Interview vom 20. Juni 2023
Die Helden in der Musikszene sind immer die, die wunderbar singen oder ausgesprochen gut ein Instrument spielen können. Sie bekommen den Applaus, haben Auftritte im Fernsehen und ihre Gesichter landen auf Postern. Dabei gibt es eine bestimmte Art von "Künstlern", die im Hintergrund erst dafür sorgen, dass der Musikant Erfolge feiern kann und die Sonne auf ihn scheint. Die Rede ist von den Produzenten. Sie sind bei den Aufnahmen zu neuen Songs im Studio, geben Tipps, bringen all ihre Erfahrung in die jeweilige Produktion mit ein und geben der Musik den Feinschliff. Manchmal verhindern sie sogar Katastrophen. In der DDR gab es einige dieser guten Geister. Luise Mirsch haben wir Euch hier ja schon vorgestellt. Eine ihrer Kolleginnen beim Rundfunk der DDR war Hannelore Schubert, die wir heute hier als Gast vorstellen möchten. Sie war zu Beginn ihrer Laufbahn die jüngste Produzentin in der DDR überhaupt und hatte viele große Namen in ihrem Studio. Einer dieser großen Namen war die Gruppe SILLY mit der ganz jungen Tamara Danz, die Hannelore zwischen 1980 und 1982 produziert hat. So sind die Titel der ersten LP bei ihr entstanden. Zwischen Mitte der 70er und dem Ende der DDR war Hannelore Schubert knapp 16 Jahre für den Rundfunk der DDR als Produzentin tätig. Dementsprechend hat sie viel erlebt und ebenso viel zu erzählen. Dies tat sie in einem Gespräch mit unserem Kollegen Christian, das Ihr hier jetzt nachlesen könnt ...
Hallo Hannelore. Man kennt Deinen Namen aus den Credits der einen oder anderen Rundfunkproduktion. Wo kommst Du ursprünglich eigentlich her?
Aus Leipzig.
Du bist gebürtige Leipzigerin?
Ja, leider Gottes.
Hattest Du in Deiner Kindheit und Jugend selbst mit Musik zu tun, hast Du vielleicht selbst Musik gemacht?
Wir waren ein Haushalt, in welchem niemand beruflich Musik machte, aber es lief immer das Radio. Ich wuchs bei meinen Großeltern auf und meine Oma sang ständig, wenn sie kochte, sauber machte usw. Ich kannte also von Küchenliedern bis sonst was alles. Auch ging man mit mir regelmäßig ins Theater oder zu anderen Musikveranstaltungen, und da auch ich als Kind ständig vor mich her sang, war mein Weg vorgezeichnet. Musik war für mich wichtig und wenn mich jemand fragte, was ich mal werden möchte, sagte ich immer, "Ich möchte auf einer Bühne stehen".
Dazu kam es aber nie. Was hast Du nach der Schule gelernt?
Ich lernte damals Schneiderin, verlor das Ziel aber nicht aus den Augen. Ich war in Leipzig beim Louis-Fürnberg-Ensemble und nahm Gesangsunterricht in der Volksmusikschule. Damals kamen die Leute in die Schulen und - genau, wie im Sport - wurde man ausgewählt, wenn gewisse Talente vorhanden waren. Mich hatte man für die Musikschule ausgewählt. Von meinem neunten bis 15. Lebensjahr ging ich dort hin und schloss dort die verschiedenen Stufen letztlich mit der "Oberstufe" ab. Den Gedanken, künstlerisch etwas zu machen, verlor ich also nie. Ich habe mich immer in diese Richtung entwickelt.
Aber trotzdem hast Du nach der Schule etwas ganz anderes gelernt ...
Ja, weil meine Oma fragte, welchen Beruf ich lernen möchte. Das konnte ich ihr nicht sagen, weil ich ins Theater wollte. Sie sagte, dass ich erst mal einen sicheren Beruf lernen muss, so wie einem das damals eben eingeredet wurde. Dann sagte ich, sie solle mir etwas aussuchen, ich würde das schon machen und danach sowieso zum Theater gehen. So suchte sie mir den Damenmaßschneider aus. Ich habe es gehasst, machte die Ausbildung aber dennoch zu Ende. Nach der Lehre sang ich in einer Leipziger Band mit und bereitete mich auf mein Musikstudium vor.
Leipzig ist ja bekannt für viele gute Musikgruppen. Wie hieß diese Band denn?
Das weiß ich nicht mehr. Dafür waren sie zu unbedeutend.
Wie lange warst Du dort dabei?
Nicht lange, weil ich Ärger bekam. Nach der Ausbildung musste ich noch etwas Praktisches arbeiten, denn mit dem Studium dauerte es aus verschiedenen Gründen noch etwas länger. So arbeitete ich eine kurze Zeit in einem Labor der Veterinärmedizin. Der Leiter des Instituts meinte, "Mein Gott, Du bist ja ideal, möchtest Du nicht Veterinäringenieur werden?" Ich sagte, "Nein, das will ich nicht, ich möchte Musik machen." Er war deshalb stinksauer. Danach kam dann noch mal das Auswahlverfahren für die Musikhochschule und das ging alles reibungslos hintereinander weg.
Und dann warst Du also an der Musikhochschule ...
Genau. Erst machte ich etwas klassische Ausbildung, wollte aber eigentlich Musical singen. Zu den damaligen Zeiten war das allerdings eine Richtung, von der man nicht wusste, wohin man die so richtig stecken sollte, also in welche Gesangsklasse. Für das klassische - also für Operngesang und so etwas - war ich absolut nicht geeignet. Dann sprach ich an der Musikhochschule mit Fips Fleischer und der meinte, "Na dann kommst Du in meine Abteilung mit rein", und demzufolge habe ich dann die letzten zwei Jahre Tanz- und Unterhaltungsmusik in der Abteilung, die Fips Fleischer leitete, studiert.
Das war in Leipzig an der Musikhochschule?
Ja, ich war in Leipzig. In meinem Studienjahr waren recht bekannte Leute dabei. Arndt Bause machte ein Fernstudium, in meiner Klasse waren Hans-Jürgen Beyer und auch Michael Heubach. Es gab also einige bekannte Leute, die in diesem Studienjahr waren, auch Gerhard Witte von KREIS war dabei. Um wenigstens etwas Praxis zu bekommen - neben dem Studium durften wir nicht muggen - wurden uns dann Dinge wie "Winter auf dem Land" gewährt, wo man eben hinfahren konnte. Dort erlebte ich zum ersten Mal Publikum, bei dem ich dachte, "Das wirst du auf keinen Fall tun." Die Leute jagten mit ihren Bratwürsten an dir vorbei, das war mir einfach zu viel. Den Abschluss machte ich trotzdem und danach hätte ich ein Engagement annehmen müssen. Ich war kurzzeitig beim Hansa-Schauorchester, um es auszuprobieren und es dann für mich ausschließen zu können. Ich bewarb mich bei der Konzert- und Gastspieldirektion, dort hieß es jedoch immer, "Noch keine Berufserfahrung usw. usw." Ich bewarb mich also bei unterschiedlichen Agenturen, auch beim Sender Leipzig - das war alles nichts, weil ich Berufsanfänger war. Und dann machte ich etwas, was nie jemand von mir gedacht hätte: Ich fuhr zum Kulturministerium der DDR nach Berlin und stellte mich dort als erste Arbeitslose der DDR vor.
Neee (lacht) ...
Doch, der sah mich an und fragte, "Werden da noch mehrere kommen?" Ich antwortete, "Ja, natürlich." (lacht) Der arbeitete dann so schnell … Er telefonierte hin und her. Beim Fernsehen war nichts, bei AMIGA genauso wenig, und dann rief er noch beim Rundfunk an. Die sagten, ich solle dann ganz schnell vorbei kommen. Ich ging also zu Klaus Hugo, er hatte mich beim Absolventensingen im Rundfunk schon mal gesehen und ich war ihm vom Gesicht her noch bekannt. Er meinte dann, ich solle mich mal ans Klavier setzen und ein Stück durchspielen. Man musste ja auch etwas können, zumindest mal eine Klavierstimme durchzuspielen, damit man auch weiß, worum es geht.
Also bist Du praktisch auf diesem Weg - statt Musikerin - Produzentin geworden?
Ja.
Das ist kurios.
Ja, weil es mir keinen Spaß gemacht hätte. Fips Fleischer hatte mich verstanden, warum ich das nicht will. Ab dem dritten Studienjahr wurde bei mir der Gedanke immer verschärfter, dass ich lieber einen der Berufe, die mir wesentlich interessanter erschienen, als auf einer Bühne zu stehen, ausüben möchte.
Wie ging es nach dem Vorspiel beim Rundfunk denn weiter?
Klaus Hugo stellte mich sofort ein.
Ich denke mal, dass man zum Produzieren eine gewisse Ausbildung haben muss ...
Nein, muss man nicht. Man musste aber eine Musikausbildung haben, wenn man Musikproduzent werden wollte. Man musste genau wissen, worum es überhaupt geht, auch Notenkenntnisse waren erforderlich. Alles das, was man eben theoretisch auch an einer Musikhochschule gelernt hatte.
Und diese ganzen technischen Dinge?
Für die technischen Dinge sind die Ingenieure und Tonmeister zuständig. Aber man muss, wenn man ein Musikstück hört und es entwickelt sich, musikalischen Geschmack einbringen und zum Beispiel sagen, "Hier könnte ich mir noch das und das vorstellen ..." Dies passierte auch, gerade auch bei Nachwuchskünstlern. Wenn man hörte, dass es ein Plagiat sein könnte, musste man natürlich sein Veto einlegen. Die Kollegen meiner Abteilung hatten entweder eigene Bands, in denen sie gespielt hatten, und hatten somit auch viel mehr Berufserfahrung. Ich war ja mit 26 Jahren die allerjüngste und hatte den Status "Musikproduzent". In den ersten Jahren saß ich manchmal zu Hause und dachte, dass es eigentlich ganz schön heftig ist. Du bist erst 26 Jahre und entscheidest über den Musikgeschmack der DDR mit.
Über welches Jahr reden wir hier eigentlich, wann hast Du Deine Tätigkeit als Produzentin begonnen?
Das war 1975/76.
Was war denn die erste Produktion, für die Du verantwortlich warst?
Die erste Produktion half mir Klaus Hugo über. Das war die Band IRAKERE aus Cuba mit zwei Gesangssolisten und unter anderen auch zwei hervorragenden Musikern. Das waren der Pianist Chucho Valdés und Arturo Sandoval, ein wahnsinnig guter Trompeter. Die machten auch Jazz, die Sängerin war Farah María, die toll aussah, die dann auch im DDR-Fernsehen auftrat. Das war schon was ... Damals hatte ich eine ganze Bandbreite, ich produzierte mit ihnen Orchestertitel, ich produzierte acht Lieder mit den Gesangssolisten und zum Schluss noch ein Jazz-Laufband. So eine umfangreiche Produktion hatte ich dann nie wieder.
Das waren alles Produktionen, die ausschließlich für den Rundfunk gedacht waren?
Ja, das konnte AMIGA übernehmen und das passierte dann auch irgendwann. Ich war vor vielen Jahren mal im Berliner KulturKaufhaus Dussmann und dort fand ich von IRAKERE genau diese Produktionen auf CD gepresst.
Wen hast Du denn sonst noch alles an Kollegen und Musikern bei Dir im Studio vorgefunden, die dann bei dir produziert haben?
Da waren Hansi Biebl, ab und zu Hans-Jürgen Beyer, Frank Schöbel, Aurora Lacasa, Norbert Gebhardt, Thomas Natschinski, Gaby Rückert, Gerd Christian, Uwe Jensen, Jörg Hindemith oder William Koberstädt, der leider schon verstorben ist, aber auch die Gruppe WAHKONDA. Es waren unzählige Künstler und Bands, auch die Gruppe DREI, Tino Eisbrenner und das Rock'n'Roll Orchester, deren erste Sängerin Petra Borsos leider auch schon verstarb, die meiner Meinung die idealste Sängerin dafür war. Außerdem Carry Sass, später wurde Sie Gesangssolistin im Metropol Theater, Ute Freudenberg mit Elefant, Neumis Rock Circus, Martin Jones, Keimzeit, 2 plus 1 aus Polen, Mimi Ivanova aus Bulgarien, Kitchka Bodourova aus Bulgarien, die Gruppe Kleeblatt ...
Nun zähltest Du eine ganze Menge auf und musikalisch gesehen ist das alles ja grenzüberschreitend. Hansi Biebl ist Blues ... Beyer ist Schlager … Wahkonda war Pop …
Und dann kamen auch noch die Heavy Metal-Bands FORMEL 1, MCB sowie PLATTFORM mit ihren Sängerinnen Michaela Burkhardt und Ina Morgenweck hinzu. Ich liebte es, das alles zu machen. Leider ging es vorbei, da wir eine neue Abteilung wurden - was die meisten Kollegen bis heute nicht begriffen haben - welche ausschließlich Jugendmusik machte. Demzufolge konnte ich viele Schlagersänger wie Frank Schöbel oder Aurora Lacasa nicht mehr produzieren. Die Bandbreite, die ich bis dahin machen konnte, fand ich so gut, statt immer nur Rock- und Pop-Musik. Das fand ich immer irgendwie doch interessanter, aber es ging nicht anders.
Eine für mich persönlich zu den Schwergewichten zählende Formation ist natürlich die Gruppe SILLY. Auf dem Cover ihres ersten Albums steht auch Dein Name als Produzentin. Es heißt, dass SILLY zuerst im Westen eine LP gemacht haben soll, aber die Lieder hast Du doch in der DDR produziert, oder?
Ja, natürlich. SILLY kamen als Nachwuchsband - weil AMIGA sie musikalisch nicht für fähig hielt - durch andere Kollegen zu mir, bei denen sie angefragt hatten. Sie spielten mir ihre Demos vor, das waren zehn Stücke. Ich sah sie an und sagte zu ihnen: "Nun sagt mir mal, welche drei Titel wir zuerst machen wollen." Sie freuten sich halbtot, weil sie das nicht vermutet hatten und dachten, sie würden schon wieder rausgeschmissen. So begannen wir, die ersten Titel zu produzieren. Der Chefproduzent Klaus Hugo war total begeistert und meinte, "Wenn die Band neue Titel hat, können sie kommen, wann sie wollen." Zum Leidwesen einiger Kollegen wurden dann die Studios frei gemacht. SILLY fuhren im Sommer immer nach Rumänien, einmal kamen sie zurück und sagten, "Hannelore, wir können im Westen eine Schallplatte machen." Ich sagte darauf, "Ja, und der Papst tanzt Rock'n'Roll ..." Es gab dort einen Typ namens Michael Nicolai, Produktmanager bei der bundesdeutschen Hansa, den sie auch in der CSSR trafen, wo sie ebenfalls auftraten. Jeweils am Montag und Dienstag gab es den "Berlin-Knüller" und Mathias Schramm kam die Treppe zu mir hoch gestürmt und sagte: "Du musst sofort mitkommen zum 'Berlin-Knüller', dort sitzt der Typ, der mit uns die Platte machen will!" Ich ging mit und dieser Typ saß tatsächlich dort. Ich sagte ihm, dass ich gewisse Details nicht allein entscheiden kann, mich aber sehr freue, dass sich HANSA für diese Band interessiert. Aber da muss auch der Chefproduzent noch gefragt werden und ein Mitspracherecht haben. Die Frage lautete, "Können wir den nicht anrufen?" Das machte ich dann auch und Klaus Hugo sagte, "Geben Sie dem meine Telefonnummer, er soll sich morgen bei mir melden." Es ging und wir begannen, im Rundfunk - mit den wirklich nicht gerade besten technischen Voraussetzungen - diese Platte zu erstellen. Als sie dann im Westen heraus kam, wachte auch AMIGA auf und wurde plötzlich hellhörig. Sie meinten, sie übernehmen die Titel, es müssten aber drei neue gemacht werden, weil es ja nicht ging, dass es vom Inhalt her 1 zu 1 die gleichen Platten sind. Ich habe das von der Band noch hier, weil es auch für mich eine ganz besondere Sache war. Und ich musste auch aufpassen, nicht Fan von einer Band zu werden. Das ging gar nicht, helle Ohren und Augen mussten behalten werden, damit keine Fehler gemacht werden konnten. Aber da waren keine zu machen. Trotzdem er ein paar Macken hatte, arbeitete ich mit Mathias Schramm liebend gern zusammen, auch dann, als er nicht mehr bei SILLY war. Ich kannte die angesprochenen Macken von ihm aber und umging sie einfach. Er leistete eine super Arbeit, nach SILLY arrangierte er bei Martin Jones die Platte und auch die Songs für die LP von Tino Eisbrenner machte er. Also Mathias Schramm war für mich einer der kreativsten Arrangeure, mit denen ich zu tun hatte.
Du sagtest, die Platte kam raus, erschien zuerst im Westen und kam dann auch im Osten raus ...
Aber - wie gesagt - eben noch mit drei anderen Titeln, welche ausgetauscht wurden. AMIGA wollte sich nicht die Blöße geben, dass sie ganz außen vor waren. Es ist sowieso eine Macke von AMIGA, immer zu behaupten, sie hätten alles produziert. Der größte Teil wurde von Sängern und Gruppen - selbst, wenn es um Nachwuchs ging - im Rundfunk produziert. Wenn Herr Stempel (letzter Chef bei AMIGA, Anm. d. Red.) im Fernsehen erscheint und es so darstellt, dass alles bei AMIGA produziert wurde, bekomme ich einen ganz dicken Hals. Es ist unverschämt, meine Kollegen und ich haben so viel gearbeitet, es hätte nur noch gefehlt, dass dort ein Hotel gestanden hätte, in welchem wir übernachten hätten können. AMIGA hätte - wenn es uns als Rundfunk und größten Produzenten nicht gegeben hätte - nicht so viele Platten herausbringen können. Das ist nunmal Fakt. Natürlich machten sie auch eigene Produktionen, aber den größten Anteil hatte der DDR-Rundfunk.
Anmerkung des Autoren: Den Vorwurf von Hannelore Schubert, Jörg Stempel würde die Arbeit der Rundfunkproduzenten nicht oder nur kaum würdigen, ist so leider nicht richtig. Da täuschte sich die Dame. Jörg Stempel wird eigentlich nie müde, an jeder Stelle, wo es möglich ist, die Leistung seiner Kollegen vom Rundfunk zu würdigen und herauszustellen, dass ohne sie vieles nicht möglich gewesen wäre. Dies aber nur am Rande …
Ich erinnere mich noch an ein Interview mit Luise Mirsch, die ja mit einem Ü-Wagen durch die Gegend fuhr und dann bei irgendwelchen Festivals oder den Werkstattwochen anhielt und dort junge Bands aufnahm. Das machte AMIGA ja nie ...
Nein, die haben nur von uns abgesahnt. Auch wenn so ein Diskjockey - der er mal war - ohne große musikalische Bildung einfach behauptet, die bei AMIGA waren die großen Macher. Auch ein René Büttner - was die eigentlich für eine Scheiße verzapft haben. Ich denke immer nur an André Herzberg von PANKOW, was der zu dem Thema mal erzählte. Was da alles für Diskussionen liefen, darüber kann man sich nur wundern ...
Neben den drei zusätzlichen Songs für das Album hast Du auch "Yesterday" produziert, eine Coverversion des BEATLES-Hits …
Ja, "Yesterday" - das war auch so ein Ding ... Der durfte eigentlich gar nicht produziert werden.
Weil es ein BEATLES-Titel ist ...?
Ja. Wir hatten - was in dieser Produktionsphase niemals vorkam - so viel Zeit, dass Mathias Schramm fragte, "Du, wir haben hier eine West-Nummer, ich arrangierte sie, es ist 'Yesterday'. Können wir das mal einspielen?" Ich sagte, "Na klar, spielt es ein." Sie machten es und es war absolut gut. Ich nahm es mit zu unserem Vorspiel-Termin und mein Chef - ich wusste ja, dass es um Tantiemen geht - fragte, "Wer soll denn das bezahlen?" Ich stellte mich dumm und meinte, "Die Band möchte dafür kein Geld, wir brauchen sie nicht für den Titel bezahlen." - "Nein, Sie wissen ganz genau, worum es geht. Wie sollen wir das denn machen?", wurde mir entgegnet. Ich sagte, "Es ist doch nur ein Demo und ich wollte damit vorstellen, wie die Band auch internationale Titel verarbeiten kann." Das Vorspiel war beendet, alle Kollegen gingen raus, Hugo kommt zu mir und sagte ganz leise, "Bitte stellen Sie den Titel ins Archiv, machen Sie aber keine Werbung!" Demzufolge gibt es "Yesterday" ...
Du erzähltest, dass Du während der Anfangszeit sämtliche Titel von SILLY produziert hast. Also nicht nur die dieses Albums, sondern auch die, die danach erschienen ...
Von Beginn an bis 1982 produzierte ich sämtliche Titel mit SILLY.
Das heißt also, dass auf dem "Mont Klamott"-Album nichts mehr von Dir enthalten ist?
Nein, das wurde dann schon von AMIGA produziert. Ich hatte ja eine sehr gute Zusammenarbeit mit Mathias Schramm und mit Thomas Fritzsching. Zu dem Zeitpunkt, als sie zu AMIGA gingen, war ich auch schon schwanger. Hätte mich auch nicht mehr so intensiv weiter kümmern können und bei AMIGA gab es nun mal die besseren technischen Voraussetzungen... Dann gab es Titel wie "Die Gräfin" oder "Puppe Otto", diese Titel lagen mir alle vor und ich hätte sie auch alle gern produziert. Im Lektorat gab es allerdings eine Gisela Steineckert, die begann, über diese Titel zu diskutieren und letztlich abzulehnen. Ich sprach dann mit der Band und sagte ihnen, dass es hier nicht weiter vorwärts gehen könne. Und so kam es für SILLY zur Zusammenarbeit mit AMIGA.
Du sprachst ein interessantes Thema an: Es gab ja das Lektorat, also dieses Kontrollgremium, welches zwischengeschaltet war ...
Wir machten damals - glaube ich - einen Fehler. Wir Produzenten hätten - wie es damals auf westdeutschen Seite üblich war - die Titel eingereicht bekommen sollen und anschließend den Autoren nur mitteilen müssen, "Machen wir" oder "Machen wir nicht", statt immer mit allen zu diskutieren. Im Rundfunk war es für die Mitarbeiter auch eine zweischneidige Sache. Wir mussten, wenn es um die Annahme von Titeln ging, arbeiten wie ein Verlag und die andere Sache war, den Sänger oder die Band bestmöglich zu promoten und entsprechend aufs Band zu zaubern. Dass manche das Lektorat als Bevormundung empfanden, kann ich in gewisser Hinsicht verstehen, aber es war auch eine Verlagstätigkeit und wir hätten diese Leute von den Bands gar nicht einladen müssen. Wenn uns jemand etwas vorgestellt hätte, hätten wir gleich "Ja" oder "Nein" sagen können und hätten uns somit nicht irgendwelchen blöden Diskussionen aussetzen müssen. Die Lektoratsarbeit fand ich manchmal hanebüchen. Es wurden auch Titel, die ich nicht produziert hatte, im Nachgang beanstandet, zum Beispiel "Cola-Wodka" von Holger Biege - wegen des Alkohols. Und ich komme mit dem Titel "Der letzte Kunde" an, in dem es mehr, als um Alkohol ging. Das wurde anstandslos produziert. Aber um dieses simple "Cola-Wodka" oder "Robinson" - wer will nicht mal auf einer Insel sein - wurde ein Heckmeck gemacht, das war für mich unbegreiflich.
Diese Geschichten höre ich öfter von verschieden Musikanten, die es selbst erlebten und Frau Steineckert ist da offensichtlich immer wieder ein Stein des Anstoßes gewesen ...
Sie nahm nach der Wende mit Sängern Kontakt auf, gegen die sie sich zu DDR-Zeiten im Lektorat mehr als unfein geäußert hatte und das verstehe ich nicht.
Andere Widrigkeiten, die Ihr als Produzenten beim Rundfunk gehabt haben sollt, waren die technischen Voraussetzungen. Da soll es - wie ich hörte - auch nicht immer so dufte gewesen sein, Du erwähntest das gerade ja schon …
Ja, das stimmt. Die Leute, die eingekauft haben, waren wahrscheinlich so genannte Reisekader. Statt mal jemanden von den Bands mitzunehmen, die genau gewusst hätten, welche technischen Sachen wichtig gewesen wären, kaufte bei uns jemand Sachen ein, an denen man noch herumbasteln musste. Bei AMIGA muss dies besser geklappt haben. Ich sagte mal, "Wenn hier eine japanische Reisegruppe vorbei käme, die würden sich über unser Museum wundern und auch darüber, was da für Musik heraus kommt ..."
Ihr wart aber dennoch trickreich, denn Ihr habt mit der Technik, die Ihr hattet, teilweise richtig geilen Sound produziert ...
Ja, die Leistungen von den Tonregisseuren und -ingenieuren waren unvorstellbar.
Ich möchte noch mal zu SILLY und den von Dir angesprochenen Titel "Der letzte Kunde" zurückkommen. Da muss es ja im Studio eine richtige Party gegeben haben, oder?
Ja, da hatten wir noch CITY dazu genommen, das war sehr ausgelassen. Du musst Dir vorstellen, ich war die allerjüngste Produzentin weit und breit und ich war damals für solche Sachen natürlich schnell zu begeistern ... (lacht) Und ich konnte die CITY-Musikanten mal von einer ganz anderen Seite her kennenlernen.
Stimmt es denn, dass das Westlabel ursprünglich vor hatte, SILLY gar nicht als Band unter Vertrag nehmen zu wollen, sondern nur Tamara und Mike Schafmeier als Solo-Interpreten?
Ja, das stimmt und wurde mir so geschildert. Sie trafen sich und als es um Tamara ging, war auch Ritchie dabei. Tamara war in dieser Hinsicht ja sehr clever und nahm das alles überhaupt nicht für bare Münze.
Ist Dir denn bekannt, welche Strategie dahinter steckte?
Na sie als Solistin und Mike Schafmeier auch. Er in die komische Richtung ...
Also in die Ulk-Ecke?
Tamara natürlich nicht, sie schon als Pop-Solistin. Aber das war auch der Zeitpunkt, als Mathias Schramm für sie schrieb und auch ich konnte mir keinen Komponisten aus dem Westen vorstellen, der eine Tamara Danz musikalisch richtig hätte bedienen können.
AMIGA sagte damals, SILLY sei keine gute Band, sie sei qualitativ nicht gut. War dies auch der Grund, dass Tamara begann, einzelne Musiker auszutauschen? Sah sie das genauso oder was waren die Gründe dafür? Weißt Du das?
Tamara war sehr schwierig. Die Band war nicht "nicht gut", aber sie entwickelten sich nach und nach. Mathias Schramm kannte die Schwächen dieser Musiker genau und bearbeitete seine musikalischen Arrangements demzufolge so, dass es doch hervorragend wurde. Es gab natürlich auch Streitereien in der Band und Tamara wollte sich auch profilieren. Sie fing also an, die Band zu spalten, was ich aber nicht mehr erleben musste. Mathias Schramm machte es der Band und auch Tamara sehr leicht, da er ein großes Alkoholproblem hatte, und so wurde ihm gekündigt. Das war 1986/87, nachdem er noch die großen Hits der bei AMIGA entstandenen Platten machte. Und ich muss auch etwas zum Gesang von Tamara sagen: Hätten wir damals bei der ersten Produktion nicht zwei so geduldige Tonmeister gehabt, würde ich - übertrieben gesagt - heute noch im Studio stehen und warten, bis mal ein Titel fertig wird. Es war furchtbar. Tamara hatte Angst, an einem Mikrofon zu stehen und einer der Tonmeister sagte, "Das wird hier nichts." Auch ich war nahe dran, abzubrechen. Mathias Schramm sang ihr dann die Titel taktweise vor und irgendwann fing Tamara im weiteren Verlauf ihrer Karriere an, gesanglich so zu denken, wie Mathias. Er brachte sie zum Singen und dazu, wie sie sich letztlich weiter entwickelte. Aber zu Anfang war es ein Drama ...
Entstanden - abgesehen von SILLY - mit anderen Künstlern, welche Du produziertest, Freundschaften und bleibende Kontakte für Dich?
Ja, natürlich. Erst im letzten Jahr hatte ich mit Jörg Hindemith Kontakt, auch Martin Jones sendete mir einen Song zu und fragte, ob es das Lied wäre, worauf die Welt gewartet hätte. Ich schrieb ihm zurück: "Martin, die Welt wartet auf gar kein Lied ..." (lacht) Wir haben uns gut verstanden. Mit Kirsten Kühnert bin ich befreundet und auch mit Eva Kyselka, die leider nicht mehr am Leben ist, war ich sehr gut befreundet. Natürlich gab es im Studio auch mal Auseinandersetzungen, aber keine wirklich dramatischen. Wir freuen uns immer, wenn wir uns sehen und unterhalten uns miteinander.
Eine andere Frage: Du musst keine Namen nennen, aber es gibt sicher auch welche, die Du in Deiner Berufslaufbahn kennen lerntest, bei denen Du froh warst, wenn sie oder er die Tür hinter sich geschlossen hatte, oder?
Mit einer Gruppe, für die ich auch Mentorin war, war es sehr schwierig. Sie waren gerade aus dem Amateur-Status raus und meinten nun, die großen Macher zu sein. Das waren WAHKONDA. Aber ansonsten würde ich diese Frage verneinen. Ich mag von meinem Musikgeschmack her keine "richtigen" Schlager. Selbst, wenn ich einen Hans-Jürgen Beyer oder Norbert Gebhardt produzierte, ließ ich niemanden von ihnen spüren, dass ich keine Schlager mag. Ich habe alle gleich behandelt, weil es dafür ein Publikum gab. Der Einstiegssatz, den ich damals als Musikproduzentin von meinem Chef bekam, lautete, "Lassen Sie - so gut es geht - Ihren eigenen Musikgeschmack vor der Tür, Sie arbeiten für die DDR."
Also Professionalität an erster Stelle ...
Ja, genau. Kein Schlagersänger wusste, dass ich diese Schnulzen unerträglich fand. Aber ich habe mit den Leuten privat einen guten Kontakt. Uwe Jensen oder Hans-Jürgen Beyer waren charmant und brachten auch mal einen Strauß Blumen oder ein kleines Konfekt mit.
Im Jahr 1989 produziertest Du das Solo-Album von Tino Eisbrenner, der wiederum mit JESSICA schon riesigen Erfolg hatte ...
Ja, das war ein Drama, weil JESSSICA durch diese Armee-Kiste wirklich auseinander gerissen wurde. JESSICA wurde bis dahin von Walter Cikan produziert. Er sprach dann mit mir, dass er es - weil er auch Chefproduzent war - zeitlich nicht hinbekäme und fragte mich, ob ich Tino Eisbrenner übernehmen könne, was ich gerne gemacht habe. Dann sprach ich mit Tino, ob er dafür wäre, die Arrangements von Mathias Schramm machen zu lassen. Tino und auch Mathias sagten, "Na klar", und so kam es zur Zusammenarbeit Tino Eisbrenner und Mathias Schramm.
Wie hast Du diese Produktion in Erinnerung?
Sehr gut. Das war hochprofessionell. Also Eisbrenner ist für mich bis heute ein Mensch, der einen Standpunkt, eine Haltung und hohe künstlerische Ansprüche hat. Er machte ja auch nach der Wende viel, ich bekam einige CDs von ihm, er war und ist einer unserer Großen.
Da stimme ich Dir zu.
Leider kam eben diese Platte relativ spät ...
Was war denn Deine letzte Produktion zu DDR-Zeiten?
Das war KEIMZEIT, eine damals gute Nachwuchsband, die sehr gute Texte hatte. In die Musik musste ich mich erst reinhören. Sie hatten von Beginn an viele Fans, und soviele Fans können sich doch nicht irren... oder?
Stimmt, das muss man sich erhören ...
Ich hatte ja auch noch zwei, die aus dem Pop-Schlager-Bereich kamen. Ute Freudenberg bekam ich als Nachwuchskünstlerin, und Ute hat ja eine riesige Bandbreite an Möglichkeiten und musikalischen Angeboten. Darüber, was von ihr nicht auf Band kam, war ich traurig. Sie konnte eine Art Flamenco-Titel singen, da erblasste selbst eine Spanierin vor Neid. Und ich sprach mit der Band, dass man diese Farbe auch mal in ihre Titel einbringen sollte. Und was bot mir Burkhard Lasch an? Die "Jugendliebe" ... Ich dachte, ich träume, das war für mich zum damaligen Zeitpunkt zu volkstümlich. Dass es nach der Wende ein Hit wurde ist vielleicht begreiflich, aber ich mochte die anderen Songs von Ute Freudenberg mehr. Sie hatte andere Titel, wie "Und wieder wird ein Mensch geboren" zum Beispiel. Solche Titel schätzte ich sehr, aber die "Jugendliebe" …?! Selbst ein Teil ihrer Band wollten dieses Lied nicht … Und jetzt ist es ein Volkslied. Ute und Burkhard Lasch hatten Recht.
Zu DDR-Zeiten war der Song aber kein Hit, oder?
Laut meiner noch vorhandenen Unterlagen war die "Jugendliebe" auf Platz sieben. Utes Entwicklung fing gerade an und wenn es die Wende nicht gegeben hätte, wäre sie auch in der DDR ein Riesen-Star geworden, das weiß ich. Mit ihr konnte man vieles machen, sie setzte es um und war eine Künstlerin, die mitdachte. Das war ganz prima.
Dabei darf man aber nicht vergessen, dass sie ja der DDR den Rücken kehrte, in den Westen ging und hier keinen Fuß fassen konnte ...
Das war mir auch klar, das hätte ich ihr gleich sagen können. Die haben eigentlich alle Künstlerinnen und Künstler, die aus der DDR weggingen, irgendwie kaltstellen können. Das war auch bei Veronika Fischer so, die im Westen ja auch nicht gerade die Furore machte und Ute Freudenberg eben auch nicht.
Aber Veronika Fischer hat mehrere Alben machen können und war immer im Fernsehen. Sie hatte nur keinen kommerziellen Hit ...
Sie hatte keinen Hit. Aber gut, damit mussten sie eben leben. Ute merkte, dass ich ihre "Jugendliebe" nicht mochte, und nach der Wende haben wir uns mal richtig darüber ausgesprochen und uns unterhalten. Na ja, und der andere, der dann in solchen Revival-Sendungen immer wieder gezeigt wird, ist Gerd Christian. Als er mit "Sag ihr auch" so durch die Decke schoss, meinten meine Kollegen, "Was soll denn danach noch kommen?" Ich sagte dann, "Na, noch ein Hit." (lacht) Mit ihm habe ich noch sehr guten Kontakt, auch mit seiner Frau Rosi. Ja, man hat vieles gemacht ...
Mit der DDR ging auch Deine Tätigkeit als Produzentin zu Ende, oder?
Ich wollte schon eher aufhören, ich hatte mich schon umgesehen, weil ich großen Frust hatte. Wahrscheinlich lag es auch daran, dass ich alleinerziehend war und das allerschlimmste an dieser Sache war, dass meine Tochter gehörlos ist. Das war für mich nicht gerade einfach, besonders was die Kommunikation betrifft. Ich hatte in dieser Zeit meinen Beruf sehr kritisch hinterfragt. Ich war nicht mehr konzentrationsfähig, heute würde man Burn out sagen. Der Beruf hatte ja viel mit Nachtarbeit zu tun, und das war alleinerziehend nicht zu schaffen. Man macht alles nur halb, halb Beruf - halb Kindererziehung. Eine Anerkennung gab es weder in finanzieller noch ideeller Hinsicht. Man bekam keine Anerkennung. Ich wollte das also nicht mehr machen, ich hatte mir etwas anderes überlegt und dann gab es zum Glück eine Wende. Das war für mich der Befreiungsschlag. Ich ließ mich zu einem Zweitstudium hinreißen und studierte Kulturmanagement. Das war der erste Ost-/West-Studiengang an der Hanns-Eisler-Hochschule. Der gab mir ein gewisses Rüstzeug, aber ich merkte, dass ich mich gedanklich immer weiter davon weg entwickelte, in der Musik eine Rolle mitspielen zu wollen. Und es gab auch noch den Grund, dass ich komplett hätte englisch sprechen können müssen und das konnte ich nicht. Ich lernte in der Schule Französisch und das war ein Hinderungsgrund. Wenn man das eine kann, mag man das andere nicht sonderlich. Irgendwann las ich eine Zeitungsannonce, in der es um eine Ausbildung zur Fachfrau für Personal- und Arbeitsvermittlung ging. Diese Ausbildung machte ich und machte diesen Beruf bis fast zur Rente auch sehr gerne. Mit Menschen arbeiten, aber eben ohne Musik. Menschen zu beraten gab mir mehr, weil ich Menschen in Arbeit brachte oder Unternehmen mich baten, passende Arbeitskräfte für sie zu finden.
War das eine private Agentur oder das Arbeitsamt?
Ich machte das selbständig und ich denke sehr gerne daran zurück. Heute könnte ich es nicht mehr machen, denn es gibt unzählige Arbeitsplätze.
Damit war die Musik für Dich also erledigt?
Ich bin Konsument. Wenn ich mir Fernsehsendungen ansehe, in denen diese Silbereisen-Truppe oder die italienische Schmalzbacke Zarrella hochgejubelt werden … ich vertrage es nicht. Als diese ganze Casting-Shows losgingen, wurde BRO'SIS gecastet. Er war damals schon ein Wackelkandidat, nun kommt dieser Mann - für mich ist er wirklich ein rotes Tuch - und wird hoch gejubelt. Natürlich ist er Italiener, aber warum brauchen wir in Deutschland einen italienisch singenden Solisten? Dann kann ich mir doch gleich einen aus Italien, der dort lebt und dort Erfolg hat, nehmen, wie zum Beispiel Eros Ramazotti oder wie sie alle heißen. Ich brauche keinen Herrn Zarrella, er soll deutsche Titel singen. Damit kommt er nämlich nicht großartig vorwärts. So etwas stört mich einfach ...
Hast Du denn nach Deiner Tätigkeit noch immer beobachtet, was Deine ehemaligen Schützlinge und auch andere aus der DDR-Kulturszene gemacht haben und wenn ja, wie hast Du empfunden, was nach der Wende entstanden ist?
Also erst mal war ja ein großes Loch und gerade deshalb bewunderte ich Tino Eisbrenner sehr. Er setzte sich mit den Indianerkulturen auseinander, er machte eine Art Weltmusik, er hörte nie auf, ihm fiel immer etwas ein, was ihm auch am Herzen lag. Das bewunderte ich sehr an ihm und ich werde ihn - das nahm ich mir gemeinsam mit Kirsten Kühnert vor - im Herbst auf seinem "Vier Winde Hof" besuchen, wenn eines seiner tollen Events ansteht. Ich las es auf seiner Homepage, rief Kirsten an und sagte: "Weißt Du, das wäre doch mal was ..." Sie ist auch davon begeistert, was er nach der Wende künstlerisch alles machte.
Und wenn Du heute auf SILLY guckst? Außer Ritchie ist ja niemand mehr dabei, den Du im Studio hattest. Was hältst Du heute von SILLY?
Als Anna Loos dazu kam, dachte ich, jetzt knallt's. Ob man sie nun gut findet oder nicht - das ist eine andere Frage. Aber sie ist eine Schauspielerin und als Sängern für die Band gefällt sie mir nicht sonderlich. In Weißensee gab es eine Veranstaltung mit verschiedenen Sängerinnen und Sängern, das war die "SILLY & Gäste"-Tour. Da war unter anderen Angelika Weiz mit dabei. Sie wäre für mich eine ideale Sängerin gewesen. Und dann gab es noch Anja Krabbe, die ebenfalls eine Favoritin für mich war. Außerdem gab es damals noch einen Sänger, den ich ihnen ans Herz gelegt hätte. Das war IC. Als Tamara nicht mehr war und die verbliebenen Musiker anfingen darüber nachzudenken, weiter Musik zu machen, sprach ich mit Ritchie und fragte ihn, "Na wie wäre es denn, wenn Ihr mit Tamara weitermacht?" Er guckte mich an und sagte, "Sie ist doch aber tot." Ich erwiderte, "Ja, natürlich ist sie tot, aber es gibt doch Leinwände, es gibt doch Accessoires, damit Ihr erst mal über diese Zeit hinweg kommt. Ihr spielt die Titel, zu denen Videos gemacht wurden, die dann eben eingespielt werden. Also Live-Musik und Tamara auf der Leinwand." Das wäre gar nicht mal schlecht gewesen. Und wenn es zu einzelnen Songs keine Videos gegeben hätte: Tamara hatte immer besondere Accessoires, die man ebenfalls projizieren hätte können. Für mich wäre das eine Variante gewesen erst mal weiter zu machen. Stattdessen kam dann Anna Loos. Als sie dann nicht mehr bei SILLY war und mit ihrem "Werkzeugkasten" (das erste Solo-Album, Anm. d. Red.) ankam, dachte ich, "Was ist denn das???" Die Titel fand ich alle konstruiert. Eben ein Werkzeugkasten. Zum Glück singt sie nicht mehr ...
Doch doch, sie brachte ein neues Album heraus und das ist gar nicht mal schlecht ...
Ich denke, sie muss nur Schauspielerin sein, und das reicht doch.
Womit beschäftigst Du Dich heute? Du sagst, Du bist in Rente, was machst Du so?
Ich kümmere mich um meine Tochter und um meinen Enkel. Nicht ausschließlich, denn der Kleine hört ja zum Glück. Das macht mir unheimlich viel Spaß, weil ich nun ja erstmalig erlebe, dass man sich mit einem Kind aus dem Familienkreis unterhalten kann. Er ist jetzt viereinhalb Jahre. Ich wohne hier in einer Wohnanlage für Senioren und hier trifft man sehr interessante Leute. Hier hat man sich immer was zu erzählen und feiert auch gemeinsam. Man unternimmt gemeinsam etwas, es ist sehr angenehm. Und man hat nicht mehr den Druck, zur Arbeit gehen zu müssen. Heute wäre es mir z. B. viel zu heiß, um zur Arbeit zu gehen. Oder warum sollte ich bei Sturm und Schnee ins Funkhaus fahren? Das ist alles weg, und nun kann man Dinge machen, auf die man Lust hat. Ich habe schon immer gern gelesen, dafür hatte ich früher keine Zeit. Oder wenn ich ganz gut drauf bin, höre ich mir auch gern noch mal Musikproduktionen aus der DDR an. Nicht nur meine, auch andere ...
Wir halten fest: Dir geht es gut und Du hast Spaß am Leben.
Ja. Wenn ich so in den Spiegel gucke - na gut, mittlerweile hat man weiße Haare - fühle ich mich innerlich noch immer wie mit 30. Aber das äußerliche hat sich ja doch ein wenig verändert. Aber trotzdem es ist nicht schlecht.
Ich sagte neulich: "Alt werden könnte so viel Spaß machen, wenn das Altern nicht wäre."
Stimmt!!!!
Hannelore, ich danke Dir für dieses Gespräch. Möchtest Du unseren Lesern abschließend noch ein paar Worte mit auf den Weg geben?
Ich wünschte mir interessantere Künstler. Nach der Zeit, in der ich selbst mitmischen durfte, wünsche ich mir mehr Farbe in der Musikbranche. Ich mag nicht diese computergemachten und zusammen geschobenen Titel. Und wenn dann noch einer von den Künstlern behauptet, er oder sie hätte das geschrieben, bekomme ich Schreikrämpfe. Da saß niemand mit einem Stück Notenpapier oder einem Bleistift. Keiner. Ich wünschte mir, dass interessante Leute besser in den Medien dargestellt und gefördert werden. Interessante Sachen laufen mitunter - deshalb sehe ich mir die Sendung an - bei Ina Müller. Sie stellt sehr interessante und neue Leute vor, das finde ich klasse. Aber das Allgemeine, was man im Fernsehen an Unterhaltungssendungen sieht, finde ich furchtbar ...
Hallo Hannelore. Man kennt Deinen Namen aus den Credits der einen oder anderen Rundfunkproduktion. Wo kommst Du ursprünglich eigentlich her?
Aus Leipzig.
Du bist gebürtige Leipzigerin?
Ja, leider Gottes.
Hattest Du in Deiner Kindheit und Jugend selbst mit Musik zu tun, hast Du vielleicht selbst Musik gemacht?
Wir waren ein Haushalt, in welchem niemand beruflich Musik machte, aber es lief immer das Radio. Ich wuchs bei meinen Großeltern auf und meine Oma sang ständig, wenn sie kochte, sauber machte usw. Ich kannte also von Küchenliedern bis sonst was alles. Auch ging man mit mir regelmäßig ins Theater oder zu anderen Musikveranstaltungen, und da auch ich als Kind ständig vor mich her sang, war mein Weg vorgezeichnet. Musik war für mich wichtig und wenn mich jemand fragte, was ich mal werden möchte, sagte ich immer, "Ich möchte auf einer Bühne stehen".
Dazu kam es aber nie. Was hast Du nach der Schule gelernt?
Ich lernte damals Schneiderin, verlor das Ziel aber nicht aus den Augen. Ich war in Leipzig beim Louis-Fürnberg-Ensemble und nahm Gesangsunterricht in der Volksmusikschule. Damals kamen die Leute in die Schulen und - genau, wie im Sport - wurde man ausgewählt, wenn gewisse Talente vorhanden waren. Mich hatte man für die Musikschule ausgewählt. Von meinem neunten bis 15. Lebensjahr ging ich dort hin und schloss dort die verschiedenen Stufen letztlich mit der "Oberstufe" ab. Den Gedanken, künstlerisch etwas zu machen, verlor ich also nie. Ich habe mich immer in diese Richtung entwickelt.
Aber trotzdem hast Du nach der Schule etwas ganz anderes gelernt ...
Ja, weil meine Oma fragte, welchen Beruf ich lernen möchte. Das konnte ich ihr nicht sagen, weil ich ins Theater wollte. Sie sagte, dass ich erst mal einen sicheren Beruf lernen muss, so wie einem das damals eben eingeredet wurde. Dann sagte ich, sie solle mir etwas aussuchen, ich würde das schon machen und danach sowieso zum Theater gehen. So suchte sie mir den Damenmaßschneider aus. Ich habe es gehasst, machte die Ausbildung aber dennoch zu Ende. Nach der Lehre sang ich in einer Leipziger Band mit und bereitete mich auf mein Musikstudium vor.
Leipzig ist ja bekannt für viele gute Musikgruppen. Wie hieß diese Band denn?
Das weiß ich nicht mehr. Dafür waren sie zu unbedeutend.
Wie lange warst Du dort dabei?
Nicht lange, weil ich Ärger bekam. Nach der Ausbildung musste ich noch etwas Praktisches arbeiten, denn mit dem Studium dauerte es aus verschiedenen Gründen noch etwas länger. So arbeitete ich eine kurze Zeit in einem Labor der Veterinärmedizin. Der Leiter des Instituts meinte, "Mein Gott, Du bist ja ideal, möchtest Du nicht Veterinäringenieur werden?" Ich sagte, "Nein, das will ich nicht, ich möchte Musik machen." Er war deshalb stinksauer. Danach kam dann noch mal das Auswahlverfahren für die Musikhochschule und das ging alles reibungslos hintereinander weg.
Und dann warst Du also an der Musikhochschule ...
Genau. Erst machte ich etwas klassische Ausbildung, wollte aber eigentlich Musical singen. Zu den damaligen Zeiten war das allerdings eine Richtung, von der man nicht wusste, wohin man die so richtig stecken sollte, also in welche Gesangsklasse. Für das klassische - also für Operngesang und so etwas - war ich absolut nicht geeignet. Dann sprach ich an der Musikhochschule mit Fips Fleischer und der meinte, "Na dann kommst Du in meine Abteilung mit rein", und demzufolge habe ich dann die letzten zwei Jahre Tanz- und Unterhaltungsmusik in der Abteilung, die Fips Fleischer leitete, studiert.
Das war in Leipzig an der Musikhochschule?
Ja, ich war in Leipzig. In meinem Studienjahr waren recht bekannte Leute dabei. Arndt Bause machte ein Fernstudium, in meiner Klasse waren Hans-Jürgen Beyer und auch Michael Heubach. Es gab also einige bekannte Leute, die in diesem Studienjahr waren, auch Gerhard Witte von KREIS war dabei. Um wenigstens etwas Praxis zu bekommen - neben dem Studium durften wir nicht muggen - wurden uns dann Dinge wie "Winter auf dem Land" gewährt, wo man eben hinfahren konnte. Dort erlebte ich zum ersten Mal Publikum, bei dem ich dachte, "Das wirst du auf keinen Fall tun." Die Leute jagten mit ihren Bratwürsten an dir vorbei, das war mir einfach zu viel. Den Abschluss machte ich trotzdem und danach hätte ich ein Engagement annehmen müssen. Ich war kurzzeitig beim Hansa-Schauorchester, um es auszuprobieren und es dann für mich ausschließen zu können. Ich bewarb mich bei der Konzert- und Gastspieldirektion, dort hieß es jedoch immer, "Noch keine Berufserfahrung usw. usw." Ich bewarb mich also bei unterschiedlichen Agenturen, auch beim Sender Leipzig - das war alles nichts, weil ich Berufsanfänger war. Und dann machte ich etwas, was nie jemand von mir gedacht hätte: Ich fuhr zum Kulturministerium der DDR nach Berlin und stellte mich dort als erste Arbeitslose der DDR vor.
Neee (lacht) ...
Doch, der sah mich an und fragte, "Werden da noch mehrere kommen?" Ich antwortete, "Ja, natürlich." (lacht) Der arbeitete dann so schnell … Er telefonierte hin und her. Beim Fernsehen war nichts, bei AMIGA genauso wenig, und dann rief er noch beim Rundfunk an. Die sagten, ich solle dann ganz schnell vorbei kommen. Ich ging also zu Klaus Hugo, er hatte mich beim Absolventensingen im Rundfunk schon mal gesehen und ich war ihm vom Gesicht her noch bekannt. Er meinte dann, ich solle mich mal ans Klavier setzen und ein Stück durchspielen. Man musste ja auch etwas können, zumindest mal eine Klavierstimme durchzuspielen, damit man auch weiß, worum es geht.
Also bist Du praktisch auf diesem Weg - statt Musikerin - Produzentin geworden?
Ja.
Das ist kurios.
Ja, weil es mir keinen Spaß gemacht hätte. Fips Fleischer hatte mich verstanden, warum ich das nicht will. Ab dem dritten Studienjahr wurde bei mir der Gedanke immer verschärfter, dass ich lieber einen der Berufe, die mir wesentlich interessanter erschienen, als auf einer Bühne zu stehen, ausüben möchte.
Wie ging es nach dem Vorspiel beim Rundfunk denn weiter?
Klaus Hugo stellte mich sofort ein.
Ich denke mal, dass man zum Produzieren eine gewisse Ausbildung haben muss ...
Nein, muss man nicht. Man musste aber eine Musikausbildung haben, wenn man Musikproduzent werden wollte. Man musste genau wissen, worum es überhaupt geht, auch Notenkenntnisse waren erforderlich. Alles das, was man eben theoretisch auch an einer Musikhochschule gelernt hatte.
Und diese ganzen technischen Dinge?
Für die technischen Dinge sind die Ingenieure und Tonmeister zuständig. Aber man muss, wenn man ein Musikstück hört und es entwickelt sich, musikalischen Geschmack einbringen und zum Beispiel sagen, "Hier könnte ich mir noch das und das vorstellen ..." Dies passierte auch, gerade auch bei Nachwuchskünstlern. Wenn man hörte, dass es ein Plagiat sein könnte, musste man natürlich sein Veto einlegen. Die Kollegen meiner Abteilung hatten entweder eigene Bands, in denen sie gespielt hatten, und hatten somit auch viel mehr Berufserfahrung. Ich war ja mit 26 Jahren die allerjüngste und hatte den Status "Musikproduzent". In den ersten Jahren saß ich manchmal zu Hause und dachte, dass es eigentlich ganz schön heftig ist. Du bist erst 26 Jahre und entscheidest über den Musikgeschmack der DDR mit.
Über welches Jahr reden wir hier eigentlich, wann hast Du Deine Tätigkeit als Produzentin begonnen?
Das war 1975/76.
Was war denn die erste Produktion, für die Du verantwortlich warst?
Die erste Produktion half mir Klaus Hugo über. Das war die Band IRAKERE aus Cuba mit zwei Gesangssolisten und unter anderen auch zwei hervorragenden Musikern. Das waren der Pianist Chucho Valdés und Arturo Sandoval, ein wahnsinnig guter Trompeter. Die machten auch Jazz, die Sängerin war Farah María, die toll aussah, die dann auch im DDR-Fernsehen auftrat. Das war schon was ... Damals hatte ich eine ganze Bandbreite, ich produzierte mit ihnen Orchestertitel, ich produzierte acht Lieder mit den Gesangssolisten und zum Schluss noch ein Jazz-Laufband. So eine umfangreiche Produktion hatte ich dann nie wieder.
Das waren alles Produktionen, die ausschließlich für den Rundfunk gedacht waren?
Ja, das konnte AMIGA übernehmen und das passierte dann auch irgendwann. Ich war vor vielen Jahren mal im Berliner KulturKaufhaus Dussmann und dort fand ich von IRAKERE genau diese Produktionen auf CD gepresst.
Wen hast Du denn sonst noch alles an Kollegen und Musikern bei Dir im Studio vorgefunden, die dann bei dir produziert haben?
Da waren Hansi Biebl, ab und zu Hans-Jürgen Beyer, Frank Schöbel, Aurora Lacasa, Norbert Gebhardt, Thomas Natschinski, Gaby Rückert, Gerd Christian, Uwe Jensen, Jörg Hindemith oder William Koberstädt, der leider schon verstorben ist, aber auch die Gruppe WAHKONDA. Es waren unzählige Künstler und Bands, auch die Gruppe DREI, Tino Eisbrenner und das Rock'n'Roll Orchester, deren erste Sängerin Petra Borsos leider auch schon verstarb, die meiner Meinung die idealste Sängerin dafür war. Außerdem Carry Sass, später wurde Sie Gesangssolistin im Metropol Theater, Ute Freudenberg mit Elefant, Neumis Rock Circus, Martin Jones, Keimzeit, 2 plus 1 aus Polen, Mimi Ivanova aus Bulgarien, Kitchka Bodourova aus Bulgarien, die Gruppe Kleeblatt ...
Nun zähltest Du eine ganze Menge auf und musikalisch gesehen ist das alles ja grenzüberschreitend. Hansi Biebl ist Blues ... Beyer ist Schlager … Wahkonda war Pop …
Und dann kamen auch noch die Heavy Metal-Bands FORMEL 1, MCB sowie PLATTFORM mit ihren Sängerinnen Michaela Burkhardt und Ina Morgenweck hinzu. Ich liebte es, das alles zu machen. Leider ging es vorbei, da wir eine neue Abteilung wurden - was die meisten Kollegen bis heute nicht begriffen haben - welche ausschließlich Jugendmusik machte. Demzufolge konnte ich viele Schlagersänger wie Frank Schöbel oder Aurora Lacasa nicht mehr produzieren. Die Bandbreite, die ich bis dahin machen konnte, fand ich so gut, statt immer nur Rock- und Pop-Musik. Das fand ich immer irgendwie doch interessanter, aber es ging nicht anders.
Eine für mich persönlich zu den Schwergewichten zählende Formation ist natürlich die Gruppe SILLY. Auf dem Cover ihres ersten Albums steht auch Dein Name als Produzentin. Es heißt, dass SILLY zuerst im Westen eine LP gemacht haben soll, aber die Lieder hast Du doch in der DDR produziert, oder?
Ja, natürlich. SILLY kamen als Nachwuchsband - weil AMIGA sie musikalisch nicht für fähig hielt - durch andere Kollegen zu mir, bei denen sie angefragt hatten. Sie spielten mir ihre Demos vor, das waren zehn Stücke. Ich sah sie an und sagte zu ihnen: "Nun sagt mir mal, welche drei Titel wir zuerst machen wollen." Sie freuten sich halbtot, weil sie das nicht vermutet hatten und dachten, sie würden schon wieder rausgeschmissen. So begannen wir, die ersten Titel zu produzieren. Der Chefproduzent Klaus Hugo war total begeistert und meinte, "Wenn die Band neue Titel hat, können sie kommen, wann sie wollen." Zum Leidwesen einiger Kollegen wurden dann die Studios frei gemacht. SILLY fuhren im Sommer immer nach Rumänien, einmal kamen sie zurück und sagten, "Hannelore, wir können im Westen eine Schallplatte machen." Ich sagte darauf, "Ja, und der Papst tanzt Rock'n'Roll ..." Es gab dort einen Typ namens Michael Nicolai, Produktmanager bei der bundesdeutschen Hansa, den sie auch in der CSSR trafen, wo sie ebenfalls auftraten. Jeweils am Montag und Dienstag gab es den "Berlin-Knüller" und Mathias Schramm kam die Treppe zu mir hoch gestürmt und sagte: "Du musst sofort mitkommen zum 'Berlin-Knüller', dort sitzt der Typ, der mit uns die Platte machen will!" Ich ging mit und dieser Typ saß tatsächlich dort. Ich sagte ihm, dass ich gewisse Details nicht allein entscheiden kann, mich aber sehr freue, dass sich HANSA für diese Band interessiert. Aber da muss auch der Chefproduzent noch gefragt werden und ein Mitspracherecht haben. Die Frage lautete, "Können wir den nicht anrufen?" Das machte ich dann auch und Klaus Hugo sagte, "Geben Sie dem meine Telefonnummer, er soll sich morgen bei mir melden." Es ging und wir begannen, im Rundfunk - mit den wirklich nicht gerade besten technischen Voraussetzungen - diese Platte zu erstellen. Als sie dann im Westen heraus kam, wachte auch AMIGA auf und wurde plötzlich hellhörig. Sie meinten, sie übernehmen die Titel, es müssten aber drei neue gemacht werden, weil es ja nicht ging, dass es vom Inhalt her 1 zu 1 die gleichen Platten sind. Ich habe das von der Band noch hier, weil es auch für mich eine ganz besondere Sache war. Und ich musste auch aufpassen, nicht Fan von einer Band zu werden. Das ging gar nicht, helle Ohren und Augen mussten behalten werden, damit keine Fehler gemacht werden konnten. Aber da waren keine zu machen. Trotzdem er ein paar Macken hatte, arbeitete ich mit Mathias Schramm liebend gern zusammen, auch dann, als er nicht mehr bei SILLY war. Ich kannte die angesprochenen Macken von ihm aber und umging sie einfach. Er leistete eine super Arbeit, nach SILLY arrangierte er bei Martin Jones die Platte und auch die Songs für die LP von Tino Eisbrenner machte er. Also Mathias Schramm war für mich einer der kreativsten Arrangeure, mit denen ich zu tun hatte.
Du sagtest, die Platte kam raus, erschien zuerst im Westen und kam dann auch im Osten raus ...
Aber - wie gesagt - eben noch mit drei anderen Titeln, welche ausgetauscht wurden. AMIGA wollte sich nicht die Blöße geben, dass sie ganz außen vor waren. Es ist sowieso eine Macke von AMIGA, immer zu behaupten, sie hätten alles produziert. Der größte Teil wurde von Sängern und Gruppen - selbst, wenn es um Nachwuchs ging - im Rundfunk produziert. Wenn Herr Stempel (letzter Chef bei AMIGA, Anm. d. Red.) im Fernsehen erscheint und es so darstellt, dass alles bei AMIGA produziert wurde, bekomme ich einen ganz dicken Hals. Es ist unverschämt, meine Kollegen und ich haben so viel gearbeitet, es hätte nur noch gefehlt, dass dort ein Hotel gestanden hätte, in welchem wir übernachten hätten können. AMIGA hätte - wenn es uns als Rundfunk und größten Produzenten nicht gegeben hätte - nicht so viele Platten herausbringen können. Das ist nunmal Fakt. Natürlich machten sie auch eigene Produktionen, aber den größten Anteil hatte der DDR-Rundfunk.
Anmerkung des Autoren: Den Vorwurf von Hannelore Schubert, Jörg Stempel würde die Arbeit der Rundfunkproduzenten nicht oder nur kaum würdigen, ist so leider nicht richtig. Da täuschte sich die Dame. Jörg Stempel wird eigentlich nie müde, an jeder Stelle, wo es möglich ist, die Leistung seiner Kollegen vom Rundfunk zu würdigen und herauszustellen, dass ohne sie vieles nicht möglich gewesen wäre. Dies aber nur am Rande …
Ich erinnere mich noch an ein Interview mit Luise Mirsch, die ja mit einem Ü-Wagen durch die Gegend fuhr und dann bei irgendwelchen Festivals oder den Werkstattwochen anhielt und dort junge Bands aufnahm. Das machte AMIGA ja nie ...
Nein, die haben nur von uns abgesahnt. Auch wenn so ein Diskjockey - der er mal war - ohne große musikalische Bildung einfach behauptet, die bei AMIGA waren die großen Macher. Auch ein René Büttner - was die eigentlich für eine Scheiße verzapft haben. Ich denke immer nur an André Herzberg von PANKOW, was der zu dem Thema mal erzählte. Was da alles für Diskussionen liefen, darüber kann man sich nur wundern ...
Neben den drei zusätzlichen Songs für das Album hast Du auch "Yesterday" produziert, eine Coverversion des BEATLES-Hits …
Ja, "Yesterday" - das war auch so ein Ding ... Der durfte eigentlich gar nicht produziert werden.
Weil es ein BEATLES-Titel ist ...?
Ja. Wir hatten - was in dieser Produktionsphase niemals vorkam - so viel Zeit, dass Mathias Schramm fragte, "Du, wir haben hier eine West-Nummer, ich arrangierte sie, es ist 'Yesterday'. Können wir das mal einspielen?" Ich sagte, "Na klar, spielt es ein." Sie machten es und es war absolut gut. Ich nahm es mit zu unserem Vorspiel-Termin und mein Chef - ich wusste ja, dass es um Tantiemen geht - fragte, "Wer soll denn das bezahlen?" Ich stellte mich dumm und meinte, "Die Band möchte dafür kein Geld, wir brauchen sie nicht für den Titel bezahlen." - "Nein, Sie wissen ganz genau, worum es geht. Wie sollen wir das denn machen?", wurde mir entgegnet. Ich sagte, "Es ist doch nur ein Demo und ich wollte damit vorstellen, wie die Band auch internationale Titel verarbeiten kann." Das Vorspiel war beendet, alle Kollegen gingen raus, Hugo kommt zu mir und sagte ganz leise, "Bitte stellen Sie den Titel ins Archiv, machen Sie aber keine Werbung!" Demzufolge gibt es "Yesterday" ...
Du erzähltest, dass Du während der Anfangszeit sämtliche Titel von SILLY produziert hast. Also nicht nur die dieses Albums, sondern auch die, die danach erschienen ...
Von Beginn an bis 1982 produzierte ich sämtliche Titel mit SILLY.
Das heißt also, dass auf dem "Mont Klamott"-Album nichts mehr von Dir enthalten ist?
Nein, das wurde dann schon von AMIGA produziert. Ich hatte ja eine sehr gute Zusammenarbeit mit Mathias Schramm und mit Thomas Fritzsching. Zu dem Zeitpunkt, als sie zu AMIGA gingen, war ich auch schon schwanger. Hätte mich auch nicht mehr so intensiv weiter kümmern können und bei AMIGA gab es nun mal die besseren technischen Voraussetzungen... Dann gab es Titel wie "Die Gräfin" oder "Puppe Otto", diese Titel lagen mir alle vor und ich hätte sie auch alle gern produziert. Im Lektorat gab es allerdings eine Gisela Steineckert, die begann, über diese Titel zu diskutieren und letztlich abzulehnen. Ich sprach dann mit der Band und sagte ihnen, dass es hier nicht weiter vorwärts gehen könne. Und so kam es für SILLY zur Zusammenarbeit mit AMIGA.
Du sprachst ein interessantes Thema an: Es gab ja das Lektorat, also dieses Kontrollgremium, welches zwischengeschaltet war ...
Wir machten damals - glaube ich - einen Fehler. Wir Produzenten hätten - wie es damals auf westdeutschen Seite üblich war - die Titel eingereicht bekommen sollen und anschließend den Autoren nur mitteilen müssen, "Machen wir" oder "Machen wir nicht", statt immer mit allen zu diskutieren. Im Rundfunk war es für die Mitarbeiter auch eine zweischneidige Sache. Wir mussten, wenn es um die Annahme von Titeln ging, arbeiten wie ein Verlag und die andere Sache war, den Sänger oder die Band bestmöglich zu promoten und entsprechend aufs Band zu zaubern. Dass manche das Lektorat als Bevormundung empfanden, kann ich in gewisser Hinsicht verstehen, aber es war auch eine Verlagstätigkeit und wir hätten diese Leute von den Bands gar nicht einladen müssen. Wenn uns jemand etwas vorgestellt hätte, hätten wir gleich "Ja" oder "Nein" sagen können und hätten uns somit nicht irgendwelchen blöden Diskussionen aussetzen müssen. Die Lektoratsarbeit fand ich manchmal hanebüchen. Es wurden auch Titel, die ich nicht produziert hatte, im Nachgang beanstandet, zum Beispiel "Cola-Wodka" von Holger Biege - wegen des Alkohols. Und ich komme mit dem Titel "Der letzte Kunde" an, in dem es mehr, als um Alkohol ging. Das wurde anstandslos produziert. Aber um dieses simple "Cola-Wodka" oder "Robinson" - wer will nicht mal auf einer Insel sein - wurde ein Heckmeck gemacht, das war für mich unbegreiflich.
Diese Geschichten höre ich öfter von verschieden Musikanten, die es selbst erlebten und Frau Steineckert ist da offensichtlich immer wieder ein Stein des Anstoßes gewesen ...
Sie nahm nach der Wende mit Sängern Kontakt auf, gegen die sie sich zu DDR-Zeiten im Lektorat mehr als unfein geäußert hatte und das verstehe ich nicht.
Andere Widrigkeiten, die Ihr als Produzenten beim Rundfunk gehabt haben sollt, waren die technischen Voraussetzungen. Da soll es - wie ich hörte - auch nicht immer so dufte gewesen sein, Du erwähntest das gerade ja schon …
Ja, das stimmt. Die Leute, die eingekauft haben, waren wahrscheinlich so genannte Reisekader. Statt mal jemanden von den Bands mitzunehmen, die genau gewusst hätten, welche technischen Sachen wichtig gewesen wären, kaufte bei uns jemand Sachen ein, an denen man noch herumbasteln musste. Bei AMIGA muss dies besser geklappt haben. Ich sagte mal, "Wenn hier eine japanische Reisegruppe vorbei käme, die würden sich über unser Museum wundern und auch darüber, was da für Musik heraus kommt ..."
Ihr wart aber dennoch trickreich, denn Ihr habt mit der Technik, die Ihr hattet, teilweise richtig geilen Sound produziert ...
Ja, die Leistungen von den Tonregisseuren und -ingenieuren waren unvorstellbar.
Ich möchte noch mal zu SILLY und den von Dir angesprochenen Titel "Der letzte Kunde" zurückkommen. Da muss es ja im Studio eine richtige Party gegeben haben, oder?
Ja, da hatten wir noch CITY dazu genommen, das war sehr ausgelassen. Du musst Dir vorstellen, ich war die allerjüngste Produzentin weit und breit und ich war damals für solche Sachen natürlich schnell zu begeistern ... (lacht) Und ich konnte die CITY-Musikanten mal von einer ganz anderen Seite her kennenlernen.
Stimmt es denn, dass das Westlabel ursprünglich vor hatte, SILLY gar nicht als Band unter Vertrag nehmen zu wollen, sondern nur Tamara und Mike Schafmeier als Solo-Interpreten?
Ja, das stimmt und wurde mir so geschildert. Sie trafen sich und als es um Tamara ging, war auch Ritchie dabei. Tamara war in dieser Hinsicht ja sehr clever und nahm das alles überhaupt nicht für bare Münze.
Ist Dir denn bekannt, welche Strategie dahinter steckte?
Na sie als Solistin und Mike Schafmeier auch. Er in die komische Richtung ...
Also in die Ulk-Ecke?
Tamara natürlich nicht, sie schon als Pop-Solistin. Aber das war auch der Zeitpunkt, als Mathias Schramm für sie schrieb und auch ich konnte mir keinen Komponisten aus dem Westen vorstellen, der eine Tamara Danz musikalisch richtig hätte bedienen können.
AMIGA sagte damals, SILLY sei keine gute Band, sie sei qualitativ nicht gut. War dies auch der Grund, dass Tamara begann, einzelne Musiker auszutauschen? Sah sie das genauso oder was waren die Gründe dafür? Weißt Du das?
Tamara war sehr schwierig. Die Band war nicht "nicht gut", aber sie entwickelten sich nach und nach. Mathias Schramm kannte die Schwächen dieser Musiker genau und bearbeitete seine musikalischen Arrangements demzufolge so, dass es doch hervorragend wurde. Es gab natürlich auch Streitereien in der Band und Tamara wollte sich auch profilieren. Sie fing also an, die Band zu spalten, was ich aber nicht mehr erleben musste. Mathias Schramm machte es der Band und auch Tamara sehr leicht, da er ein großes Alkoholproblem hatte, und so wurde ihm gekündigt. Das war 1986/87, nachdem er noch die großen Hits der bei AMIGA entstandenen Platten machte. Und ich muss auch etwas zum Gesang von Tamara sagen: Hätten wir damals bei der ersten Produktion nicht zwei so geduldige Tonmeister gehabt, würde ich - übertrieben gesagt - heute noch im Studio stehen und warten, bis mal ein Titel fertig wird. Es war furchtbar. Tamara hatte Angst, an einem Mikrofon zu stehen und einer der Tonmeister sagte, "Das wird hier nichts." Auch ich war nahe dran, abzubrechen. Mathias Schramm sang ihr dann die Titel taktweise vor und irgendwann fing Tamara im weiteren Verlauf ihrer Karriere an, gesanglich so zu denken, wie Mathias. Er brachte sie zum Singen und dazu, wie sie sich letztlich weiter entwickelte. Aber zu Anfang war es ein Drama ...
Entstanden - abgesehen von SILLY - mit anderen Künstlern, welche Du produziertest, Freundschaften und bleibende Kontakte für Dich?
Ja, natürlich. Erst im letzten Jahr hatte ich mit Jörg Hindemith Kontakt, auch Martin Jones sendete mir einen Song zu und fragte, ob es das Lied wäre, worauf die Welt gewartet hätte. Ich schrieb ihm zurück: "Martin, die Welt wartet auf gar kein Lied ..." (lacht) Wir haben uns gut verstanden. Mit Kirsten Kühnert bin ich befreundet und auch mit Eva Kyselka, die leider nicht mehr am Leben ist, war ich sehr gut befreundet. Natürlich gab es im Studio auch mal Auseinandersetzungen, aber keine wirklich dramatischen. Wir freuen uns immer, wenn wir uns sehen und unterhalten uns miteinander.
Eine andere Frage: Du musst keine Namen nennen, aber es gibt sicher auch welche, die Du in Deiner Berufslaufbahn kennen lerntest, bei denen Du froh warst, wenn sie oder er die Tür hinter sich geschlossen hatte, oder?
Mit einer Gruppe, für die ich auch Mentorin war, war es sehr schwierig. Sie waren gerade aus dem Amateur-Status raus und meinten nun, die großen Macher zu sein. Das waren WAHKONDA. Aber ansonsten würde ich diese Frage verneinen. Ich mag von meinem Musikgeschmack her keine "richtigen" Schlager. Selbst, wenn ich einen Hans-Jürgen Beyer oder Norbert Gebhardt produzierte, ließ ich niemanden von ihnen spüren, dass ich keine Schlager mag. Ich habe alle gleich behandelt, weil es dafür ein Publikum gab. Der Einstiegssatz, den ich damals als Musikproduzentin von meinem Chef bekam, lautete, "Lassen Sie - so gut es geht - Ihren eigenen Musikgeschmack vor der Tür, Sie arbeiten für die DDR."
Also Professionalität an erster Stelle ...
Ja, genau. Kein Schlagersänger wusste, dass ich diese Schnulzen unerträglich fand. Aber ich habe mit den Leuten privat einen guten Kontakt. Uwe Jensen oder Hans-Jürgen Beyer waren charmant und brachten auch mal einen Strauß Blumen oder ein kleines Konfekt mit.
Im Jahr 1989 produziertest Du das Solo-Album von Tino Eisbrenner, der wiederum mit JESSICA schon riesigen Erfolg hatte ...
Ja, das war ein Drama, weil JESSSICA durch diese Armee-Kiste wirklich auseinander gerissen wurde. JESSICA wurde bis dahin von Walter Cikan produziert. Er sprach dann mit mir, dass er es - weil er auch Chefproduzent war - zeitlich nicht hinbekäme und fragte mich, ob ich Tino Eisbrenner übernehmen könne, was ich gerne gemacht habe. Dann sprach ich mit Tino, ob er dafür wäre, die Arrangements von Mathias Schramm machen zu lassen. Tino und auch Mathias sagten, "Na klar", und so kam es zur Zusammenarbeit Tino Eisbrenner und Mathias Schramm.
Wie hast Du diese Produktion in Erinnerung?
Sehr gut. Das war hochprofessionell. Also Eisbrenner ist für mich bis heute ein Mensch, der einen Standpunkt, eine Haltung und hohe künstlerische Ansprüche hat. Er machte ja auch nach der Wende viel, ich bekam einige CDs von ihm, er war und ist einer unserer Großen.
Da stimme ich Dir zu.
Leider kam eben diese Platte relativ spät ...
Was war denn Deine letzte Produktion zu DDR-Zeiten?
Das war KEIMZEIT, eine damals gute Nachwuchsband, die sehr gute Texte hatte. In die Musik musste ich mich erst reinhören. Sie hatten von Beginn an viele Fans, und soviele Fans können sich doch nicht irren... oder?
Stimmt, das muss man sich erhören ...
Ich hatte ja auch noch zwei, die aus dem Pop-Schlager-Bereich kamen. Ute Freudenberg bekam ich als Nachwuchskünstlerin, und Ute hat ja eine riesige Bandbreite an Möglichkeiten und musikalischen Angeboten. Darüber, was von ihr nicht auf Band kam, war ich traurig. Sie konnte eine Art Flamenco-Titel singen, da erblasste selbst eine Spanierin vor Neid. Und ich sprach mit der Band, dass man diese Farbe auch mal in ihre Titel einbringen sollte. Und was bot mir Burkhard Lasch an? Die "Jugendliebe" ... Ich dachte, ich träume, das war für mich zum damaligen Zeitpunkt zu volkstümlich. Dass es nach der Wende ein Hit wurde ist vielleicht begreiflich, aber ich mochte die anderen Songs von Ute Freudenberg mehr. Sie hatte andere Titel, wie "Und wieder wird ein Mensch geboren" zum Beispiel. Solche Titel schätzte ich sehr, aber die "Jugendliebe" …?! Selbst ein Teil ihrer Band wollten dieses Lied nicht … Und jetzt ist es ein Volkslied. Ute und Burkhard Lasch hatten Recht.
Zu DDR-Zeiten war der Song aber kein Hit, oder?
Laut meiner noch vorhandenen Unterlagen war die "Jugendliebe" auf Platz sieben. Utes Entwicklung fing gerade an und wenn es die Wende nicht gegeben hätte, wäre sie auch in der DDR ein Riesen-Star geworden, das weiß ich. Mit ihr konnte man vieles machen, sie setzte es um und war eine Künstlerin, die mitdachte. Das war ganz prima.
Dabei darf man aber nicht vergessen, dass sie ja der DDR den Rücken kehrte, in den Westen ging und hier keinen Fuß fassen konnte ...
Das war mir auch klar, das hätte ich ihr gleich sagen können. Die haben eigentlich alle Künstlerinnen und Künstler, die aus der DDR weggingen, irgendwie kaltstellen können. Das war auch bei Veronika Fischer so, die im Westen ja auch nicht gerade die Furore machte und Ute Freudenberg eben auch nicht.
Aber Veronika Fischer hat mehrere Alben machen können und war immer im Fernsehen. Sie hatte nur keinen kommerziellen Hit ...
Sie hatte keinen Hit. Aber gut, damit mussten sie eben leben. Ute merkte, dass ich ihre "Jugendliebe" nicht mochte, und nach der Wende haben wir uns mal richtig darüber ausgesprochen und uns unterhalten. Na ja, und der andere, der dann in solchen Revival-Sendungen immer wieder gezeigt wird, ist Gerd Christian. Als er mit "Sag ihr auch" so durch die Decke schoss, meinten meine Kollegen, "Was soll denn danach noch kommen?" Ich sagte dann, "Na, noch ein Hit." (lacht) Mit ihm habe ich noch sehr guten Kontakt, auch mit seiner Frau Rosi. Ja, man hat vieles gemacht ...
Mit der DDR ging auch Deine Tätigkeit als Produzentin zu Ende, oder?
Ich wollte schon eher aufhören, ich hatte mich schon umgesehen, weil ich großen Frust hatte. Wahrscheinlich lag es auch daran, dass ich alleinerziehend war und das allerschlimmste an dieser Sache war, dass meine Tochter gehörlos ist. Das war für mich nicht gerade einfach, besonders was die Kommunikation betrifft. Ich hatte in dieser Zeit meinen Beruf sehr kritisch hinterfragt. Ich war nicht mehr konzentrationsfähig, heute würde man Burn out sagen. Der Beruf hatte ja viel mit Nachtarbeit zu tun, und das war alleinerziehend nicht zu schaffen. Man macht alles nur halb, halb Beruf - halb Kindererziehung. Eine Anerkennung gab es weder in finanzieller noch ideeller Hinsicht. Man bekam keine Anerkennung. Ich wollte das also nicht mehr machen, ich hatte mir etwas anderes überlegt und dann gab es zum Glück eine Wende. Das war für mich der Befreiungsschlag. Ich ließ mich zu einem Zweitstudium hinreißen und studierte Kulturmanagement. Das war der erste Ost-/West-Studiengang an der Hanns-Eisler-Hochschule. Der gab mir ein gewisses Rüstzeug, aber ich merkte, dass ich mich gedanklich immer weiter davon weg entwickelte, in der Musik eine Rolle mitspielen zu wollen. Und es gab auch noch den Grund, dass ich komplett hätte englisch sprechen können müssen und das konnte ich nicht. Ich lernte in der Schule Französisch und das war ein Hinderungsgrund. Wenn man das eine kann, mag man das andere nicht sonderlich. Irgendwann las ich eine Zeitungsannonce, in der es um eine Ausbildung zur Fachfrau für Personal- und Arbeitsvermittlung ging. Diese Ausbildung machte ich und machte diesen Beruf bis fast zur Rente auch sehr gerne. Mit Menschen arbeiten, aber eben ohne Musik. Menschen zu beraten gab mir mehr, weil ich Menschen in Arbeit brachte oder Unternehmen mich baten, passende Arbeitskräfte für sie zu finden.
War das eine private Agentur oder das Arbeitsamt?
Ich machte das selbständig und ich denke sehr gerne daran zurück. Heute könnte ich es nicht mehr machen, denn es gibt unzählige Arbeitsplätze.
Damit war die Musik für Dich also erledigt?
Ich bin Konsument. Wenn ich mir Fernsehsendungen ansehe, in denen diese Silbereisen-Truppe oder die italienische Schmalzbacke Zarrella hochgejubelt werden … ich vertrage es nicht. Als diese ganze Casting-Shows losgingen, wurde BRO'SIS gecastet. Er war damals schon ein Wackelkandidat, nun kommt dieser Mann - für mich ist er wirklich ein rotes Tuch - und wird hoch gejubelt. Natürlich ist er Italiener, aber warum brauchen wir in Deutschland einen italienisch singenden Solisten? Dann kann ich mir doch gleich einen aus Italien, der dort lebt und dort Erfolg hat, nehmen, wie zum Beispiel Eros Ramazotti oder wie sie alle heißen. Ich brauche keinen Herrn Zarrella, er soll deutsche Titel singen. Damit kommt er nämlich nicht großartig vorwärts. So etwas stört mich einfach ...
Hast Du denn nach Deiner Tätigkeit noch immer beobachtet, was Deine ehemaligen Schützlinge und auch andere aus der DDR-Kulturszene gemacht haben und wenn ja, wie hast Du empfunden, was nach der Wende entstanden ist?
Also erst mal war ja ein großes Loch und gerade deshalb bewunderte ich Tino Eisbrenner sehr. Er setzte sich mit den Indianerkulturen auseinander, er machte eine Art Weltmusik, er hörte nie auf, ihm fiel immer etwas ein, was ihm auch am Herzen lag. Das bewunderte ich sehr an ihm und ich werde ihn - das nahm ich mir gemeinsam mit Kirsten Kühnert vor - im Herbst auf seinem "Vier Winde Hof" besuchen, wenn eines seiner tollen Events ansteht. Ich las es auf seiner Homepage, rief Kirsten an und sagte: "Weißt Du, das wäre doch mal was ..." Sie ist auch davon begeistert, was er nach der Wende künstlerisch alles machte.
Und wenn Du heute auf SILLY guckst? Außer Ritchie ist ja niemand mehr dabei, den Du im Studio hattest. Was hältst Du heute von SILLY?
Als Anna Loos dazu kam, dachte ich, jetzt knallt's. Ob man sie nun gut findet oder nicht - das ist eine andere Frage. Aber sie ist eine Schauspielerin und als Sängern für die Band gefällt sie mir nicht sonderlich. In Weißensee gab es eine Veranstaltung mit verschiedenen Sängerinnen und Sängern, das war die "SILLY & Gäste"-Tour. Da war unter anderen Angelika Weiz mit dabei. Sie wäre für mich eine ideale Sängerin gewesen. Und dann gab es noch Anja Krabbe, die ebenfalls eine Favoritin für mich war. Außerdem gab es damals noch einen Sänger, den ich ihnen ans Herz gelegt hätte. Das war IC. Als Tamara nicht mehr war und die verbliebenen Musiker anfingen darüber nachzudenken, weiter Musik zu machen, sprach ich mit Ritchie und fragte ihn, "Na wie wäre es denn, wenn Ihr mit Tamara weitermacht?" Er guckte mich an und sagte, "Sie ist doch aber tot." Ich erwiderte, "Ja, natürlich ist sie tot, aber es gibt doch Leinwände, es gibt doch Accessoires, damit Ihr erst mal über diese Zeit hinweg kommt. Ihr spielt die Titel, zu denen Videos gemacht wurden, die dann eben eingespielt werden. Also Live-Musik und Tamara auf der Leinwand." Das wäre gar nicht mal schlecht gewesen. Und wenn es zu einzelnen Songs keine Videos gegeben hätte: Tamara hatte immer besondere Accessoires, die man ebenfalls projizieren hätte können. Für mich wäre das eine Variante gewesen erst mal weiter zu machen. Stattdessen kam dann Anna Loos. Als sie dann nicht mehr bei SILLY war und mit ihrem "Werkzeugkasten" (das erste Solo-Album, Anm. d. Red.) ankam, dachte ich, "Was ist denn das???" Die Titel fand ich alle konstruiert. Eben ein Werkzeugkasten. Zum Glück singt sie nicht mehr ...
Doch doch, sie brachte ein neues Album heraus und das ist gar nicht mal schlecht ...
Ich denke, sie muss nur Schauspielerin sein, und das reicht doch.
Womit beschäftigst Du Dich heute? Du sagst, Du bist in Rente, was machst Du so?
Ich kümmere mich um meine Tochter und um meinen Enkel. Nicht ausschließlich, denn der Kleine hört ja zum Glück. Das macht mir unheimlich viel Spaß, weil ich nun ja erstmalig erlebe, dass man sich mit einem Kind aus dem Familienkreis unterhalten kann. Er ist jetzt viereinhalb Jahre. Ich wohne hier in einer Wohnanlage für Senioren und hier trifft man sehr interessante Leute. Hier hat man sich immer was zu erzählen und feiert auch gemeinsam. Man unternimmt gemeinsam etwas, es ist sehr angenehm. Und man hat nicht mehr den Druck, zur Arbeit gehen zu müssen. Heute wäre es mir z. B. viel zu heiß, um zur Arbeit zu gehen. Oder warum sollte ich bei Sturm und Schnee ins Funkhaus fahren? Das ist alles weg, und nun kann man Dinge machen, auf die man Lust hat. Ich habe schon immer gern gelesen, dafür hatte ich früher keine Zeit. Oder wenn ich ganz gut drauf bin, höre ich mir auch gern noch mal Musikproduktionen aus der DDR an. Nicht nur meine, auch andere ...
Wir halten fest: Dir geht es gut und Du hast Spaß am Leben.
Ja. Wenn ich so in den Spiegel gucke - na gut, mittlerweile hat man weiße Haare - fühle ich mich innerlich noch immer wie mit 30. Aber das äußerliche hat sich ja doch ein wenig verändert. Aber trotzdem es ist nicht schlecht.
Ich sagte neulich: "Alt werden könnte so viel Spaß machen, wenn das Altern nicht wäre."
Stimmt!!!!
Hannelore, ich danke Dir für dieses Gespräch. Möchtest Du unseren Lesern abschließend noch ein paar Worte mit auf den Weg geben?
Ich wünschte mir interessantere Künstler. Nach der Zeit, in der ich selbst mitmischen durfte, wünsche ich mir mehr Farbe in der Musikbranche. Ich mag nicht diese computergemachten und zusammen geschobenen Titel. Und wenn dann noch einer von den Künstlern behauptet, er oder sie hätte das geschrieben, bekomme ich Schreikrämpfe. Da saß niemand mit einem Stück Notenpapier oder einem Bleistift. Keiner. Ich wünschte mir, dass interessante Leute besser in den Medien dargestellt und gefördert werden. Interessante Sachen laufen mitunter - deshalb sehe ich mir die Sendung an - bei Ina Müller. Sie stellt sehr interessante und neue Leute vor, das finde ich klasse. Aber das Allgemeine, was man im Fernsehen an Unterhaltungssendungen sieht, finde ich furchtbar ...
Interview: Christian Reder
Übertragung: Mike Brettschneider
Fotos: Torsten Meyer
Übertragung: Mike Brettschneider
Fotos: Torsten Meyer