Interview vom 26. Juni 2024
Wir haben die lebensfrohe MELANIE AGE zufällig beim Blues Camp 2023 auf Rügen kennen gelernt. Dort hat sie an verschiedenen Praxis-Seminaren teilgenommen, stand oft auf der Regenbogen-Bühne, hatte bei jeder Gelegenheit ihre Gitarre zur Hand; sang, spielte, feierte und strahlte die ganze Woche darüber, dass sie diese schönen gemeinsamen Erlebnisse und den puren Blues mit Gleichgesinnten leben zu dürfen. Wir blieben in Kontakt und zu unserer Freude war MELANIE im Sommer und Herbst 2023 sehr fleißig und stellte in ihrem 10 m² kleinen Heimstudio in Dresden die finalen Arbeiten an den bereits angekündigten Alben "Best Of 10 Years" und "Lieblingsstücke" fertig. Beide sind kürzlich auch als CD und Digital zum Herunterladen erschienen. Besonders "Lieblingsstücke" hat nicht nur uns total begeistert, sondern gefühlt jeden, der es gehört hat und mit dem wir deshalb in regen Kontakt waren. Insgesamt 17 klassische Lied-Perlen anderer Interpreten, jede in einem völlig neuen Gewand, leidenschaftlich präsentiert, gefühlt alles echte Lieblingsstücke …
Liegen wir mit den letzten Annahmen nahe an der Wahrheit, oder haben wir uns etwa getäuscht?
Ihr habt damit schon ziemlich ins Schwarze getroffen. Ich bin - um ehrlich zu sein - ziemlich fassungslos und gleichzeitig sehr gerührt, wieviel Zuspruch dieses Album bisher bekommen hat. Ich bekomme so viele liebe Nachrichten, in denen die Leute Ihre Begeisterung für diese Platte zum Ausdruck bringen. Das haut mich schon um. Es ist echt schön, wenn die Leute von ihren eigenen Geschichten und Erlebnissen erzählen, die sie mit den Songs verbinden. Für viele Leute ist es auch eine Art Zeitreise in die eigene Jugend. Wir alle kennen diese Songs und verbinden etwas damit und manche davon sind aktueller denn je. Vielleicht war es an der Zeit, sie mal wieder zu reanimieren und wahrscheinlich ist es das, was das Gesamtwerk ausmacht. Es ist ja auch kein gewöhnliches Cover-Album. Diese 17 Stücke sind wie treue Weggefährten für mich, die bisher einen Großteil meines Weges mit mir gegangen sind. Wir sind wie gute Kumpels eben (grinst). Und ich glaube, das spüren die Leute auch. Es gefällt ihnen, dass die Stücke durch meinen persönlichen Schliff auch etwas von mir selbst in sich tragen. Da sind schon sehr viele eigene Emotionen mit eingeflossen, die mir buchstäblich aus dem Herzen gepurzelt sind. Einige Leute meinen sogar, dass manche Titel das Original übertreffen würden (lacht). Das ehrt einen natürlich sehr.
Aktuelles Album "Lieblingsstücke" auf CD - fast vergriffen!
Warum mit Lieder der Woodstock-Generation und ostdeutschem Liedgut zwei unterschiedliche aber doch signifikante Blöcke?
Vielleicht weil sie vieles gemeinsam haben und sich die Themen und Botschaften zum Teil stark berühren. Die Vielfalt der Songs ist durch ein gewisses Gefühl dafür entstanden, und das macht dieses Album am Ende auch aus. Ich bin in der DDR geboren, im frisch vereinten Deutschland aufgewachsen und war schon immer von Blues- und Rock-Songs sowie Liedermacherei aus dem Osten umgeben. Auch wenn mich die Inhalte und Wirkung der Lieder aus dieser Zeit erst etliche Jahre später einholen und erreichen konnten. Dank meiner Eltern bin ich außerdem mit den Songs der Woodstock-Ära groß geworden. So kam es wie von selbst, diese bedeutsamen Einflüsse miteinander zu verknüpfen. Beides ist voller Geschichten aus dem Leben, ganz nah an den Menschen und ihren Sehnsüchten - ob nach Frieden, Meinungsfreiheit oder Gerechtigkeit. Diese Songs haben vieles hervorgebracht, was die Leute innerhalb der Gemeinschaft sehr miteinander verband und noch verbindet. Musik war schon immer das Sprachrohr des Volkes. Und das fand sowohl hier in der DDR als auch 6.000 Kilometer über dem großen Teich statt. Was DYLAN, YOUNG, CSN und SPRINGSTEEN in den Staaten zum Ausdruck brachten, davon sang TAMARA DANZ, GUNDI und einige Bluesbands der DDR auch. Diese Botschaften reichten über Grenzen hinweg und die Musik trug noch diesen gewissen Zauber und eine ungebändigte Energie in sich. Unverfälscht und teils auch unbeugsam. Da gab es noch ein Statement, eine Mission - die Bands und Künstler hatten noch richtig was zu sagen. Das imponiert mir. Etwas, was heute immer seltener stattfindet, weil sich keiner mehr traut - aus Angst vor Verurteilung. Die Erkenntnis, dass Musik nicht nur zum Verschlüsseln von Liebesbotschaften taugt, sondern auch dazu, um sich mit unbequemen Wahrheiten und Themen auseinanderzusetzen, ist essentiell. Und ich glaube es spielt keine Rolle, auf welchem Kontinent diese Lieder entstanden sind. Wichtig ist, dass die Musik etwas mit den Menschen macht und auch den nachfolgenden Generationen gewisse Werte vermitteln kann. Die Woodstock-Ära verkörpert ja auch nicht nur Blumenkinder und freie Liebe, im Fokus stand vielmehr das starke Aufstreben für Frieden und ein gewisses Gemeinschaftsgefühl, welches heute irgendwie verloren gegangen ist.
Wir haben inzwischen eine Menge Informationen ausgetauscht, dabei haben wir viel über Melanie erfahren. Beschreibe den Lesern mal deinen musikalischen Weg.
Die Liebe und Leidenschaft zur Musik habe ich bereits sehr, sehr früh entdeckt. Angefangen hat alles mit der Begeisterung für die Plattensammlung meiner Eltern. Dadurch kam ich bereits in Kindertagen in Berührung mit YOUNG, DYLAN, CLAPTON und JOPLIN. Meine Eltern waren Woodstock-Fans und benannten mich sogar nach der Sängerin MELANIE SAFKA, was für mich heute eine richtige Ehre ist. Alles andere kam von selbst. Ich machte bereits mit 5 Jahren meine ersten gesanglichen Gehversuche und begann mit dem klassischen Gitarrenspiel. Damals stand für mich fest: Ich werde Sängerin! (grinst) Weitere Instrumente wie das Klavier, Perkussion sowie das Singen brachte ich mir autodidaktisch selbst bei. Ich habe immer gesungen - jeden Tag. Ob auf dem Weg zur Schule, zu Hause vor dem Spiegel und irgendwann bei den ersten Kneipen-Muggen im Ort. Ich fand schon sehr früh den Weg zur Bühne - das hat mich von klein auf magisch angezogen. Erst kam die Musikschule, dann der Jugendchor und mit etwa 15 Jahren dann die erste Band. Wir spielten Songs von den ÄRZTEN, LYNYRD SKYNYRD, RAGE AGAINST THE MACHINE und natürlich METALLICA. Damals musste es laut sein, vielleicht war das auch mal ein gewisser Ausbruch aus den sonst so vertrauten Genres, die mich umgaben. Ich war auch einige Jahre Mitglied bei einem Gospel- und Jazz-Projekt in meiner Heimatstadt Zeulenroda. An diesen vielseitigen Erfahrungen konnte ich natürlich auch wachsen. Heute fühle ich mich immer mehr im Bluesrock zuhause. Neben meinem Solo-Projekt bin ich in den letzten 15 Jahren vor allem auch als Frontsängerin und Gitarristin in verschiedensten Band-Formationen tätig und habe bei zahlreichen Projekten mitgewirkt. Nach dem ich nach Dresden zog boten sich natürlich mehr Möglichkeiten. Über drei Jahre war ich festes Mitglied der Irish-Folk-Band FRIENDS OF LIMERICK. Ab 2017 widmete ich mich vordergründig dem Blues und wurde Frontsängerin und Gitarristin der CHRIS HARP BLUESBAND. Gastauftritte wie beim Blues Camp in Göhren sowie bei einigen Neil Young Cover Bands folgten. Seit 2019 bin ich Frontsängerin und Gitarristin der Dresdner Cover-Rockband TEMPUS. Außerdem treibt mich meine Leidenschaft zur Straßenmusik gelegentlich für Straßenkonzerte in die Fußgängerzonen. In den letzten Jahren habe ich mir in Dresden meinen Traum vom eigenen Heimstudio erfüllt und produziere meine Musik dort selbst.
Warum ein Künstlername, und wie ist es dazu gekommen?
Entstanden ist mein Künstlername als ich noch zur Schule ging. Im Fach Grafikdesign arbeitete ich an einem ersten Künstlernamen und Logo für meine Arbeit als Solokünstlerin. Ich spielte ein wenig herum und wollte etwas kurzes, bündigeres als meinem bürgerlichen Nachnamen. So entstand Melanie Age. Das Age steht einfach nur für das ausgesprochene "H" im Englischen. Seitdem habe ich den Namen so beibehalten. Ich bin ein sehr kreativer Kopf und voller Ideen, kann also gut sein, dass sich der Name auch irgendwann mal ändert. Ich sag euch aber Bescheid sollte ich mich mal umbenannt haben. (lacht)
Du hast ja alles in deinem kleinen Heimstudio entstehen lassen, war das nicht extrem schwierig, aufwendig und kostenintensiv?
Es war ein wirklich arbeitsreicher und auch aufwendiger Prozess, der aber auch großen Spaß gemacht hat. Das gesamte Album samt Artwork ist von vorn bis hinten in Eigenregie entstanden. Dabei habe ich sehr, sehr viel Zeit und Kraft in die Platte gesteckt, das war schon nicht ohne. Da kam ich auch mal an meine Grenzen (lacht). Nachdem ich mir den Traum eines eigenen kleinen Studios Stück für Stück erfüllt hatte, boten sich natürlich nun die idealen Bedingungen das Album in den eigenen vier Wänden zu produzieren. Das ist ein so unglaublich befreiendes Gefühl und bringt auch eine gewisse Ruhe mit sich, wenn man sein eigener Chef sein darf und frei über das Wie und Was entscheiden kann. Auf diese Art unabhängig und auch relativ kostengünstig Aufnahmen machen zu können, die trotzdem den eigenen Qualitätsansprüchen gerecht werden, ist ein großer Luxus für mich. Und wenn ich einen Take fünf Mal einsingen wollte, habe ich das getan. Ich konnte solange am Sound drehen und an den Songs feilen, wie ich wollte. Das ist schon ein großes Glück, das ich zu schätzen weiß. Aber dafür muss man eben auch alles selber machen. Problematisch waren aber der doch recht kleine Raum und die somit sehr beschränkte Platzkapazität. Da ich die Instrumente alle selbst eingespielt habe, hat es auch seine Zeit gebraucht, bis ich ein Arrangement final fertig hatte. Für die Unikat-Anfertigung des Albums "Lieblingsstücke" auf Schallplatte, musste ich mich dann zusätzlich noch mit dem Thema Mixing und Mastering für Vinyl beschäftigen, was für mich auch eine gewisse Herausforderung darstellte. Da gelten nochmal andere Gesetze als für eine digitale Produktion. Aber ich glaube, dass das Album mitunter auch von diesem geerdeten und ehrlichen Sound profitiert.
Und wie haben das dein Partner und Nachbarn über fast 14 Monate ausgehalten?
In den 14 Monaten gab es natürlich auch Pausen - im Sommer zum Beispiel. Aber es gab schon sehr anstrengende Phasen - für mich, aber auch für mein engstes Umfeld. Und ich bekam oft, sehr oft ein schlechtes Gewissen dabei. Ich wollte mit der Produktion eigentlich viel früher fertig werden, aber während der Aufnahmen sind so viele, neue Ideen entstanden, die zum Einen zwar mehr Aufwand bedeuten, zum Anderen aber ein solcher Zugewinn für die Platte waren, dass ich sie unmöglich verwerfen konnte. Viele Arrangements der Songs entstanden erst im Prozess. Für die Nachbarn war es scheinbar das geringste Problem. Während und nach meinen Aufnahmen entschuldigte ich mich für die eventuelle Lärmbelästigung. Daraufhin erntete ich aber nur entgeisterte und fragende Blicke, welchen Lärm ich denn meinte? Es hat sich nie jemand beschwert, die meisten Mieter haben es nicht mal mitbekommen und wenn doch, fanden sie es cool. Ich meine, ich mache keinen Hardcore. Wahrnehmbar waren quasi nur die rein akustischen Gesangs-Takes und meine Gitarren. Ich spiele sehr viele Instrumente über Kopfhörer ein und fahre mein Monitoring meistens auf Zimmerlautstärke oder mixe spät abends nur über Kopfhörer. Außerdem scheint unsere Dämmung ganz gut zu funktionieren. Mein Partner musste da schon häufiger in den sauren Apfel beißen, da bin ich auch sehr dankbar für die Unterstützung und für die Geduld mit mir. Er ist aber auch oft derjenige, der mich anstupst und mich motiviert meine Disziplin beizubehalten. Außerdem freut er sich natürlich auch sehr über das Ergebnis und über den Erfolg der Scheibe.
Wie hast du junge Künstlerin dir all diese Fähigkeiten an Instrumenten, Gesang und Technik drauf geschafft?
Indem ich mir immer mein Ziel vor Augen gehalten habe und dran geglaubt habe. Auch das war ein langer Prozess. Gesang und Instrumente habe ich seit meiner Kindheit zum Großteil autodidaktisch erlernt. Das Thema Studiotechnik sowie die Arbeit mit einer DAW sind natürlich nochmal eine ganze andere Hausnummer und ein weites, weites Feld. Die Schwäche dafür entwickelte sich bereits in meiner frühen Kindheit in meinem Elternhaus. Schon als kleines Mädchen konnte ich mich für die Aufnahme-Funktionen meines ersten Kassettenrekorders begeistern und begann mit Hilfe von Papa mit den ersten Gesangsaufnahmen. Damals natürlich noch ganz analog auf MC. Das hat mich mit sieben oder acht Jahren schon extrem fasziniert. Die Kassetten gibt es auch noch (grinst). Was damals noch in den Kinderschuhen steckte, hat sich dann Jahr für Jahr weiterentwickelt. Das war aber ein langer Prozess. Im Jahre 2009 begann ich mich dann intensiver mit dem Thema Musikproduktion auseinander zu setzen und versuchte mich an meinen ersten eigenen Aufnahmen und Mischungen. Das nötige Know How, welches man für so eine Albumproduktion braucht, habe ich mir sozusagen über 10 bis 15 Jahre selbst angeeignet. Das ging nicht von heute auf morgen, ebenso die Beschaffung des Equipments. Beim Mischen und Mastern habe ich über all die Jahre viel ausprobiert und mich mit unzähligen Tutorials, Büchern und auch mit einem Online-Studium beschäftigt. Auch die Teilnahme an einigen Workshops war da hilfreich. Aber die Theorie ist natürlich nur das eine. Die Basics sind wichtig, aber die Praxis ist hier unersetzlich, denn es ist letzten Endes ein Handwerk! Und da konnte ich auch anhand meiner YouTube-Produktionen sehr viel lernen. Aber ich bin natürlich Hobby-Produzentin und vordergründig Musikerin und keine ausgebildete Tonmeisterin - das darf man nicht vergessen.
Und wo lagerst du all das Equipment? Oder hast du noch irgendwo einen Proberaum?
Das meiste davon steht oder hängt tatsächlich in meinem kleinen Studio oder in der Wohnung. Ich habe die zehn Quadratmeter bestmöglich ausgenutzt und mir mein Studio so platzeffizient wie möglich gestaltet. Kommt doch mal bei mir vorbei, dann mache ich eine kleine Studioführung mit euch - da sind wir in fünf Minuten fertig. Dann bleibt mehr Zeit zum Kaffeetrinken.
Du hast uns mit der Ankündigung überrascht, nun doch eine Band zu formieren, wie ist der Stand?
Da ist was dran - das ist aber noch Top Secret. Aber so viel kann ich schon verraten: der Grundstein ist gelegt und wir arbeiten gerade an einem ersten gemeinsamen Repertoire. Ich hatte großes Glück, Top Musiker kennenzulernen die nicht nur musikalisch, sondern auch zwischenmenschlich auf einer Welle schwimmen. Das war mir sehr, sehr wichtig, wenn man langfristig zusammenarbeiten möchte. Ihr dürft also gespannt sein! Es wird ordentlich Rumpeln in der Kiste (grinst).
Melanie mit dem Empire Magezine
Was sind die näheren Ziele der Solistin, und auch die der endstehenden Band?
Sagen wir so: allein kommt man nicht durchs Leben. Es war schon immer ein Traum, irgendwann eine eigene Band zu gründen. Mein Ziel ist es, in der Zukunft den Fokus vordergründig auf die Band zu richten. Dort habe ich die Möglichkeit, mich auf meine Hauptinstrumente zu konzentrieren. Als Solokünstler gestaltet sich die Umsetzung mancher Songs wie vom Album "Lieblingsstücke" in der Live-Situation dann doch eher schwierig. Da fehlen dann mindestens vier weitere Hände und Füße. Live kann man zwar viel Instrumente dank der Loop Station einbinden, auf Dauer ist es aber müßig und nicht dasselbe. Man kann am Ende nie so richtig aus seiner Haut. Da muss man live schon einige Kompromisse eingehen und das Set der Situation anpassen. Den Spaß und die Leidenschaft auf der Bühne mit den Kollegen teilen zu können, macht hingegen noch viel mehr Laune. Wir wollen zunächst natürlich viele Live-Konzerte spielen und irgendwann ein Album zusammen machen. Mein Solo-Projekt hänge ich aber deshalb nicht an den Nagel. Ich bin in diesem Jahr auch noch auf einigen öffentlichen Veranstaltungen sowie auf privaten Feiern zu hören.
Sind auch Eigenkompositionen geplant oder schon in der Schublade?
Die sind geplant und werden definitiv kommen. Eigenes Material zu schreiben ist eines unserer wichtigsten Ziele für die nächste Zeit. Einige von uns haben Einiges in der Schublade. Ich selbst habe über Jahre an Texten und Songs geschrieben und viele Ideen gesammelt. Es ist an der Zeit, die vielen Schnipsel mal wieder auszugraben. Vielleicht entsteht ein schönes Puzzle dabei. Aber im Grunde werden wir alle gemeinsam an Songs arbeiten, da trägt jeder etwas dazu bei.
> Hast du so eine rasante Entwicklung erwartet?
Nein. Wenn mir vor einem Jahr jemand erzählt hätte, dass die erste Auflage dieser Platte sich binnen drei Monaten so rasant unters Volk mischt und mittlerweile so gut wie ausverkauft ist, hätte ich wahrscheinlich laut gelacht ... Und wenn man die doch sehr persönliche Entstehungsgeschichte hinter diesem Album betrachtet, stand es für mich ja nie zur Debatte, diese Arbeit, in die ich so viel Herzblut gesteckt hatte, der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Am Anfang dieser Reise stand ja nur die Idee für dieses verrückte Geburtstagsgeschenk für meinen Papa, und damit der Traum der Schallplatte als Unikat. Nicht mehr und nicht weniger. Ich wollte ihm zum 60. Geburtstag etwas ganz Besonderes schenken und hatte mir in den Kopf gesetzt, ein paar unserer gemeinsamen Lieblingsstücke neu zu vertonen und ihm auf Schallplatte pressen zu lassen. Die Entscheidung dann doch eine kleine Auflage als CD zu produzieren habe ich hinsichtlich der positiven Resonanz und im Hinblick auf meine anstehenden Konzerte getroffen. Nun habe ich noch kein einziges Konzert in diesem Jahr gespielt, aber die CDs sind trotzdem schon alle weg (lacht). Ich freue mich natürlich vor allem sehr über den großartigen Support von euch und allen Magazinen und Radiostationen da draußen, die helfen diese Platte größer zu machen. Euch habe ich nicht nur die mediale Präsenz, sondern vor allem auch die Verbreitung meiner Musik zu verdanken. Die vielen, positiven CD-Rezensionen sind ja eingeschlagen wie eine Bombe. Das hätte ich nie erwartet! Dafür bin ich wirklich unendlich dankbar! Und ich freue mich sehr, dass die Leute damit auch die Möglichkeit bekommen, ein Teil dieser Geschichte zu sein.
Du bist ja nun mit vielen Musikkultur-Schaffenden in Kontakt. Was sagen die zu deinem Werk?
Die sind teilweise richtig sprachlos und freuen sich mit mir. Es ist schon eine Ehre, wenn CHRISTIAN HAASE von der SEILSCHAFT plötzlich eine CD bei dir bestellt und danach obendrein noch ein bombastisches Feedback dazu abgibt. Auch MAREK ARNOLD war sehr begeistert von meiner Arbeit an dem Album. Solche Resonanzen sind natürlich noch das i-Tüpfelchen auf dem Kuchen.
Du bist Multi-Instrumentalistin. Was ist dein Lieblingsinstrument?
Ich würde mich nicht wirklich als Multi-Instrumentalistin bezeichnen. Normalerweise spiele ich vordergründig verschiedene Zupfinstrumente, vor allem natürlich meine Gitarren. Mein Klavier und die Blues Harp kann ich auch noch bedienen, das passiert aber eher am Rande. Mein Lieblingsinstrument ist und bleibt die Stimme. Gesang ist für mich einfach essentiell - damit erreicht man die Leute sowohl mit Worten als auch mit Musik. Die Stimme stellt für mich das größte emotionale Verbindungselement zum Publikum dar. Sie ist für mich das Sprachrohr zum Hörer.
Wo möchtest du 2033 mit deiner Musik angekommen sein?
Eine Platzierung einer eigenen Blues Rock Nummer unter den Top 10 der Media Control Charts! Das wäre mal eine Maßnahme oder was meint ihr? (lacht) Wir wollen keine Preise gewinnen - wir wollen Musik machen. Uns geht es um die Sache als solches. Ich würde mir schon wünschen, dass diese Listings und Radio-Playlists hierzulande generell mal etwas aufgemischt werden, in dem dort auch wieder längst verdrängte Genres vertreten sind. Das wäre definitiv eine große Bereicherung! Es gibt doch nicht nur Pop und EDM - unsere Musiklandschaft hat doch im Grunde so viel mehr zu bieten. Aber die Ausrichtung und das Konsumverhalten hat sich ja auch extrem gewandelt. Ich möchte auf jeden Fall Musik schreiben, die bleibt. Weg vom schnelllebigen Musikprodukt unserer Zeit. Wieder mehr hin zum Wesentlichen, zur Kunst und Lyrik des (einstigen) Landes der Dichter und Denker. Weg vom Streaming und der Ausbeutung von Künstlern. Wieder mehr hin zum Album als Gesamtkunstwerk mit Spannungsbogen, Dramaturgie und einem Leitbild oder einer Geschichte. Der Weg zurück zur Schallplatte ist ja zum Glück schon geebnet. Aber mir geht da noch viel mehr durch den Kopf … Da stellt man sich natürlich auch die Frage, wer denn das musikalische Erbe von MONOKEL und ENGERLING oder Bands wie SILLY oder DIE SEILSCHAFT eigentlich antreten und am Leben halten soll?! Was kommt danach, wenn die letzten Legenden gegangen sind? Existiert diese Musik dann nur noch in Büchern und auf YouTube, und alles andere verschwindet? Das kann ja nicht alles gewesen sein. Ein schönes Beispiel ist die Klassik deutscher Komponisten - da ist das ganz anders und es funktioniert über Jahrhunderte hinweg! Aber Blues und Folk-Musik gilt hierzulande eben nur als Nische. Leider eine zu oft unterschätzte, die noch dazu vom Aussterben bedroht ist. Vielleicht kann man in Zukunft etwas dazu beitragen, diese so ausdrucksstarke Musik auch wieder den jungen Generationen zugänglicher zu machen. Und wer weiß … vielleicht gelingt es uns gemeinsam als Band Musik zu schreiben, die wieder etwas gegen den Strom schwimmt. Aber ich weiß nicht, was morgen oder in zehn Jahren ist. Ich versuche aus jedem Tag das Beste herauszuholen und alles zu geben, was ich kann und in mir trage. Am Ende des Tages ist der größte Traum eines Musikers, etwas zu hinterlassen, was die Menschen bewegt und sie gleichzeitig wieder mehr zusammenrücken lässt. Songs, die uns über Generationen hinweg begleiten. Vielleicht so ähnlich wie die "Lieblingsstücke" meiner Platte.
Liegen wir mit den letzten Annahmen nahe an der Wahrheit, oder haben wir uns etwa getäuscht?
Ihr habt damit schon ziemlich ins Schwarze getroffen. Ich bin - um ehrlich zu sein - ziemlich fassungslos und gleichzeitig sehr gerührt, wieviel Zuspruch dieses Album bisher bekommen hat. Ich bekomme so viele liebe Nachrichten, in denen die Leute Ihre Begeisterung für diese Platte zum Ausdruck bringen. Das haut mich schon um. Es ist echt schön, wenn die Leute von ihren eigenen Geschichten und Erlebnissen erzählen, die sie mit den Songs verbinden. Für viele Leute ist es auch eine Art Zeitreise in die eigene Jugend. Wir alle kennen diese Songs und verbinden etwas damit und manche davon sind aktueller denn je. Vielleicht war es an der Zeit, sie mal wieder zu reanimieren und wahrscheinlich ist es das, was das Gesamtwerk ausmacht. Es ist ja auch kein gewöhnliches Cover-Album. Diese 17 Stücke sind wie treue Weggefährten für mich, die bisher einen Großteil meines Weges mit mir gegangen sind. Wir sind wie gute Kumpels eben (grinst). Und ich glaube, das spüren die Leute auch. Es gefällt ihnen, dass die Stücke durch meinen persönlichen Schliff auch etwas von mir selbst in sich tragen. Da sind schon sehr viele eigene Emotionen mit eingeflossen, die mir buchstäblich aus dem Herzen gepurzelt sind. Einige Leute meinen sogar, dass manche Titel das Original übertreffen würden (lacht). Das ehrt einen natürlich sehr.
Aktuelles Album "Lieblingsstücke" auf CD - fast vergriffen!
Warum mit Lieder der Woodstock-Generation und ostdeutschem Liedgut zwei unterschiedliche aber doch signifikante Blöcke?
Vielleicht weil sie vieles gemeinsam haben und sich die Themen und Botschaften zum Teil stark berühren. Die Vielfalt der Songs ist durch ein gewisses Gefühl dafür entstanden, und das macht dieses Album am Ende auch aus. Ich bin in der DDR geboren, im frisch vereinten Deutschland aufgewachsen und war schon immer von Blues- und Rock-Songs sowie Liedermacherei aus dem Osten umgeben. Auch wenn mich die Inhalte und Wirkung der Lieder aus dieser Zeit erst etliche Jahre später einholen und erreichen konnten. Dank meiner Eltern bin ich außerdem mit den Songs der Woodstock-Ära groß geworden. So kam es wie von selbst, diese bedeutsamen Einflüsse miteinander zu verknüpfen. Beides ist voller Geschichten aus dem Leben, ganz nah an den Menschen und ihren Sehnsüchten - ob nach Frieden, Meinungsfreiheit oder Gerechtigkeit. Diese Songs haben vieles hervorgebracht, was die Leute innerhalb der Gemeinschaft sehr miteinander verband und noch verbindet. Musik war schon immer das Sprachrohr des Volkes. Und das fand sowohl hier in der DDR als auch 6.000 Kilometer über dem großen Teich statt. Was DYLAN, YOUNG, CSN und SPRINGSTEEN in den Staaten zum Ausdruck brachten, davon sang TAMARA DANZ, GUNDI und einige Bluesbands der DDR auch. Diese Botschaften reichten über Grenzen hinweg und die Musik trug noch diesen gewissen Zauber und eine ungebändigte Energie in sich. Unverfälscht und teils auch unbeugsam. Da gab es noch ein Statement, eine Mission - die Bands und Künstler hatten noch richtig was zu sagen. Das imponiert mir. Etwas, was heute immer seltener stattfindet, weil sich keiner mehr traut - aus Angst vor Verurteilung. Die Erkenntnis, dass Musik nicht nur zum Verschlüsseln von Liebesbotschaften taugt, sondern auch dazu, um sich mit unbequemen Wahrheiten und Themen auseinanderzusetzen, ist essentiell. Und ich glaube es spielt keine Rolle, auf welchem Kontinent diese Lieder entstanden sind. Wichtig ist, dass die Musik etwas mit den Menschen macht und auch den nachfolgenden Generationen gewisse Werte vermitteln kann. Die Woodstock-Ära verkörpert ja auch nicht nur Blumenkinder und freie Liebe, im Fokus stand vielmehr das starke Aufstreben für Frieden und ein gewisses Gemeinschaftsgefühl, welches heute irgendwie verloren gegangen ist.
Wir haben inzwischen eine Menge Informationen ausgetauscht, dabei haben wir viel über Melanie erfahren. Beschreibe den Lesern mal deinen musikalischen Weg.
Die Liebe und Leidenschaft zur Musik habe ich bereits sehr, sehr früh entdeckt. Angefangen hat alles mit der Begeisterung für die Plattensammlung meiner Eltern. Dadurch kam ich bereits in Kindertagen in Berührung mit YOUNG, DYLAN, CLAPTON und JOPLIN. Meine Eltern waren Woodstock-Fans und benannten mich sogar nach der Sängerin MELANIE SAFKA, was für mich heute eine richtige Ehre ist. Alles andere kam von selbst. Ich machte bereits mit 5 Jahren meine ersten gesanglichen Gehversuche und begann mit dem klassischen Gitarrenspiel. Damals stand für mich fest: Ich werde Sängerin! (grinst) Weitere Instrumente wie das Klavier, Perkussion sowie das Singen brachte ich mir autodidaktisch selbst bei. Ich habe immer gesungen - jeden Tag. Ob auf dem Weg zur Schule, zu Hause vor dem Spiegel und irgendwann bei den ersten Kneipen-Muggen im Ort. Ich fand schon sehr früh den Weg zur Bühne - das hat mich von klein auf magisch angezogen. Erst kam die Musikschule, dann der Jugendchor und mit etwa 15 Jahren dann die erste Band. Wir spielten Songs von den ÄRZTEN, LYNYRD SKYNYRD, RAGE AGAINST THE MACHINE und natürlich METALLICA. Damals musste es laut sein, vielleicht war das auch mal ein gewisser Ausbruch aus den sonst so vertrauten Genres, die mich umgaben. Ich war auch einige Jahre Mitglied bei einem Gospel- und Jazz-Projekt in meiner Heimatstadt Zeulenroda. An diesen vielseitigen Erfahrungen konnte ich natürlich auch wachsen. Heute fühle ich mich immer mehr im Bluesrock zuhause. Neben meinem Solo-Projekt bin ich in den letzten 15 Jahren vor allem auch als Frontsängerin und Gitarristin in verschiedensten Band-Formationen tätig und habe bei zahlreichen Projekten mitgewirkt. Nach dem ich nach Dresden zog boten sich natürlich mehr Möglichkeiten. Über drei Jahre war ich festes Mitglied der Irish-Folk-Band FRIENDS OF LIMERICK. Ab 2017 widmete ich mich vordergründig dem Blues und wurde Frontsängerin und Gitarristin der CHRIS HARP BLUESBAND. Gastauftritte wie beim Blues Camp in Göhren sowie bei einigen Neil Young Cover Bands folgten. Seit 2019 bin ich Frontsängerin und Gitarristin der Dresdner Cover-Rockband TEMPUS. Außerdem treibt mich meine Leidenschaft zur Straßenmusik gelegentlich für Straßenkonzerte in die Fußgängerzonen. In den letzten Jahren habe ich mir in Dresden meinen Traum vom eigenen Heimstudio erfüllt und produziere meine Musik dort selbst.
Warum ein Künstlername, und wie ist es dazu gekommen?
Entstanden ist mein Künstlername als ich noch zur Schule ging. Im Fach Grafikdesign arbeitete ich an einem ersten Künstlernamen und Logo für meine Arbeit als Solokünstlerin. Ich spielte ein wenig herum und wollte etwas kurzes, bündigeres als meinem bürgerlichen Nachnamen. So entstand Melanie Age. Das Age steht einfach nur für das ausgesprochene "H" im Englischen. Seitdem habe ich den Namen so beibehalten. Ich bin ein sehr kreativer Kopf und voller Ideen, kann also gut sein, dass sich der Name auch irgendwann mal ändert. Ich sag euch aber Bescheid sollte ich mich mal umbenannt haben. (lacht)
Du hast ja alles in deinem kleinen Heimstudio entstehen lassen, war das nicht extrem schwierig, aufwendig und kostenintensiv?
Es war ein wirklich arbeitsreicher und auch aufwendiger Prozess, der aber auch großen Spaß gemacht hat. Das gesamte Album samt Artwork ist von vorn bis hinten in Eigenregie entstanden. Dabei habe ich sehr, sehr viel Zeit und Kraft in die Platte gesteckt, das war schon nicht ohne. Da kam ich auch mal an meine Grenzen (lacht). Nachdem ich mir den Traum eines eigenen kleinen Studios Stück für Stück erfüllt hatte, boten sich natürlich nun die idealen Bedingungen das Album in den eigenen vier Wänden zu produzieren. Das ist ein so unglaublich befreiendes Gefühl und bringt auch eine gewisse Ruhe mit sich, wenn man sein eigener Chef sein darf und frei über das Wie und Was entscheiden kann. Auf diese Art unabhängig und auch relativ kostengünstig Aufnahmen machen zu können, die trotzdem den eigenen Qualitätsansprüchen gerecht werden, ist ein großer Luxus für mich. Und wenn ich einen Take fünf Mal einsingen wollte, habe ich das getan. Ich konnte solange am Sound drehen und an den Songs feilen, wie ich wollte. Das ist schon ein großes Glück, das ich zu schätzen weiß. Aber dafür muss man eben auch alles selber machen. Problematisch waren aber der doch recht kleine Raum und die somit sehr beschränkte Platzkapazität. Da ich die Instrumente alle selbst eingespielt habe, hat es auch seine Zeit gebraucht, bis ich ein Arrangement final fertig hatte. Für die Unikat-Anfertigung des Albums "Lieblingsstücke" auf Schallplatte, musste ich mich dann zusätzlich noch mit dem Thema Mixing und Mastering für Vinyl beschäftigen, was für mich auch eine gewisse Herausforderung darstellte. Da gelten nochmal andere Gesetze als für eine digitale Produktion. Aber ich glaube, dass das Album mitunter auch von diesem geerdeten und ehrlichen Sound profitiert.
Und wie haben das dein Partner und Nachbarn über fast 14 Monate ausgehalten?
In den 14 Monaten gab es natürlich auch Pausen - im Sommer zum Beispiel. Aber es gab schon sehr anstrengende Phasen - für mich, aber auch für mein engstes Umfeld. Und ich bekam oft, sehr oft ein schlechtes Gewissen dabei. Ich wollte mit der Produktion eigentlich viel früher fertig werden, aber während der Aufnahmen sind so viele, neue Ideen entstanden, die zum Einen zwar mehr Aufwand bedeuten, zum Anderen aber ein solcher Zugewinn für die Platte waren, dass ich sie unmöglich verwerfen konnte. Viele Arrangements der Songs entstanden erst im Prozess. Für die Nachbarn war es scheinbar das geringste Problem. Während und nach meinen Aufnahmen entschuldigte ich mich für die eventuelle Lärmbelästigung. Daraufhin erntete ich aber nur entgeisterte und fragende Blicke, welchen Lärm ich denn meinte? Es hat sich nie jemand beschwert, die meisten Mieter haben es nicht mal mitbekommen und wenn doch, fanden sie es cool. Ich meine, ich mache keinen Hardcore. Wahrnehmbar waren quasi nur die rein akustischen Gesangs-Takes und meine Gitarren. Ich spiele sehr viele Instrumente über Kopfhörer ein und fahre mein Monitoring meistens auf Zimmerlautstärke oder mixe spät abends nur über Kopfhörer. Außerdem scheint unsere Dämmung ganz gut zu funktionieren. Mein Partner musste da schon häufiger in den sauren Apfel beißen, da bin ich auch sehr dankbar für die Unterstützung und für die Geduld mit mir. Er ist aber auch oft derjenige, der mich anstupst und mich motiviert meine Disziplin beizubehalten. Außerdem freut er sich natürlich auch sehr über das Ergebnis und über den Erfolg der Scheibe.
Wie hast du junge Künstlerin dir all diese Fähigkeiten an Instrumenten, Gesang und Technik drauf geschafft?
Indem ich mir immer mein Ziel vor Augen gehalten habe und dran geglaubt habe. Auch das war ein langer Prozess. Gesang und Instrumente habe ich seit meiner Kindheit zum Großteil autodidaktisch erlernt. Das Thema Studiotechnik sowie die Arbeit mit einer DAW sind natürlich nochmal eine ganze andere Hausnummer und ein weites, weites Feld. Die Schwäche dafür entwickelte sich bereits in meiner frühen Kindheit in meinem Elternhaus. Schon als kleines Mädchen konnte ich mich für die Aufnahme-Funktionen meines ersten Kassettenrekorders begeistern und begann mit Hilfe von Papa mit den ersten Gesangsaufnahmen. Damals natürlich noch ganz analog auf MC. Das hat mich mit sieben oder acht Jahren schon extrem fasziniert. Die Kassetten gibt es auch noch (grinst). Was damals noch in den Kinderschuhen steckte, hat sich dann Jahr für Jahr weiterentwickelt. Das war aber ein langer Prozess. Im Jahre 2009 begann ich mich dann intensiver mit dem Thema Musikproduktion auseinander zu setzen und versuchte mich an meinen ersten eigenen Aufnahmen und Mischungen. Das nötige Know How, welches man für so eine Albumproduktion braucht, habe ich mir sozusagen über 10 bis 15 Jahre selbst angeeignet. Das ging nicht von heute auf morgen, ebenso die Beschaffung des Equipments. Beim Mischen und Mastern habe ich über all die Jahre viel ausprobiert und mich mit unzähligen Tutorials, Büchern und auch mit einem Online-Studium beschäftigt. Auch die Teilnahme an einigen Workshops war da hilfreich. Aber die Theorie ist natürlich nur das eine. Die Basics sind wichtig, aber die Praxis ist hier unersetzlich, denn es ist letzten Endes ein Handwerk! Und da konnte ich auch anhand meiner YouTube-Produktionen sehr viel lernen. Aber ich bin natürlich Hobby-Produzentin und vordergründig Musikerin und keine ausgebildete Tonmeisterin - das darf man nicht vergessen.
Und wo lagerst du all das Equipment? Oder hast du noch irgendwo einen Proberaum?
Das meiste davon steht oder hängt tatsächlich in meinem kleinen Studio oder in der Wohnung. Ich habe die zehn Quadratmeter bestmöglich ausgenutzt und mir mein Studio so platzeffizient wie möglich gestaltet. Kommt doch mal bei mir vorbei, dann mache ich eine kleine Studioführung mit euch - da sind wir in fünf Minuten fertig. Dann bleibt mehr Zeit zum Kaffeetrinken.
Du hast uns mit der Ankündigung überrascht, nun doch eine Band zu formieren, wie ist der Stand?
Da ist was dran - das ist aber noch Top Secret. Aber so viel kann ich schon verraten: der Grundstein ist gelegt und wir arbeiten gerade an einem ersten gemeinsamen Repertoire. Ich hatte großes Glück, Top Musiker kennenzulernen die nicht nur musikalisch, sondern auch zwischenmenschlich auf einer Welle schwimmen. Das war mir sehr, sehr wichtig, wenn man langfristig zusammenarbeiten möchte. Ihr dürft also gespannt sein! Es wird ordentlich Rumpeln in der Kiste (grinst).
Melanie mit dem Empire Magezine
Was sind die näheren Ziele der Solistin, und auch die der endstehenden Band?
Sagen wir so: allein kommt man nicht durchs Leben. Es war schon immer ein Traum, irgendwann eine eigene Band zu gründen. Mein Ziel ist es, in der Zukunft den Fokus vordergründig auf die Band zu richten. Dort habe ich die Möglichkeit, mich auf meine Hauptinstrumente zu konzentrieren. Als Solokünstler gestaltet sich die Umsetzung mancher Songs wie vom Album "Lieblingsstücke" in der Live-Situation dann doch eher schwierig. Da fehlen dann mindestens vier weitere Hände und Füße. Live kann man zwar viel Instrumente dank der Loop Station einbinden, auf Dauer ist es aber müßig und nicht dasselbe. Man kann am Ende nie so richtig aus seiner Haut. Da muss man live schon einige Kompromisse eingehen und das Set der Situation anpassen. Den Spaß und die Leidenschaft auf der Bühne mit den Kollegen teilen zu können, macht hingegen noch viel mehr Laune. Wir wollen zunächst natürlich viele Live-Konzerte spielen und irgendwann ein Album zusammen machen. Mein Solo-Projekt hänge ich aber deshalb nicht an den Nagel. Ich bin in diesem Jahr auch noch auf einigen öffentlichen Veranstaltungen sowie auf privaten Feiern zu hören.
Sind auch Eigenkompositionen geplant oder schon in der Schublade?
Die sind geplant und werden definitiv kommen. Eigenes Material zu schreiben ist eines unserer wichtigsten Ziele für die nächste Zeit. Einige von uns haben Einiges in der Schublade. Ich selbst habe über Jahre an Texten und Songs geschrieben und viele Ideen gesammelt. Es ist an der Zeit, die vielen Schnipsel mal wieder auszugraben. Vielleicht entsteht ein schönes Puzzle dabei. Aber im Grunde werden wir alle gemeinsam an Songs arbeiten, da trägt jeder etwas dazu bei.
> Hast du so eine rasante Entwicklung erwartet?
Nein. Wenn mir vor einem Jahr jemand erzählt hätte, dass die erste Auflage dieser Platte sich binnen drei Monaten so rasant unters Volk mischt und mittlerweile so gut wie ausverkauft ist, hätte ich wahrscheinlich laut gelacht ... Und wenn man die doch sehr persönliche Entstehungsgeschichte hinter diesem Album betrachtet, stand es für mich ja nie zur Debatte, diese Arbeit, in die ich so viel Herzblut gesteckt hatte, der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Am Anfang dieser Reise stand ja nur die Idee für dieses verrückte Geburtstagsgeschenk für meinen Papa, und damit der Traum der Schallplatte als Unikat. Nicht mehr und nicht weniger. Ich wollte ihm zum 60. Geburtstag etwas ganz Besonderes schenken und hatte mir in den Kopf gesetzt, ein paar unserer gemeinsamen Lieblingsstücke neu zu vertonen und ihm auf Schallplatte pressen zu lassen. Die Entscheidung dann doch eine kleine Auflage als CD zu produzieren habe ich hinsichtlich der positiven Resonanz und im Hinblick auf meine anstehenden Konzerte getroffen. Nun habe ich noch kein einziges Konzert in diesem Jahr gespielt, aber die CDs sind trotzdem schon alle weg (lacht). Ich freue mich natürlich vor allem sehr über den großartigen Support von euch und allen Magazinen und Radiostationen da draußen, die helfen diese Platte größer zu machen. Euch habe ich nicht nur die mediale Präsenz, sondern vor allem auch die Verbreitung meiner Musik zu verdanken. Die vielen, positiven CD-Rezensionen sind ja eingeschlagen wie eine Bombe. Das hätte ich nie erwartet! Dafür bin ich wirklich unendlich dankbar! Und ich freue mich sehr, dass die Leute damit auch die Möglichkeit bekommen, ein Teil dieser Geschichte zu sein.
Du bist ja nun mit vielen Musikkultur-Schaffenden in Kontakt. Was sagen die zu deinem Werk?
Die sind teilweise richtig sprachlos und freuen sich mit mir. Es ist schon eine Ehre, wenn CHRISTIAN HAASE von der SEILSCHAFT plötzlich eine CD bei dir bestellt und danach obendrein noch ein bombastisches Feedback dazu abgibt. Auch MAREK ARNOLD war sehr begeistert von meiner Arbeit an dem Album. Solche Resonanzen sind natürlich noch das i-Tüpfelchen auf dem Kuchen.
Du bist Multi-Instrumentalistin. Was ist dein Lieblingsinstrument?
Ich würde mich nicht wirklich als Multi-Instrumentalistin bezeichnen. Normalerweise spiele ich vordergründig verschiedene Zupfinstrumente, vor allem natürlich meine Gitarren. Mein Klavier und die Blues Harp kann ich auch noch bedienen, das passiert aber eher am Rande. Mein Lieblingsinstrument ist und bleibt die Stimme. Gesang ist für mich einfach essentiell - damit erreicht man die Leute sowohl mit Worten als auch mit Musik. Die Stimme stellt für mich das größte emotionale Verbindungselement zum Publikum dar. Sie ist für mich das Sprachrohr zum Hörer.
Wo möchtest du 2033 mit deiner Musik angekommen sein?
Eine Platzierung einer eigenen Blues Rock Nummer unter den Top 10 der Media Control Charts! Das wäre mal eine Maßnahme oder was meint ihr? (lacht) Wir wollen keine Preise gewinnen - wir wollen Musik machen. Uns geht es um die Sache als solches. Ich würde mir schon wünschen, dass diese Listings und Radio-Playlists hierzulande generell mal etwas aufgemischt werden, in dem dort auch wieder längst verdrängte Genres vertreten sind. Das wäre definitiv eine große Bereicherung! Es gibt doch nicht nur Pop und EDM - unsere Musiklandschaft hat doch im Grunde so viel mehr zu bieten. Aber die Ausrichtung und das Konsumverhalten hat sich ja auch extrem gewandelt. Ich möchte auf jeden Fall Musik schreiben, die bleibt. Weg vom schnelllebigen Musikprodukt unserer Zeit. Wieder mehr hin zum Wesentlichen, zur Kunst und Lyrik des (einstigen) Landes der Dichter und Denker. Weg vom Streaming und der Ausbeutung von Künstlern. Wieder mehr hin zum Album als Gesamtkunstwerk mit Spannungsbogen, Dramaturgie und einem Leitbild oder einer Geschichte. Der Weg zurück zur Schallplatte ist ja zum Glück schon geebnet. Aber mir geht da noch viel mehr durch den Kopf … Da stellt man sich natürlich auch die Frage, wer denn das musikalische Erbe von MONOKEL und ENGERLING oder Bands wie SILLY oder DIE SEILSCHAFT eigentlich antreten und am Leben halten soll?! Was kommt danach, wenn die letzten Legenden gegangen sind? Existiert diese Musik dann nur noch in Büchern und auf YouTube, und alles andere verschwindet? Das kann ja nicht alles gewesen sein. Ein schönes Beispiel ist die Klassik deutscher Komponisten - da ist das ganz anders und es funktioniert über Jahrhunderte hinweg! Aber Blues und Folk-Musik gilt hierzulande eben nur als Nische. Leider eine zu oft unterschätzte, die noch dazu vom Aussterben bedroht ist. Vielleicht kann man in Zukunft etwas dazu beitragen, diese so ausdrucksstarke Musik auch wieder den jungen Generationen zugänglicher zu machen. Und wer weiß … vielleicht gelingt es uns gemeinsam als Band Musik zu schreiben, die wieder etwas gegen den Strom schwimmt. Aber ich weiß nicht, was morgen oder in zehn Jahren ist. Ich versuche aus jedem Tag das Beste herauszuholen und alles zu geben, was ich kann und in mir trage. Am Ende des Tages ist der größte Traum eines Musikers, etwas zu hinterlassen, was die Menschen bewegt und sie gleichzeitig wieder mehr zusammenrücken lässt. Songs, die uns über Generationen hinweg begleiten. Vielleicht so ähnlich wie die "Lieblingsstücke" meiner Platte.
Interview: Christa und Roland Koch
Bearbeitung: Christian Reder
Fotos: Steffen Minks, Beate Hammer, Melanie Age privat
Bearbeitung: Christian Reder
Fotos: Steffen Minks, Beate Hammer, Melanie Age privat