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Interview vom 6. Dezember 2024



Ab dem 17. Januar wird die Gruppe PANKOW auf Abschieds-Tour sein. Der Startschuss fällt in Cottbus und bis in den Sommer hinein kann man die Berliner Kultband dann noch auf einigen Bühnen live erleben. Danach wird eine über 40 Jahre währende Geschichte zu Ende erzählt sein. Dass dem so ist hat Gründe. Nein, kein Streit innerhalb der Band, aber trotzdem werden André Herzberg, Jürgen Ehle, Stefan Dohanetz und Kulle Dziuk ab 2025 getrennte Wege gehen. Darüber sprach unser Kollege Christian nun mit Jürgen Ehle, der dazu ein bisschen was zu erzählen hatte ...




Jürgen, das war natürlich eine Nachricht, die die Fans überhaupt nicht brauchten: PANKOW hört auf!
Immerhin nach vierzig Jahren…

Ja klar, aber trotzdem war das ein Schock. Ihr seid doch die STONES aus Berlin! Warum ist jetzt Schluss?
Ich habe eine hauptsächliche Begründung, die lautet, wir sind vor ziemlich genau zwanzig Jahren schon einmal nach einer längeren Pause neu zusammengekommen. Damals haben wir uns entschieden, unsere Arbeitsweise zu verändern. In diesen letzten zwanzig Jahren gingen wir nämlich nur noch alle zwei bis drei Jahre auf Tour und sahen uns in der Zwischenzeit so gut wie gar nicht. Das hat zur Folge, dass man sich immer so ein bisschen aus den Augen verliert. Für den Einzelnen bedeutet das, er muss in dieser Zeit irgendwie seine künstlerische Existenz sichern, was nichts anderes heißt, als dass jeder von uns in anderen Projekten unterwegs ist und damit von PANKOW komplett abgelenkt ist. Ich zum Beispiel spiele noch in zwei weiteren Bands und habe auch noch ein langjähriges Projekt mit meiner Lebensgefährtin am Laufen. Somit ist man zwischendurch mit seiner Arbeit und seinen Gedanken ganz woanders, was speziell in den letzten zehn Jahren sogar noch zugenommen hat. Dadurch fehlt in Sachen PANKOW die nötige Kontinuität und wir haben quasi eine Art Stillstand zu verzeichnen. Nun haben wir uns aber noch nie wohlgefühlt, wenn so eine Art Stagnation aufkam. Also entschlossen wir uns, dann doch lieber in Ehren und mit Würde abzutreten und das Feld noch einmal abzuernten. Ich persönlich fand das auf Anhieb gut und richtig.

Von wem kam denn der Vorschlag?
Den Vorschlag hat Andre gemacht.



Foto: Thomas Neumann



Von außen betrachtet hatte man den Eindruck, dass gerade diese neue Arbeitsweise immer ziemlich gut funktioniert hat. Ihr habt euch zurückgezogen, ein Album gemacht, anschließend eine Tour gespielt. Wieso war das zum Schluss nicht mehr richtig?
Ich gebe dir Recht, dass das für das Live-Geschäft immer funktioniert hat und auch weiterhin funktionieren würde. Aber im Kreativbereich ist das leider nicht so. Man kann das auch nicht erzwingen, deshalb muss man das so zur Kenntnis nehmen und akzeptieren. Natürlich könnten wir noch jahrelang weiter touren, aber keiner von uns hat Lust, immer und immer wieder dasselbe zu spielen und sich ständig zu wiederholen.

Höre ich da heraus, dass ihr tatsächlich satt von eurer eigenen Musik seid?
Nein, so ist das nicht gemeint. Wie schon gesagt, es fehlt die Kontinuität und der Austausch untereinander. Es fehlt das Wissen, wo steht der andere, worüber denkt er nach, was man aber wissen muss, um inhaltlich neue gemeinsame Ziele zu finden. Das bleibt eben auf der Strecke, vor allem, wenn man nebenher noch viele andere Dinge zu tun hat und sich überhaupt nicht mehr auf das PANKOW-Ding besinnen kann.

Das letzte Studioalbum von PANKOW ist von 2011 und somit tatsächlich schon ein paar Jährchen her. Gab es in der Zwischenzeit gar keine neuen Ideen mehr?
Es ist so, dass wir uns hin und wieder Sachen zugeschickt haben, die aber nicht gefruchtet haben. Bei Andre führte das dazu, dass er stattdessen lieber ein Soloalbum gemacht hat. Dieser Impuls, dass wir sagen: "Jetzt lass uns loslegen!" kam einfach nicht. Daran merkt man deutlich, dass wir uns im Laufe der Zeit auseinanderentwickelt haben.

Das ist wohl so, wenn man mit anderen Dingen beschäftigt ist, dann verliert man die Konzentration auf das eigentliche Projekt.
Na ja, das ist dann eben nicht mehr das Eigentliche. Für mich war PANKOW 17 Jahre lang das maßgebliche Projekt. Dann kam eine Pause, bis es eines Tages PANKOW 2.0 gab, was aber völlig anders funktioniert hat.


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Foto: Herbert Schulze



Du hast es gerade gesagt, es gab in der PANKOW-Geschichte zwei Phasen. Die erste Phase dauerte bis zur Trennung, darauf folgte die Phase danach.
Wenn du das so formulieren willst, gab es sogar drei Phasen. Nach dem Ausscheiden von Andre hat PANKOW trotzdem weitergemacht und irgendwann kam Andre ja auch wieder zurück in die Band. Trotzdem war das alles mit ständiger Kontinuität verbunden. Die wirkliche Pause dauerte dann von 1999 bis 2004.

Gut, dann gehen wir von drei Phasen aus. Du warst auf jeden Fall an allen drei Phasen aktiv beteiligt.
Ich bin tatsächlich der Einzige, der bei jedem PANKOW-Konzert anwesend war.

Wenn du jetzt mal auf die ganzen vierzig Jahre mit PANKOW zurückblickst, was war dann für dich das absolute Highlight?
Das kann ich so nicht beantworten, denn die Highlights hatte ich immer mit der Band, mit der ich musikalisch gerade am meisten im Einklang war. Es kam immer darauf an, wie es sich angefühlt hat, wie professionell und organisch es war. Bestimmte Ereignisse gibt es natürlich viele, an die man sich gerne erinnert, ich möchte aber keins besonders herausheben.

Als Andre die Band verlassen hat, gab es dafür ja einen Grund …
Falls du jetzt auf die IM-Geschichte anspielst, so muss ich dir sagen, dass das damit nichts zu tun hatte. Als diese Sache bekannt wurde, habe wir zunächst unsere Single zu Ende aufgenommen, im Anschluss im Tränenpalast "15 Jahre PANKOW" gefeiert. Danach haben wir uns bei unserem Bassisten einquartiert, die Demos für das kommende Album eingespielt und danach das Album "Am Rande von Wahnsinn" aufgenommen. Das war 1997. Ein Jahr später, 1998, beging die Welt Bertolt Brechts 100. Geburtstag, was uns auf die Idee brachte, mit einem Brecht-Programm auf Tour zu gehen. Und erst danach sind wir auseinandergegangen.

Also ist das hartnäckige Gerücht, dass es wegen der IM-Geschichte zu Streitigkeiten kam, nicht richtig?
Nein, das ist nicht richtig. Wir entschieden uns damals ganz bewusst dafür, weiterzumachen. Die ganze Band schaute sich in die Augen und entschied, dass es weitergeht.


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Nach über vierzig Jahren wird die bevorstehende Tour die letzte mit PANKOW sein. Habt ihr etwas Besonderes vorbereitet? Okay, das ist eine dumme Frage, denn ich gehe davon aus, dass es schon irgendetwas Besonderes auf der Abschiedstour geben wird? Kannst du uns schon verraten, was die Fans erwarten können?
(lacht) Nun ja, wir werden uns bestimmt nicht neu erfinden. Also ich denke, wir werden ein paar Songs spielen, die wir schon ewig nicht live gespielt haben. Möglicherweise werden die Konzerte auch ein wenig länger, als es in den letzten Jahren der Fall war. Aber an diesem Punkt der Vorbereitung sind wir noch längst nicht angelangt. Wir sehen uns so selten… Wir trafen uns dieser Tage mal für eine kurze Probe, weil wir morgen ein einstündiges Radiokonzert spielen, aber das war es auch schon. Wir haben einfach im Moment nicht die Zeit für mehr gemeinsame Aktivitäten. Der eine arbeitet in einer anderen Stadt am Theater, der nächste ist auf andere Art voll beschäftigt und ich selber habe auch kaum Zeit, zumal ich ja auch noch als Veranstalter tätig bin. Richtig Zeit füreinander haben wir erst ab 10. Januar. Dann wird vermutlich auch erst alles inhaltlich und musikalisch Wichtige entschieden.

Du bist also gedanklich noch gar nicht bei der Abschiedstour. Dann wirst du wohl erst recht noch gar nicht darüber nachgedacht haben, was sein wird, wenn der letzte Ton verklungen ist, oder?
Ja natürlich habe ich schon mal versucht, mir das vorzustellen. Das wird sicherlich mit einer dicken Träne im Knopfloch verbunden sein. Aber andererseits stehe ich ja voll und ganz hinter dieser Entscheidung, das Kapitel PANKOW zu beenden. Und letztlich werde ich wie auch alle anderen stolz darauf sein, das Ganze zu einem ordentlichen Abschluss gebracht zu haben. Ich finde es wirklich besser, die Sache so abzuschließen, als nach und nach die Erinnerung an PANKOW verblassen zu lassen, ohne einen echten Schlussstrich gezogen zu haben. Ich möchte nicht, dass die Band so endet.

Du sprichst davon, die Sache zu einem ordentlichen Abschluss zu bringen. Dass es vielleicht eines Tages mal zu einem einmaligen Comeback kommt, zum Beispiel auf einem Festival oder so, schließt du aber nicht aus, oder?
Also aus rein kommerziellen Gründen kann ich mir das nicht vorstellen. Vielleicht gibt es ja mal inhaltliche Gründe, wie eine gesellschaftspolitische Sache, ein Jubiläum oder irgendetwas in der Art. Aber nur, um wieder mal als PANKOW auf der Bühne zu stehen, nein, das glaube ich nicht. Und gerade die von dir angesprochenen Festivals interessieren uns überhaupt nicht. Ich sehe das echt nicht. Nein, das wird nicht passieren, denn die Gründe, die jetzt zum Aus der Band führen, bleiben ja bestehen.





Du selbst bist noch mit anderen Projekten beschäftigt. Eins davon ist das mit Scarlett O´ und du veranstaltet auch weiterhin Konzerte. Wo bist du sonst noch aktiv?
Ich spiele in der Band von Andreas Dresen und Alexander Scheer, wo ich mittlerweile auch schon zehn Jahre dabei bin. Angefangen hatte es noch mit Axel Prahl, der aber nach der Gundermann-Film-Tournee gegangen ist, um sich auf sein INSELORCHESTER zu konzentrieren. Das hatte er aber lange vorher angekündigt. Im Zuge dessen kam Alexander in die Band. Am Ende des Jahres haben wir dann auch zwanzig Konzerte gespielt. Dazu sind gerade die letzten Handgriffe an einer Live-CD, die wir mit dem Filmorchester Babelsberg eingespielt haben, in Arbeit. Übrigens sind wir hier nicht nur am Covern, sondern es gibt hoffentlich bald neues Material zu hören. Ich bleibe da auf jeden Fall dran. Und zu all dem bin ich ja auch jedes Jahr mit Thomas Rühmann unterwegs. Ach ja, dann hatte ich auch noch den Auftrag, die Musik für einen Kinderfilm zu schreiben, was ich sehr gerne gemacht habe. Ich arbeite also nicht nur als Musiker, sondern auch Produzent und Tonmeister.

Dir wird also nicht langweilig ...
Nein, im Gegenteil. Es ist wirklich verrückt, die Jahre seit 2021 sind wirklich die arbeitsreichsten Jahre, die ich je hatte.

Lass dir trotzdem mit auf den Weg geben: PANKOW wird uns allen fehlen. Es war immer eine verlässliche Sache, ihr wart alle zwei bis drei Jahre wieder da, seid auf Tour gegangen, habt 2011 noch ein neues Album gemacht - all das wird fehlen.
Danke, dass du das so sagst. Auf eine gewisse Art wird mir das auch fehlen, aber eigentlich habe ich dazu schon alles gesagt.

Gibt es noch irgendwelches Material in den Schubladen, das vielleicht doch noch mal ein neues Album füllen könnte? Oder wird evtl. sogar die Abschlusstour live mitgeschnitten?
Es ist ja gerade erst eine Doppel-CD mit dem Konzert vom letzten Jahr in Berlin erschienen und einem unveröffentlichten Konzert aus dem Jahr 1984. Deshalb sehe ich keinen Grund, jetzt noch eine weitere Live-Platte zu bringen. Vielleicht passiert es ja, da müssen wir mal abwarten. Geplant ist es jedenfalls noch nicht, aber solche Dinge lassen sich ja heutzutage relativ spontan entscheiden. Wir sagen dann halt: Morgen schneiden wir das Konzert mit. Ansonsten ist es eine Besonderheit von PANKOW, dass wirklich alles Material, dass uns jemals eingefallen ist, auch veröffentlicht wurde. Ja, es gibt ein paar wenige Sachen, die in der Schublade gelandet sind. Bei manchen davon habe ich dann den Text fallengelassen, aber zwanzig Jahre später die Komposition verwendet. Bei mir jedenfalls gibt es nichts, was noch ungenutzt rumliegt.


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Eine Frage habe ich dann doch noch, und zwar die Frage, ob es auf der Tour irgendwelche Gäste geben wird. Zum Beispiel ehemalige Mitstreiter, die noch einmal mit euch auf die Bühne wollen?
Ich hoffe ja. Da ist aber das letzte Wort noch nicht gesprochen. Auf unseren Konzerten im Winter wird jedenfalls nichts dergleichen passieren. Nun ist es aber so, dass wir in einigen Städten auf Grund des guten Kartenvorverkaufs überlegen, ob wir noch ein zweites Konzert dranhängen. Die Idee ging hier aber in die Richtung, das in Form von ausgewählten Open Airs im Sommer zu machen. Nach derzeitigem Stand kann es also durchaus passieren, dass wir im Sommer noch maximal fünfmal als PANKOW auf die Bühne gehen. Und bei diesen Gelegenheiten könnte es sein, dass der eine oder andere Gast dabei ist, was ich aber heute noch nicht versprechen kann.

Wie üblich lautet bei unseren Interviews die letzte Frage: Möchtest du unseren Lesern abschließend noch etwas mit auf den Weg geben?
Eigentlich fällt mir da nur eins ein: Geht nicht nur zu den Großen, sondern geht vor allem in die Klubs, wir brauchen euch.

 
Interview: Christian Reder
Übertragung: Torsten Meyer
Fotos: Redaktion, Herbert Schulze, Thomas Neumann




   
   
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