wie für die Freunde ausgetüftelter Arrangements und feiner Nuancen.
Woher kommen die Songs?
Ja, das ist eine gute Frage - und es ist aber auch ein bisschen das Besondere, was diese Platte ausmachen wird. Die Songs haben viel mit mir und meiner Geschichte zu tun. Es sind die Stücke aus der Vergangenheit, von denen ich etwas gelernt habe und die mir aus der Seele sprechen. Songs von meinen Helden, Idolen und Meistern aus meiner ostdeutschen Jugendzeit. Es ist echter Blues mit echten deutschen Texten. Ich habe wirklich sehr lange überlegt, was ich auf dieses, mein erstes Album bringen soll, womit ich beginnen soll. Ich bin zu dem Ergebnis gekommen, dass ich zunächst einen klaren Punkt in meinem Leben als Musiker setzen möchte. Das heißt, zunächst das auf einer CD verewigen, was mich bis hierher gebracht hat - und das waren im Wesentlichen die ostdeutsche Bluesszene und der amerikanische Stil. Und genau das wird es auf der Platte zu hören geben. Mehr möchte ich jetzt aber noch nicht verraten.
Wann wird die Platte erscheinen?
Wir reden ja über das Thema ECHTZEIT. Das heißt auch, dass wir uns eine gewisse Zeit lassen. Und es wird auch noch einige Zeit brauchen. Die Sessions verliefen wahrhaft in Echtzeit, jetzt wird das Mixen echt viel Zeit brauchen, und zwischendurch geben wir ein paar echte Konzerte, in denen wir schon einiges von der Platte vorstellen. Zum Glück haben wir keine Deadline, keinen Druck von einer Plattenfirma oder so etwas. Ich sehe das einerseits sehr konzentriert, bin aber auch relativ gelassen. Na ja, und im Studio, das war eine echt gute Zeit. Es ist wirklich ein gutes Gefühl, mit so vielen "Vätern" im Studio zu sitzen und dabei auch noch eine Menge Spaß zu haben. Da kann es auch ruhig noch etwas länger dauern.
Interview: Thorsten Murr
Bearbeitung: cr
Fotos: Thorsten Murr
Impressionen:
Momentaufnahmen aus dem Studio und von der Bühne