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Interview vom 21. Mai 2025



Die Jazzrock-Formation Bakmak, die Nina Hagen Band, SPLIFF, Cosa Rosa und Froon waren Bands, in denen Reinhold Heil aktiv war. Als Produzent verhalf er Nena zu ihren Erfolgen - unter anderem auch in den USA. Er saß für Kim Wilde, Falco, Juliane Werding und Marianne Rosenberg als Produzent hinter den Reglern, ebenso wie für die Gruppen Mad Romeo und Rainbirds. Ab Ende der 90er-Jahre verschwand er dann über den großen Teich in Richtung Traumfabrik Hollywood. Dort schrieb er Filmmusik für zahlreiche Blockbuster und Serien. Über den beruflichen Werdegang von Reinhold Heil könnte man inzwischen ein Buch schreiben - die Frage ist, warum das noch nicht längst jemand getan hat. Inzwischen hat er seine Zelte in den USA abgebrochen und ist mit seiner Frau nach Italien gezogen. Nach fast 50 Jahren im Musikgeschäft hat er es nun endlich geschafft, ein Soloalbum aufzunehmen. "Freiheit Geilheit Männlichkeit" heißt die Scheibe und erscheint am 30. Mai. Was für ein netter Anlass, sich mal wieder mit dem Tastenvirtuosen über Musik, seine Karriere und eben über diese Platte zu unterhalten. Die Gelegenheit nutzte unser Kollege Christian vor ein paar Tagen und sprach mit Reinhold Heil über diese und andere Dinge. ...




Ich bin überrascht, dass du am 30. Mai mit immerhin über 70 Jahren dein erstes Soloalbum veröffentlichst. Die Newcomer in diesem Jahr werden scheinbar immer älter … erst Toni Krahl mit 75, jetzt Du …
Was soll ich dazu sagen? Ich habe halt viel Musik in anderen Bereichen gemacht, aber seit den Neunzigern eigentlich auch kaum mehr Songs geschrieben, weil einfach keine Zeit dafür war. Ich war fast dreißig Jahre in Amerika, wo ich auch wieder oft umgezogen bin, was sehr viel Stress war. Natürlich gab es immer und zu jeder Zeit Ideen für neue Songs, aber es ergaben sich nie die Gelegenheiten, diese Ideen festzuhalten. Das habe ich dann aber vor fünf, sechs Jahren schrittweise geändert, indem ich immer mal wieder Textideen in meinem iPhone festgehalten habe. Ich setzte mich sogar manchmal ein paar Stunden hin und habe nur getextet. Das Tolle daran war, dass eben hier zuerst meine Texte da waren und darauf dann die Musik geschrieben wurde. Das habe ich meistens zwischen den Filmmusiken praktiziert, und zwar so oft ich Zeit dazu hatte, denn ich merkte schnell, dass mir das wieder richtig Spaß machte. Trotzdem kamen am Ende viele unterschiedliche Stile dabei heraus, was erstaunlich ist, da ich jemand bin, der normalerweise gerne Alben hört und selber schreibt, die aus einem Guss sind. Ich hatte also plötzlich jede Menge deutsche Texte, ich hatte englische Texte, so dass ich für mich entschied, ich werde ein deutschsprachiges Album machen, weil die meisten meiner Texte auf Deutsch vorliegen.


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Was war letztlich der Auslöser?
Es gibt da dieses eine Thema, welches mich seit Jahren umtreibt. Und zwar geht es um die neue Männlichkeit, um das Wiedererstarken der Männlichkeit. Offensichtlich ist das eine Reaktion auf den Feminismus. Ich habe jedenfalls schon vor dreißig Jahren gedacht, man kann ja selbstbewusst, männlich und stark sein und trotzdem mit Frauen auf Augenhöhe interagieren. Ich habe gedacht, als Gesellschaft entwickeln wir uns ja weiter, so wie es die menschliche Rasse seit Tausenden von Jahren tut. Das betrifft sowohl die zwischenmenschliche als auch die moralische Ebene, aber auch das Politische. Ich finde sogar, dass sich diese Dinge gerade in den letzten dreißig Jahren massiv weiterentwickelt haben. Vor allem das Internet und die Influencer haben ganz extrem dazu beigetragen. Und nun haben wir die Situation, dass es Teenager und 20-jährige Männer gibt, die orientierungslos und wegen dieser Gleichberechtigungssituation auch verärgert sind und durch ihre Erfahrungen ein völlig schräges Bild von Männlichkeit und von der Gesellschaft haben. Es gibt dadurch ganz viel Ärger und Hass, was sich dann oftmals in Gewalt niederschlägt. Ich will jetzt keine sozialwissenschaftliche Abhandlung daraus machen, sonst hätte ich ja auch ein Buch darüber schreiben können. Es ist aber ein Thema, das in meinen Gedanken und Ideen immer wieder auftaucht.

Du hast eben gesagt, dass du lange Zeit in Amerika gelebt hast und aktuell nach Italien gezogen bist. Denkst du, dass deine Gedanken sich nur auf Deutschland beziehen, oder ist das ein internationales Thema?
Nein, ich beziehe da schon alle Länder ein, es ist überall so. Diese Influencer gibt es ja auf der ganzen Welt und es ist heutzutage auch kein Hindernis mehr, dass die Inhalte in Amerika auf Englisch gemacht werden, denn in unseren Tagen hat die Jugend mit englischen Beiträgen kein Problem. Das Internet an sich verbindet ja die Menschen und eigentlich sollte es ein Medium sein, durch das Menschen wieder mehr zusammenfinden. Aber das Internet wird auch durch Menschen genutzt, die uns bewusst spalten wollen. Ob es nun um Männer geht, die wütend auf Frauen sind, oder Biodeutsche, die wütend auf Einwanderer sind, das Bild ist immer dasselbe. In Wirklichkeit ist das alles ein politisches Problem, denn seit 45 Jahren hat es eine massive Umverteilung von unten nach oben gegeben, was dazu geführt hat, dass die Reichen jetzt superreich sind. Vor allem ist das aber keine lineare Entwicklung, sondern eine exponentielle. Wenn man also erstmal viel Geld hat, dann wächst das sehr, sehr schnell. Hat man aber gar kein Geld oder nur sehr wenig, und werden einem dann auch noch die Sozialleistungen gestrichen, dann wird man wütend. Und das zu Recht. Man muss sich nun die Frage stellen, wohin richtet sich diese Wut. Richtet sie sich auf die wirkliche Ursache oder schaffen es "die da oben", durch Medien oder durch das Internet den Leuten einzureden, dass der Feind eigentlich auf der gleichen Ebene ist oder sogar ein bisschen unterhalb von ihnen, wie also beispielsweise der Asylant oder derjenige, dessen Eltern nicht in Deutschland geboren wurden und er somit nur ein Pass-Deutscher ist. Sorry, dass ich jetzt so politisch werde. Der Titel meines Albums ist allerdings politischer als das, was letztlich auf dem Album drauf ist. Es ist ja kein Album, bei dem das Konzept zuerst da war.

Eine Frage zum Album muss ich jetzt aber noch stellen, denn mich interessiert brennend, ob du es alleine bist, der da zu hören ist oder hattest du Hilfe?
Auf diesem Album gibt es außer mir wirklich niemanden, der da mitgespielt hat. Du hast ja heutzutage die Möglichkeit, am Computer alles, was eine Rockband an Sound zu bieten hat, in sehr guter Qualität zu erzeugen. Deswegen klingt es manchmal wie eine ganze Band, manchmal aber auch elektronisch oder akustisch. Auf jeden Fall ist alles von mir.


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as Debüt-Album von Reinhold Heil (Rezension: HIER)



Wie und wo ist das alles entstanden?
2019, als ich die ersten Sachen gemacht habe, lebte ich noch in Los Angeles, aber 2020, als die Pandemie ausbrach, habe ich mein Haus in L.A. verkauft, habe mir ein Grundstück auf Hawaii gekauft und darauf ein Haus gebaut. Das dauerte natürlich relativ lange. Während der Bauphase meines Hauses quartierte ich mich auf einer Blumenfarm ein, was zwar sehr schön, aber auch äußerst simpel war. Zwischendurch machte ich noch ein bisschen Film- und Fernsehmusik, denn ich hatte ja Zeit. Auf diese Art sind jedenfalls die Songs entstanden. Dazu kommt, dass ich die ersten beiden Musikvideos zu meiner Platte selber gemacht habe. Man sieht natürlich, dass ich in Sachen Video kein Vollprofi bin, dadurch wirkt manches etwas amateurhaft. Aber zumindest musikalisch ist es in den Videos auf den Punkt getroffen. Es ist also alles in Eigenleistung entstanden bis auf das Mastering, das hat mein früherer Assistent gemacht. Der sitzt in Atlanta (Georgia) und kennt mich sehr gut. Und natürlich habe ich auch das Cover nicht selber erstellt. Dafür zeichnet Erik Spiekermann, einer der berühmtesten Typographen auf diesem Planeten, verantwortlich. Man kann also sagen, es ist ein wirkliches Independent-Projekt. Es steckt auch keine große Plattenfirma dahinter, sondern ein kleines Label, bei dem ich in Dirk Mahlstedt einen engagierten Ansprechpartner habe. Das macht mich sehr glücklich und ich möchte mit ihm auch meine weiteren Projekte machen.

Interessant finde ich deine Aussage, du hast ein Haus auf Hawaii gebaut hast, aber dann von Amerika nach Italien gezogen bist. Wieso bist du denn da weg? Und ist das Haus schon wieder verkauft?
Ja, das Haus haben wir wieder verkauft. Man könnte jetzt meinen, da ist richtig was los in meinem Leben. Dazu gehört dann aber auch, dass ich 2010 nach einer ziemlich gruseligen Scheidung finanziell runter war auf Null. Zwar hatte ich einen Job, musste mich aber wieder mühsam hocharbeiten. Glaub mir, das war alles andere als leicht. Wenn ich dann jetzt über sozialen Status oder Finanzen rede, dann weiß ich, wovon ich spreche. Es gab Zeiten, da war ich relativ wohlhabend, so etwa auf dem Niveau eines Häuslebauers. Plötzlich war dann aber alles verschwunden und ich lebte von 2010 bis 2016 zur Miete in einem Loft in LA. Erst dann war ich wieder in der Lage, ein Haus zu kaufen. Meine zweite Frau und ich steckten da richtig viel Geld rein und dachten: Okay, das ist es jetzt. Es folgte die Pandemie, was uns dazu veranlasste, dieses Haus auch wieder zu verkauften und uns ein neues Grundstück zu beschaffen. Nun hatte ich ja schon immer den Traum von einem Haus mit Pool und Meerblick und einem großen Studio zum Arbeiten. Und dieser Traum erfüllte sich mit diesem Haus und wir haben tatsächlich viel und gut in dem Haus gearbeitet. Aber zwischendurch waren halt immer wieder diese Pausen, die ich brauchte, um mein Hab und Gut zu verstauen, um es anderswo hinzuschippern. Vielleicht glaubt man es nicht, aber diese ständigen Pausen zwischen den Produktionen waren durchaus anstrengend. Nun waren wir also auf Hawaii, ich hatte ein tolles Haus, darin ein wunderbares Studio mit einem exzellenten Klangbild, meine Instrumente standen allesamt in dem Studio, das Wetter war wunderbar. Ich lernte zwar auch ein paar nette Leute kennen, aber so ein richtiges soziales Umfeld kam nicht zustande.





Da war also nix los?
Andere Musiker waren nur spärlich vertreten, echte Kultur im Sinne von "Heute gehe ich mir mal ein Museum oder eine Ausstellung angucken" gab es auch keine. Wir waren halt in Big Island auf Hawaii, da ist es total ländlich. Ja, es gibt auch eine Großstadt auf Hawaii, nämlich Honolulu. Da ist es auch wirklich interessant, nur muss man sich dazu erstmal ins Flugzeug setzen und eine halbe Stunde fliegen, weil es zwischen den Inseln keine Fähren gibt. Dann musst du ein Auto mieten und ein Hotel buchen und erst dann bist du in der Lage, Honolulu zu erkunden und zu erleben. Jedenfalls merkten wir vor zwei, drei Jahren, dass wir den Rest unseres Lebens dann doch nicht in solch paradiesischen Gegenden verbringen wollen. Also begannen wir zu überlegen, wo wir hingehen wollen.

Welche Optionen gab es denn?
Viele Amerikaner gehen zum Beispiel nach Portugal, weil es da Steuervergünstigungen gibt. Ich habe mich auch ernsthaft damit beschäftigt, fand Lissabon richtig toll, aber irgendwie hatte ich schon immer eine große Liebe zu Italien in mir. Deshalb schlug ich vor, nach Italien zu ziehen. Jetzt sind wir gerade in Florenz gelandet, was wirklich schön ist, aber es ist touristisch völlig überlaufen. Und dadurch auch übermäßig teuer. Nun sind wir also wieder am Überlegen, was wir machen. Im Moment geht die Tendenz in Richtung Bologna, was nicht weit weg ist von Florenz. Zum Leben ist Bologna auf jeden Fall besser geeignet. Es gibt da jede Menge junge Leute, um die 90.000 Studenten, was es sehr lebenswert macht. Auch die Küche unterscheidet sich in Details von der Florentiner Küche. Und vor allem ist es längst nicht so arschteuer wie der Touristenmagnet Florenz.

Gestatte mir eine kleine Nachfrage. Du warst also nach deiner Scheidung finanziell am Ende. Nun kenne ich den einen oder anderen Musiker, der mir erzählt, dass er gut von den Tantiemen seiner Hits leben kann. Hits hattet ihr mit SPLIFF ja reichlich. Kann einem dann trotzdem die Kohle ausgehen?
Na ja, zumindest zeitweise. Ich vergleiche mich nicht mit einem Menschen, der am Existenzminimum lebt und drei Jobs machen muss, um zu überleben. 1997 bin ich sehr optimistisch gestimmt nach Amerika gezogen und dachte, hier geht es stramm nach vorne, Clinton war Präsident, die Wirtschaft war oben, das Internet kam gerade auf, gesellschaftlich lief es in den Staaten gut zu der Zeit, Rassismus war scheinbar ein Thema von vorgestern, was sollte da schon schiefgehen? Ich war also blauäugig wie sonst was. Das schlug dann alles ins totale Gegenteil um, als ich da lebte und tausende Kleinigkeiten gehört oder sogar selber erlebt habe. Dadurch habe ich so richtig gelernt, wie die USA funktionieren und wie unter diesem Teppich von Gleichheit und Demokratie immer noch dieser gleiche alte Staat schlummert, der auf dem Genozid der Indianer und der Sklaverei aufgebaut ist. Alles, was es dort an Reichtum gibt, basiert auf diesen Dingen. Wir sollten dem in Europa nicht nachlaufen, haben aber speziell in Deutschland oft die Tendenz dazu.

Das ist kein schönes Bild von den Staaten. Aber nochmal zu meiner Frage, ob man von den SPLIFF-Einnahmen nicht mehr leben kann.
Nein, von SPLIFF kann man definitiv nicht mehr leben. Für einen Song wie "Carbonara" springen ja noch ein paar tausend Euro pro Jahr raus. Für ein Hartz IV-Gehalt reichen die Tantiemen schon noch. Die Tantiemen, die ich für meine Musik bekomme, basieren immerhin auf fünfzig Jahren Arbeit. Ganz viele Sachen bringen gar nichts ein, andere wiederum ein bisschen. Von den Einnahmen für meine Film- und Fernsehmusiken kann ich mir einen gewissen Wohlstand aufbauen, aber mehr auch nicht.





In deinem Pressetext steht, dass du zehn Jahre nach dem SPLIFF-Album "Schwarz auf Weiß" erneut bei dem alten Label versucht hast, eine Platte unterzubringen. Es sollte ein Soloalbum werden, woraus dann aber nichts geworden ist. Erzähl mal ein bisschen davon, was ist damals passiert?
Bevor du gleich fragst: mein jetziges Soloalbum hat nichts mit diesem alten Versuch zu tun, das heutige Album besteht vollständig aus neuem Material. Anfang der 90er Jahre hatte ich ja fünf Jahre der Orientierungslosigkeit, was damit zusammenhing, dass Rosa (Cosa Rosa, Musikerin und Lebensgefährtin von Reinhold, Anm. d. Red.) gestorben war. Außerdem fand ich das Produzieren von anderen Künstlern nicht mehr so spannend. Da saß ich dann also eines Tages in meiner schönen Dachgeschosswohnung in Berlin-Schöneberg und fing an, ein Album mit englischen Texten zu schreiben. In dieser Zeit habe ich aber auch noch andere Dinge gemacht, zum Beispiel orientierte ich mich in die Richtung Filmmusik. Ich hing viel mit Regisseuren und Schauspielern rum, machte Theatermusik am Schiller-Theater. Da bekam ich also meinen Drift zum Theatralischen und Filmischen. Als die Platte endlich fertig war und ich sie bei Sony Music in Frankfurt angeboten hatte, fragten die mich, wie sie das denn vermarkten sollen!

Komische Frage … Das ist doch ihr Job!
Bei Popmusik ist es halt so, dass der Künstler sich selbst vermarkten muss. Du musst als Künstler eine Art Persona haben, die nicht unbedingt dem eigentlichen Menschen entspricht, sondern da sollte etwas drüber gestülpt sein, das Wiedererkennungswert hat, quasi eine Art Marke. Das perfekte Beispiel dafür ist Nina Hagen. Sie hat eine bestimmte Art zu reden, zu singen und stylt sich auf eine ganz eigene Art, um die Person Nina Hagen zu sein. Dass aber unter dieser öffentlichen Person noch ein ganz normaler Mensch steckt, davon kann man ausgehen. In unserer gemeinsamen Zeit habe ich diesen normalen Menschen bei ihr auch immer wieder durchblitzen sehen. Dieses Schema kannst du auf sämtliche Musiker übertragen. Ich habe das erst gestern wieder beobachtet. Ich sehe einen Musiker, der hat eine bestimmte Frisur und bewegt sich so und so, dann weiß ich schon, der hat diesen und jeden Stil. Ein anderer hat wiederum ein anderes Outfit und auch den kann ich sofort zuordnen.

Und an sowas ist Dein Albumprojekt gescheitert? Als dieses Album fertig war, war ich im zarten Alter von 42. Ich war Producer und hatte schon Jahre vorher gesagt, ich will nicht mehr auf Tour gehen. Ich will im Studio sein und andere Leute produzieren. Ich habe in diesem Job wirklich gedient und für andere Musiker deren Musik produziert, bis ich spürte, jetzt muss ich wieder etwas Eigenes machen. Auf Dauer immer nur die Musik anderer Leute "schön" zu machen ist irgendwann nicht mehr befriedigend. Um aber nochmal auf diese Persona zurückzukommen, in der ein Musiker in der Regel drinsteckt - ich nehme jetzt mal Till Lindemann. Der hat auf der Bühne buchstäblich eine Rüstung an. Oder nimm die Heavy-Metal-Bands aus den 80er Jahren, das waren alles Hair-Typen. Die Techno-Musiker sehen hingegen völlig anders aus. Du verkörperst also mit deinem Styling die Musik, die du verkaufst. Und ich bin halt ein totaler Normalo. Klar, ich hatte damals Haare bis zum Arsch, konnte aber das, was man damit in Verbindung brachte, nicht darstellen.

Teilst du denn die Meinung der Plattenfirma, denn ich finde es echt schade, dass es scheinbar mehr um Äußerlichkeiten als um Inhalte geht.
Nein, es ist ja nicht die Meinung der Plattenfirma. Obwohl es genügend Gründe gäbe, mit dem bösen Finger auf sie zu zeigen. Dieses Phänomen mit dem Typus des Musikers wird von den Fans gemacht. Die Fans wollen, dass man so oder so aussieht. Das Wort "Aufmerksamkeitsökonomie" gab es ja früher gar nicht, das ist eher so eine Art Influencer-Begriff. Übersetzt bedeutet es, je mehr Aufmerksamkeit ich bekomme, desto reicher werde ich. Ich brauche also gar kein Produkt anzubieten. Kim Kardashian ist das perfekte Beispiel dafür, wie man aus Nichts Milliarden macht. Okay, die Milliarden kommen natürlich erst, wenn dann auch Produkte verkauft werden wie z.B. Kosmetika. Selbst Rhianna ist Milliardärin, deren Reichtum zum größten Teil aus dem Verkauf von Kosmetik und Mode herrührt.


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Dann empfiehlt es sich also für jeden Künstler, der sich heute an den Start begibt, auch gleich einen Lippenstift mitzuentwickeln?
Nein, das würde ich so nicht sagen. Du musst dich selbst als Produkt verkaufen. Wenn das Erfolg zeigt, dann kannst du damit wiederum andere Produkte verkaufen, wenn du denn den nötigen Unternehmergeist an den Tag legst. Erst dann machst du unter Umständen das große Geld. Beim Streaming auf Spotify bleibt das ganze Geld leider bei den Betreibern der Plattform. Als Künstler hier etwas zu erreichen, ist fast unmöglich, denn dafür musst du mehrere Milliarden Streams vorweisen. Das schaffen nur solche Künstler wie Taylor Swift oder Billie Eilish, aber sie haben es sich auch verdient. Es ist sehr innovativ, was Billie und Finneas machen, und gelegentlich hat man das Gefühl, die schreiben schon echte Klassiker, was zum Beispiel die Melodien angeht. Aber auch in Deutschland finde ich toll, was da gerade passiert. Ich finde zum Beispiel Peter Fox super, aber auch DEICHKIND und noch ein paar andere. Was ich damit sagen will: überall steht die Persona im Vordergrund. Ich werde übrigens noch vor Erscheinen des Albums 71 Jahre alt und denke mir: Okay, ich habe ein ganz kleines Label und dazu einen Menschen, der so nett war, diese Arbeit für mich zu übernehmen. Ich hoffe natürlich, dass trotzdem noch ein bisschen was dabei rausspringt. Jedenfalls will ich versuchen, das Album ohne die eigentlich notwendige Persona zu präsentieren, denn ich will den Leuten erstmal nur die Musik nahebringen. Es ist nämlich sehr, sehr schwer, diese Musik zu vermarkten.

Diese schwere Mission kann man nur schwer beschreiben, nicht wahr?
Ich sage immer, es gibt einen Ozean voller Musik und man kann heutzutage dank Spotify und dank vieler Selbstveröffentlichungen auch Musik ohne eine Plattenfirma im Hintergrund anbieten. Früher waren die Plattenfirmen die Schaltzentralen, die entschieden haben, welche Künstler es überhaupt wert sind, auf Platte zu erscheinen. Das gibt es heute nicht mehr. Dafür aber gibt es diesen eben beschriebenen vielfältigen Ozean der Musik, der dazu führt, dass heute an einem einzigen Tag so viel veröffentlicht wird wie im ganzen Jahr 1973. Dazu kommt jetzt auch noch als ganz neue Variante die: KI-erzeugte Musik. Nun schmeiße ich 14 Tropfen meiner Musik, denn so viele Titel umfasst mein Album, in den großen Ozean von Musik. Wie soll man denn aber in diesem Ozean noch irgendetwas finden? Du musst also in irgendeiner Form Aufmerksamkeit erzeugen. Bekommst du diese Aufmerksamkeit nicht, hattest du zwar Spaß daran, deine Musik aufzunehmen, aber kein Mensch nimmt davon Kenntnis. Glücklicherweise habe ich durch meine Filmmusik mein Auskommen und bin nicht darauf angewiesen, meinen Lebensunterhalt durch die Veröffentlichung dieses Albums zu verdienen.

Was ist denn mit dem Album aus den 90ern geworden? Liegt das immer noch in der Schublade?
Ja, das liegt nach wie vor in der Schublade. Ich habe meinem Label kürzlich mal davon erzählt und ihm erklärt, dass dieses Album 1996 fertiggestellt wurde und wir bald 2026 schreiben. Es wäre doch eine gute Gelegenheit, das Teil zum 30. Jahrestag seiner Entstehung einfach mal rauszubringen, bevor es dort vielleicht verschimmelt. Ich glaube, das könnte tatsächlich passieren.


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SPLIFF 1985 mit Kurt Cress (mitte)



Das halte ich für eine gute Idee. Du bist ja auch in der SPLIFF-Facebookgruppe und liest demzufolge auch von den Wünschen der Menschen, dass es eines Tages mal wieder SPLIFF geben wird. Dagegen habt ihr euch bisher aber immer mit Händen und Füßen gewehrt. Formuliere ich das richtig oder gab es nach unserem letzten Interview doch mal konkrete Ideen, SPLIFF wieder auf die Beine zu stellen?
"Mit Händen und Füßen gewehrt" ist die falsche Beschreibung der Situation. Es gibt ein Stück auf der Platte, das heißt "Schwülstiges Pathos". Das Lied hat einen relativ minimalistischen Text, ist sechs Minuten lang, klingt ziemlich dramatisch und ist also für eine Singleauskopplung völlig unkommerziell. Aber der Text handelt von dem Phänomen, dass man sich immer wieder verpasst. Zum Beispiel ich als heterosexueller Mann bin begeistert von einer bestimmten Frau, es gibt eine gegenseitige Anziehungskraft, aber die Situation im realen Leben ist nicht so, dass daraus eine Beziehung entstehen könnte. Noch nicht mal eine Affäre. Es klappt nicht, weil entweder du oder die andere Person schon in einer Beziehung steckt oder sie ist beruflich total eingebunden und es geht einfach nicht. Man trifft sich trotzdem immer wieder und die gegenseitige Anziehung ist nach wie vor vorhanden, aber das Timing ist jedes Mal Scheiße, so dass eine Beziehung nie zustande kommt. Das ist sehr traurig, und ich habe tatsächlich eine ganze Reihe Menschen, mit denen das genauso ist. Wenn man als älterer Mensch dann noch glücklich verheiratet ist, umtreibt einen so etwas ohnehin nicht ständig. Aber es bleibt trotzdem ein Phänomen im Leben. Auf Englisch sagt man: "the one who got away". Um aber nun wieder zurückzukommen auf deine Frage: Bei Spliff ist es ganz genauso. Guck mal, ich war in Amerika, ich habe Kinder großgezogen, habe mich scheiden lassen, habe Filmmusik gemacht. Die anderen drei haben sich zwar hin und wieder mal getroffen, hatten aber keinen Vibe, allein weiterzuarbeiten. Ich war immer so weit weg und konnte ohnehin nicht glauben, dass es funktioniert hätte. Wenn die drei es ernsthaft versucht hätten, dann hätte man mich ja einbinden können, mir die Songideen schicken können und ich hätte meine Keyboardparts draufgespielt. Oder was auch immer. Aber für ein halbes Jahr das Leben in Amerika mit zwei kleinen Kindern zu unterbrechen, um in dieser Zeit in Deutschland auf Tour zu gehen, das hätte aus meiner Sicht nicht stattfinden können. Insofern ist es, wie es eben ist. Die anderen hatten ihre Kinder halt schon in den 80er Jahren und/oder sind auf die Iberische Halbinsel ausgewandert. Und meine Kinder kamen eben erst 1998 und 2000, da wäre das einfach nicht gut gewesen.

Kann man sagen, dass nach dem Tod von Manne dieses Thema endgültig begraben ist?
Wir hatten ja dieses Projekt namens FROON, bei dem urprünglich auch Herwig dabei sein sollte. Das war im Prinzip SPLIFF mit einem englischen Sänger. Ob das letztlich eine gute Idee war, wage ich heute zu bezweifeln. Die Gründe, warum wir unbedingt einen englischsprachigen Sänger haben wollte, gehen zurück bis ins Jahr 1984, als wir das Album "Schwarz auf Weiß" gemacht haben. Auf der dazugehörigen Tour kam ich auf die wahrscheinlich blöde Idee, einen separaten Schlagzeuger (kein Geringerer als Curt Cress, Anm. d. Red.) zu buchen, damit Herwig, der ja die meisten Songs des Albums sang, die Hände für seinen Gesang frei hatte. Die Tour selber war leider nicht sehr erfolgreich, weil die Platte dann doch etwas anspruchsvoller war. Es fehlten halt die großen Hits, vielleicht war die Zeit für SPLIFF aber einfach auch vorbei. Ich fand es jedenfalls gut, dass wir uns so entschieden hatten. Die nächste Stufe wäre gewesen, einen anderen Sänger zu nehmen. Aber aus heutiger Sicht war diese Idee einfach absurd. Der Sänger selbst war zwar toll, er war auch ein guter Keyboarder und konnte außerdem auch noch gut schreiben, aber Herwig arbeitete dann an einem Soloalbum, dessen Fertigstellung sich verzögerte, was wiederum zur Folge hatte, dass er beim FROON-Projekt nicht mitmachen konnte. Deshalb sagten wir uns, wenn Herwig nicht dabei ist, können wir unmöglich wieder SPLIFF heißen. Bei anderen Bands ist es so, da tauscht man das komplette Personal aus, aber der Markenname bleibt erhalten. Wir waren da etwas störrischer, für uns war es eben so, dass SPLIFF nur weiterleben konnte, wenn wir alle vier dabei sind. Und wieder zurück zu deiner Frage… Manne Praeker ist ja nun schon ein paar Jahre tot. Und ja, natürlich könnte man sich einen anderen Bassisten nehmen oder für die paar Songs, die Manne gesungen hat, einen anderen Sänger suchen. Aber ich habe schon immer gesagt, wenn SPLIFF mal wieder eine Platte aufnehmen sollten, dann können wir nicht so klingen wie Anfang der 80er, denn wir haben uns immer weiterentwickelt. Ich will zwar nicht irgendwelchen aktuellen Trends nachlaufen…


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SPLIFF 1985



… die Trends habt ihr ja seinerzeit mit SPLIFF selber gesetzt! Wenn SPLIFF jetzt wieder auftauchen, wird erwartet, dass genau das wieder passiert.
Genau, aber diese Latte hängt sehr hoch. Das Gegenteil wäre, wenn die Plattenfirma plötzlich auf die Idee käme, eine neue SPLIFF-Platte machen zu wollen. Dann hat man sofort einen gewissen Druck, den ich ungesund finde. Was ich jetzt mit meiner Soloplatte gemacht habe, ist nochmal eine ganz andere Nummer, da ich selber nicht wusste, ob ich das Ganze überhaupt veröffentlichen will. Ich hatte einfach Bock darauf, die Songs zu machen. Und es ist mir auch völlig Schnuppe, ob die Lieder im deutschen Radio gespielt werden. Zumal die Texte zwar nicht unbedingt dirty sind, aber zum Teil doch recht politisch, weshalb man sich hüten wird, die im deutschsprachigen Rundfunk laufen zu lassen. Ich schreibe halt, wie mir der Schnabel gewachsen ist, das gilt für die Musik wie für die Texte gleichermaßen. Für mich ist das alles eben purer Spaß.

Dein Song "Schwülstiges Pathos" wird in meiner aktuellen Radiosendung jedenfalls gespielt. Ich finde gut, dass es Ecken und Kanten hat, deshalb kommt es auf die Playlist. Außerdem pell ich mir eh ein Ei auf das, was "Standard" sein soll …
Die Idee zu dem Song entstammt einer Improvisation auf einem Synthesizer, der den Rhythmus automatisch macht. Im Prinzip klingt es wie eine Filmkomposition, die aber ein wenig technomäßig daherkommt, aber trotzdem diese für Filmkompositionen typische Dramatik besitzt. Ich habe zunächst das Arrangement ausgefüllt und erst dann kam der Text dazu.

Wo willst du mit dem Album denn eigentlich hin? Du sagst, es ist vieles durch Zufall entstanden und du hast es nicht darauf angelegt, zu glänzen. Wenn man aber letztlich damit ans Tageslicht geht, hat man ein Ziel dafür im Hinterkopf. Hast du dieses Ziel?
Nein, habe ich nicht. Wenn eine junge Band ins Studio geht und eine Platte aufnimmt, möchte man sich damit künstlerisch ausdrücken. "Express yourself", wie Madonna es mal sagte. Diese junge Band möchte mit der Platte Erfolg haben und sie müssen in der Regel damit ihren Lebensunterhalt verdienen, also ist schon mal ein ganz anderer Druck da. Bei mir ist es ja so, ich habe schon immer mehr Musik gemacht, als am Ende erschienen ist. Irgendwann dachte ich mir dann, das ist doch bescheuert, denn wenn ein Song fertig ist, muss er auch veröffentlicht und dem Publikum zur Verfügung gestellt werden, ohne dass man damit diesen Erfolgsdruck verbindet. Sich künstlerisch ausdrücken zu wollen, aber die Werke nicht zu veröffentlichen, ist so eine Art Feigheit vor dem Feind. Das muss man überwinden, selbst wenn man wie ich dafür erst 70 Jahre alt werden muss.

Daran schließt sich natürlich die Frage an, ob die Platte eines Tages auch mal live präsentiert wird. Reinhold Heil endlich mal wieder live auf der Bühne…
Nun könntest du sagen, wenn die Platte live präsentiert wird, bekommst du auch mehr Aufmerksamkeit und das Ganze wird automatisch erfolgreicher. Aber um etwas auf die Bühne zu bringen, brauchst du nicht nur Zeit, sondern auch jede Menge Geld. Okay, mit der heutigen Technologie könnte ich ohne Mühe mein Laptop auf die Bühne stellen, dazu drei Keyboards und ein Mikrofon und ich könnte alles, was ich selbst nicht leisten kann, über das Laptop einspielen, so wie es andere auch machen. Howard Jones zum Beispiel hat das schon früher so gemacht - nur ohne den doppelten Boden eines Laptops. Für mich wäre das aber keine wirkliche Option. Wenn ich ernsthaft an eine Live-Präsentation denken würde, bräuchte ich weitere Musiker, also eine Band. Und da fängt es schon an. Diese Band müsste zusammengestellt werden, dann müsste man einen gemeinsamen Raum mieten, das Equipment muss stehen, die Musiker und die Crew müssten bezahlt werden… Also alles sehr schwierig. Das kann man wirklich nur machen, wenn die Musik eine gewisse Resonanz findet, also so gut läuft, dass man sagen kann, das Risiko ist vertretbar. Hätte man natürlich so viel Kohle, dass man locker sagen könnte: ich bezahle die Musiker, ich bezahle die Probenräume, ich bezahle die Bühnendekoration usw., dann wäre es kein Thema. Ich selber habe aber überhaupt nicht die Mittel, um so etwas auf die Beine zu stellen.


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Daran scheiterte es ja letztlich auch bei deinem Kollegen Herwig Mitteregger, der ja auch nicht mehr live aufgetreten ist, aber trotzdem noch wunderbare Alben gemacht hat. Das ist eben für uns Fans immer wieder das leidige Problem. Es ist alles viel zu teuer und konzerttechnisch klappt nichts mehr richtig. Sehr schade.
Wir hatten ja damals eine Plattenfirma, die auch durchaus an uns geglaubt hat. Die haben sogar Geld dafür rausgehauen, dass SPLIFF auf Tour gehen konnten. Dadurch ließen sich natürlich dann auch die Platten verkaufen. Heute läuft es umgekehrt: das Streaming bringt weder dem Künstler noch der Plattenfirma im Ansatz die Kohle, um davon existieren zu können. Wenn du also heute eine junge Band bist, bei der die Ansprüche der Musiker nicht allzu hoch sind und die es irgendwie schaffen, fulltime auf die Bühne zu gehen, so wie wir es früher auch gemacht haben, dann kannst Du nebenher noch ein paar Videoveröffentlichungen machen, hast ein gutes Merchandise, dann geht das vielleicht. Oder man hat nebenbei noch einen anderen Job, was ich aber sehr schade finde, denn man wird ja eigentlich Musiker, um davon leben zu können und man muss ja ständig üben, proben und schreiben. Aber schon damals zu unserer Zeit schafften es die wenigsten, mit dem Status eines Berufsmusikers überleben zu können. Uns hat damals die Tatsache, dass wir Nina Hagen kennengelernt und mit ihr zusammengearbeitet haben, auf dieses Level gebracht. Das muss man einfach so klar sehen. Nina kam aus der DDR und brachte jede Menge Aufmerksamkeit durch die Medien mit. Da kann man als Musiker nur ehrlich sagen: Klasse, da habe ich echt Schwein gehabt! Wir mussten uns also nicht alles selber erarbeiten, sondern dank Nina kam vieles erst mal von alleine.

Ich finde es auf jeden Fall gut, dass du wieder da bist und Musik machst. Vor allem finde ich die Aussage gut, dass du alles mehr oder weniger aus Spaß machst. Das ist ja etwas, was heutzutage selten ist.
Vielen Dank! Bei vielen Bands ist es leider so, dass sie mit ganz viel Spaß anfangen, dass aber mit dem Eintreffen des Erfolges der Spaß verschwindet, weil dann der Erfolgsdruck und gewisse Einflüsse von außen dazukommen. Dadurch verändert sich dann zwangsläufig auch die Musik oder die Musik klingt nicht mehr so frei und ungezwungen. Das war bei NENA auch so, das dritte Album musste irgendwie international klingen. Im Nachhinein frage ich mich, warum musste das eigentlich sein? Das Debütalbum von NENA war einfach nur frisch, frei und fröhlich.

Aber das habt ihr ja mit SPLIFF auch probiert mit dem "Emergency Exit"-Album.
Ja, das stimmt. Aber das waren ja immer noch dieselben Songs, nur eben englisch eingesungen. Die "Spliff Radio Show" war englisch. Nina Hagen war deutsch. Die Neue Deutsche Welle war trendy und hat auf Deutsch auch supergut funktioniert. Und was wir nach der "Spliff Radio Show" gemacht haben, das lag ja auf den Schultern von vier relativ unerfahrenen Songschreibern, die ihr eigenes Zeug gemacht haben und sogar ihr eigenes Studio hatten. Das Studio war zwar primitiv, lag in Moabit in einem Hinterhof, aber wir hatten nicht nur eine 24-Spur-Maschine, sondern wir hatten vor allem Zeit. Dadurch konnten wir unsere Songs in aller Ruhe entwickeln. In dieser Zeit gab es dann halt nicht nur englischsprachige Songs, sondern auch die ersten deutschen Texte. Nun hatten wir genau dieselbe Situation, wie ich sie vor einem halben Jahr hatte. Ich hatte nämlich auch noch ein paar englische Songs vorrätig und fragte mich, mache ich nun ein gemischtes Album oder soll ich alles auf Englisch machen? Dann habe ich mich mit Dirk von der Plattenfirma auf ein deutsches Album verständigt, wir waren uns aber einig, dass wir einen englischen Song mit draufpacken. Damals bei SPLIFF gab es richtig heiße Diskussionen zwischen uns und der Plattenfirma, wo seinerzeit Jochen Leuschner für uns zuständig war. Das war so einer, der selber Musiker war, aber nicht so ein frustrierter, sondern einer von den richtig Guten. Da kann man wirklich mal den Daumen hoch machen. Mit dem diskutierten wir und erfuhren, dass wir normalerweise ein deutschsprachiges Album liefern sollten. Da wir aber nun schon so viele englische Texte vorliegen hatten, mussten wir die allesamt ins Deutsche übertragen, von denen deutschen Nummern aber wiederum auch eine englische Version einspielen, damit wir auch etwas für den internationalen Markt haben. Diese englische Version der Platte konnten wir dann nach Amerika schicken und abwarten, was passieren würde.





Und? Ist was passiert?
Natürlich passierte kommerziell gar nichts. Die Platte lief höchstens mal auf College-Radiostationen, aber das war's dann auch. Deswegen ließen wir es damit auch gut sein. Dieser Versuch war nun allerdings keine komplette musikalische Umorientierung. Eine Platte auf den Markt zu bringen ist ja immer wie Lotto spielen. Im Normalfall passiert überhaupt nichts, nur für ein paar Glückspilze geht es hin und wieder mal steil nach oben.

Reinhold, ich wünsche dir für dieses Album alles erdenklich Gute. Uns Fans wünsche ich, dass die Platte eine gewisse Aufmerksamkeit erreichen wird.
Ich danke dir. Auf jeden Fall werde ich auch danach weitermachen. Es wird vielleicht mal wieder etwas Instrumentales geben und das englische Album wird kommen.

Bist du denn auch noch in Sachen Filmmusik tätig?
Das habe ich zur Zeit ganz doll zurückgeschraubt. Ich verfolge es auch nicht aktiv, Jobs in der Filmmusikbranche zu bekommen. Wenn natürlich jemand anruft und mir erzählt, er hat da ein Projekt, dann höre ich mir das an und wenn ich es mag und gerade Zeit habe, würde ich tatsächlich wieder einsteigen, weil ich diese Art des Musikmachens sehr liebe. Aber ich glaube eher, dass ich künftig - vorausgesetzt, ich bleibe fit - in meinem Studio in Bologna sitzen werde und viele meiner Ideen fertigmache und diese dann hoffentlich auch veröffentlichen werde.

Das klingt nach einem Plan. Ich danke dir für das Gespräch.
Ich danke dir auch.



Interview: Christian Reder
Übertragung: Torsten Meyer
Fotos: aktuelle Pressefotos (Michele Campagni), Redaktion








   
   
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