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Interview vom 7. Mai 2024



Allein der Name Natschinski klingt für viele Ohren schon wie Musik. Thomas Natschinski ist der Gründer vieler Bands, ist ein Beat-Urgestein und Komponist zahlreicher Hits. Außerdem gehörte er eine Zeit lang der Gruppe KARAT an. Ein weiterer Träger dieses Nachnamens ist sein Vater Gerd. Der Nationalpreisträger war in den frühen 50ern Dirigent des Rundfunk Tanzorchesters Leipzig und selbst ebenfalls Komponist, der u.a. die Musik zum Kultfilm "Heißer Sommer" und unzählige Lieder für Gesangssolisten wie Bärbel Wachholz, Fred Frohberg, Manfred Krug, Julia Axen, Giesela May, Frank Schöbel, den Gerd Michaelis Chor und die Theo Schumann Combo geschrieben hat. Gerd Natschinski hatte aber noch einen weiteren Sohn, den es in die Welt der Musik gezogen hat. Sein Name ist Lukas, und wir hatten hier auf diesem Portal schon einmal über ihn und sein erstes Album "Unterwellenborn Sessions" berichtet, das im Jahre 2017 veröffentlicht wurde. Seit einiger Zeit trägt er nun aber das Erbe seines Vaters weiter in die Welt, indem er ein Bühnenprogramm unter dem Namen "Rote Rosen" erschaffen hat. Darin spielt er die Lieder des Herrn Papa, und passend zum Live-Programm gibt es nun ein Album mit einer Auswahl dieser Songs. Lukas tritt also in die Fußstapfen seines berühmten Vaters, tut es seinem Bruder gleich, und unterhält nun auch schon eine ganze Weile ein interessiertes Publikum, vorzugsweise im Bereich Jazz. Wir haben Lukas nun zu einem Interview eingeladen, in dem wir mit ihm über all das, und natürlich auch über seinen Vater gesprochen haben ...






Lukas, Du entstammst ja einer ziemlich musikalischen Familie. Die Eltern und auch Dein Bruder sind und waren in dieser Hinsicht ziemlich aktiv. Wie groß war denn die Wahrscheinlichkeit, dass Du dem bei all diesen äußeren Einflüssen hättest erfolgreich aus dem Wege gehen konnen?
Wahrscheinlich hätte ich das gar nicht können, würde ich sagen. Das Lustige ist eigentlich, dass meine Eltern zwar wollten, dass ich irgendwie eine musikalische Grundausbildung mache, aber gar nicht mal unbedingt, dass ich auch wirklich Musiker werde, weil sie ja selber wissen, wie schwer das ist und wie anstrengend dieser Job auch sein kann. Deswegen habe ich mit musikalischer Früherziehung angefangen und dann kamen irgendwann die Instrumente dazu. Ich glaube, die Dame in der musikalischen Früherziehung meinte irgendwann, "Mensch, das wäre doch gar nicht so verkehrt, wenn er ein Instrument lernt", und irgendwie habe ich mich dann durchgesetzt. Es war kein Zwang oder Druck vom Elternhaus, sondern das war völlig freiwillig.


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Lukas mit seinem Vater Gerd Natschinski (Foto: privat)



Du sagst, "… dann kamen die Instrumente". Gleich mehrere? Welche Instrumente sind das, die Du spielst?
Also ich spiele Klavier, aber ich spiele eben auch Gitarre. Das, und irgendwann habe ich auch mal das Spielen auf der Blockflöte gelernt. Aber es sind Klavier und Gitarre, die ich hauptsächlich spiele, und ich singe auch noch.

Kommst Du denn eher aus dem klassischen Bereich oder aus der sogenannten U-Musik, wie Rock, Pop oder Jazz?
Ich glaube, es war schon immer irgendwie ein Stück weit klar, dass ich keine Klassik machen werde. Als ich mit dem Klavier angefangen habe, habe ich in der Hinsicht natürlich ein paar Grundlagen gelernt, aber als ich zur Gitarre kam, habe ich gleich mit den Rock-Sachen angefangen. Das lag mir schon immer mehr, und dann bin ich ja aufs Bach-Gymnasium gegangen. Das ist ein Musikgymnasium hier in Berlin, und da gab es sozusagen nur die Auswahl zwischen Klassik oder Jazz. Dort habe ich mich dann natürlich für Jazz beworben und interessiert. Es kam während der Zeit dort auch mal vor, dass ich hier und da vielleicht so ein paar klassische Sachen adaptiert und ein bisschen jazzig angelegt habe, aber ansonsten war das schon immer klar, dass mir diese sogenannte Unterhaltungsmusik mehr liegt als die Klassik.

Kann ich davon ausgehen, dass du Deine ersten Erfahrungen auf dem Gebiet auch in einer Band gemacht hast?
Naja, ich habe mit sechs Jahren angefangen Klavier zu spielen und mit neun Jahren kam dann die Gitarre dazu. Ich glaube, ich habe auch schon damals und später auf der Musikschule bei irgendwelchen Musikschulkonzerten hier und da ein Klavierstück gespielt oder mal jemanden begleitet. Erfahrungen mit Bands hatte ich nur, wenn vielleicht mal irgendwo ein Sommerfest von der Musikschule stattfand, und ich in der Schulband Gitarre oder auch Bass gespielt habe. Aber so richtig in einer Band habe ich eigentlich nicht gespielt. Irgendwann als Teenager war ich dann doch mal in einer Band aktiv. Aber so richtig, dass man sagen könnte, "Okay das ist jetzt hier meine feste Band", war das bei mir tatsächlich nie so richtig der Fall.

Wir haben im Jahre 2017 dein Album "Unterwellenborn Sessions" bei uns vorgestellt. War das damals eigentlich Dein erstes Album?
Naja, also es war auf jeden Fall das erste Album, das so ein bisschen größer produziert und auch richtig mit Band aufgenommen wurde. Ich hatte davor so ein paar kleinere Auflagen von CDs gemacht, die ich entweder selber produziert oder auch als Live-Mitschnitt aufgenommen hatte. Ich glaube, das fing an, als ich ein gemeinsames Konzert mit Ruth Hohmann hatte, das ich mitgeschnitten habe. Das war von der Qualität auch wirklich ganz gut, und darum haben wir das im Nachgang veröffentlicht und eben bei Konzerten verkauft. In der Folge habe ich angefangen zu produzieren, und hier und da ein bisschen ausprobiert. Dabei sind eine reine Klavier-CD, eine reine Gitarren-CD, eine Weihnachts-CD und noch so eine andere CD entstanden. Das waren also meine Anfänge. Später im Jahre 2016 haben wir größere Aufnahmen gemacht und 2017 ist dann eben "Unterwellenbach Sessions" rausgekommen. Das war dann ein bisschen aufwendiger produziert, eben mit einem Produzenten, mit Band und mit einer Sängerin. Es ist - wenn man so will - das erste richtige größere Album gewesen.


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Erinnerungen: Gerd Natschinskis AMIGA-LP aus dem Jahre 1970



Ich hatte Dich ja eingangs schon auf Deine musikalische Familie angesprochen: Wie viel Einfluss haben denn Dein Vater und Dein Bruder Thomas letzten Endes auf Dich als Musiker gehabt? Guckt man sich da was ab oder will man doch lieber seinen eigenen Weg finden?
Also, das ist ganz interessant … Thomas ist ja mein Halbbruder und seine Musik hatte auf mich keinen Einfluss. Das ist eine andere Familie, und dazu gab es in meiner Kindheit keinen großen Kontakt. Von daher ist er schon mal außen vor. Das sah in Bezug auf die Musik meines Vaters ganz anders aus. Ich wurde als Kind oft zu Premieren mitgenommen, z.B. zu der von "Mein Freund Bunbury", oder als "Heißer Sommer" nochmal auf die Bühne gebracht wurde. Von daher hatte das definitiv Einfluss auf mich. Aber lustiger Weise war es nie so, dass ich extrem viel von der Musik meines Vaters gehört habe, oder dass er mir ständig seine eigene Musik vorgespielt hätte. Ich hatte ja gerade schon gesagt, dass ich mit der Gitarre eher so im Rock-Bereich angefangen habe, u.a. auch deshalb, weil mein - in Anführungsstrichen - richtiger Bruder, Felix, der selbst kein Musiker ist, früher ganz viel Heavy Metal gehört hat. Ich wollte dann halt immer so cool sein wie er und habe das deshalb auch gehört, also gerade so Bands wie Nightwish. Die habe ich sehr gerne und auch viel gehört, und irgendwann kam halt sehr viel Jazz, Funk, Soul und Pop dazu, z.B. George Benson. Das Einzige, was wirklich von meinem Vater direkt kam, war ein Album mit dem Titel "Gerds Geigen und Gitarren", das er selbst gemacht und auf dem er viele bekannte Lieder eher instrumental arrangiert hatte. Daran kann ich mich noch sehr gut erinnern, dass wir das irgendwie als Schallplatte gehört haben. Damals war ich vielleicht sechs oder sieben Jahre alt, ich fand dieses Album immer cool und habe - so erinnere ich mich noch - dazu getanzt. Naja, was man als Kind eben so macht. Das hat bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen, aber ansonsten … Ich bin ja 1995 geboren, und habe von vielen Sachen, die mein Vater gemacht hat, direkt gar nichts mitbekommen. Halt nur die Sachen aus der Zeit, als ich sie bewusst wahrgenommen habe, wie eben "Mein Freund Bunbury". Und mein Vater hat jetzt auch nicht gesagt, "Du musst Dir unbedingt meine Sachen anhören", das war gar nicht der Fall.

Jetzt trägst Du natürlich einen sehr bekannten Namen und ich denke mal, wenn man gerade in Berlin zur Schule geht, wird der eine oder andere natürlich hellhörig. Bist Du oft auf Deinen Namen und Deine Familie angesprochen worden?
Gar nicht. Also es gab natürlich hier und da Lehrer in der Schule, die den Namen kannten und mich dann darauf angesprochen haben, aber so richtig war das - glaube ich - eigentlich nie ein Thema. Natürlich muss man dazu sagen, dass die DDR schon lange nicht mehr existent war, als ich Anfang der 2000er zur Schule gegangen bin. Der Name Natschinski stand zu dem Zeitpunkt nicht mehr so extrem im Fokus wie eben zu der Zeit, als mein Papa seine größten Erfolge hatte. Und das war eben in der DDR. Zu meiner Schulzeit war das nicht mehr der Fall, aber natürlich gab es hier und da noch Leute ... Ich sehe das auch jetzt, wenn ich Konzerte gebe. Besonders im Moment, wo ich explizit ein Programm über meinen Vater und seine Musik mache, aber auch schon früher bei Konzerten z.B. mit Uschi Bruning oder Ruth Hohmann, wo mich immer wieder mal Leute ansprechen. Natürlich sind das dann aber hauptsächlich ältere Leute, die eben mit seiner Musik aufgewachsen sind. Bei meinen Mitschülern war das nie der Fall, dass ich angesprochen wurde.


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Lukas' Album als Hommage an den Vater (Rezension: HIER)



Kommen wir doch mal zum aktuellen Geschehen, denn Du hast ein neues Album herausgebracht und damit ehrst Du auch Deinen Vater. Das Album heißt "Rote Rosen" und es beinhaltet mit Ausnahme eines von Dir selbst geschriebenen Titels viele Lieder aus der Feder Deines Papas. Erzähl doch mal ein bisschen was über die CD …
Die ist aus dem gleichnamigen Live-Programm entstanden, das ich über meinen Papa gemacht habe. Und selbst dieses Programm ist eigentlich relativ spontan entstanden, als ich eine Anfrage bekommen habe, ob ich sowas nicht anlässlich seines 95. Geburtstags auf die Bühne bringen könnte. Mein Papa wäre letztes Jahr 95 geworden, und aus diesem Anlass sollte ein Konzert mit seinen Liedern aufgeführt werden. Ich sagte, "Ja klar, warum nicht?", und habe es dann gemacht. Dabei habe ich gemerkt, wie viel Spaß ich selber mit der ganzen Musik habe, und wie schön die Lieder sind. Ich meine, das wusste ich natürlich auch schon vorher, aber wenn man sich dann so ganz explizit nur mit der Musik beschäftigt, fühlt man sie natürlich noch mal intensiver. Ich habe eben auch gemerkt, wie die Leute die Lieder mitsingen und sie lieben, weshalb ich nach diesem einen Konzert versucht habe, noch mehr Konzerte mit diesem Programm zu spielen und mir dann auch sagte, "Mensch, das wäre doch eigentlich schön, zu diesem Programm auch eine CD zu machen." Letztendlich spiegelt diese CD ein Stück weit das Programm wieder, denn in dem darin spiele ich seine Lieder eben auf dem Klavier. Also Klavier und mit Gesang, denn ein paar Lieder singe ich auch. Und genauso ist die CD auch aufgebaut: Es ist - kann man eigentlich sagen - ein Klavieralbum mit Gesang, für das ich seine beliebtesten Werke genommen habe. Vielleicht auch das eine oder andere etwas Unbekanntere, was ich bei Konzerten auch schon feststellen musste, z.B. "Servus Peter", das jetzt nicht so absolut bekannt, aber auch sehr schön ist. So lernen die Leute auch mal neue oder für sie bis dahin noch unbekannte Sachen kennen. Die Idee zu dem Album kam also über das Programm, darum habe ich mich nach den ersten Konzerten hingesetzt und zu Hause die CD aufgenommen.

Jetzt fällt mir natürlich - und wahrscheinlich den anderen Hörern auch - sofort auf, dass aus diesen einstmals sehr opulent arrangierten Liedern, ziemlich reduzierte und bis auf das Grundgerüst herunter gebrochene neue Lieder geworden sind. Was war der Grund, warum das nur mit Klavier und ohne eine Band auf die Bühne und letztlich jetzt auf CD gebracht wurde?
Das Programm sind sozusagen Erinnerungen an Gerd Natschinski. Abgesehen davon, dass ich sowieso ganz gerne alleine auftrete, bekommen die Lieder so auch einen intimeren Charakter. Auch, weil ich dazu viele Sachen über meinen Vater erzähle, auch aus meiner Kindheit, an die ich mich erinnere. Wenn man das jetzt groß mit einer Band aufziehen und vielleicht noch Solisten mit dazu nehmen würde, was natürlich auch rein musikalisch gesehen sehr interessant wäre, gar keine Frage, würde es jedoch den intimen Rahmen sprengen. Mit Band müsste man das eben komplett anders aufziehen. Ich wollte aber eben so einen intimen Charakter haben, dass ich da eben alleine als Sohn auf der Bühne stehe, seine Musik spiele, dazu singe und etwas über ihn erzähle. Das war letztlich der Grundcharakter. Für eine andere, größere Umsetzung muss man auch die richtigen Leute finden, dann muss man proben und das alles gut hinzukriegen ist heutzutage ein bisschen schwer.

Das heißt also, dieses Album ist eigentlich nur im Zusammenhang mit dem Live-Programm zu sehen?
Also ein Stück weit ja, aber die CD steht auch für sich. Wie gesagt, erzähle ich im Programm auch etwas über meinen Vater, was ich auf der CD nicht tue. Darauf befindet sich nur die Musik, und von daher kann man hier die Musik eben auch einfach nur so genießen, ohne dass man jetzt das Programm gesehen haben muss. Auf der anderen Seite bietet die CD allerdings auch die Möglichkeit, dass die Leute das Konzert - wenn man so will - mit nach Hause nehmen können. Das war dabei auch ein Gedanke. Aber - wie gesagt - natürlich kann man die CD auch hören, ohne das Programm gesehen zu haben. Die Musik steht für sich alleine.


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Lukas und sein Vater Gerd



Alle Lieder auf der CD stammen aus der Feder Deines Vaters Gerd Natschinski, bis auf "I Remember You", das Du geschrieben hast. Vielleicht erzählst Du etwas über dieses Lied. Wann ist das entstanden und was steckt da drin?
Genau. Also entstanden ist es schon einige Zeit vorher, ich glaube vor ungefähr acht Jahren. Mein Papa ist 2015 gestorben und aufgrund dessen ist mir das Stück eingefallen. Die Melodie ist mir - wie gesagt - 2016 eingefallen und ich habe es lange nur instrumental gespielt. Es hieß auch schon immer so, weil es für meinen Papa bestimmt war und ich mich immer an ihn erinnern werde. Irgendwann zu Corona-Zeiten, wo wir alle nicht so viel zu tun hatten, ist mir der Text dazu eingefallen. Aber das war am Anfang gar nicht so leicht, weil das alles sehr emotional war und ich weiß noch, dass ich - als ich angefangen hatte, den Text zu schreiben - zuerst nicht über die erste Strophe hinaus gekommen bin, weil ich immer angefangen habe zu heulen. Aber der Grundgedanke war immer klar: Ich schreibe das aus der Perspektive, dass ich mich an ihn erinnere und dass ich sage, "Als ich jung war, habe ich viel von dir gelernt und ich dachte, man hätte ewig miteinander so weitermachen können". In dieser Art, aber eben auch, "Wo auch immer du jetzt gerade bist, ich weiß, dass du immer bei mir bist." Ebenso die Zeit später, als er dann eben älter geworden ist und ich mich um ihn gekümmert habe, sollte da mit hinein fließen. Das spielt alles da mit rein und auch die Frage, was er mir vielleicht jetzt sagen oder noch beibringen würde, und dass ich ihn gewisse Sachen nun nicht mehr fragen kann. Das ist speziell aus der heutigen Perspektive wirklich sehr, sehr schade, gerade jetzt, wo ich eben die Musik vom ihm auch spiele. Aber das Lied soll nicht nur so gesehen werden, dass es ganz speziell nur für meinen Papa ist, sondern dass es grundsätzlich um das Gefühl geht wie man sich an einen Menschen erinnern kann, wenn man ihn aus seinem Leben verloren hat. Dieses Gefühl wird früher oder später jeder Mensch mal erleben. Dieser Moment ist wirklich sehr, sehr schlimm und traurig, aber man kann sich immer an diese Person erinnern. Das war übrigens auch sehr interessant: Ich hatte das bei Konzerten vorher auch schon gespielt und da meinten Leute manchmal nach dem Konzert zu mir, "Wir wissen zwar, dass es eigentlich um Deinen Vater geht, aber man vergisst das sofort nach der ersten Strophe und denkt eben an jemanden, den man liebt und der auch nicht mehr da ist."

005 20240508 1528492225Ein über das Programm hinaus funktionierendes Lied also.
Ganz genau! So war das auch gedacht, dass es ein Stück weit auch für sich steht. Darum habe ich es auch noch mal als Single veröffentlicht. Und das wurde mir ja durch diese Begegnungen im Konzert, die ich gerade beschrieb, betätigt. Das finde ich auch sehr schön, denn es soll nicht nur ein rein persönliches Lied sein, sondern eben auch Leute da abholen, wenn sie dieses Gefühl auch schon hatten, es kennen oder vielleicht auch gerade jetzt haben, weil es gerade frisch passiert ist. Und genau darum geht es auch.

An was erinnerst du Dich denn besonders, wenn Du heute an Deinen Papa denkst? Was sind so die ersten Gedanken, die Dir in den Sinn kommen, wenn dich jemand auf deinen Vater anspricht?
Tja, ich denke vor allem aus der jetzigen Perspektive an erster Stelle tatsächlich an die Musik, weil ich - wie ich schon gesagt habe - als Kind schon ganz, ganz früh seine Werke gesehen habe. Ich habe ganz viele Erinnerungen, wie wir zu den Premieren-Feiern gegangen sind. Woran ich mich auch sehr gut erinnern kann ist seine Uhr. Mein Vater hatte eine Uhr, und wenn wir essen gegangen sind, hat er sie beim Essen abgenommen und auf den Tisch gelegt. Als Kind habe ich dann damit immer ein bisschen rumgespielt. Ob ihm das gefallen hat, weiß ich nicht, aber seitdem er gestorben ist, habe ich diese Uhr nun selber am Handgelenk. Mit ihr verbinde ich nicht nur eine schöne Erinnerung, sondern sie ist für mich auch irgendwie ein Glücksbringer. Aber ich erinnere mich natürlich auch daran, dass wir zum Beispiel gerade im Urlaub zusammen sehr viel Schach gespielt haben. Er hat mir das Spielen beigebracht, und irgendwo gibt es ein schönes Bild, auf dem wir beide zu sehen sind, wie wir Schach spielen. Oder die Erinnerungen an seinen 85. Geburtstag. Meine Mutter, Gundula Natschinski, die auch Sängerin und Musical-Darstellerin war, gab anlässlich seines Geburtstags damals ein Konzert und er saß im Publikum, hat sich gefreut und wenn man ihn dann nochmal ganz persönlich hervorgehoben hat, ist er aufgestanden. Das ganze Publikum hat sich gefreut und ihm applaudiert. Ich glaube auch, dass er sich immer sehr darüber gefreut hat, wie ich mich musikalisch entwickelt habe und ebenso, wenn ich seine Sachen gespielt habe.

Nimmst Du diese Uhr auch beim Essen ab?
Nein, aber ich nehme sie ab, wenn ich Konzerte spiele, denn wenn ich Gitarre oder Klavier spiele, würde sie doch ein wenig stören bzw. es würde sich ein bisschen komisch anfühlen, wenn man diese Uhr dann am Handgelenk hätte. Darum nehme ich sie dabei ab, ansonsten aber nicht.

Die CD beinhaltet insgesamt 12 Lieder Deines Vaters. Nach welchen Kriterien hast Du die Songs ausgewählt? Ist es Deine persönliche Auswahl oder hat da jemand mit geplant?
Also es ist tatsächlich eine eigene Auswahl, und viele dieser Stücke habe ich schon immer mal hier und da bei Konzerten gespielt. Es sind alles Lieder, die ein Stück weit eine Bedeutung für mich haben, weil ich sie z.B. im Kreise der Familie häufig gehört habe. "Rote Rosen" ist so ein Beispiel. Es stammt ja aus "Messeschlager Giesela" (Operette aus den 60ern, Anm. d. Red.), und seitdem ich das spiele und das Lied auch so liebe, schenken wir uns in der Familie irgendwie häufig rote Rosen. Es ist also schon eine sehr persönliche Sache und es sind einfach auch die Lieder, die für mich musikalisch interessant waren, wie z.B. "Wenn ein junges Mädchen weint". Das finde ich sehr schön, ebenso wie das Lied "Kommt ein Mann in die 40". Das würde ich wahrscheinlich gar nicht kennen, hätte ich nicht mal den Sänger Peter Wieland begleitet, als er es sang …

006 20240508 1962910022Da hast du ja selber auch noch ein bisschen Zeit mit, ne?
(lacht) Ja, für mich müsste es eigentlich heißen "Kommt ein Mann in die 30". Bei dem Stück habe ich Peter Wieland mal begleitet und ich kannte das Lied vorher gar nicht. Das ist jetzt auch schon wieder ein paar Jahre her, und im Zuge dieser CD dachte ich, "Mensch, warum eigentlich nicht?" Es sind insgesamt hauptsächlich Stücke, die ich schon häufig gespielt habe und bei denen ich eben auch weiß, dass sie sehr bekannt sind, wie z.B. "Zwei gute Freunde", "Viola Viola" u.s.w. Es ist mir gelungen, eine gute Mischung zwischen den Sachen, die ich von meinem Vater wirklich persönlich sehr mag, aber natürlich auch Sachen, die man kennt, hinzubekommen.

Gibt es im Live-Programm noch weitere Titel, die auf der CD nicht mit drauf sind, oder ist das alles?
Nein, da gibt es tatsächlich auch noch weitere. Ich habe für das Album nicht alle Stücke aufgenommen, es muss sich ja auch vom Konzertprogramm ein bisschen unterscheiden. Das ist auch ein Programm, das sich wahrscheinlich immer ein bisschen weiter entwickeln wird. Als ich es das erste Mal gespielt habe, war das Grundgerüst schon dasselbe, und bei meinem Konzert am vergangenen Sonntag habe ich hier und da wieder ein paar neue Lieder hinzugefügt. Bei manchen Konzerten erzähle ich auch mal was über meinen Papa, das ich vielleicht bei einem anderen Konzert gar nicht erzählt habe, weil es mir eben in dem Moment eingefallen ist. Also es wird sich - glaube ich - auch in Zukunft immer weiterentwickeln. Es gibt so viel Musik von Papa, damit könnte man wahrscheinlich gefühlt zehn Programme machen, und selbst dann ist noch kein Ende in Sicht. Für mich ist das immer eine Weiterentwicklung und was die CD betrifft: die habe ich im letzten Jahr angefangen. Es ist quasi eine Momentaufnahme. Wenn ich sie in einem Jahr machen würde, wären da vielleicht schon wieder ganz andere Lieder drauf.

Du sagtest es gerade, Dein Papa hat ganz viele Sachen gemacht. Hast Du einen Überblick, wie viele Lieder er komponiert hat? Weißt du das?
So richtig nicht. Ich glaube, das sind irgendwie über 400 Lieder. Das habe ich selbst nur mal irgendwo gelesen. Aber so in dem Dreh wird es sein. Ich glaube aber auch, dass mein Papa wahrscheinlich auch nicht mehr alle Stücke kennen würde, die er mal komponiert hat, weil es einfach so viele Lieder sind. Wir haben zu Hause bestimmt sieben, acht oder neun Ordner, die alphabetisch von A bis Z sortiert sind und in denen ganz, ganz viele Lieder von ihm drin sind. Diese Ordner hat er irgendwann mal selbst angelegt. Aber ich glaube, selbst darin sind nicht alle Lieder drin. Und das sind wirklich dicke Ordner, die bis zum Rand gefüllt sind. Es gibt z.B. einen Ordner, der allein nur den Buchstaben "D" beinhaltet, also alle Werke, die mit "D" anfangen. Das ist natürlich extrem viel. Aber da kann man wunderbar drauf zugreifen, wenn man mal ein Lied sucht oder sich inspirieren lassen möchte, was man selbst noch spielen könnte. Was aber auch häufig passiert ist, dass mir Leute manchmal nach Konzerten von Stücken erzählen, und dass ich mir aufgrund dessen das dann nochmal angucke und dieses dann vielleicht auch mit ins Programm aufnehme. Wie gesagt: Ich kenne natürlich vieles von meinem Vater selbst nicht. Das bringe ich mir jetzt gerade so ein bisschen Step by Step bei.

007 20240508 1463202472Wenn ich dich jetzt festnageln würde, unter allen Liedern, die Du von Deinem Vater bis jetzt kennst auswählen zu müssen: Was ist dein Lieblingslied?
Ui, das ist wirklich eine schwierige Frage. Also ich würde es in Lieder unterteilen, die ich singe und Lieder, die ich instrumental spiele. Von daher würde ich zwei nehmen. Das, was ich am schönsten finde, ist "Wenn ein junges Mädchen weint". Das singe ich auch. Und dann eben "Rote Rosen" als Instrumentalstück, weil dieses Lied - wie ich schon gesagt habe - der Grund dafür ist, dass wir uns zu Hause - seitdem ich es live spiele - oft rote Rosen schenken. Wenn ich aber wirklich nur eins nennen dürfte, wäre es tatsächlich "Wenn ein junges Mädchen weint", weil mich das schon immer gecatcht hat, und weil ich es auch schon - bevor ich es gesungen habe - auf der Gitarre instrumental so ein bisschen funky gespielt habe. Es hat einfach eine extrem coole Melodie.

Wirst du denn irgendwann wieder dahin zurückkehren, dass Du wieder eigene Lieder schreiben und spielen wirst?
Ja, auf jeden Fall. Das war ja eigentlich grundsätzlich der Gedanke, den ich immer hatte. Das Programm mit den Liedern meines Vaters war wirklich eine spontane Idee, und das mit der dazu gehörigen CD eigentlich auch nicht geplant. Und deswegen habe ich auch meine Komposition "I Remember You" mit auf die CD gegnommen und das Lied auf Streaming-Portalen zusätzlich als Single veröffentlicht. Davon gibt es auf der CD ja zwei Versionen, und eine habe ich ein bisschen anders produziert und als Bonustrack mit dazu genommen. Als Bonustrack deshalb, weil es musikalisch als voll ausproduziertes Stück eigentlich nicht zu den anderen, nur mit Klavier gespielten Liedern passt. Aber um auf Deine Frage zurück zu kommen: Ich habe zu Corona-Zeiten extrem viele Lieder komponiert und die sind alle auch so gut wie fertig. Ich weiß nicht, wie viele Lieder es sind. Keine Ahnung. Die will ich halt nach und nach auch rausbringen, und "I Remember You" war davon jetzt sozusagen der erste Versuch. Es soll mehr und mehr in so eine Richtung gehen, und ich bin auch dran, jetzt bald eine EP mit meinen eigenen Liedern zu veröffentlichen. Ich gehe mal nicht davon aus, dass ich das als CD pressen lasse, aber sie wird bei allen Streaming-Diensten zu haben sein. Das wird - und davon gehe ich jetzt mal aus - im nächsten Jahr soweit sein, also zu meinem 30. Geburtstag schenke ich mir das selbst (lacht). Meine Lieder werde ich dann immer wieder so nach und nach veröffentlichen. Dann nicht alle auf einmal als EP oder Album, sondern einzeln. Das kann man heutzutage ja auch so machen, und das macht aus der heutigen Sicht am meisten Sinn. Auch auf Social Media. Da kann man eben ein bisschen probieren und seine Musik dort auch promoten. Aber diese EP, von der ich gerade sprach, wird auf jeden Fall kommen. Wie gesagt, viele Sachen sind da auch schon fertig. Und das ist dann meine eigene Musik. Ich habe zwar schon viele eigene Lieder live bei Konzerten gespielt und auch auf dem Album "Unterwellenborn Sessions" veröffentlicht, aber so viele wie jetzt tatsächlich noch nicht. Das war allerdings schon lange mein Ziel und deswegen will ich das unbedingt machen. Ich werde dabei aber auch meine anderen Aktivitäten nicht aus den Augen verlieren, denn ich spiele ja auch noch andere Konzerte - mal mit einer Band, dann auch wieder solo. Als kleiner Vorgeschmack was von mir kommen wird, dient jetzt aber erst mal der Song "I Remember You" in der voll produzierten Version.

Klingt gut. Ich kann Dich darin nur bestärken, Deine Lieder auch als Vinyl rauszubringen. Sie sind für das leblose Format Streaming einfach zu schade …
Ich bin ja immer noch am Anfang, gerade was meine eigenen Lieder angeht. Da muss ich mich erst mal ein bisschen ausprobieren. Ich sage mal so, wenn es sich lohnt und ich merke, dass da eine Nachfrage nach CDs und Vinyl mit meiner Musik besteht, dann kann man das ja immer noch machen. Aber es bringt ja für mich rein wirtschaftlich nichts, wenn ich meine Musik auf Vinyl presse und habe die Platten dann bei mir zu Hause rumliegen. Das wäre dann auch komplett schade. Man muss sich da eben nach und nach reinarbeiten und gucken, welche und wieviele Leute interessieren sich für meine Musik, und wie wollen sie die haben? Ich finde es übrigens auch sehr, sehr schön, dass sich Leute Schallplatten kaufen. Ich habe ja auch noch einen Plattenspieler und viele Platten - auch von meinem Papa, also mit seiner Musik - hier. Ich finde das total schön, weil das auch ein komplett anderes Hörgefühl ist. Man setzt sich in Ruhe hin und hört Musik. Eben bewusst und nicht nebenbei. Ich muss aber leider zugeben, dass ich das eben auch viel zu selten mache.
 
 
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Ich habe eine Frage fast vergessen. Und zwar haben wir uns vor 12 Jahren im Zuge des Interviews mit Thomas Birkholz kennengelernt. Gibt es da noch einen Kontakt zwischen Euch?
Stand jetzt, gibt es den nicht. Das ist ja schon sehr lange her, da bin ich noch zur Schule gegangen … Aber ich habe mir letztens noch mal das besagte Interview durchgelesen, das Ihr da gemacht habt. Das fand ich damals schon sehr interessant und schön. Aber man ist einfach in eine andere Richtung gegangen. Ich habe ja dann mein Abi gemacht und dann verliefen unsere Wege einfach unterschiedlich.
 
Ja, mein lieber Lukas, das klingt alles sehr gut, was Du so erzählst und was Du noch vor hast. Wir sind am Ende unseres Gesprächs angekommen. Möchest Du noch ein paar abschließende Worte an unsere Leser richten?
Also ich würde mich natürlich freuen, wenn sich durch dieses Interview und auch durch die Musik, die ich bis jetzt veröffentlicht habe, Menschen für meine Konzerte interessieren, und dann auch zu den Konzerten kommen. Wenn sie die Musik schon von meinem Papa her kennen, dann lohnt sich so ein Konzert-Besuch schon mal. Man kann sie dann noch mal erleben, die Lieder auch mitsingen. Ich animiere die Leute, dass sie sie bei meinen Konzerten mitsingen können. Mittlerweile mache ich auch wieder mehr auf Social Media, also auf Instagram, Facebook, TikTok oder YouTube. Da können mir natürlich Leute auch gerne folgen, und da gibt es immer auch ein paar Einblicke von Konzerten. Wenn eben jemand mal nicht kommen kann, bekommt er auf diesen Kanälen ein paar Ausschnitte. Ich denke, dass ich das in Zukunft vermehrt machen werde, um so auch mehr von meiner eigenen Musik zeigen zu können. Darüber können mich die Leute auch sehr gern anschreiben, ich bin da sehr offen. Ich gebe ihnen so das Gefühl, ein Stück weit bei dem, was ich mache, dabei sein zu können. Diese Möglichkeit eröffnen einem die Sozialen Netzwerke ja.

 
Interview: Christian Reder
Übertragung: Stephan Sieger, Christian Reder
Fotos: Felix Natschinski, Fotostudio Fieguth, Gerd Natschinski Privat-Archiv



   
   
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