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Interview vom 8. Oktober 2024



Die "Himmelsscheibe von Nebra" bildet auf dem Plattencover der neuesten Veröffentlichung der STERN-COMBO MEISSEN zu deren 60-jährigem Bandjubiläum ein aussagestarkes Motiv und liefert zugleich eine faszinierende Geschichte, unabhängig davon, ob einem dieses über 4.000 Jahre alte Artefakt schon vorher bekannt war, oder ob man - wie ich - erstmal auf "wikipedia" nachschauen musste, wo der Ort Nebra liegt. Ich gebe zu, ich tippte auf Persien, weil ich unseren germanischen Vorfahren so viel Kultur gar nicht zugetraut hätte. Meine Erwartungen übertroffen haben aber auch die STERNE selbst, die zwar seit einigen Jahren auf den Bühnen wieder rundum begeistern, aber nun ein Werk vorlegten, das alle Qualitäten der Band aus verschiedenen Epochen vereint und im Titelstück sogar ebenbürtig mit den absoluten Klassikern ist. Daher war mir ein Austausch mit Band-Mastermind Manuel Schmid eine Herzensangelegenheit.




Ich muss gleich zu Anfang ein großes Kompliment loswerden. Ihr habt es meiner Meinung nach geschafft, im 60. Jahr nach der Bandgründung mit "Die Himmelsscheibe von Nebra" eine Platte zu veröffentlichen, deren Titelstück auf einer Stufe mit den ganz großen Klassikern der Stern-Combo Meißen steht. Das klingt überschwänglich, aber ich glaube, auch von anderer Seite haben euch schon begeisterte Reaktionen erreicht, oder?
Ich muss ehrlich zugeben, dass ich mit so einer Reaktion nicht mal im Ansatz gerechnet habe. Ich habe das Stück einfach aus meinem Herzen geschrieben und den Glücksumstand, einen Texter gefunden zu haben, dessen Qualität ich seit Jahren hoch schätze.

Um einen neuen "Klassiker" zu platzieren gehört in Eurem Fall ja ein entsprechend gewichtiges und zeitübergreifendes Thema, ob es der "Kampf um den Südpol" oder die Herstellung des "Weißen Goldes" ist. Die "Himmelsscheibe" ist da ein geradezu geniales Sujet.
Unser Bassist Axel Schäfer kam im Dezember nach einem Konzert in Zittau beim Bandbrainstorming auf die Idee. Ich habe sofort Gefallen daran gefunden, mich mit der Geschichte beschäftigt und das Stück im Frühjahr schlussendlich geschrieben.


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Für die Lyrics habt Ihr dann einen Autoren angesprochen, der schon für Legenden des Ostrock Texte geschrieben hat. In wessen Telefonbuch stand der Name Joachim Krause?
Joachim Krause kenne ich viele Jahre, da seine Frau einige Zeit in meinem Gospelchor in Altenburg mitgesungen hat. Dadurch sind wir lange miteinander bekannt. Er hat schon für mein letztes Album mit Marek Arnold einen Text beigesteuert. Für mich ist und bleibt das Besondere, dass er nach fast 45 Jahren wieder Lust bekommen hat, in diese Materie erneut einzusteigen. Und das, obwohl er nach seinem Megaerfolg mit "Am Abend mancher Tage" von LIFT 1980 das Kapitel eigentlich abgeschlossen hatte.

Was macht für Dich persönlich die Bedeutung oder gar die Botschaft des Liedtextes aus?
Die Demut und die "Gesetzmäßigkeiten", die das Leben so mit sich bringt. Vielleicht auch das Streben nach "Höherem"?! Die naturgegebenen Zusammenhänge der Elemente. Es ist auf jeden Fall ein Thema, das auch zum Nachdenken anregen soll. STERN hat sich ja ganz oft mit kulturell-wissenschaftlichen Themen auseinandergesetzt und es war einfach an der Zeit, wieder mal in diesem "Stile" zu arbeiten.

Vom Text zur Musik: Wie hast Du es geschafft, den typischen Sound der STERN-COMBO MEISSEN aus den 70ern aufleben zu lassen und trotzdem nicht wie "von gestern" zu klingen? Und um eine weitere Frage anzufügen, um die man an dieser Stelle fast nicht herumkommt: Wie kann das ausgerechnet einem Musiker und Produzenten gelingen, der erst 1984 das Licht der Welt erblickt hat?
Ich würde das gar nicht so "hoch" anhängen. Ich habe einfach die Stile und die Sounds gewählt, die mir persönlich gefallen. Ich mag die Keyboards aus den 70er Jahren, die Soundästhetik. Ich mag aber auch moderne Soundloops und knackige Gitarren und Drums. Es ist ein bisschen, wie auf einer Kinderspielwiese. Man muss die Dinge formen, zusammenbauen, Dinge in Kombination bringen. Ein wunderbarer Abenteuerspielplatz. Da gibt es keine perfekte, vorgeschriebene Rezeptur. Entweder, es funktioniert oder eben nicht ...

Als ich von der Veröffentlichung einer "neuen EP" mit einem Zehn-Minüter als Titelstück las, hatte ich gehofft, die Veröffentlichung würde sich am Ende als ein Werk entpuppen, das man in die Reihe Eurer Alben einsortieren kann. Tatsächlich ist es mit 25 Minuten Spielzeit, fünf Titeln und der Aufteilung in eine "epische" Seite 1 und eine zweite Seite mit Stücken im vierminütigen Rockpop-Format ja ein kleines Album geworden. Mancher wäre vielleicht auf die Idee gekommen, das Titelstück und die Klassikvariation noch etwas zu strecken und auf Seite 2 zur Not noch ein, zwei Neuaufnahmen älterer Stücke oder Coverversionen hinzuzufügen, um "reguläre" 40 Minuten zu erreichen. Spielen solche Überlegungen zum Format einer Veröffentlichung für Dich bei der Konzeption eine Rolle?
Natürlich habe ich darüber nachgedacht auch "alte" Stücke als sogenanntes Remake mit drauf zu packen. Aber das haben die Leute doch alles schon und es hätte das Konzept durcheinandergebracht. Wir haben zwei Konzert-DVDs veröffentlicht, auf denen alles nachzuhören und nachzusehen ist. Für mich ist in den 25 Minuten alles gesagt, was gesagt werden sollte. Man muss da nix unnötig aufblasen. Auch die Struktur des Mini-Albums, eine EP ist es ja, aufgrund der Länge, eigentlich nicht mehr ... Es umfasst alle musikalischen Stilelemente von STERN in Bezug auf 60 Jahre. Bekanntlich liegt ja in der "Kürze" die "Würze" ... Zumindest wird es uns vom Publikum bisher so gespiegelt.


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Zu einem guten Album gehören bekanntlich zwei starke Seiten. Ich hatte den Eindruck, dass auch die Songs auf der B-Seite durchaus Hochkaräter sind. Den Text von "In der kalten Nacht" hat mit Manfred Maurenbrecher ein hochgelobter Songwriter geliefert, den ich bisher nicht mit der STERN-COMBO MEISSEN in Verbindung gebracht habe. Wie kam es zu diesem Zusammenwirken?
Manfred kenne ich durch meinen früheren, leider verstorbenen Texter Andreas Hähle. Seine Texte für Veronika Fischer und SPLIFF haben mir immer sehr gefallen und somit war es mir auch eine Herzensangelegenheit, ihn für diese Jubiläums-Veröffentlichung als Texter zu gewinnen. Für mich steht dieser Text auch symbolisch für ein weiteres Zusammenwachsen zwischen OST und WEST.

Die abschließenden Lieder hätten vielleicht auch auf ein Album wie das 2022 veröffentlichte "Ziele" mit Marek Arnold gepasst.
Das finde ich überhaupt nicht. Die Rezepturen sind unterschiedlich. Vielleicht gibt es Nuancen, aber wenn, dann nur wirklich sehr dezent.

Bist Du beim Schreiben und Komponieren festgelegt, ob du für die STERN-COMBO schreibst?
"In der kalten Nacht" habe ich mit Marek gemeinsam geschrieben, alle anderen Titel sind von mir. Diese Titel sind für STERN zielgerichtet gesetzt und das ist gut. Die Projekte sollen sich, im Idealfall, musikalisch nicht ins Gehege kommen.

Das Jubiläum "60 Jahre" wäre ja nur halb so schön, wenn nicht mit Martin Schreier ein Bandmitglied dabei wäre, der von Anfang an dabei war. Schön, dass er im Prolog der "Himmelsscheibe von Nebra" und somit an prominentester Stelle zu hören ist. Ich sah kürzlich ein 2019 aufgenommenes TV-Interview zum 55-Jährigen; da kam am ausführlichsten Martin Schreier, der ja wie kaum ein anderer DDR-Musikgeschichte repräsentiert. zu Wort, Du dagegen bist nach deinem Bandeintritt zum allgemein anerkannten und immer wieder so bezeichneten kreativen "Mastermind" der Gruppe geworden. Die anderen Bandmitglieder drohen da vielleicht in den Hintergrund zu geraten. Kannst Du für uns so in etwa die musikalische und menschliche Rollenverteilung innerhalb der Band skizzieren? Wer sorgt für die gute Laune, wer für die Disziplin?
In Bezug auf die künstlerische Arbeit bin ich natürlich die federführende Komponente. Dies ist aber, glaube ich, auch normal?! Das gilt auch meist für die musikalische Disziplin. Ich muss aber auch sagen, dass ich mit Frank, Axel und Martin immer konstruktiven Austausch habe, was Dramaturgie, Konzeption etc. angeht. Sebi (Anmerkung: Sebastian Düwelt, Keyboards) kann beispielsweise musikalische Dinge sehr schnell umsetzen, ohne dass man große Diskussionen führen muss. Micha (Michael Lehrmann) hat in der Produktion sehr gut mitgearbeitet. Seine Gitarren waren stets top eingespielt. Das hat auf Anhieb funktioniert. Außerdem verfügt STERN über viele Freunde, die "hinter den Kulissen" viel möglich machen, zum Beispiel in Bezug auf Merchandise oder Equipment. Auf das Technikteam ist auch stets Verlass.





Wenn ich Konzertberichte lese oder Statements von Fans, habe ich den Eindruck, dass eine Band wie die STERN-COMBO MEISSEN viele Spuren in den Herzen hinterlässt und dass vor den Bühnen Menschen zusammenkommen, die sich gemeinsam an Liedern erfreuen, in denen es oft ja um wesentlich mehr als um Herz-Schmerz-Themen gibt. Hast Du den Eindruck, diese Begegnungen könnten ein Gegengewicht sein zu der häufig zitierten Spaltung in der Gesellschaft oder muss man eher besorgt sein, Konflikte könnten in die Musikszene hineingetragen werden? Ich neige ja zur Hoffnung, mit einem Werk wie "Die Himmelsscheibe von Nebra" ließe sich die Welt ein klein wenig besser machen.
Musik hat immer die Aufgabe zu befrieden und, wenn möglich, Denkprozesse voranzutreiben. Wir sind alle Menschen, die Fehler machen. Man sollte sich als Individuum auch selbst nicht immer "zu wichtig" nehmen, oder? Es ist schon schlimm genug, dass das Geld in unserer Gesellschaft scheinbar die absolute "Gottheit" darstellt. Für mich kam an erster Stelle immer erst mal die Musik und anschließend alle logistischen Wichtigkeiten. Sie hat mir meine ganzen Lebensjahre über immer einen Schutzraum gewährt. Ich bin in meinem Leben auf so viel Neid und Missgunst gestoßen, aber wenn ich Musik machen konnte, war das immer wieder eine spirituelle Kraftquelle. Dafür bin ich unendlich dankbar und versuche auch aus diesem Grunde immer, diese Gabe, gemeinsam mit den Menschen im Publikum, zu teilen!

 
Interview: Rainer Buck
Bearbeitung: cr
Fotos: Redaktion




   
   
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