
Interview vom 1. Juni 2025
Anfang des Jahres wurden zwei Alben der Gruppe DIE ANDEREN neu auf Schallplatte aufgelegt. Als die Musik damals erstmals erschien, saß noch Jens Müller dort am Schlagzeug - jener Jens Müller, der später unter dem Kürzel "J" mehrere Soloalben veröffentlichte und heute unter dem Namen Count Jaye oder Jaye Muller nach wie vor als Musikant aktiv ist. Seit Jahren lebt er auf den Philippinen und sendet in unregelmäßigen Abständen mit neuen Alben ein musikalisches Lebenszeichen in seine alte Heimat. Auch in diesem Jahr hat er wieder ein neues Album veröffentlicht: "Two States of Mind" - so der Titel seines aktuellen Werks. Dieses Album war eines der Themen in dem Telefongespräch, das unsere Kollegin Antje nun mit dem Musiker geführt hat. Nach fast zehn Jahren, seit er zuletzt unser Gast war, wurde es auch wirklich mal wieder Zeit für einen weiteren Besuch bei uns ...
Ich glaube ich erreiche dich auf den Philippinen?
Ja richtig. Genauer gesagt in Cebu, das liegt genau in der Mitte. Ich bin hier schon seit 18 Jahren sesshaft.
Zieht es dich auch mal wieder zurück nach Deutschland, oder ist das gar kein Thema?
Doch, doch auch. Zu Besuch auf jeden Fall. Wir waren gerade im Januar wegen DIE ANDEREN da. Ich weiß nicht, ob du die Band kennst.

NEU: Zwei Alben der Gruppe DIE ANDEREN auf Vinyl
Ja, die Band, mit der du gestartet hast.
Ja genau. Es wurden zwiei ältere Platten im Januar auf Vinyl neu herausgebracht. Ich war bei der Party zur Veröffentlichung dabei.
Also gab es einen gemeinsamen Auftritt?
Nein, das noch nicht. Es waren auch nicht alle Mitglieder der Band da. Wir haben uns ja auch gut 35 Jahre nicht gesehen.
Gibt es denn Zukunftspläne mit DIE ANDEREN?
Nein, eigentlich nicht. Wir liebäugeln mit dem Gedanken, vielleicht mal ein oder zwei Konzerte zu spielen. Wir werden ja auch nicht jünger, das ist das Problem dabei.
Hast du es damals als mutigen Schritt empfunden, kurz nach der politischen Wende aus dem Osten Deutschlands nach Frankreich zu gehen oder hast du dich eher von der Aufbruchsstimmung anstecken lassen?
Für mich war es leicht, weil ich auch mit Freunden unterwegs war. Das war leicht für mich. Als mutig würde ich immer was empfinden, was nicht so einfach ist. Aber für mich war es einfach. Ich habe einfach losgelegt. Erst bin ich ja eben nach Paris gegangen, und dann in die USA. Ich würde es wahrscheinlich auch wieder machen, ich bin froh darum.
Man erweitert ja sicherlich auch seinen eigenen Horizont immens, wenn man in fremde Länder und damit immer ein stückweit in andere Kulturen eintaucht.
Ja auf jeden Fall, das stimmt. Man lernt auch dazu, was andere Sprachen angeht. Ich musste erstmal mein Englisch aufbessern. Als wir damals in der Schule eine zweite Fremdsprache lernen sollten, hatten wir die Wahl zwischen Englisch und Französisch. Die erste Fremdsprache war im damaligen Osten ja Russisch. Und ich habe mich Gott sei Dank für Französisch entschieden, das hat mir in Paris natürlich sehr geholfen.

Jens' Debüt-Album bei AMIGA 1989
Du hattest das letzte Interview mit unserem Magazin tatsächlich vor neun Jahren - was ist seitdem passiert?
Tja, ich habe immer weiter Musik gemacht. Die beiden Alben hat Christian bei Euch ja auch rezensiert. Ich reise viel, hauptsächlich in Asien oder auch Taiwan. Zwischendurch war ja die Covid-Zeit, als niemand mehr reisen konnte. Da war ich dann zu Hause. Auch zu der Zeit habe ich immer weiter Musik gemacht.
Kannst du wirklich davon leben, oder hast du noch einen Hauptjob?
Ich habe ja Bigbusiness gemacht, als ich damals in den 1990ern in den USA war und eine Firma im Bereich Internet gegründet. Da habe ich gutes Geld verdient, habe auch viele Ersparnisse gehabt und konnte Investitionen tätigen. Davon kann ich immer noch leben - von der Musik nicht.
Ich habe das in Vorbereitung auf das Interview gelesen und dachte dabei, dass du schon fast visionär damals unterwegs warst und eine Vorreiterrolle gespielt hast.
Ich glaube schon, dass damals manche Leute geguckt haben, was ich da so mache. Ich wollte vor allem weg aus Deutschland und was Neues machen, ohne große Pläne. Ich kannte das damals ja auch gar nicht. Meine Reaktion war natürlich entscheidend und ich habe einfach gemacht, was sich angeboten hat und was mir angenehm schien. Genauso zufällig hat es sich mit der Firma ergeben. Da war kein Plan dahinter, sondern es war einfach ein schöner Zufall.
Ja, manchmal ist es ja genau der Funke, der dann zum Erfolg führt.
Ja genau, man muss halt sehen was im Leben so angeboten wird. Man kann nichts erzwingen, finde ich. Ich habe immer auf Sachen reagiert. Und dann aber auch richtig. Ich war noch nie lange in einem Job. Mein ganzes Berufsleben in einem Job zu verbringen, das kann ich mir nicht vorstellen. Eher gebe ich meine Energie gezielt in Projekte. Einen festen Job, was viele ja wegen der Sicherheit gut finden, das kann ich irgendwie nicht.
Im letzten Interview hast du erzählt, dass deine Band namens HARD BEATS noch nicht mit Leben gefüllt ist und du diesbezüglich noch im Aufbau bist. Hattest du inzwischen Erfolg?
Ich habe eigentlich immer mit anderen Leuten zusammengespielt und habe mir die so zusammengewürfelt, wie ich sie gebraucht habe und wie es gerade passte. Dann haben wir hier vor Ort auch mal live gespielt. Aber ich bin kein Typ, der gerne live spielt. Eher für die Aufnahmen. Wir hatten für die aktuelle Platte eine kleine Record Release Party, da habe ich auch live gespielt. Das ist keine feste Band, eher so wie ich es im Moment brauche. Aber das Gute ist, dass es hier auf den Philippinen viele gute Musiker gibt, auch aus ganz verschiedenen Genres. Also ich habe immer irgendwie mit anderen Leuten zusammengespielt.
Das finde ich sehr spannend, denn die Philippinen hat man eher nicht als Gegend auf dem Schirm, die viele Musiker hervorbringt. < br> Das, was die Meisten schon von Geburt an machen, ist Karaoke singen. Wenn sie geboren werden, hängen sie schon fast am Mikrofon. Aber sie singen dann auch irgendwann richtig gut. Nach und nach kommen noch eventuell Instrumente dazu und dann gründen sie Bands, Coverbands und alles. Von daher ist es für Musiker hier schon echt gut. Das wusste ich so vorher aber auch nicht.
Was steckt hinter dem Albumtitel "Two States of mind"?
Der Name kam ein bisschen später. Ein Song heißt ja auch so. Ich hatte das Album ja ein bisschen langsam angefangen. Nach dem letzten, das kam Ende 2022 raus, habe ich ein Jahr musikalisch erstmal gar nichts gemacht. Dann fing es langsam mit dem ersten Song an, und Covid war ja auch noch nicht ganz vorbei. Man konnte ja beispielsweise noch nicht einfach so irgendwo hin reisen. Nach einer Weile dachte ich: das sind ja alles Schnulzen. Ich mache ein Schnulzenalbum! Naja, egal. Etwas später dachte ich, dass ich noch ein paar energetische Songs brauche. Dann habe ich die gemacht, etwas schneller und mit etwas mehr Gitarre. Aber eigentlich mag ich auch Schnulzen ganz gerne und mir war erst nicht so richtig klar, was ich da genau mache und in welche Richtung es geht. Das sagt der Song aus und daraus resultierte auch der Albumtitel.
Kannst du was zum Cover erzählen?
Ich habe für alle vorhergehenden Alben eigentlich immer neue Fotos gemacht. Dieses jetzt ist schon ziemlich alt, von 1992. Ich hab das genommen, weil irgendwie entsprach das auch ein bisschen "Two states of mind". Soll ich irgendwas Aktuelles aufnehmen lassen und verwenden? Nee, das Ding fand ich eigentlich schon immer gut. Das hat damals ein berühmter französischer Künstler gemacht, Jean-Baptiste Mondino. Er hat viele berühmte Leute fotografiert oder auch Videos für sie gemacht, zum Beispiel Madonna. Mich hat er damals eben auch fotografiert, aber das Bild wurde nie benutzt.
Wie lange hast du an dem neuen Album gearbeitet?
So ungefähr neun Monate. Ich hatte mal einen Song angefangen, vor einer ganzen Weile. Dann kam noch ein Song und etwas später noch ein Song. Also dachte ich, dass ich da ein Album daraus mache. Das hat sich erst hingezogen. Als ich die Entscheidung getroffen hatte, ein Album daraus zu machen, ging es schnell. Da war das Ding dann innerhalb von ein paar Wochen fertig. Der Anfang zog sich eben, weil ich ja kein Album in Planung und damit auch keinen Druck hatte. Ich bin aber auch ehrlich gesagt kein Freund von Singles. Ich mag eher eine Kollektion von Songs, also eben eher Alben.
Wie kommt's, dass du eher Alben bevorzugst?
Ich bin mir nicht ganz sicher und habe auch schon öfter darüber nachgedacht. Heutzutage orientiert man sich ja viel eher an Singles. Ich denke es kommt daher, dass ich sehr enttäuscht bin, wenn ich einen Song höre, mir der gefällt, und es dann von dem Künstler weiter nichts gibt. Wenn ich einen Song entdecke, der mir gefallen könnte, warte ich immer erst bin es ein ganzes Album gibt und höre mir den vorher gar nicht erst an. Das ist so eine Obsession von mir. Wenn etwas schön ist, möchte ich davon einfach mehr haben.

Auf dem Album ebenfalls als Sängerin zu hören: Jays Frau Michelle Omba
Kann man das Album zusammenfassen oder einen roten Fanden ausmachen?
Nein, eigentlich nicht. Wobei wenn ich einen Moment darüber nachdenke, dann doch. Alle Alben sind an jeweils einem Ort entstanden, auch dort dann im selben Studio. Ich habe die Alben immer in recht kurzer Zeit fertiggestellt. Das waren quasi auch immer begrenzte Projekte mit dem Ziel, das eben möglichst an einem Ort durchzuziehen. Ich bin da auch immer umgezogen oder selbst innerhalb des Hauses umgezogen. Für mich persönlich ist der Faden, wie ich es kreiert habe. Eine Story dazu gibt es nicht, außer dass es mir eben am Anfang der schnulzig vorkam.
Hast du das Album wieder selber produziert?
Ja, habe ich. Zudem habe ich auch fast alle Instrumente selber gespielt. Nur einen Trompeter hatte ich noch mit dabei und mehrere Sänger. Meine Frau singt beispielsweise auch im Hintergrund bei einigen Songs oder auch im Duett.
Meine nächste Frage hattest du fast am Anfang schon beantwortet: sind mal Auftritte in Europa geplant? Dazu meintest du ja eventuell mit DIE ANDEREN?
Das ist erstmal nur eine Schnapsidee, dazu gibt es noch nichts Konkretes (lacht) Viele Leute sagen: "Oh ihr müsstet mal, ihr müsstet mal". Wenn überhaupt, dann eher nächstes Jahr. Falls sich die Idee verwirklichen lässt. Ich würde das schon gerne nochmal machen, so die alten Dinger wieder spielen. Das ist aber eher so ein Nostalgie-Ding und soll keine große Sache werden.
Hast du noch Kontakt zu Ben, mit dem du die Band Müller & Patton hattest?
Müller war ja ich, und Ben Patton ein Kumpel von mir. Er war auch zuerst mit mir auf den Philippinen. Gegründet haben wir die Band in London, oder eigentlich schon eher in den USA. Dann sind wir eben zusammen auf die Philippinen gegangen. Ein Deutscher hatte uns eingeladen, hier zu spielen. Die haben hier eine Filmschule eröffnet, und der Besitzer war Fan von uns und wollte unbedingt, dass wir dort spielen. Das war 2005, also vor 20 Jahren. Das war das erste Mal, dass wir beide hier waren. Wir haben hier unsere Auftritte gespielt und ich dachte: ja, schön ist es hier. Ein bisschen später sagte eben der Besitzer der Filmschule: "Mensch, kommt doch auf Dauer her. Wir machen ständig Filme und brauchen neue Musik." So kam das. Nach mehreren Jahren ist Ben wieder in die USA gegangen, also nach Hause, ich bin aber geblieben. Wir sind noch in Kontakt und machen auch beide noch Musik. Aber eben nicht zusammen im Moment.

Musikalischer Gast: Chuckee Nepomuceno (Gitarre)
Eine Frage stelle ich gerne gerade erfahrenen Musikern, weil ich die Antworten immer spannend finde: wie siehst du Entwicklung der Musikbranche in den letzten Jahren?
Ja, das ist ja so ein Thema für sich, die Musikbranche. Schon Ende der 1980er habe ich gehört, dass sich alles verändert, früher alles besser war und so weiter. Diese Beschreibung der Musikbranche gab es also schon vor 40 Jahren. Ich sehe es eher so: Sachen verändern sich immer, und gehen aber auch immer weiter. Früher gab es Platten und Aufnahmen, heute gibt es eben fast nur noch Streaming und die Platten sind eher ein Nischenprodukt oder Teil des Merchandisings. Um Musik erstmal kennenzulernen, wird kaum mehr was gekauft. Streaming oder sogar Downloads sind da heute die Kings. Ob ich das besser finde oder nicht, ist erstmal eine andere Frage. Es ist eben einfach so. Sachen ändern sich ständig und ich denke da nicht so viel darüber nach. Diese ganze Plattengeschichte gab es ja eigentlich auch nicht so lange, wenn man mal darüber nachdenkt. Die kamen ja auch erst nach dem 2. Weltkrieg. Wo man was physisch in der Hand hatte, das waren ja vielleicht 60, 70 Jahre, dann kam das Online-Geschäft. Vorher konnte man gar nicht aufnehmen, da hatte man gedruckte Sachen und musste selber spielen. Diese ganze Industrie ändert sich doch ständig. Für mich ist die Kreativität, Musik zu machen, wichtig. Der Business-Teil interessiert mich dabei wenig, ich gehe einfach mit den Gegebenheiten mit. Ich kann es eh nicht ändern. Ich kann meine Sachen rausbringen. Da gibt es auch einige CDs, aber eher wenige - für Freunde. Wie hörst du eigentlich Musik?
Ich habe mir ein paar Künstler rausgesucht, von denen ich die Alben kaufe. Ansonsten streame ich ehrlich gesagt auch hin und wieder. Es ist komfortabel, die Musik immer bei sich zu haben, und je nach Größe der Wohnung kann eine CD- oder Plattensammlung ja auch schnell zum Platzproblem werden.
Ja richtig, wenn einem die Musik gefällt kann man sich die CD dann ja auch immer noch kaufen. Ich habe sogar in den letzten Jahren wieder einige Schallplatten gekauft. Aber nicht unbedingt um die zu hören, obwohl ich auch noch einen Plattenspieler habe, sondern eher wegen der Bilder. Ich hänge die an die Wand oder stell die hin, weil die so schön groß sind. Da kommen die Bilder gut zur Geltung.
Das haptische daran ist natürlich schön. Ich finde, dass man dann auch mehr Respekt vor dem Schaffen des Künstlers oder der Künstler hat. Denn gestreamt ist schnell was, aber was in der Hand zu haben ist nochmal was Anderes.
Ich finde, das muss man auch irgendwie beibehalten. Das Streaming jetzt ist ja fast wie das Radio früher. Es wird angeboten und man hört halt hin, und wenn es einem gefällt kann man immer noch weitergehen.

Gast am Mikro bei zwei Songs: Rio
Ich gehe beispielsweise viel zu Konzerten. Denn sind wir mal ehrlich: heutzutage verdienen die Künstler ja fast nur noch dadurch Geld.
Ja, das mache ich ja nun leider nicht so. Ich spiele nicht so viele Konzerte. Früher war es anders. Da fand ich es auch schön, fast geschützt hinter meinem Schlagzeug zu sitzen. Da kann man auch mal etwas verrücktspielen. Aber bei meiner aktuellen Musik müsste ich ja auch vorne stehen, als Frontmann. Das ist schon eine andere Sache. Ich finde einfach immer das Kreativsein besser. Wenn ich etwas Schönes höre, gucke ich als erstes wer es komponiert hat.
Tatsächlich bin ich mit meinen Fragen jetzt schon durch. Gibt es denn noch eine Geschichte oder ähnliches, was du unseren Lesern mal erzählen möchtest?
Ich weiß nicht ob du das weißt: ich hatte ja am Ende der DDR ein Album rausgebracht. Mit AMIGA, quasi der Staatsfirma. Jedenfalls von den Songs, die damals veröffentlicht wurden, sind zwei auch auf der neuen Platte drauf. "Boy in Love" ist einer davon. Den habe ich nochmal komplett neu aufgenommen, denn mir hat es nie gefallen wir er damals aufgenommen wurde. Dann ist noch "That`s a promise" drauf. Der entstand 1989, wurde aber nie aufgenommen. Ich wollte den unbedingt mal machen. Da geht es um das Ende der DDR. Ich weiß nicht wie alt du bist und wie du das damals empfunden hast: viele von den Künstlern früher wollten das gar nicht mit der Wiedervereinigung, zumindest nicht so schnell. Sie wollten das langsamer angehen. Jetzt haben wir erstmal ein bisschen Freiheit, lasst uns doch erstmal sehen und nicht gleich den nächsten Schritt gehen. Genau in der Zeit habe ich den Song geschrieben. Wie gesagt, damals habe ich den nicht veröffentlicht. Jetzt mache ich es, obwohl es eigentlich gar nicht mehr aktuell ist. Ich war schon etwas traurig, dass die DDR verschwand und es so schnell ging.
Ich glaube, es ging einigen Künstlern ähnlich. Viele Ostbands oder Ostkünstler wie Silly, City oder Rockhaus waren plötzlich ja gar nicht mehr gefragt.
Klar, erstmal wollten alle die Musik aus dem Westen hören und die auch live sehen, denn das war schwer zu erreichen. Das hat sich so 10 Jahre später wieder etwas gelegt. Viele alte Ostsachen kamen dann ja wieder, aber hatten eben erstmal eine Pause. Das fand ich verständlich.
Was man ja auch nicht vergessen darf: es war ja euer Leben. Eure Jugend, die Disco-Zeit … Damit verbindet man ja auch Erinnerungen und Emotionen.
Das kommt noch dazu. Aber am Anfang war das erstmal weg, das wollte keiner mehr hören. Die ganzen Ostbands waren auf Deutsch gesagt erstmal mehrere Jahre am Arsch. Aber viele davon haben sich dann wieder gefangen. Ich glaube, dann wurden sie sogar besser als vorher. Denn plötzlich war dieser Zwang nicht mehr da, etwas machen zu müssen. Dann stellte man fest, dass die Burschen doch gar nicht so schlecht waren.

Jaye
Ich denke, den Künstlern ging es ja auch nicht viel anders als dem normalen Bürger. Auch die mussten ja erstmal in der neuen Welt ankommen und mit der neuen Situation klarkommen.
Ja na klar. Nachdem sich alles wieder gelegt hat, konnten die ganzen Musiker auch wieder Musik machen.
Genau. Weil wir auch gerade über Jugend und Erinnerung gesprochen haben: Musik macht für mich alles intensiver. Jedes Gefühl und auch jede Erinnerung.
Ja klar, das verankert alles im Gehirn. Das ist schon verschärft. Man kann einen Song hören, den man 30 Jahre nicht gehört hat, und plötzlich kommt alles wieder, was man damit verbindet. Ich bin auch immer noch dabei, Sachen für mich neu zu entdecken die eigentlich uralt sind, so aus den 70ern zum Beispiel. Man konnte ja nicht alles hören und auch unabhängig davon, kann man ja nicht alles kennen.
Was denn da zum Beispiel?
Zum Beispiel eine aus den 60ern, die Zombies. Die kannte ich vorher gar nicht, die waren aber damals sehr wichtig. Oder auch bekannte Bands wie Led Zeppelin. Die waren früher nie mein Ding. Das kam viel später.
Da ist ja wieder das Problem, dass Bands oft auf einen Song reduziert werden. Wie eben Led Zeppelin auf "Stairway to heaven" oder Pink Floyd auf "Another brick in the wall", was eben so im Radio läuft. Wie grandios die sind erschließt sich ja erst, wenn man die Alben hört.
Das meine ich. Ja logisch kannte ich ein oder zwei Song, die alle kannten. Aber in der Tiefe die Bands kennenzulernen, ist so spannend. In den alten Dingern kann man oft mehr entdecken als in den neuen, das ist sehr schade. Aber die sind oft sehr maschinell hergestellt. Das stört mich ein bisschen. Ich brauche die menschliche Komponente.
Hast du ein Schlusswort für unsere Leser?
Für die Menschheit ist es wichtig, weiter Musik zu machen und weiter Musik zu hören. Überhaupt Kunst und Kultur sind wichtig. Immer weiter dranbleiben, es gibt auch gute neue Sachen.
Ich glaube ich erreiche dich auf den Philippinen?
Ja richtig. Genauer gesagt in Cebu, das liegt genau in der Mitte. Ich bin hier schon seit 18 Jahren sesshaft.
Zieht es dich auch mal wieder zurück nach Deutschland, oder ist das gar kein Thema?
Doch, doch auch. Zu Besuch auf jeden Fall. Wir waren gerade im Januar wegen DIE ANDEREN da. Ich weiß nicht, ob du die Band kennst.

NEU: Zwei Alben der Gruppe DIE ANDEREN auf Vinyl
Ja, die Band, mit der du gestartet hast.
Ja genau. Es wurden zwiei ältere Platten im Januar auf Vinyl neu herausgebracht. Ich war bei der Party zur Veröffentlichung dabei.
Also gab es einen gemeinsamen Auftritt?
Nein, das noch nicht. Es waren auch nicht alle Mitglieder der Band da. Wir haben uns ja auch gut 35 Jahre nicht gesehen.
Gibt es denn Zukunftspläne mit DIE ANDEREN?
Nein, eigentlich nicht. Wir liebäugeln mit dem Gedanken, vielleicht mal ein oder zwei Konzerte zu spielen. Wir werden ja auch nicht jünger, das ist das Problem dabei.
Hast du es damals als mutigen Schritt empfunden, kurz nach der politischen Wende aus dem Osten Deutschlands nach Frankreich zu gehen oder hast du dich eher von der Aufbruchsstimmung anstecken lassen?
Für mich war es leicht, weil ich auch mit Freunden unterwegs war. Das war leicht für mich. Als mutig würde ich immer was empfinden, was nicht so einfach ist. Aber für mich war es einfach. Ich habe einfach losgelegt. Erst bin ich ja eben nach Paris gegangen, und dann in die USA. Ich würde es wahrscheinlich auch wieder machen, ich bin froh darum.
Man erweitert ja sicherlich auch seinen eigenen Horizont immens, wenn man in fremde Länder und damit immer ein stückweit in andere Kulturen eintaucht.
Ja auf jeden Fall, das stimmt. Man lernt auch dazu, was andere Sprachen angeht. Ich musste erstmal mein Englisch aufbessern. Als wir damals in der Schule eine zweite Fremdsprache lernen sollten, hatten wir die Wahl zwischen Englisch und Französisch. Die erste Fremdsprache war im damaligen Osten ja Russisch. Und ich habe mich Gott sei Dank für Französisch entschieden, das hat mir in Paris natürlich sehr geholfen.

Jens' Debüt-Album bei AMIGA 1989
Du hattest das letzte Interview mit unserem Magazin tatsächlich vor neun Jahren - was ist seitdem passiert?
Tja, ich habe immer weiter Musik gemacht. Die beiden Alben hat Christian bei Euch ja auch rezensiert. Ich reise viel, hauptsächlich in Asien oder auch Taiwan. Zwischendurch war ja die Covid-Zeit, als niemand mehr reisen konnte. Da war ich dann zu Hause. Auch zu der Zeit habe ich immer weiter Musik gemacht.
Kannst du wirklich davon leben, oder hast du noch einen Hauptjob?
Ich habe ja Bigbusiness gemacht, als ich damals in den 1990ern in den USA war und eine Firma im Bereich Internet gegründet. Da habe ich gutes Geld verdient, habe auch viele Ersparnisse gehabt und konnte Investitionen tätigen. Davon kann ich immer noch leben - von der Musik nicht.
Ich habe das in Vorbereitung auf das Interview gelesen und dachte dabei, dass du schon fast visionär damals unterwegs warst und eine Vorreiterrolle gespielt hast.
Ich glaube schon, dass damals manche Leute geguckt haben, was ich da so mache. Ich wollte vor allem weg aus Deutschland und was Neues machen, ohne große Pläne. Ich kannte das damals ja auch gar nicht. Meine Reaktion war natürlich entscheidend und ich habe einfach gemacht, was sich angeboten hat und was mir angenehm schien. Genauso zufällig hat es sich mit der Firma ergeben. Da war kein Plan dahinter, sondern es war einfach ein schöner Zufall.
Ja, manchmal ist es ja genau der Funke, der dann zum Erfolg führt.
Ja genau, man muss halt sehen was im Leben so angeboten wird. Man kann nichts erzwingen, finde ich. Ich habe immer auf Sachen reagiert. Und dann aber auch richtig. Ich war noch nie lange in einem Job. Mein ganzes Berufsleben in einem Job zu verbringen, das kann ich mir nicht vorstellen. Eher gebe ich meine Energie gezielt in Projekte. Einen festen Job, was viele ja wegen der Sicherheit gut finden, das kann ich irgendwie nicht.
Im letzten Interview hast du erzählt, dass deine Band namens HARD BEATS noch nicht mit Leben gefüllt ist und du diesbezüglich noch im Aufbau bist. Hattest du inzwischen Erfolg?
Ich habe eigentlich immer mit anderen Leuten zusammengespielt und habe mir die so zusammengewürfelt, wie ich sie gebraucht habe und wie es gerade passte. Dann haben wir hier vor Ort auch mal live gespielt. Aber ich bin kein Typ, der gerne live spielt. Eher für die Aufnahmen. Wir hatten für die aktuelle Platte eine kleine Record Release Party, da habe ich auch live gespielt. Das ist keine feste Band, eher so wie ich es im Moment brauche. Aber das Gute ist, dass es hier auf den Philippinen viele gute Musiker gibt, auch aus ganz verschiedenen Genres. Also ich habe immer irgendwie mit anderen Leuten zusammengespielt.
Das finde ich sehr spannend, denn die Philippinen hat man eher nicht als Gegend auf dem Schirm, die viele Musiker hervorbringt. < br> Das, was die Meisten schon von Geburt an machen, ist Karaoke singen. Wenn sie geboren werden, hängen sie schon fast am Mikrofon. Aber sie singen dann auch irgendwann richtig gut. Nach und nach kommen noch eventuell Instrumente dazu und dann gründen sie Bands, Coverbands und alles. Von daher ist es für Musiker hier schon echt gut. Das wusste ich so vorher aber auch nicht.
Was steckt hinter dem Albumtitel "Two States of mind"?
Der Name kam ein bisschen später. Ein Song heißt ja auch so. Ich hatte das Album ja ein bisschen langsam angefangen. Nach dem letzten, das kam Ende 2022 raus, habe ich ein Jahr musikalisch erstmal gar nichts gemacht. Dann fing es langsam mit dem ersten Song an, und Covid war ja auch noch nicht ganz vorbei. Man konnte ja beispielsweise noch nicht einfach so irgendwo hin reisen. Nach einer Weile dachte ich: das sind ja alles Schnulzen. Ich mache ein Schnulzenalbum! Naja, egal. Etwas später dachte ich, dass ich noch ein paar energetische Songs brauche. Dann habe ich die gemacht, etwas schneller und mit etwas mehr Gitarre. Aber eigentlich mag ich auch Schnulzen ganz gerne und mir war erst nicht so richtig klar, was ich da genau mache und in welche Richtung es geht. Das sagt der Song aus und daraus resultierte auch der Albumtitel.
Kannst du was zum Cover erzählen?
Ich habe für alle vorhergehenden Alben eigentlich immer neue Fotos gemacht. Dieses jetzt ist schon ziemlich alt, von 1992. Ich hab das genommen, weil irgendwie entsprach das auch ein bisschen "Two states of mind". Soll ich irgendwas Aktuelles aufnehmen lassen und verwenden? Nee, das Ding fand ich eigentlich schon immer gut. Das hat damals ein berühmter französischer Künstler gemacht, Jean-Baptiste Mondino. Er hat viele berühmte Leute fotografiert oder auch Videos für sie gemacht, zum Beispiel Madonna. Mich hat er damals eben auch fotografiert, aber das Bild wurde nie benutzt.
Wie lange hast du an dem neuen Album gearbeitet?
So ungefähr neun Monate. Ich hatte mal einen Song angefangen, vor einer ganzen Weile. Dann kam noch ein Song und etwas später noch ein Song. Also dachte ich, dass ich da ein Album daraus mache. Das hat sich erst hingezogen. Als ich die Entscheidung getroffen hatte, ein Album daraus zu machen, ging es schnell. Da war das Ding dann innerhalb von ein paar Wochen fertig. Der Anfang zog sich eben, weil ich ja kein Album in Planung und damit auch keinen Druck hatte. Ich bin aber auch ehrlich gesagt kein Freund von Singles. Ich mag eher eine Kollektion von Songs, also eben eher Alben.
Wie kommt's, dass du eher Alben bevorzugst?
Ich bin mir nicht ganz sicher und habe auch schon öfter darüber nachgedacht. Heutzutage orientiert man sich ja viel eher an Singles. Ich denke es kommt daher, dass ich sehr enttäuscht bin, wenn ich einen Song höre, mir der gefällt, und es dann von dem Künstler weiter nichts gibt. Wenn ich einen Song entdecke, der mir gefallen könnte, warte ich immer erst bin es ein ganzes Album gibt und höre mir den vorher gar nicht erst an. Das ist so eine Obsession von mir. Wenn etwas schön ist, möchte ich davon einfach mehr haben.

Auf dem Album ebenfalls als Sängerin zu hören: Jays Frau Michelle Omba
Kann man das Album zusammenfassen oder einen roten Fanden ausmachen?
Nein, eigentlich nicht. Wobei wenn ich einen Moment darüber nachdenke, dann doch. Alle Alben sind an jeweils einem Ort entstanden, auch dort dann im selben Studio. Ich habe die Alben immer in recht kurzer Zeit fertiggestellt. Das waren quasi auch immer begrenzte Projekte mit dem Ziel, das eben möglichst an einem Ort durchzuziehen. Ich bin da auch immer umgezogen oder selbst innerhalb des Hauses umgezogen. Für mich persönlich ist der Faden, wie ich es kreiert habe. Eine Story dazu gibt es nicht, außer dass es mir eben am Anfang der schnulzig vorkam.
Hast du das Album wieder selber produziert?
Ja, habe ich. Zudem habe ich auch fast alle Instrumente selber gespielt. Nur einen Trompeter hatte ich noch mit dabei und mehrere Sänger. Meine Frau singt beispielsweise auch im Hintergrund bei einigen Songs oder auch im Duett.
Meine nächste Frage hattest du fast am Anfang schon beantwortet: sind mal Auftritte in Europa geplant? Dazu meintest du ja eventuell mit DIE ANDEREN?
Das ist erstmal nur eine Schnapsidee, dazu gibt es noch nichts Konkretes (lacht) Viele Leute sagen: "Oh ihr müsstet mal, ihr müsstet mal". Wenn überhaupt, dann eher nächstes Jahr. Falls sich die Idee verwirklichen lässt. Ich würde das schon gerne nochmal machen, so die alten Dinger wieder spielen. Das ist aber eher so ein Nostalgie-Ding und soll keine große Sache werden.
Hast du noch Kontakt zu Ben, mit dem du die Band Müller & Patton hattest?
Müller war ja ich, und Ben Patton ein Kumpel von mir. Er war auch zuerst mit mir auf den Philippinen. Gegründet haben wir die Band in London, oder eigentlich schon eher in den USA. Dann sind wir eben zusammen auf die Philippinen gegangen. Ein Deutscher hatte uns eingeladen, hier zu spielen. Die haben hier eine Filmschule eröffnet, und der Besitzer war Fan von uns und wollte unbedingt, dass wir dort spielen. Das war 2005, also vor 20 Jahren. Das war das erste Mal, dass wir beide hier waren. Wir haben hier unsere Auftritte gespielt und ich dachte: ja, schön ist es hier. Ein bisschen später sagte eben der Besitzer der Filmschule: "Mensch, kommt doch auf Dauer her. Wir machen ständig Filme und brauchen neue Musik." So kam das. Nach mehreren Jahren ist Ben wieder in die USA gegangen, also nach Hause, ich bin aber geblieben. Wir sind noch in Kontakt und machen auch beide noch Musik. Aber eben nicht zusammen im Moment.

Musikalischer Gast: Chuckee Nepomuceno (Gitarre)
Eine Frage stelle ich gerne gerade erfahrenen Musikern, weil ich die Antworten immer spannend finde: wie siehst du Entwicklung der Musikbranche in den letzten Jahren?
Ja, das ist ja so ein Thema für sich, die Musikbranche. Schon Ende der 1980er habe ich gehört, dass sich alles verändert, früher alles besser war und so weiter. Diese Beschreibung der Musikbranche gab es also schon vor 40 Jahren. Ich sehe es eher so: Sachen verändern sich immer, und gehen aber auch immer weiter. Früher gab es Platten und Aufnahmen, heute gibt es eben fast nur noch Streaming und die Platten sind eher ein Nischenprodukt oder Teil des Merchandisings. Um Musik erstmal kennenzulernen, wird kaum mehr was gekauft. Streaming oder sogar Downloads sind da heute die Kings. Ob ich das besser finde oder nicht, ist erstmal eine andere Frage. Es ist eben einfach so. Sachen ändern sich ständig und ich denke da nicht so viel darüber nach. Diese ganze Plattengeschichte gab es ja eigentlich auch nicht so lange, wenn man mal darüber nachdenkt. Die kamen ja auch erst nach dem 2. Weltkrieg. Wo man was physisch in der Hand hatte, das waren ja vielleicht 60, 70 Jahre, dann kam das Online-Geschäft. Vorher konnte man gar nicht aufnehmen, da hatte man gedruckte Sachen und musste selber spielen. Diese ganze Industrie ändert sich doch ständig. Für mich ist die Kreativität, Musik zu machen, wichtig. Der Business-Teil interessiert mich dabei wenig, ich gehe einfach mit den Gegebenheiten mit. Ich kann es eh nicht ändern. Ich kann meine Sachen rausbringen. Da gibt es auch einige CDs, aber eher wenige - für Freunde. Wie hörst du eigentlich Musik?
Ich habe mir ein paar Künstler rausgesucht, von denen ich die Alben kaufe. Ansonsten streame ich ehrlich gesagt auch hin und wieder. Es ist komfortabel, die Musik immer bei sich zu haben, und je nach Größe der Wohnung kann eine CD- oder Plattensammlung ja auch schnell zum Platzproblem werden.
Ja richtig, wenn einem die Musik gefällt kann man sich die CD dann ja auch immer noch kaufen. Ich habe sogar in den letzten Jahren wieder einige Schallplatten gekauft. Aber nicht unbedingt um die zu hören, obwohl ich auch noch einen Plattenspieler habe, sondern eher wegen der Bilder. Ich hänge die an die Wand oder stell die hin, weil die so schön groß sind. Da kommen die Bilder gut zur Geltung.
Das haptische daran ist natürlich schön. Ich finde, dass man dann auch mehr Respekt vor dem Schaffen des Künstlers oder der Künstler hat. Denn gestreamt ist schnell was, aber was in der Hand zu haben ist nochmal was Anderes.
Ich finde, das muss man auch irgendwie beibehalten. Das Streaming jetzt ist ja fast wie das Radio früher. Es wird angeboten und man hört halt hin, und wenn es einem gefällt kann man immer noch weitergehen.

Gast am Mikro bei zwei Songs: Rio
Ich gehe beispielsweise viel zu Konzerten. Denn sind wir mal ehrlich: heutzutage verdienen die Künstler ja fast nur noch dadurch Geld.
Ja, das mache ich ja nun leider nicht so. Ich spiele nicht so viele Konzerte. Früher war es anders. Da fand ich es auch schön, fast geschützt hinter meinem Schlagzeug zu sitzen. Da kann man auch mal etwas verrücktspielen. Aber bei meiner aktuellen Musik müsste ich ja auch vorne stehen, als Frontmann. Das ist schon eine andere Sache. Ich finde einfach immer das Kreativsein besser. Wenn ich etwas Schönes höre, gucke ich als erstes wer es komponiert hat.
Tatsächlich bin ich mit meinen Fragen jetzt schon durch. Gibt es denn noch eine Geschichte oder ähnliches, was du unseren Lesern mal erzählen möchtest?
Ich weiß nicht ob du das weißt: ich hatte ja am Ende der DDR ein Album rausgebracht. Mit AMIGA, quasi der Staatsfirma. Jedenfalls von den Songs, die damals veröffentlicht wurden, sind zwei auch auf der neuen Platte drauf. "Boy in Love" ist einer davon. Den habe ich nochmal komplett neu aufgenommen, denn mir hat es nie gefallen wir er damals aufgenommen wurde. Dann ist noch "That`s a promise" drauf. Der entstand 1989, wurde aber nie aufgenommen. Ich wollte den unbedingt mal machen. Da geht es um das Ende der DDR. Ich weiß nicht wie alt du bist und wie du das damals empfunden hast: viele von den Künstlern früher wollten das gar nicht mit der Wiedervereinigung, zumindest nicht so schnell. Sie wollten das langsamer angehen. Jetzt haben wir erstmal ein bisschen Freiheit, lasst uns doch erstmal sehen und nicht gleich den nächsten Schritt gehen. Genau in der Zeit habe ich den Song geschrieben. Wie gesagt, damals habe ich den nicht veröffentlicht. Jetzt mache ich es, obwohl es eigentlich gar nicht mehr aktuell ist. Ich war schon etwas traurig, dass die DDR verschwand und es so schnell ging.
Ich glaube, es ging einigen Künstlern ähnlich. Viele Ostbands oder Ostkünstler wie Silly, City oder Rockhaus waren plötzlich ja gar nicht mehr gefragt.
Klar, erstmal wollten alle die Musik aus dem Westen hören und die auch live sehen, denn das war schwer zu erreichen. Das hat sich so 10 Jahre später wieder etwas gelegt. Viele alte Ostsachen kamen dann ja wieder, aber hatten eben erstmal eine Pause. Das fand ich verständlich.
Was man ja auch nicht vergessen darf: es war ja euer Leben. Eure Jugend, die Disco-Zeit … Damit verbindet man ja auch Erinnerungen und Emotionen.
Das kommt noch dazu. Aber am Anfang war das erstmal weg, das wollte keiner mehr hören. Die ganzen Ostbands waren auf Deutsch gesagt erstmal mehrere Jahre am Arsch. Aber viele davon haben sich dann wieder gefangen. Ich glaube, dann wurden sie sogar besser als vorher. Denn plötzlich war dieser Zwang nicht mehr da, etwas machen zu müssen. Dann stellte man fest, dass die Burschen doch gar nicht so schlecht waren.

Jaye
Ich denke, den Künstlern ging es ja auch nicht viel anders als dem normalen Bürger. Auch die mussten ja erstmal in der neuen Welt ankommen und mit der neuen Situation klarkommen.
Ja na klar. Nachdem sich alles wieder gelegt hat, konnten die ganzen Musiker auch wieder Musik machen.
Genau. Weil wir auch gerade über Jugend und Erinnerung gesprochen haben: Musik macht für mich alles intensiver. Jedes Gefühl und auch jede Erinnerung.
Ja klar, das verankert alles im Gehirn. Das ist schon verschärft. Man kann einen Song hören, den man 30 Jahre nicht gehört hat, und plötzlich kommt alles wieder, was man damit verbindet. Ich bin auch immer noch dabei, Sachen für mich neu zu entdecken die eigentlich uralt sind, so aus den 70ern zum Beispiel. Man konnte ja nicht alles hören und auch unabhängig davon, kann man ja nicht alles kennen.
Was denn da zum Beispiel?
Zum Beispiel eine aus den 60ern, die Zombies. Die kannte ich vorher gar nicht, die waren aber damals sehr wichtig. Oder auch bekannte Bands wie Led Zeppelin. Die waren früher nie mein Ding. Das kam viel später.
Da ist ja wieder das Problem, dass Bands oft auf einen Song reduziert werden. Wie eben Led Zeppelin auf "Stairway to heaven" oder Pink Floyd auf "Another brick in the wall", was eben so im Radio läuft. Wie grandios die sind erschließt sich ja erst, wenn man die Alben hört.
Das meine ich. Ja logisch kannte ich ein oder zwei Song, die alle kannten. Aber in der Tiefe die Bands kennenzulernen, ist so spannend. In den alten Dingern kann man oft mehr entdecken als in den neuen, das ist sehr schade. Aber die sind oft sehr maschinell hergestellt. Das stört mich ein bisschen. Ich brauche die menschliche Komponente.
Hast du ein Schlusswort für unsere Leser?
Für die Menschheit ist es wichtig, weiter Musik zu machen und weiter Musik zu hören. Überhaupt Kunst und Kultur sind wichtig. Immer weiter dranbleiben, es gibt auch gute neue Sachen.
Interview: Antje Brandt
Bearbeitung: cr
Fotos: Archive Jaye Muller & Deutsche Mugge
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