Jürgen Karney
Dem DDR-Fernsehpublikum ist Jürgen Karney bestens bekannt. Was Dieter Thomas Heck im bundesdeutschen TV mit seiner "Hitparade" war, war Karney im DFF mit BONG. Doch die Sendung war mehr als nur ein Vorstellen von Musikern und ihren neusten Liedern und schon gar kein Abziehbild der "ZDF Hitparade" - im Gegenteil! Karney und sein Team kreierten mit BONG ein ganz eigenes Format. Auch hier wurden Preise für den Bestplatzierten verteilt, aber BONG hatte mehr zu bieten. Mit technischen Raffinessen und aufwendigen Dreharbeiten wurde die wöchentliche Sendung produziert und jeweils donnerstags ausgestrahlt. Künstler traten im Studio auf, es wurden Videoclips gespielt, eigene kleine Filmchen wurden gezeigt... Ein buntes Programm für eine bunte Zeit. Der Zuschauer wurde an die Hand genommen und aktiv mit eingebunden, was beim Publikum natürlich sehr gut ankam. Bis zur Wende war Karney nicht nur Kopf und Seele der Sendung, sondern war daraus auch nicht wegzudenken. Ohne Karney wäre BONG undenkbar gewesen... Nach der Wende war Karney zwar weniger im TV zu sehen, aber längst nicht weg aus der Musiklandschaft. Sein Betätigungsfeld war nun u.a. das Radio. Aufbauhilfe für den Sender hier, Einbringen neuer Ideen dort und immer wieder selbst am Mikrofon sitzend und Sendungen gestaltend, arbeitete der Moderator mit viel Spaß und Hingabe an seinen abwechslungsreichen Jobs. Aber auch als Moderator, z.B. im "IFA-Sommergarten" mit Inka Bause im Rahmen der Berliner Funkausstellung, war er immer wieder auf der Bühne mit dem Mikro in der Hand zu erleben. Und heute? Dass man als ehemaliger DJ und späterer TV- und Radiomoderator auch Ausflüge in andere künstlerische Abenteuer machen kann, beweist der 58-jährige seit diesem Monat mit dem Familienmusical BENNET. Karney ist Produzent dieses Musicals und bringt sich dort voll und ganz ein. Am 5. Februar hatte das Programm in Berlin Premiere. Grund genug, sich mit Jürgen über das Musical, aber auch über seine bisherige Karriere zu unterhalten...
Am 5. Februar feierte Dein Musical Premiere. Es handelt sich dabei um ein "Umweltmusical für die ganze Familie". Bitte erzähle uns doch etwas über das Musical - wie heißt es und worum geht es da genau?
Vor zwei Jahren habe ich für RADIO TEDDY ein Kindermusical produziert. Dabei habe ich eng mit dem Regisseur und Autor Lothar Tarelkin zusammengearbeitet. Er gab den Anstoß zu diesem ersten Umweltmusical für die ganze Familie. Diesmal sind alle Songs extra für das Stück geschrieben worden, es gibt einen großen musikalischen Bogen und eine spannende Geschichte. Unser BENNET ist ein cooler und sympatischer Junge, den werden die Kinder sehr mögen, und seine Songs hoffentlich alle singen. Im Mittelpunkt der Story steht der Junge BENNET, der die Natur im Einklang mit den Menschen und Tieren erlebt -froh, glücklich, unbeschwert spielt er mit seinen Freunden im Wald. Bis eines Tages plötzlich, unerwartet, unfassbar, das schreckliche Heulen und kreischen von Baumsägen hereinbricht - Ein General mit seiner Armee treibt in unmittelbarer Nähe bereits sein böses, vernichtendes Unwesen - Im Auftrage Raffaela Raffzahns… Aber am Ende werden BENNET und seine Freunde über das Böse siegen! Es ist eine Geschichte über Freundschaft, Zusammenhalt und gemeinsame Ziele. Dazu diese mitreißende Musik von Michael Seidel und Rainer Oleak, zwei sehr erfahrene Komponisten - es ist mein Dreamteam.
Ich habe gelesen, dass an dem Musical auch ganz viele prominente Leute aus Musik und Fernsehen dabei mithelfen. Wer hilft Dir, und wer unterstützt Dich da genau?
Wir produzierten das Album mit und bei Rainer Oleak, der - wie gesagt - gemeinsam mit Michael Seidel auch die Songs geschrieben hat. Viele "alte" und neue Freunde sind dabei z.B. Mike Kilian, der einen Song singt, oder Frank Zander in der Gesangsrolle des Generals Tornado. Dann spielen u.a. auch Günther Fischer und Uwe Hassbecker von SILLY mit.
Und wer wirkt bei dem Musical auf der Bühne mit?
Die Premiere hat gezeigt, dass wir auf den Punkt genau besetzt haben - Neben Bennet, der von dem 18-jährigen Fabian Winkelmann gespielt wird, spielen erfahre Schauspieler/Sänger mit. U.a. Mario Rühl vom SCHAUORCHESTER UNGELENK - ein Kracher als Hase Pudding-Maik - oder Carmen Hatschi als Katze Fräulein Dumont. Sie ist sensationell, weil Sie eine Klasse Sängerin ist und toll spielen kann. Die beiden bösen Rollen spielen Monika Disse und Jens Wassermann, die in vielen Kinderproduktionen auch im Friedrichstadt-Palast mitgewirkt haben. Wir sind sehr stolz auf unsere Ballett- und Spiel Company. Unter der Leitung von Tinka Tarelkin spielen 8 Tänzerinnen viele unterschiedliche Rollen und tanzen... das ist ein absolutes Alleinstellungsmerkmal gegenüber unseren Wettbewerbern.
Nun kennen Dich viele als Radio- und Fernsehmoderator. Wie kommt jemand aus dem "Fachbereich" dazu, ein Muscial zu schreiben?
Ich bin "nur" der Produzent - die Idee und das Buch kommen von Lothar Tarelkin. Einem erfahrenen Schauspieler, Dramaturg und Regisseur.
Es ist in der Vergangenheit nicht selten vorgekommen, dass Musik und Programme für Kinder eher peinlich oder oberlehrerhaft, und überhaupt nicht "sachdienlich" waren - ich denke da speziell an Rolf Zuckowski. Was hast Du dafür getan, dass das bei Deinem Programm nicht der Fall sein wird? Was wird bei Dir anders sein?
Bloß nicht! Ganz entspannt eine vielseitige, bunte und abwechslungsreiche Inszenierung. Wir wollen die Kinder, Eltern und Lehrer für das Thema sensibilisieren. Das machen wir ohne erhobenen Zeigefinder, denn es ist ein Musical mit toller Musik, Gesang, Tanz. Bei aller Ernsthaftigkeit des Themas wird es sehr viel Spaß und Kurzweil geben - für Kinder und auch für Eltern. Denoch geben wir auch Denkanstöße. Unsere Welt soll ja schön und lebenswert bleiben. Kinder sind übrigens für diese Gedanken sehr offen. Wir haben in den Vorstellungen bis jetzt ungeteilte Aufmerksamkeit bis zum Schluss erlebt.
Stimmt es, dass Du eigens für dieses Musical eine GmbH gegründet hast? Welche Idee steckt dahinter?
GmbH & Co. KG um genau zu sein - da wir ein kommerzielles Unternehmen sind, muss alles seine Ordnung haben, auch für den Fall, dass es schief geht. Aber ich plane den Erfolg...
Die Premiere fand in Berlin statt. Wo genau wird das Musical nach der Premiere überall zu sehen sein?
Premiere war am 5. Februar 2012 in Berlin im ESTREL Festival Center. Bernhard Kurz, der Produzemt von "stars in concert", den ich sehr lange kenne, unterstützt uns nach Kräften. Wir spielen an den Februar-Wochenenden dort. Anschließend werden wir durch ganz Deutschland auf Tour gehen und in Theatern spielen. Ganz wichtig, wir bieten das Stück für Schulen an. Innerhalb von Projekttagen können wir auftreten, dazu entwickeln wir unterrrichtsbegleitendes Material.
Sprechen wir mal über Dich und Deine Karriere. Ich habe gelesen, dass Du als Discjockey angefangen hast. Wie bist Du zur Musik gekommen, oder kam die Musik zu Dir?
Teenager und Musik, das ist doch die Mischung des Aufbruchs ins Leben, oder? Ich hatte Freunde, die mehr auf der intellektuellen Schiene die Beatles hörten - ich mit ihnen. Aber ich hatte auch Freunde, die mich mehr in Richtung Rock'n Roll, THE ROLLING STONES, THE KINKS, BLACK SABBATH drängten - ich habe alles geliebt und liebe es noch heute, viele verschieden Musikrichtungen zu hören - je nach Lust und Stimmung.
Kannst Du Dich noch an Deinen ersten Auftritt als "Schallplattenunterhalter" erinnern?
Und ob. Das war im Café unter'm Fernsehturm in Berlin irgendwann 1972. Ich habe es genossen, in der Hand zu haben, was läuft und was nicht. Irgendwie hatte ich immer ein gutes Händchen, und wir waren mit disco
2000 eine der Top Wanderdiskotheken.
In der DDR war es meines Wissens nach nicht jedem möglich, als DJ zu arbeiten. Gab es da auch eine Einstufung wie bei den Musikern? Wenn ja: wie war Deine?
Es war sehr wohl möglich. Es stimmt, man musste seine "Pappe" machen. Das heißt, Du musstest bei einer Veranstaltung, die als Prüfung galt, nachweisen, dass Du mit Menschen umgehen kannst, und ein paar Sätze geraderaus sprechen kannst. Ich war ein Jahr lang Amateur und habe dann meine Profi-Pappe gemacht.
Gab es bei Dir andere berufliche Alternativen? Hast Du z.B. eine Berufsausbildung oder Studium
gemacht?
Ich habe gleich nach der damals üblichen Oberschule eine Lehre als - Achtung, jetzt kommt's - Facharbeiter für Nachrichtentechnik, Spezialisierung Ton gemacht. Das heißt, ich hätte beim Fernsehen, wo ich gelernt habe, bleiben können - aber der Rock'n Roll war stärker. Ich habe das beendet und bin dann als DJ und Moderator los gezogen.
Wie bist Du dann wieder zum Fernsehen gekommen?
Erst Radio, dann Fernsehen. Ich war bei einem Casting, wo lauter junge Menschen als Conférencier (!!!) - ein Begriff der damals schon unmodern war - auftraten. Nur ich nicht! Ich habe mich einfach auf die Bühne gestellt und "stand up" gearbeitet. Einem hat's gefallen, das war der Unterhaltungschef des DDR Fensehens. Schwein gehabt, und ab ins Abendprogramm. Eine schreckliche, sogenannte "Jugendsendung" beim 2. Programm des DDR-Fernsehens. Zwei andere Moderatoren führten die Gespräche, ich war für die Musikmoderation zuständig.
Im Jahre 1983 ging's dann mit der Sendung BONG los. Ein sehr erfolgreiches Format, das in etwa mit der ZDF-Hitparade vergleichbar ist. Wie ist die Sendung entstanden und wie kam es dazu, dass Du Moderator dieser Sendung wurdest? Nach einem Jahr Jugendfernsehen bekam ich das Angebot, gemeinsam mit einem Team eine neue Hitparade zu entwickeln, die ich auch moderieren soll. Das wurde dann BONG und ein Hit. BONG war die Plattform, von der aus ich alles aufgebaut habe, was mir noch heute hilft.
Viele Künstler wurden durch BONG erst berühmt und erfolgreich. Ab welchem Moment hast Du gemerkt, welchen Einfluss die Sendung und Du auf die DDR-Musikszene haben?
Von der zweiten Sendung an. Die erste war ein Pilot, den wir dann gesendet haben. Und dann standen viele Schlange und haben nicht verstanden, dass wir unser Konzept moderner und zeitgemäßer zu sein, durchgezogen haben. Aus dieser Zeit habe ich noch heute Leute, die mir das nachtragen, dass wir sie nicht reingenommen haben. Das war die Zeit der NDW-Mensch. Wir wollten einfach weg vom Schlager, es gab neben Rockmusik nun auch etwas , was sich Pop nannte und eine ganze Generation ansprach. Das wollten wir konsequent durchhalten. Sowohl mit neuen Künstlern und in der Art der Präsentation. Denn BONG war ja nicht nur eine andere, neue Art der Moderation - anders als im DDR Fernsehen üblich... Es war ja auch eine völlig neue Präsentationsform von Musik. Angelehnt an die Videokultur, die damals entstand. Und es gab zeitgleich mit uns im Westen Sendungen wie z.B. "Formel Eins" und die " Plattenküche". Wir waren ehrgeizig und wollten uns mit dem "Westfernsehen" messen. Das war eine irre Zeit! Ich bin sehr dankbar, dass ich das erlebt habe.
Weißt Du noch, wen BONG alles hat groß werden lassen, und sprechen Dich die Musiker da heute möglicherweise sogar noch drauf an?
Hey, Inka Bause... Sie hatte ihren ersten TV Auftritt bei uns. Ein Teenager und so beliebt. Wir sind noch heute allerbeste Freunde. Die Prinzen, damals noch als HERZBUBEN, JESSICA, AMOR UND DIE KIDS, JUCKREIZ, WOLFGANG LIPPERT, damals noch LIPPI mit "Erna kommt". Aber auch die etablierten waren frisch und kreativ bei uns. KARAT mit "Jede Stunde", die Puhdys mit der "Rockerente" - die hatten wir damals auf alt geschminkt. Also so, wie sie heute aussehen...
Wie wurden die "Neuvorstellungen" damals ausgewählt. Es gab in der DDR-Musikszene doch sicher immer weit mehr als nur die damals vorgestellten fünf neuen Songs, oder?
Einmal im Monat kam alles auf den Teller und das komplette Team hat die Vorschläge unserer Musikredakteurin angehört und abgestimmt. Das waren die Produktionen vom Rundfunk, der Platte (AMIGA) und des Fernsehens - die haben damals auch Musik produziert. Hin und wieder kam etwas aus den Auftragsproduktionen dazu. Das waren Songs, die bei Martin Schreier im Stern Meißen-Studio, bei Harry Jeske oder Burghard Lasch entstanden waren. Wir haben immer im Team entschieden, so konnte niemand lancieren - das glauben mir heute einige Leute immer noch nicht, war aber so. Zwei mal in all den Jahren hatten es zwei etablierte Künstler durch "Druck" von oben in BONG geschafft - das Publikum hatte dann nach der ersten Vorstellung anders entschieden.
Gab es Musik, die in die Sendung BONG nicht passte und deshalb immer außen vor blieb?
Wir wollten den Zeitgeist bedienen - ich kam so zusagen von der Basis als DJ, ich wusste, was ankam und wie man es "verkaufen" musste. Viele Bands und SängerInnen wussten das auch. Wir waren Komplizen, die sich verstanden und einfach ein bisschen Rock'n Roll-Revolution machen wollten - andere Kollegen hielten an Traditionen fest, an ihren erfolgreichen Modellen. Die wurden getragen durch andere Sendungen. Heinz Quermann war da der Fels für Traditionen. Er hatte unzählige Künstler entdeckt und gefördert, die fanden uns pubertär und gaben uns keine lange Zeit - absolut legitim aus deren Sicht, aber es gab wie immer Raum für alle Geschmäcker.
Im Jahre 1989 lief dann die letzte Sendung BONG. Warum ging's damit nicht weiter? War die Sendung ein "Opfer" der Wende?
Ich bin der Typ, der Neues beginnt und wenn es wirklich läuft und ich dem nichts Spannendes mehr abgewinnen kann, dann Schluss mache. Ist so! Ich bin bis zu Adameck bestellt worden, weil ich angekündigt hatte auszusteigen und was Neues machen zu wollen. Das wurde dann auch akzeptiert. Wir haben dann die 75. Sendung in Gera so gigantisch (für unsere Verhältnisse), so emotional abgefeiert, da ging dann nichts mehr. Außerdem gab auch die Musik keine wirklichen Innovationen mehr her. Die "Aufständischen" der Popszene hatten sich etabliert und wurden blass - ich auch.
Ihr habt in BONG knapp 6 Jahre lang den Preis "Silberner bong" verliehen. Gibt's von den Preisen noch irgendwo welche im Archiv, oder sind die alle an den Mann/Frau gebracht worden?
Es gab da eine kleine PGH, die haben uns die Dinger aus Alu gedreht, immer frisch rein, dann Namen eingraviert, verliehen und weg. Ich habe noch einen, mit meinem Namen drauf. Die einzige Erinnerung, denn all die Kassetten mit den Sendungen habe ich mir nie angesehen.
Glaubst Du, dass ein solches Format wie BONG heute noch eine Chance im Fernsehen hätte? Immerhin gibt es nicht wenige Stimmen die sagen, es fehlen solche Formate und ein ausgewogeneres Musikprogramm im Fernsehen...
Das würde sich sicher sooo nicht halten. Das Fernsehverhalten hat sich entwickelt, da müsste man über die Zutaten nachdenken und sich fragen, wen interessiert es, ob dieser oder jener auf Platz eins gelandet oder rausgeflogen ist... bedenklich.
Was viele vielleicht nicht mehr wissen ist, dass Du neben Fernseh-Shows ab 1984 auch Radiosendungen gemacht hast. War der Rundfunk damals daran interessiert, dass Du auch dort Programme präsentierst, oder war das Deine Idee?
Ich hatte ja in der Jugendradaktion von Stimme der DDR schon lange vor der Fernsehkarriere als freier Mitarbeiter gearbeitet. "Die Beatkiste" war mein Ding, da habe ich neben Wölfi Martin und anderen für West- + Ost-Rock im DDR Himmel gesorgt. Später, als ich im TV "on the Top" war, da dachte ich mir: zurück zu den Wurzeln, "Disco on air" - mein Traum schon immer. Da bin ich zum damaligen Intendant des Berliner Rundfunk und habe ihn gefragt, ob es ein Plätzchen für coole Musik gibt. Das wurde dann "Jürgens Radioshow" - ein Traum wurde wahr. Ich konnte spielen, was ich wollte und ich sagte mir, "Gregor Rottschalk, Nero Brandenburg: Ich komme!"
Ich habe gelesen, dass Du Anfang der 90er Jahre zu den Privatradio-Pionieren gehört hast. Stimmt das? Wie ging's für Dich überhaupt nach der Wende beruflich weiter?
Das ist das Thema Berliner Rundfunk 1991. Der wurde, wie alle DDR Medien, laut Einigungsvertrag abgewickelt. Da ich dort ein- und ausging, erlebte ich die Ratlosigkeit und z.T. auch Verzweiflung bei den Mitarbeitern. Ich war als Freiberufler Veränderungen gegenüber schon immer offen eingestellt und total pragmatisch. Es war wie es war - also ich wieder zum Direktor. Da, wo früher der Intendant gesessen hatte, saß nun Jürgen Itzfeld, ein SPD-Mann mit Medien Erfahrung und vielen Kontakten nach Westdeutschland. Wir beide sind ein knappes Jahr lang mit der Idee, den Berliner Rundfunk als Privatsender weiter zu führen, in die Welt gezogen. Am Ende hat der BRF 91,4 14 Tage vor seinem Ende eine Lizenz als Privatsender bekommen. Hochspannende Zeit, dramatisch, emotional beängstigend. Denn 180 Mitarbeiter sahen sich abgesichert und wollten weiter funken, aber das wirtschaftliche Konzept erlaubte nur 50 Mitarbeiter... das war schrecklich. Ich bin dann bis 1995 beim BRF 91,4 als Morningshow Host und PD gewesen.
Diverse Radiostationen und auch der mdr waren im Laufe der Zeit Deine Arbeitgeber. Wenn Du heute so auf Deine TV- und Radiokarriere zurückblickst, was sind da die schönsten Erinnerungen?
Erfolgreich sein ist mega-geil. Dazu gehören immer auch Niederlagen, kleine und große Siege, wieder Verluste - alles hat mich geprägt und ich lerne jeden Tag dazu. Das ist das schönste an den Dingen die ich getan habe, dass es viele Menschen gibt, die positive Erinnerungen an das haben, an dem ich beteiligt war. Das sind Rezipienten und Kollegen. Es gibt da einige Kollegen, die wissen wahrscheinlich gar nicht, wie sehr es mich berührt hat, wenn Sie mir erzählen, dass sie ohne mich nicht beim Radio wären oder dort, wo sie ihren Platz in der Branche gefunden haben. Das ist es wert.
Gibt's auch Erlebnisse, an die Du nicht so gerne zurückdenkst?
Klar, ich stelle mich auch schwierigen Situationen, aber wenn es von hinten in den Rücken geht, dann werden unangenehme Gefühle wach. Wir wissen, wir haben ein mächtiges Instrument wenn wir bei den Medien arbeiten. Die meisten gehen damit verantwortungsvoll um, manche nutzen ihre Macht gegen Menschen. Das ist verwerflich. Ist mir auch passiert, aber auch daraus habe ich gelernt.
Bist Du heute noch im Radio als Moderator aktiv? Gibt's evtl. sogar neue Projekte?
Derzeit bin ich so sehr "Kindermusical Produzent", dass ich keine Zeit habe. Letztens hat's nicht geklappt, weil ich zu teuer bin.... Ich bin eben kein Praktikant. Aber ich weiß, die können auch moderieren.
Du hast einige Zeit zusammen mit Detlef Seidel und Jürgen Matkowitz (ex PRINZIP) das Künstlertreffen alljährlich im November organisiert. Wie kam es dazu?
Künstlertreffen war so eine spontane Idee: "Wir sollten mal", "Man müsste mal"... Da haben wir es eben gemacht, und das kam gut an. Die beiden sind ja auch Macher. Ich wollte in jüngster Zeit aber dort auch junge, neue Musiker und Kollegen einladen, oder Kollegen die nicht im Osten Karriere gemacht hatten... hmmmm, sorry Detlef - das finde ich immer noch wichtig.
Warum geht's damit seit letztem Jahr nicht weiter?
Frag Detlef und Matko ;-)
Hast Du eigentlich nach wie vor noch einen Blick für das aktuelle Geschehen in Sachen Musik, national wie international?
Mich interessiert Musik immer noch sehr. Beispiel: Meine Firma konzipiert und besetz im Auftrag der Messe Berlin das Entertainment-Programm für die Internationale Funkausstellung in Berlin. Der IFA-Sommergarten ist eines meiner großen jährlichen Projekte. Eine Woche Stars und Sternchen live on Stage. Da hatte ich 2011 die Leningrad Cowboys neben Chris Cosmo, will sagen Qualität immer, egal ob Oldies oder "up to date", und offen sein für alles.
Was gefällt Dir aktuell persönlich gut, was nicht?
Ich stehe auf Handwerk! Voice of Germany ist sehr stark - DSDS ist Mist! Ja, da sind auch gute Sänger dabei, aber ich hatte einige auf der Bühne - wenn da nicht das angeheizte DSDS Publikum vor der Bühne sitzt, dann brechen die meisten ein. Privat steh ich auf BON JOVI, COLDPLAY, immer noch AC/DC und den guten alten Udo - sensationell. Aber ein Glück gibt es auch Tim Benzko, Bruno Mars und und und...
Damit sind wir auch schon fast am Ende unseres Interviews. Einen wichtigen Punkt habe ich noch gar nicht angesprochen: Wo landet denn Union Berlin in dieser Saison?
Union ist gut, wir landen an der Spitze der Tabelle, hoffentlich nicht vorn, Union ist kein Erstliga Klub.
Du bist bekennender Union-Fan und stehst bei Heimspielen - so habe ich gelesen - mitten in der Fankurve. Ist es dort besser als auf der Tribüne mit Sitzkissen und Blick auf die Längsseite des Spielfelds?
Als Programmdirektor und Geschäftsführer wirst Du immer eingeladen und verlernst es, das, was Du geboten bekommst, zu wertschätzen. Bei Union stehen meine Freunde neben mir und wir haben unseren wirklichen ungezwungenen Spaß.
Du wohnst am Müggelsee - dort wird es ja demnächst etwas lauter als bisher, denn der neue Flughafen wird eröffnet und die Flugzeuge überfliegen dann den See...
Das ist die größte Menschenverarsche seit Ulbrichts "Niemand hat die Absicht...." Flughafen muss sein, aber im Ranking der idealen Standort war Schönefeld auf Platz 8! Das ist das was mich am meisten aufregt, zu erleben, wie machtlos wir oft sind. Begünstigt durch Fehlinformationen, Stillhalten und Laufenlassen. Wenn ich erlebe, wieviel Kraft in den Boulevardjournalismus gesteckt wird, ärgere ich mich wirklich. Wäre doch bloß jemand mit der gleichen Energie mal unter diesen Teppich gekrochen, statt in der Besenkammer zu warten.
Jürgen, ich wünsche Dir viel Erfolg mit Deinem neuen Musical. Was wünschst Du Dir für das Projekt selbst - einmal von kommerziellen Erfolg abgesehen?
Was ich mir wünschte ist bei den ersten Vorstellungen in Erfüllung gegangen - Die Kinder, die Eltern... alle saßen und staunten, fieberten bis zum Schluss mit und waren am Ende begeistert.
Ich danke Dir für das Gespräch. Möchtest Du unseren Lesern noch ein paar abschließende Worte mit auf den Weg geben?
Carpe Diem - nicht nur Sonntags!!!