Interview vom 3. November 2016
Wir wollen an dieser Stelle mal gar nicht in die Instrumentenkunde abdriften, aber zwei oder Worte über die Trompete als Instrument sollten schon gesagt werden. Gerade auch deshalb, weil unser Interview-Gast dieses Instrument nicht nur spielt, sondern es auch studiert hat. In der Popmusik ist die Trompete fast immer in einem Bläsersatz mit Posaune und Saxophon anzutreffen. Verwendung fanden Bläsersätze inzwischen schon in fast allen Bereichen der Musik, egal ob in der Popmusik, dem Rock, dem Soul und natürlich auch dem Jazz - und das über mehrere Generationen. BLOOD SWEAT & TEARS haben im Bereich Jazzrock damit angefangen, Bläsersätze einzusetzen. Die Gruppe CHICAGO ebenso. In Deutschland konnte man dies Anfang der 70er auch bei Bands wie PANTA RHEI und der MODERN SOUL BAND beobachten, und bei zuletzt genannter Kapelle ist FERRY GROTT, eben erwähnter Interview-Gast, seit nunmehr 30 Jahren aktiv. FERRY GROTT fällt nicht nur durch sein markantes Trompeten-Spiel auf, sondern auch durch seine Art, wie er es auf der Bühne lebt. Wenn man ihn bei Konzerten erlebt kann man kaum glauben, dass man mit seinem Instrument auch Rock'n Roll machen kann. Doch er kann es und Grott zählt zu den besten Instrumentalisten dieses Berufszweigs. Die Liste der Musiker und Bands, mit denen und für die er aktiv war, ist lang. Sehr lang! Man könnte meinen, dass überall, wo ein Gebläse im Studio oder live auf der Bühne gebraucht wurde, auch FERRY GROTT zu finden war. So pustete Grott schon bei den ZÖLLNERN, CITY und SILLY in seine "Tromba". Außerdem bei Jeanette Biedermann, Anke Lautenbach, Die ÄRZTE, Klaus Lenz, Günther Fischer und und und ... Viele Produktionen erhielten erst durch sein Dazutun zu der Tiefe und Dichte, die sie ausmachen. Aber nicht nur das wären Themen, über die man sich mit FERRY GROTT abendfüllend unterhalten könnte. Auch als Produzent war er tätig und hat auch über andere Dinge eine ganze Menge zu erzählen. Dies taten Ferry und Christian in einem Gespräch, und das könnt Ihr jetzt hier in voller Länge nachlesen ...
Hallo Ferry, gleich vorab die Frage: Ist Ferry Grott eigentlich Dein echter Name oder schmückst Du Dich mit einem Künstlernamen?
Das ist mein bürgerlicher Name, der auch so im Ausweis steht.
Dann hatten Deine Eltern wohl einen guten Riecher und ahnten, dass Du mal ein Musiker wirst und einen coolen Namen brauchst.
(lacht) Das weiß ich nicht. Ferry ist ein ungarischer Name, obwohl bei uns in der Familie niemand ungarische Wurzeln hat. An der Grenze grüßen einen die Leute jedenfalls immer freundlich, wenn sie den Namen im Ausweis lesen. Ferry bedeutet im Deutschen Franz und ist in Ungarn ein sehr gewöhnlicher Name.
Ich habe gelesen, dass Du schon sehr früh Interesse an der Musik entwickelt hast. Wie ging es bei Dir los, was war die Initialzündung?
Ich komme aus einer sehr musikalischen Familie. Meine Mutter spielt Klavier, mein Vater Geige. Eine meiner Schwestern spielt ebenfalls Klavier, die andere Schwester hat Gitarre gespielt. Ich bin also quasi da rein gewachsen. Bei uns wurde immer viel Musik gehört, auch klassische Musik und wir haben viel gesungen, zum Beispiel zu Weihnachten. Deshalb spielte für mich die Musik auch schon in der Kindheit eine große Rolle. Ich erinnere mich noch genau, als ich zum ersten Mal vor einem Radio stand und da Musik rauskam. Da muss ich zwei, drei Jahre alt gewesen sein. Seitdem war mein Interesse für die Musik geweckt. Irgendwann bekam ich dann Klavierunterricht, aber der Lehrer meinte eines Tages: „... mit diesen Wurstfingern würde das wohl nichts werden“. Er meinte, ich solle mal eine Tür weiter gucken, da gibt es einen Trompetenlehrer, der hätte auch noch einen Platz frei. So begann das alles. Ich fing also an Trompete zu spielen, erst an der Musikschule, später dann auch an der Hochschule.
Du sagst gerade, das Klavier war Dein erstes Instrument, danach kam die Trompete. Warum waren es denn ausgerechnet diese Instrumente und nicht Gitarre oder Schlagzeug?
Ein Klavier gab es ja in meiner Familie, während das Schlagzeug bei uns im Osten als Instrument ja eher schwierig zu beschaffen war. Das Klavier stand hingegen schon da, weshalb es wohl ganz ratsam war, mich zunächst einmal dort heran zu führen. Ich spiele übrigens heute noch Klavier, wenn auch nicht so richtig professionell. Es war jedenfalls als Einstieg in die Musik ganz gut geeignet.
Du bist mit neun Jahren auf die Musikschule Potsdam gekommen. Hast Du schon vorher auf Trompete umgestellt oder erst, nachdem Du auf die Musikschule gingst?
Der Wechsel zur Trompete erfolgte erst auf der Musikschule. Ich hatte ein Jahr Klavierunterricht, bis dann der Lehrer zu mir sagte: "Na ja, so richtig wird das nichts. Du musst Dir vorstellen, Du hast ein kleines Vögelchen in der Hand und dann hämmerst Du da mit Deinen Händen und Fingern auf den Tasten rum…". Also ich war zwar durchaus musikalisch, aber mit dem Klavier passte es einfach nicht. Trotzdem hatte ich zu meinem Klavierlehrer noch lange Zeit guten Kontakt. Der verwies mich dann ja wie gesagt eine Tür weiter, wo ich meinen ersten Trompetenlehrer kennenlernte, der mir das Instrument so schmackhaft machte, dass ich dabei geblieben bin. Durch diesen Lehrer kam ich später auch an die Hochschule.
Wie kann man sich die Zeit auf dieser Musikschule vorstellen? Gab es dort alles unter einem Dach, also auch die allgemeinbildenden Fächer wie Mathe, Deutsch, Biologie usw. oder lief die Musikschule parallel zur Allgemeinbildenden Schule?
Die Musikschule lief parallel. Am Anfang lernst Du zunächst Trompete spielen und irgendwann beginnt die Musiktheorie. Die letzten zwei, drei Jahre vor der Hochschule war ich dann aber wirklich jeden Tag in der Musikschule. In Berlin gab es noch eine Spezialschule, da lief es so, wie Du gesagt hast, da gab es schon die ersten richtigen Schulfächer neben dem Musikunterricht. In meiner Musikschule in Potsdam jedoch war es so, dass ich auch Orchestermusik als Fach hatte, Klavier als Hauptfach, was ja ohnehin Bedingung für die Aufnahmeprüfung an der Hochschule war. Dazu kam Instrumentenkunde, Musiktheorie und all so was. Ich war zum Schluss tatsächlich jeden Tag da, weil immer etwas anlag. Die machten mich sozusagen fit für die Aufnahmeprüfung und haben mich auch wirklich bis zur endgültigen Aufnahme an der Hochschule begleitet. Ich habe dort alles gelernt, was man so braucht.
Wann war für Dich denn klar, dass Musik nicht nur ein Hobby ist, sondern dass es Dein Beruf werden soll? Und gab es noch weitere Optionen oder war der Musikerberuf alternativlos?
Ganz ehrlich? Es gab keine Alternativen. Im Osten war es ja, so, dass man schon in der 8. Klasse wissen musste, was man nach der 10. Klasse machen will. Ich wusste das aber wirklich nicht. Alle sagten mir ständig, ich solle zur Hochschule gehen. Na gut, dachte ich mir, dann machst Du halt irgendwas mit Musik. Und so war ich froh, dass ich die Immatrikulation bekam und zur Hochschule gehen konnte. Aber als ich dort ankam, war mir immer noch nicht ganz klar, was ich da eigentlich mache. Ja gut, ich hatte schon seit längerer Zeit immer wieder die Trompete am Mund gehabt und konnte das Instrument auch schon ganz gut spielen, aber so richtig wusste ich nicht, wohin die Reise gehen wird. Und erst auf dieser Hochschule lernte ich Studenten kennen, die auch schon älter als ich waren, die mich dann immer wieder mit auf Konzerte nahmen und durch die ich z.B. auf Charlie Parker, den Saxophonisten, natürlich nur durch Schallplatten, aufmerksam wurde und diese oder jene Band kennenlernte. Und obwohl ich das alles recht cool fand, wusste ich auch im ersten Studienjahr noch immer nicht, was das später mal werden soll. Aber ein halbes Jahr später war ich Feuer und Flamme, hatte Spaß daran und habe auch nie wieder etwas anderes gemacht.
Du sagst, Du kommst aus einem musikalischen Haus. Nun ist es ja oftmals so, dass Eltern die Wünsche ihrer Kinder in Richtung Musikerlaufbahn nicht ernst nehmen, sondern sagen, man solle doch erstmal "etwas Vernünftiges" lernen. Was das bei Dir auch so?
Bei mir war das genau umgekehrt. Ich hatte die volle Unterstützung meiner Eltern. Mein Vater war Architekt, meine eine Schwester ebenfalls. Irgendwann hatte er es aufgegeben, mich in diese Richtung zu drängen, denn ich war handwerklich nicht so sehr begabt. Zumal ihn meine Lehrer ständig bekniet haben, der Ferry sei sowas von musikalisch, lass den mal in diese Richtung gehen. Daraufhin haben meine Eltern das auch tatkräftig unterstützt, was ja, wie man heute sieht, auch sehr erfolgreich war. Zumindest spiele ich bis zum heutigen Tag Trompete und verdiene damit mein Brot.
Insgesamt warst Du acht Jahre auf dieser Musikschule in Potsdam. Woran erinnerst Du Dich noch besonders und was hat Dir diese Zeit persönlich gegeben?
Hauptsächlich erinnere ich mich natürlich an meinen ersten Lehrer, der auch heute noch lebt. Das ist Herbert Kamprath. Und wir hatten einen sehr coolen Musikschuldirektor, der mich auch persönlich sehr mochte. Das ist natürlich für einen kleinen Jungen sehr wichtig, wenn einen mal der eine oder andere erfahrene Lehrer in den Arm nimmt und sagt: "Eh Junge, das wird schon!", wenn man mal Tränen in den Augen hatte. Das sind die Dinge, an die ich mich sehr gerne erinnere. Auch die ersten Orchesterproben und das Spielen in einer Band, das war schon hochinteressant.
Von der Musikschule Potsdam ging es dann wie gesagt zur Hochschule für Musik "Hanns Eisler" in Berlin. Eine renommierte Einrichtung, auf der schon ganz viele bekannte Musiker waren. Gab es auch in Deinem Studienjahr bekannte Namen?
Ja, da fallen mir spontan die Gebrüder Klemm ein, von denen es drei gibt. Thomas Klemm ist beispielsweise ein begnadeter Saxophonist. Der spielt zwar nicht mehr so viel, macht aber meines Wissens Filmmusik. Hans Klemm war ein Sänger, der u.a. bei der KLAUS LENZ BIGBAND tätig war. Der dritte ist Detlef Klemm, der Dirigent und musikalischer Leiter des Friedrichstadtpalastes ist. Dann gab es an der Hochschule den Saxophonisten Volker Schlott, der einen Jahrgang über mir war. Die verschiedenen Jahrgänge sind aber immer wieder ein bisschen ineinander verschmolzen. Man traf sich in den Musikzimmern und spielte zusammen, das war es nicht so wichtig, wie weit man im Studium gerade war. Deshalb fällt es mir auch schwer, mich zu erinnern, wer damals gerade über oder mir angesiedelt war. Ich weiß aber, dass in meinem Studienjahr nicht ganz so viel große Namen dabei waren, aber in den anderen Jahrgängen gab es durchaus Musiker, die auch heute noch sehr bekannt und gut unterwegs sind.
Dein Professor an der Hochschule war der Jazztrompeter Hans-Joachim Graswurm, der selbst professioneller Musiker und beileibe kein Unbekannter war. Wie war er als Lehrer, wie bist Du mit ihm klargekommen?
Er war eine Respektsperson. Er war sehr bestimmend, aber trotzdem freundlich und nett. Wenn er etwas sagte, war das Gesetz. Ich erinnere mich noch an eine Anekdote aus meinem zweiten oder dritten Studienjahr. Irgendwie hatte ich mal nicht richtig geübt. Ich kam ja gerade aus Potsdam nach Berlin und trieb mich in Diskotheken rum, lernte die große Stadt kennen usw. Man kann sagen, ich war in der Zeit ein bisschen faul. Als ich dann ein bestimmtes Stück im dritten und vierten Anlauf immer noch nicht richtig drauf hatte, sagte er zu mir: "Pass auf, Ferry, ich habe eine Telefonnummer von einem Interessenten, der gerne Deine Trompete kaufen würde". Ich guckte natürlich ziemlich verdattert. Der Professor machte mir dann klar, dass ich hier an der Hochschule bin, es aber überhaupt keinen Sinn ergibt weiterzumachen, wenn ich nicht übe und stattdessen anderen, die gerne hier wären, den Platz wegnehme. So ließ er mich wegtreten und nach Hause gehen. Diese Ansage war für mich quasi wie ein Weckruf, ein Wachrütteln. Ich haderte zwei Wochen mit mir und meinem Schicksal, dann rief ich meinen Professor an und sagte: "Herr Graswurm, ich weiß, das war Sch…, aber ich würde gerne weitermachen". Ich bekam meine zweite Chance und gab danach richtig Gas. Seitdem habe ich die Trompete jeden Tag am Mund und habe sie nie wieder losgelassen.
Kanntest Du Hans-Joachim Graswurm vorher schon als Musiker oder war er Dir völlig unbekannt?
Ich kannte ihn gar nicht. Wie vorhin schon gesagt, wusste ich während meiner Zeit an der Musikschule in Potsdam noch nicht, ob ich dauerhaft Musik machen möchte. Aber dann an der Hochschule merkte ich sehr schnell, hier weht ein anderer Wind, hier gibt es ganz andere Lehrer, echte Professoren mit Rang und Namen. Da gab es beispielsweise Alfons Wonneberg, unser Abteilungsleiter. Man informierte sich automatisch, was hat der gemacht, wo kommt der her. Hans-Joachim Graswurm, spielte bei Günter Fischer ... Alter Schwede, die fahren nach New York ... Das war also eine ganz andere Hausnummer. Der Name Graswurm sagte mir jedenfalls vorher nichts. Erst kurz bevor ich an der Hochschule vorspielen sollte und man mir sagte, da gibt es einen Lehrer, nämlich den Herrn Graswurm, der mich prüfen soll, begann ich mich dafür zu interessieren, wer das ist. Das muss man verstehen, ich war fünfzehn, sechzehn Jahre alt und habe elektronische Musik gehört. Jean-Michel Jarre und solches Zeug. Mit Jazz hatte ich überhaupt noch nichts zu tun. Erst an der Hochschule setzte ich mich dann mit Jazz auseinander, dafür aber ganz extrem.
Hans-Joachim Graswurm lebt nicht mehr, er ist 1986 gestorben. Was hat Du von ihm als Lehrer und Musiker mitgenommen? Ist vielleicht sogar etwas von ihm auf Dich abgefärbt?
Unbedingt. Erst einmal seine Ernsthaftigkeit, sich an Stücke heran zu arbeiten. Und dann das Improvisieren, den Mut zu haben, ein Instrument in die Hand zu nehmen und drauf los zu spielen. Einfach so, ohne Noten in der Hand zu haben. Augen zu und los geht's. Das war eine ganz wichtige Sache, die er mir beigebracht hat. Also das Instrument zu studieren, das blieb von ihm bei mir hängen. Er sagte mal zu mir: "Irgendwann wirst Du meinen Platz einnehmen." Es kam dann alles ganz anders, weil sich die DDR ja bekanntlich aufgelöst hat. Graswurm sorgte dafür, dass ich mein Instrument lieben gelernt habe. Vorher war es so, dass ich immer im Hinterkopf hatte, andere gehen z.B. Fußball spielen, ich spiele Trompete. Dabei würde ich auch gerne Fußball spielen gehen, auch wenn es nicht unbedingt mein Sport war. Aber verstehst Du, was ich meine? Jedenfalls brachte Graswurm mir bei, was es bedeutet, eine Trompete zu spielen.
Du hast die Hochschule 1984 abgeschlossen, bist aber erst 1986 bei der MODERN SOUL BAND eingestiegen. Was hast Du in den zwei Jahren dazwischen gemacht?
Ja, was war da los? Ich habe u.a. bei BAJAZZO gespielt, die damals im Osten eine relativ angesagte Jazzrockband waren. Davor habe ich in Magdeburg in einer Reggae-Band namens REGGAE PLAY gespielt. Mit Tino Eisbrenner und seiner Band JESSICA war ich auch mal unterwegs. Es gab da so eine 100-Tage-Tour, die hochinteressant war. Tino Eisbrenner hatte damals durch einen glücklichen Zufall ein englisches Kamerateam an der Backe, die über ihn berichteten. Die Funktionäre waren natürlich total nervös, da sie nicht verstanden, weshalb ein Sender wie die BBC plötzlich über Eisbrenner einen Bericht machte. Er nahm für die Tour noch drei Bläser mit und wir spielten in ca. 130 Tagen 100 Konzerte. Es war extrem, war aber für mich ein super Einstieg, um nach dem Studium überhaupt erstmal Fuß in der Musikszene zu fassen.
Wie bist Du dann letztlich zur MODERN SOUL BAND gekommen?
Das war einer dieser berühmten Zufälle. Christian Höhle, der eigentliche Trompeter der MODERN SOUL BAND hatte einen Ausreiseantrag in die BRD gestellt. Mit dem bin ich übrigens heute noch gut befreundet. Christian sagte zu mir: "Ferry, ich höre hier demnächst auf, willst Du meinen Platz übernehmen?" Es ging zunächst darum, dass die Band im Dezember 1986 in die Sowjetunion fahren sollte. Natürlich konnten sie nicht mit einem Trompeter fahren, der die Ausreise beantragt hatte. Durch einen weiteren Zufall hatte ich ein halbes Jahr vorher bei einem Konzert von MODERN SOUL in Potsdam schon mal ein, zwei Titel mitgespielt. Die Brücke zwischen uns war also schon vorhanden. Christian Höhle schlug mich also dann bei Hugo Laartz als Nachfolger vor. Ich bekam die Noten überreicht, schaute mir das an und stellte fest: "Hui, hier geht ja richtig die Post ab!" Aber ich hatte eine Aufgabe und erinnerte mich an die Worte meines Professors Graswurm: "Immer üben, bis man es hat". Und so spielte ich mich in die Band. In die Sowjetunion wäre ich trotzdem beinahe nicht mitgefahren, da ich vorher eine Angina bekam. Hugo Laartz ließ das aber nicht gelten und zerrte mich mit 40 Grad Fieber in den Flieger. Ich hatte nach der Ankunft dort nach knapp zwei Tage Zeit, um mich auszukurieren. Die Hoteldamen päppelten mich mit irgendwelchen Hausmittelchen wieder auf, so dass ich pünktlich zum ersten Konzert wieder einigermaßen fit war. Das war mein Einstieg bei MODERN SOUL. Mittlerweile bin ich ja nun schon dreißig Jahre dabei.
Das ist sehr verwunderlich, denn die MODERN SOUL BAND ist ja praktisch eine Art Durchlauferhitzer. Junge Musiker steigen ein, verdienen sich die ersten Sporen und wechseln dann schnell in größere und oft auch namhaftere Bands. Du bist da anders, bist bis heute dabei geblieben. Bist Du so ein treuer Mensch oder magst Du einfach keine Veränderungen?
Doch, ich mag durchaus Veränderungen. Aber nur dann, wenn alte Muster nicht mehr funktionieren. Bei MODERN SOUL trifft das aber nicht zu. Ich mag den Chef Hugo Laartz. Er ist nicht nur ein super Musiker, sondern auch ein guter Freund für mich. Ich mag seine Art zu musizieren, ich mag es, wie er die Arrangements der Band schreibt. Und ich dachte und denke immer noch, wenn ich aus dieser Band aussteigen würde, mache ich einen großen Fehler. Ich war tatsächlich zwischendurch mal raus, fand aber schnell wieder den Weg zurück und freute mich riesig, dass Hugo mich sofort wieder aufnahm. Heute ist es so, dass ich auch mal zu Hugo sagen kann: "Du Hugo, an diesem Tag bin ich gerade mit einer anderen Sache unterwegs, da kann ich nicht mit MODERN SOUL auftreten". Er sagt dann in der Regel: "Mach's aber nicht zu oft, ich spiele nämlich am liebsten mit Dir". Wenn man so etwas hört, fühlt man sich wahrgenommen und respektiert. Und so habe ich es bis zum heutigen Tag niemals bereut, dass ich der Band zu keiner Zeit den Rücken gekehrt habe.
Wenn man so lange in einer Band aktiv ist und diese große Fluktuation sieht, über die wir gerade sprachen, erlebt man ja doch eine ganze Menge. Was waren für Dich bis heute die beeindruckendsten Momente mit der MODERN SOUL BAND?
Da fällt mir natürlich sofort meine erste Reise in den Westen ein. Vorher waren wir mehrmals in der Sowjetunion. Es waren lange Tourneen, stellenweise fünf bis sechs Wochen lang. Ich habe das halbe Land bereist, wir haben in großen Konzerthallen vor fünf- bis sechstausend Zuschauern gespielt. Vor allem hatten wir immer unsere eigene Anlage dabei! Ich weiß gar nicht mehr, wie wir das eigentlich gemacht haben. Wir haben die Technik in riesigen LKW vorausgeschickt und sind dann hinterher geflogen. Das war schon gigantisch. Wenn man als junger Mensch solche Konzerte erlebt, ist das schon Wahnsinn. Vom finanziellen Verdienst mal ganz abgesehen. Ich war damals immer erstaunt, wie man mit solcher Musik so viele Leute erreichen kann. Dann durften wir auch irgendwann ins westliche Ausland. Unsere erste Reise führte uns nach Dänemark. Das war der Moment, in dem ich mir selber sagte: "Siehste, da hat sich die Ausdauer doch endlich mal ausgezahlt". Damit es allerdings zu diesen Reisen kommen konnte, musste Hugo Laartz erstmal zu Egon Krenz gehen und ihm erzählen: "Egon, alle fahren in den Westen, nur ich darf mit meiner Band nicht fahren." Das war übrigens auch ein Grund, weshalb einige Musiker MODERN SOUL verlassen haben. Eines Tages kam Hugo dann mit der Nachricht: "In drei Wochen fahren wir nach Dänemark". Natürlich glaubte ich das zuerst gar nicht, aber dann war es soweit und wir fuhren tatsächlich mit unseren Autos nach Warnemünde und von dort mit der Fähre rüber nach Dänemark. Und wenn Du erst einmal im Westen warst, war der Weg nach drüben eigentlich offen. Wir bekamen kurz darauf dann auch unsere Reisepässe und waren öfter mal drüben.
Hat die MODERN SOUL BAND auch in der BRD Konzerte gegeben?
Ja. Wir spielten z.B. in Hamburg, auch in Westberlin. Nebenher spielte ich auch noch im DDR-JAZZORCHESTER unter der Leitung von Conny Bauer, einem sehr bekannten Posaunisten. Mit dem Orchester waren wir u.a. eingeladen zu einem Jazzfestival in Münster und in Leverkusen. Das hat sich alles miteinander vermischt, denn im JAZZORCHESTER spielten auch einige andere Musiker der MODERN SOUL BAND. Es war also wie eine große Familie.
In dem JAZZORCHESTER hast Du aber nur ein Jahr gespielt, ist das richtig?
Das weiß ich jetzt auf Anhieb gar nicht so genau. Auf jeden Fall gibt es von dem Orchester sogar ein Live-Doppelalbum.
Wenn wir von vielen positiven und beeindruckenden Momenten sprechen, dann gibt es doch mit Sicherheit auch Erfahrungen und Erlebnisse, die Du lieber nicht gemacht hättest mit der MODERN SOUL BAND.
Ganz ehrlich? Da fällt mir nichts ein. Ich habe wirklich nicht eine einzige negative Erfahrung mit der Band gemacht. Okay, es störte mich manchmal, dass gute Musiker einfach so weitergezogen sind. Ich versuchte dann hin und wieder, mein Veto einzulegen, habe auf sie eingeredet. Klar, später waren wir dann trotzdem immer noch gute Freunde, aber in diesen Momenten störte es mich schon. Ein Beispiel dafür ist Gisbert "Pitti" Piatkowski. Als der die MODERN SOUL BAND verließ, weil er zu RENFT wechselte, fand ich das echt schade. Es rutschten natürlich immer wieder gute Musiker nach, so dass sich die Verluste nicht so arg bemerkbar machten. Wenn Du so willst, waren das meine einzig negativen Erfahrungen in dieser Zeit. Na gut, natürlich darf man auch nicht vergessen, dass inzwischen mit Klaus Nowodworski und Christian Schmidt, also gleich zwei Sänger der MODERN SOUL BAND, verstorben sind. Das tat richtig weh. Solche Momente kann man zweifelsfrei zu Negativerfahrungen erklären. Dazu kommt, es ist logischerweise verdammt schwierig, gleich einen neuen Frontmann zu finden. Siehe z.B. QUEEN, oder SILLY, die ja diese Erfahrungen auch machen mussten. Manchmal muss man dann für den neuen Frontmann sein ganzes Konzept umstellen. Ich finde, hier hat Hugo mit der Band immer ganz gut die Kurve bekommen.
Wieviel Einfluss hat man als Teil dieser doch recht großen Band auf das Programm? Entscheidet der Chef Hugo Laartz allein, was auf der Bühne passiert, oder herrscht bei Euch eine gesunde Demokratie?
Demokratie in gewisser Weise schon, Chef ist und bleibt aber Hugo Laartz. Im Laufe der Jahre bin ich aber so etwas wie die rechte Hand oder der Mann an Hugos Seite geworden. Also wenn ich innerhalb der Band etwas sage, hat das schon ein gewisses Gewicht. Da nun auch unser Posaunist Dagobert Darsow nach über vierzig Jahren ausgestiegen ist, bin ich neben Hugo sozusagen das Urgestein. Grundsätzlich macht also immer noch Hugo das Programm, aber wenn ich z.B. während der Probe abpfeife, weil etwas zu sagen habe, werde ich schon gehört.
Du hast im Liveprogramm mit Deinem Instrument und "Casablanca" natürlich auch einen besonderen Moment, den andere Bandmitglieder nicht haben. Seit wann ist das Bestandteil Eurer Auftritte und wie kam es dazu?
Vor etlichen Jahren äußerte Marc Huster, ein Gewichtheber, den Wunsch, einmal "Casablanca" zu singen. Ich war damals gerade mit Bürger Lars Dietrich auf Tour und wir waren schwer im Hip Hop-Bereich unterwegs. Also haben wir die Nummer einfach mal gecovert. Kann sogar sein, dass das mal auf CD erschienen ist, aber da bin ich mir nicht sicher. Auf jeden Fall gab es dieses Playback noch. Und so fragte ich dann eines Tages mal meinen damaligen Schlagzeuger, ob wir die Nummer nicht auch mal mit MODERN SOUL machen wollen. Dann hätten wir auch endlich mal die Rap-Ecke abgedeckt. Ich wusste zwar in dem Moment nicht, was für einen Text ich auf das Lied rappen wollte, aber ich war mir sicher, ich könnte da improvisieren, mir würde schon etwas einfallen. MODERN SOUL nahm den Song auch wirklich ins Programm auf, die Leute sind vor der Bühne ausgerastet vor Begeisterung und seitdem MUSS ich diesen Titel in jedem Konzert bringen. Die Fans erwarten das. Ich habe Hugo auch schon mal gefragt, ob wir denn stattdessen nicht mal etwas Anderes, Neues einbauen wollen. "Nein!!! ‚Blasenkranker' - so heißt ‚Casablanca' bei uns intern - müssen wir machen!" war Hugos Antwort darauf. CITY kennt unsere Version und hat sie auch abgenickt, also spielen wir diesen Titel vermutlich auch noch zwanzig weitere Jahre.
Hat Euer "Casablanca"-Cover vielleicht auch Einfluss darauf gehabt, dass Ihr beim CITY-Jubiläumskonzert die Bläsersektion gestellt habt?
Nein, das glaube ich nicht. Obwohl man das natürlich nie genau weiß. Aber ich kannte Toni Krahl schon vorher. Der sagte schon immer, dass er irgendwann mal was mit Bläsern machen wollte.
Du sagtest eben, dass Dagobert Darsow nach vierzig Jahren aus gesundheitlichen Gründen aus der Band ausgestiegen ist. Wer ist dafür der neue Mann, wo kommt der her?
Ich habe u.a. bei POLKAHOLIX, Jeanette Biedermann und verschiedenen Klaus Lenz-Projekten mitgespielt und dort den Posaunisten Stephan Bohm kennengelernt. Nach dem Ausscheiden von Dagobert stand für mich fest, dass Stephan genau der richtige Mann ist, um bei MODERN SOUL an meiner Seite zu agieren. In meiner eigenen Band GROOVEBUSTERS spielt er übrigens auch mit. So gesehen ist Stephan Bohm "mein Posaunist". Der Mann ist top und ich möchte mit keinem anderen mehr zusammen spielen.
Auch abseits der MODERN SOUL BAND bist Du schwer beschäftigt, wie Du schon ansatzweise erläutert hast. Von vielen dieser Dinge bekommt man nichts mit, weil sie mehr im Hintergrund stattfinden. So bist Du z.B. auch noch als Studiomusiker tätig. Seit wann machst Du das?
Also ich spiele bei vielen Produktionen und in den unterschiedlichsten Studios mit. Seit mehr als zwanzig Jahren habe ich aber auch ein eigenes Tonstudio. Ich produziere dort selber, vor allem junge Künstler, Werbemusik usw. Wenn man so will, bin ich eigentlich jeden Tag im Studio. Ganz aktuell mache ich gerade eine Weihnachts-CD mit Angelika Weiz. Das wird eine super CD! Insgesamt habe ich schon ca. fünfzig CDs produziert, manche davon hört man sich hinterher nie wieder an. Aber diese CD mit Angelika Weiz ist richtig geil geworden. Simone Thomalla konnte ich dafür gewinnen, für die CD noch eine kleine Geschichte einzulesen, dann wird die Scheibe gepresst und kommt hoffentlich noch pünktlich zum 1.Advent raus. Ich bin also mit der Studioarbeit gut ausgelastet, komponiere und produziere für andere und für mich selber.
Die Liste der Produktionen, an denen Du als Musiker beteiligt warst, liest sich fast wie das "Who is who" der deutschen Musikszene. Ich wurde erstmals auf Deinen Namen aufmerksam, als ich mir das Album "Hurensöhne" von SILLY zugelegt habe. Da sind nämlich richtig gute Bläserparts drauf. Wie bist DU zu SILLY gekommen und wie lief die Zusammenarbeit mit der Band?
Mit SILLY hatte und habe ich schon des öfteren zusammen gearbeitet. Also nicht nur bei der CD „Hurensöhne“, sondern ich war mit SILLY auch schon öfter live auf Tour unterwegs. Zu irgendeinem DDR-Jahrestag, es war wohl 1986 oder 1987, haben wir mit MODERN SOUL in Berlin ein Konzert gespielt und nach uns spielte SILLY. Nach dem Gig trafen wir uns alle in der Garderobe und Tamara sagte: „Wir machen noch eine Party, kommst Du mit?“ Wir ritten dann alle bei Bernd Römer (KARAT) zu Hause ein und ich quatschte während dieser Party sehr lange mit Tamara. Am Rande darf ich erwähnen, dass ich SILLY auch früher schon immer sehr geil fand. Das waren Soundtüftler, die haben neue Sachen probiert, das war super. Und so kam es dazu, dass SILLY irgendwann auf mich zukam und fragte: „Wir brauchen für unsere neue CD ein paar Bläser, wie sieht es aus?“
Du warst ja auch an der letzten SILLY-Platte "Paradies" beteiligt. Diese Produktion war ja überschattet von der tragischen Entwicklung um Tamara. Wie hast Du das damals erlebt?
Das war ganz furchtbar. Als wir die Platte eingespielt haben, hieß es schon, dass mit Tamara irgendwas nicht stimmt. Etwas später war ich gerade mit einer anderen Produktion beschäftigt und erfuhr, dass es um Tamara gar nicht gut stehen würde. Kurz darauf habe ich auf Zypern im Häuschen von Toni Krahl Urlaub gemacht. Dort saß ich gerade in einem Restaurant, als Maxs Repke (Rockhaus, Club der toten Dichter) mir Bescheid gab, dass Tamara tot sei. Das war ein Schock. Es war ja klar, dass sie sterben würde, aber wenn es dann soweit ist, ist es natürlich echt hart. Für mich war Tamara eine Person, mit der ich eng verbunden war. Deshalb ist es auch ganz anders, wenn man die Todesnachricht erhält. Das hat mich richtig runter gerissen. Eine Woche später flog ich nach Berlin zurück. Ritchie, Hasbe und Jäcki kamen gleich in mein Studio, wo wir uns in den Armen gelegen und ein bisschen gequatscht haben, bevor die drei mich fragten, ob ich auf Tamaras Beerdigung spielen würde. Natürlich sagte ich zu, aber dass mir das dann so schwer fallen würde, hätte ich nicht gedacht. Ich sah den weißen Sarg da stehen, oben darauf die Blumen… ich habe keinen Ton rausgekriegt. Als Pianist oder Schlagzeuger kann man das ja vielleicht noch überspielen, aber als Trompeter… Glücklicherweise hatte ich neben mir einen Posaunisten zu stehen, der etwas "ruppiger" anranzte und sagte, "Reiß Dich jetzt mal zusammen!" Das hat mir in diesem Moment echt geholfen. Das war insgesamt eine sehr, sehr traurige Zeit. Ich habe auch das Gefühl, dass diese eigentlich eng zusammenstehende DDR-Musikszene mit dem Tod von Tamara ein bisschen auseinandergebrochen ist.
Woran machst Du das fest?
Sie war ja nicht nur politisch engagiert, sondern sie war auch eine sehr starke Frau. Wo Tamara war, war auch die Szene. PUHDYS…okay, KARAT…ja, auch in Ordnung. Aber SILLY war eine Band, die mehr waren als nur C-Dur, F-Dur, G-Dur. Die haben sich musikalisch echt Gedanken gemacht. Und das wurde in der Musikszene auch anerkannt. Die waren eben eine Rockband, die alles ein bisschen geiler machten als die anderen. Klar, "Über sieben Brücken" war und ist eine Riesennummer, aber SILLY waren halt nochmal eine andere Güteklasse. Dadurch hatten sie auch einen besonderen Status. Allein schon optisch machte es was her, wenn die vorgefahren sind und Tamara mit ihren wehenden Haaren ausstieg, das sah schon cool aus. Und somit war Tamara für mich der Mittelpunkt der DDR-Szene. Das galt wohlgemerkt für die DDR-Rockszene, nicht für den Jazz oder Pop, aber im Rockbereich war sie einfach der Mittelpunkt. Wo Tamara war, waren sie alle, da musste man sein, da war was los. Es war immer gut, wenn man selber dann auch gerade dort im Umkreis spielte.
Drei Jahre vorher, nämlich 1993, warst Du auch am Comeback-Album der ÄRZTE beteiligt. Die Platte hieß "Die Bestie in Menschengestalt". Was kannst Du uns dazu erzählen?
Das wiederum kam über SILLY zustande, denn die sind gut befreundet mit den ÄRZTEN. Was viele gar nicht wissen, SILLY hat einen großen Anteil an den ÄRZTE-Alben. Denn was auf den Alben drauf ist, wurde nicht immer von den ÄRZTEN selber eingespielt, sondern stammt teilweise von Ritchie oder Hassbecker. Jedenfalls brauchten die ÄRZTE dann auch ein paar Bläser und naheliegend war in dem Fall, dass man mich anrief. Am Ende wurden es sogar zwei Platten, auf denen ich zu hören bin. Leider verloren wir uns später auch aus den Augen. Es war aber eine tolle Zeit und hat Riesenspaß gemacht.
Warst Du mit den ÄRZTEN gemeinsam im Studio oder lief das auch damals schon so, dass man an einem bestimmten Punkt erst dazu kommt, seinen Part einspielt und wieder geht?
Nein, wir waren richtig im Studio. Das ging über ein paar Tage.
Ein weiterer Name in der Liste ist Bernhard Potschka von SPLIFF. Hier hast Du 1992 an dem Album "Potschka/Perxon" mitgewirkt, zusammen mit einigen anderen Musikern, die ihre Wurzeln im Osten haben. Hattet Ihr damals selber Kontakt zu den SPLIFF-Musikern, oder kam das über die Plattenfirma "K&P" zustande?
Was in diesem Zusammenhang witzig ist: ich habe Potsch, den ich eigentlich auch aus den Augen verloren hatte, gerade vor zwei Wochen noch getroffen. Ich habe für ihn einen Remix gemacht, den er aber bis jetzt noch nicht gehört hat. Aber das nur nebenbei, zurück zu Deiner Frage. Es gibt einen Saxophonisten, den René Decker, der Anfang der 90er mit Potschka eine Produktion hatte. Das war aber noch vor der "Potschka/Perxon"-Platte. Da arbeitete er an einem Soloalbum mit spanischer Musik, u.a. auch mit Trompete. René hatte mich wohl empfohlen und Potsch meldete sich dann bei mir und fragte, "Was willst Du denn dafür haben, wenn Du mir die Trompeten einspielst? Ich kann Dir 1 1/2 Lizenzpunkte oder 1.500,- DM anbieten." - Ich antwortete ihm, "Potsch, ich komme aus dem Osten und seit 'nem halben Jahr ist erst der Zaun offen. Ich hab davon keine Ahnung! Was würdest Du mir denn raten?", und er meinte dann, dass es besser wäre, wenn ich die Kohle nähme (lacht). Das fand ich gut, denn die Platte kam am Ende gar nicht raus und ich hätte deshalb von den Punkten gar nix gehabt. So hatte ich 1.500,- DM auf der Hand. Da das seine eigene Produktion war, fand ich das schon herzlich und nett, dass er mir riet, lieber das Geld zu nehmen. Sowas spüre ich immer, wenn jemand nett und herzlich ist. Mit denen bin ich dann auch wirklich länger und enger befreundet, als dass man auf der Bühne nur "Hallo" zueinander sagt. Ja, und über diesen Weg bin ich dann auch bei der Produktion des "Potschka/Perxon"-Albums dabei gewesen.
In der populären Musik wurde eine Zeitlang sehr viel mit Bläsersätzen gearbeitet. Ich habe so das Gefühl, dass das gerade in der letzten Zeit etwas rückläufig ist. Täusche ich mich da, ist das nur so ein Gefühl von mir oder bekomme ich einfach nur die falschen Platten auf den Tisch?
Ein bisschen Recht hast Du schon. Aber andererseits schwankt das auch ein bisschen und vielleicht hast Du ja wirklich die falschen Platten gehört. Wenn ich mir beispielsweise die letzten SEEED-Alben anhöre, da rumpelt es ohne Ende mit Bläsern. Bei CULCHA CANDELA sind auch Bläser drauf, da habe ich auch mitgespielt. Es gibt immer ein paar Wellen, das stimmt, aber letztlich hupen die Bläser nach wie vor überall mit. Du darfst bei der Betrachtung nicht vergessen, Bläser sind ja in gewisser Weise auch Luxus. Wenn eine Band auf Tour geht und plötzlich einen kompletten Bläsersatz mit dabei hat, hast Du sofort für Hotel, Catering, Fahrkosten usw. ein paar Tausender mehr an der Backe, als wenn Du das alleine stemmst und die Bläser vielleicht vom Computer einspielst.
Es gibt ja nicht nur den Musiker Ferry Grott, sondern auch den Produzenten. Über Dein Mischpult liefen schon Sachen von Dirk Zöllner, Bürger Lars Dietrich oder POLKAHOLIX. Wann hast Du denn das erste Mal als Produzent gearbeitet und für wen war das?
Das erste Mal habe ich für meine eigene Band GROOVEBUSTERS produziert. Bereits Ende der 80er Jahre habe ich bei einigen Studioproduktionen rüber geäugt, um zu sehen, was die da wie machen. Klar, damals lief es noch anders, da waren noch Bandmaschinen im Einsatz. Aber interessiert hat mich das schon damals. Irgendwann kam dann mein Schlagzeuger Roger Heinrich während einer GROOVEBUSTERS-Tour auf die Idee, man könnte ja mal ein Album aufnehmen. Ich fand die Idee grundsätzlich gut, aber es war auch eine finanzielle Frage. Wir mieteten uns einen Raum in der Kulturbrauerei, später wurden aus einem Raum drei, wo wir dann meine erste selbstkomponierte CD mit den GROOVEBUSTERS produziert haben. Auf der Tour haben wir die natürlich auch verkauft. Kurz danach lernte ich Bürger Lars Dietrich kennen und ich produzierte mit ihm meine zweite CD. Aus dem anfänglichen Hobby wurde nach und nach ein richtiger Job. Das Studio wurde immer größer, ich erweiterte ständig das Equipment. Die Einnahmen aus den Produktionen wurden auch nicht etwa "versoffen", sondern wieder reinvestiert. So nahm das alles seinen Lauf.
Abseits der MODERN SOUL BAND hast Du für drei Jahre bei den POLKAHOLIX mitgespielt. Im letzten Jahr wurde diese Beziehung beendet. Warum bist da wieder raus?
Das hat zweierlei Gründe. Der erste: es ist anstrengend, da mitzuspielen. Die sind ja europaweit unterwegs und man ist da für einen einzigen Gig manchmal zwei bis drei Tage unterwegs. Und nach zwei Stunden Trompete bei den POLKAHOLIX, wo Du ja nebenbei auch noch tanzt und singst, weißt Du wirklich, was Du getan hast. Ich bin ja nun mal schon über 50 und habe überlegt, wenn ich jetzt alle meine Energie in diese Band investiere, bleibt keine Zeit und Kraft mehr für meine eigenen Projekte. Dann gibt es ein zweites Problem, welches sich aber gleich hier anschließt: Der Saxophonist und Sänger der POLKAHOLIX, Andy Wieczorek, fragte mich, ob ich in die Band einsteige, weil ich ja auch ein Studio habe und produziere und mal ein bisschen mit dem Staubwedel und Putzlappen über die Songs gehen könnte. Das habe ich auch getan und fleißig neue Songs geschrieben, musste aber irgendwann feststellen, dass ich auf Granit beiße, weil der Chef der Band das gar nicht so wollte. Es gab dann auf musikalischer Ebene einige Unstimmigkeiten und eines Tages spürte ich dann, dass ich irgendwie weiter muss. Meine Frau Iris meinte zusätzlich noch, ich würde immer nur für andere schreiben und spielen und tun und machen, aber sie würde mich auch gerne mal wieder solo hören. Damit hatte sie Recht. Und so kümmere ich mich jetzt verstärkt um mich, arbeite zusammen mit Lars gerade am neuen GROOVEBUSTERS- Album. Wir sind eigentlich schon fertig damit, wollen es aber noch ein bisschen schön machen, deshalb dauert es bis zum Erscheinen noch ein Weilchen. Aber zwei- und dreigleisig fahren schaffe ich kräftemäßig nicht mehr, deshalb konzentriere ich mich jetzt immer nur noch auf eine, meine Sache. Dennoch produziere ich auch das neue Album von MODERN SOUL. Von den POLKOHOLIX habe ich mich dann allerdings wegen der genannten Gründe getrennt. Hätten sich die Jungs von POLKAHOLIX allerdings in meine Hände begeben und wie z.B. Dirk Zöllner gesagt: „Ferry, mach mal so wie Du denkst, produziere uns einfach“, wäre es anders gekommen, meine Arbeit war nicht gefragt, weshalb ich dann diese Entscheidung getroffen habe.
So wie Du es erzählst, ist die Arbeit bei POLKAHOLIX im Vergleich zur Arbeit bei MODERN SOUL so unterschiedlich wie Tag und Nacht. Liege ich da richtig?
Ja, das ist vollkommen richtig. Bei der MODERN SOUL BAND ist es einfacher, ohne dass ich das jetzt näher begründen möchte.
Das Arbeiten mit Deiner eigenen Band, den GROOVEBUSTERS, dürfte ja demnach für Dich die entspannteste Form der Arbeit sein. Wer sind denn die GROOVEBUSTERS heute?
Da spielt der Schlagzeuger der MODERN SOUL BAND, Mathias Fuhrmann, mit. Des weiteren Oliver Bostroem, der ehemalige Gitarrist der ZÖLLNER, aus denen ja die GROOVEBUSTERS entstanden sind. Es war damals Ende der 80er Jahre so, dass Dirk Zöllner auch mal eine Mugge nur zu zweit hatte, wir anderen wollten aber auch auftreten. Wir waren noch sehr jung und spielgeil, deshalb haben wir nebenher eine zweite Band gegründet. Ich sollte als Trompeter im Stile von Miles Davis ganz vorne auf der Bühne stehen. Und seitdem existieren die GROOVEBUSTERS. Am Bass steht der Bassist von MUTABOR, Stephan Zelzer. Ihn lernte ich auf der Tour mit Jeanette Biedermann kennen. Ein super Typ, ein super Bassist. Stephan Bohm spielt natürlich die Posaune. Dann gehört wieder Bürger Lars Dietrich dazu, mit dem ich ja schon mein allererstes Album gemacht habe. Lars ist die letzten Jahre ein bisschen um die Häuser gezogen, fühlte sich aber musikalisch irgendwo so wohl, wie seinerzeit bei uns. Also sagte ich ihm: „Na dann husch husch zurück ins Körbchen!“ Seitdem arbeiten wir wieder zusammen.
Wie heißt das Album und wann kommt es raus?
Den Namen kann ich Dir noch nicht sagen, aber wahrscheinlich wird es „Berlin“ heißen, da ein Titel so heißt. Außerdem ist es noch nicht ganz fertig und wir haben dafür auch noch keinen Plattendeal abschließen können. Produziert habe ich die Platte natürlich, aber jetzt müssen wir um die Häuser ziehen und nach einem geeigneten Partner suchen, denn die Platte allein veröffentlichen ... Ja, kann man machen, aber es ist immer besser, wenn man jemanden dafür hat, der nicht nur Kohle hat, sondern auch einen gewissen Druck macht. Es gibt ja fast nur noch UNIVERSAL MUSIC und SONY. Denen werden wir unser Produkt anbieten. Normalerweise sollte das Album noch in diesem Jahr erscheinen, aber es wird sich ziehen, wir wollen schließlich alles richtig machen.
Wenn wir über neue Musik bei den GROOVEBUSTERS sprechen, müssen wir auch über neue Sachen bei der MODERN SOUL BAND sprechen. Gibt es da was in der Pipeline? Wann kommt wieder was in die Plattenläden?
In zwei Jahren feiern wir „50 Jahre MODERN SOUL BAND“. Unglaublich. Da wird natürlich ein neues Album erscheinen. Momentan sind wir mitten bei der Arbeit eines neuen Albums. Fünf bis sechs Nummern habe ich so halbwegs fertig, aber es ist auch da immer noch etwas zu ändern. Da kommt noch ein Solo rein, hier wird etwas ausgewechselt, also es gibt noch genug zu tun. Auch Hugo Laartz steuert neue Songs bei und er ist noch kräftig am Schreiben. Wir haben übrigens auch Gäste dabei. Uschi Brüning und Regine Dobberschütz werden mitmachen, Peter Pabst von JONATHAN wird dabei sein, Michael Barakowski und einige mehr. Aber es zieht sich alles noch ein Weilchen, es ist ja auch noch Zeit. Im Sommer 2018 gehen wir jedenfalls auf Tour mit einer Riesenbesetzung, auch die Gäste werden mit dabei sein. Bis dahin ist das Album mit Sicherheit schon auf dem Markt.
Du hast also das Auge immer ein wenig auf der Moderne, willst gerne mal etwas verändern. Wird denn das neue MODERN SOUL-Album eher klassisch klingen oder dann doch etwas neuer arrangiert sein?
Beides. Der Großteil der Songs kommt ja von Hugo. Und Hugo ist ein alteingesessener Meister, der im klassischen Sinne Soulmusik macht. Da das Ganze bei mir übers Mischpult geht, habe ich natürlich auf viele Sachen Zugriff und tausche auch den einen oder anderen Sound mal aus, das bekommt Hugo manchmal gar nicht mit. Dadurch wird es jedenfalls ein bisschen moderner. Im Grunde wird es aber wirklich klassisch nach MODERN SOUL klingen - im Sound von heute, da man ganz andere Technik zur Verfügung hat als noch vor zwanzig Jahren.
Ab und an läuft man sich ja bei facebook über den Weg. Da sehe ich bei Dir immer, wo Du gerade privat als Konzertgast unterwegs bist. Wo liegen Deine musikalischen Vorlieben? Was hörst Du selbst gerne und welche CD hast Du Dir zuletzt gekauft?
Ich lege ja manchmal auch auf und Du wirst es mir nicht glauben, aber ich liebe House und Techno! Es gibt überhaupt sehr wenige Musikrichtungen, die ich gar nicht gern höre. Dazu gehört z.B. Dixieland, damit kann ich nichts anfangen. Grundsätzlich höre ich jede Musik gerne, die gut gemacht ist. Sehr gerne höre ich mir aber auch Gustav Mahler und Bruckner an. Aber ich höre auch liebend gerne eine gute Popnummer. Ich weiß gar nicht, was die Leute immer gegen Helene Fischer haben! Das ist eine Pop-Maus, die ihre Mucke macht. Nicht dass Du mich falsch verstehst, ich habe keine Platte von Helene zu Hause. Aber was bitte schön will man denn noch? Da ist ein gut aussehendes Mädel, die tanzt und singt, hat ein Orchester dabei, macht einen auf Lasershow und Nebel, mehr geht doch nicht. Und ob nun Rhianna oder Madonna ... egal, solange das gut gemacht ist. Und meine letzte CD? Ehrlich gesagt kaufe ich mir kaum noch CDs, sondern ich lade mir das Zeug lieber runter. Natürlich gegen Bezahlung. Da war das letzte was ich mir gegönnt habe eine Platte von Uschi Brüning und Manfred Krug. Ich bin übrigens auch ein absoluter Mozart-Fan und hole mir von ihm und natürlich auch anderen gerne mal klassische Musik.
Nun haben wir eine Stunde lang über Deine Karriere geplaudert. Wie geht es weiter mit Dir, was hast Du für Zukunftspläne?
Ich werde auf jeden Fall mit meiner Tochter Stella Tamara Schiller ein paar Sachen machen. Sie ist nicht nur zwanzig Jahre jung, sieht toll aus und singt hervorragend, sondern sie komponiert auch erstklassig. Wenn meine Tochter, die leider in München lebt, mal bei mir in Berlin ist und einfach anfängt zu singen, frage ich mich manchmal, wieso zum Teufel mir solche Melodien nicht einfallen! Das ist irre, was sie für Ideen hat. Das würde ich gerne vorantreiben. Du siehst ja auch an der Geschichte mit der neuen MODERN SOUL-Produktion ... da habe ich jetzt noch ein gutes Jahr zu arbeiten. Länger planen ist riskant, weil man ja nie genau weiß, was passiert. Bleibt man gesund? Lernt man vielleicht neue Musiker oder neue Menschen kennen? Wie entwickeln sich die Musikrichtungen? Auf jeden Fall will ich meine eigene Band nach vorne bringen. Und natürlich will ich mit Angelika Weiz nicht nur diese angesprochene Weihnachts CD herausbringen, sondern wir wollen im nächsten Jahr zusammen etwas in Richtung Jazz, Soul, Gospel machen. Es soll eine CD werden, wozu ich sie aber lange überreden musste, da Angelika wirklich sehr lange nichts mehr produziert hat. Das sind meine nächsten Projekte, die mir vorschweben.
Dafür wünsche ich Dir viel Erfolg und viel Spaß! Möchtest Du zum Abschluss noch ein paar Worte an unsere Leser richten? Hast Du noch eine Botschaft für Sie?
Ich finde es vor allem toll, dass es die Seiten von Deutsche Mugge gibt. Ich denke, Ihr seid in der heutigen Zeit einzigartig mit dem, was Ihr macht. Wenn man z.B. etwas nachschlagen will oder sucht, findet man wirklich über jeden und alles bei Euch etwas! Ihr habt ein sehr übersichtliches Archiv und ich bin natürlich froh, dass ich jetzt mit unserem Interview ein Teil dieses Archivs geworden bin. Ich kann Euch nur alles Gute wünschen, bleibt dran. Und wenn man eines Tages nicht mehr da ist, bleibt vielleicht ein Stückchen stehen und übrig. Deshalb auch mal von Seiten eines Musikers ein ganz großes Dankeschön an Euch und für Eure Arbeit!
Hallo Ferry, gleich vorab die Frage: Ist Ferry Grott eigentlich Dein echter Name oder schmückst Du Dich mit einem Künstlernamen?
Das ist mein bürgerlicher Name, der auch so im Ausweis steht.
Dann hatten Deine Eltern wohl einen guten Riecher und ahnten, dass Du mal ein Musiker wirst und einen coolen Namen brauchst.
(lacht) Das weiß ich nicht. Ferry ist ein ungarischer Name, obwohl bei uns in der Familie niemand ungarische Wurzeln hat. An der Grenze grüßen einen die Leute jedenfalls immer freundlich, wenn sie den Namen im Ausweis lesen. Ferry bedeutet im Deutschen Franz und ist in Ungarn ein sehr gewöhnlicher Name.
Ich habe gelesen, dass Du schon sehr früh Interesse an der Musik entwickelt hast. Wie ging es bei Dir los, was war die Initialzündung?
Ich komme aus einer sehr musikalischen Familie. Meine Mutter spielt Klavier, mein Vater Geige. Eine meiner Schwestern spielt ebenfalls Klavier, die andere Schwester hat Gitarre gespielt. Ich bin also quasi da rein gewachsen. Bei uns wurde immer viel Musik gehört, auch klassische Musik und wir haben viel gesungen, zum Beispiel zu Weihnachten. Deshalb spielte für mich die Musik auch schon in der Kindheit eine große Rolle. Ich erinnere mich noch genau, als ich zum ersten Mal vor einem Radio stand und da Musik rauskam. Da muss ich zwei, drei Jahre alt gewesen sein. Seitdem war mein Interesse für die Musik geweckt. Irgendwann bekam ich dann Klavierunterricht, aber der Lehrer meinte eines Tages: „... mit diesen Wurstfingern würde das wohl nichts werden“. Er meinte, ich solle mal eine Tür weiter gucken, da gibt es einen Trompetenlehrer, der hätte auch noch einen Platz frei. So begann das alles. Ich fing also an Trompete zu spielen, erst an der Musikschule, später dann auch an der Hochschule.
Du sagst gerade, das Klavier war Dein erstes Instrument, danach kam die Trompete. Warum waren es denn ausgerechnet diese Instrumente und nicht Gitarre oder Schlagzeug?
Ein Klavier gab es ja in meiner Familie, während das Schlagzeug bei uns im Osten als Instrument ja eher schwierig zu beschaffen war. Das Klavier stand hingegen schon da, weshalb es wohl ganz ratsam war, mich zunächst einmal dort heran zu führen. Ich spiele übrigens heute noch Klavier, wenn auch nicht so richtig professionell. Es war jedenfalls als Einstieg in die Musik ganz gut geeignet.
Du bist mit neun Jahren auf die Musikschule Potsdam gekommen. Hast Du schon vorher auf Trompete umgestellt oder erst, nachdem Du auf die Musikschule gingst?
Der Wechsel zur Trompete erfolgte erst auf der Musikschule. Ich hatte ein Jahr Klavierunterricht, bis dann der Lehrer zu mir sagte: "Na ja, so richtig wird das nichts. Du musst Dir vorstellen, Du hast ein kleines Vögelchen in der Hand und dann hämmerst Du da mit Deinen Händen und Fingern auf den Tasten rum…". Also ich war zwar durchaus musikalisch, aber mit dem Klavier passte es einfach nicht. Trotzdem hatte ich zu meinem Klavierlehrer noch lange Zeit guten Kontakt. Der verwies mich dann ja wie gesagt eine Tür weiter, wo ich meinen ersten Trompetenlehrer kennenlernte, der mir das Instrument so schmackhaft machte, dass ich dabei geblieben bin. Durch diesen Lehrer kam ich später auch an die Hochschule.
Wie kann man sich die Zeit auf dieser Musikschule vorstellen? Gab es dort alles unter einem Dach, also auch die allgemeinbildenden Fächer wie Mathe, Deutsch, Biologie usw. oder lief die Musikschule parallel zur Allgemeinbildenden Schule?
Die Musikschule lief parallel. Am Anfang lernst Du zunächst Trompete spielen und irgendwann beginnt die Musiktheorie. Die letzten zwei, drei Jahre vor der Hochschule war ich dann aber wirklich jeden Tag in der Musikschule. In Berlin gab es noch eine Spezialschule, da lief es so, wie Du gesagt hast, da gab es schon die ersten richtigen Schulfächer neben dem Musikunterricht. In meiner Musikschule in Potsdam jedoch war es so, dass ich auch Orchestermusik als Fach hatte, Klavier als Hauptfach, was ja ohnehin Bedingung für die Aufnahmeprüfung an der Hochschule war. Dazu kam Instrumentenkunde, Musiktheorie und all so was. Ich war zum Schluss tatsächlich jeden Tag da, weil immer etwas anlag. Die machten mich sozusagen fit für die Aufnahmeprüfung und haben mich auch wirklich bis zur endgültigen Aufnahme an der Hochschule begleitet. Ich habe dort alles gelernt, was man so braucht.
Wann war für Dich denn klar, dass Musik nicht nur ein Hobby ist, sondern dass es Dein Beruf werden soll? Und gab es noch weitere Optionen oder war der Musikerberuf alternativlos?
Ganz ehrlich? Es gab keine Alternativen. Im Osten war es ja, so, dass man schon in der 8. Klasse wissen musste, was man nach der 10. Klasse machen will. Ich wusste das aber wirklich nicht. Alle sagten mir ständig, ich solle zur Hochschule gehen. Na gut, dachte ich mir, dann machst Du halt irgendwas mit Musik. Und so war ich froh, dass ich die Immatrikulation bekam und zur Hochschule gehen konnte. Aber als ich dort ankam, war mir immer noch nicht ganz klar, was ich da eigentlich mache. Ja gut, ich hatte schon seit längerer Zeit immer wieder die Trompete am Mund gehabt und konnte das Instrument auch schon ganz gut spielen, aber so richtig wusste ich nicht, wohin die Reise gehen wird. Und erst auf dieser Hochschule lernte ich Studenten kennen, die auch schon älter als ich waren, die mich dann immer wieder mit auf Konzerte nahmen und durch die ich z.B. auf Charlie Parker, den Saxophonisten, natürlich nur durch Schallplatten, aufmerksam wurde und diese oder jene Band kennenlernte. Und obwohl ich das alles recht cool fand, wusste ich auch im ersten Studienjahr noch immer nicht, was das später mal werden soll. Aber ein halbes Jahr später war ich Feuer und Flamme, hatte Spaß daran und habe auch nie wieder etwas anderes gemacht.
Du sagst, Du kommst aus einem musikalischen Haus. Nun ist es ja oftmals so, dass Eltern die Wünsche ihrer Kinder in Richtung Musikerlaufbahn nicht ernst nehmen, sondern sagen, man solle doch erstmal "etwas Vernünftiges" lernen. Was das bei Dir auch so?
Bei mir war das genau umgekehrt. Ich hatte die volle Unterstützung meiner Eltern. Mein Vater war Architekt, meine eine Schwester ebenfalls. Irgendwann hatte er es aufgegeben, mich in diese Richtung zu drängen, denn ich war handwerklich nicht so sehr begabt. Zumal ihn meine Lehrer ständig bekniet haben, der Ferry sei sowas von musikalisch, lass den mal in diese Richtung gehen. Daraufhin haben meine Eltern das auch tatkräftig unterstützt, was ja, wie man heute sieht, auch sehr erfolgreich war. Zumindest spiele ich bis zum heutigen Tag Trompete und verdiene damit mein Brot.
Insgesamt warst Du acht Jahre auf dieser Musikschule in Potsdam. Woran erinnerst Du Dich noch besonders und was hat Dir diese Zeit persönlich gegeben?
Hauptsächlich erinnere ich mich natürlich an meinen ersten Lehrer, der auch heute noch lebt. Das ist Herbert Kamprath. Und wir hatten einen sehr coolen Musikschuldirektor, der mich auch persönlich sehr mochte. Das ist natürlich für einen kleinen Jungen sehr wichtig, wenn einen mal der eine oder andere erfahrene Lehrer in den Arm nimmt und sagt: "Eh Junge, das wird schon!", wenn man mal Tränen in den Augen hatte. Das sind die Dinge, an die ich mich sehr gerne erinnere. Auch die ersten Orchesterproben und das Spielen in einer Band, das war schon hochinteressant.
Von der Musikschule Potsdam ging es dann wie gesagt zur Hochschule für Musik "Hanns Eisler" in Berlin. Eine renommierte Einrichtung, auf der schon ganz viele bekannte Musiker waren. Gab es auch in Deinem Studienjahr bekannte Namen?
Ja, da fallen mir spontan die Gebrüder Klemm ein, von denen es drei gibt. Thomas Klemm ist beispielsweise ein begnadeter Saxophonist. Der spielt zwar nicht mehr so viel, macht aber meines Wissens Filmmusik. Hans Klemm war ein Sänger, der u.a. bei der KLAUS LENZ BIGBAND tätig war. Der dritte ist Detlef Klemm, der Dirigent und musikalischer Leiter des Friedrichstadtpalastes ist. Dann gab es an der Hochschule den Saxophonisten Volker Schlott, der einen Jahrgang über mir war. Die verschiedenen Jahrgänge sind aber immer wieder ein bisschen ineinander verschmolzen. Man traf sich in den Musikzimmern und spielte zusammen, das war es nicht so wichtig, wie weit man im Studium gerade war. Deshalb fällt es mir auch schwer, mich zu erinnern, wer damals gerade über oder mir angesiedelt war. Ich weiß aber, dass in meinem Studienjahr nicht ganz so viel große Namen dabei waren, aber in den anderen Jahrgängen gab es durchaus Musiker, die auch heute noch sehr bekannt und gut unterwegs sind.
Dein Professor an der Hochschule war der Jazztrompeter Hans-Joachim Graswurm, der selbst professioneller Musiker und beileibe kein Unbekannter war. Wie war er als Lehrer, wie bist Du mit ihm klargekommen?
Er war eine Respektsperson. Er war sehr bestimmend, aber trotzdem freundlich und nett. Wenn er etwas sagte, war das Gesetz. Ich erinnere mich noch an eine Anekdote aus meinem zweiten oder dritten Studienjahr. Irgendwie hatte ich mal nicht richtig geübt. Ich kam ja gerade aus Potsdam nach Berlin und trieb mich in Diskotheken rum, lernte die große Stadt kennen usw. Man kann sagen, ich war in der Zeit ein bisschen faul. Als ich dann ein bestimmtes Stück im dritten und vierten Anlauf immer noch nicht richtig drauf hatte, sagte er zu mir: "Pass auf, Ferry, ich habe eine Telefonnummer von einem Interessenten, der gerne Deine Trompete kaufen würde". Ich guckte natürlich ziemlich verdattert. Der Professor machte mir dann klar, dass ich hier an der Hochschule bin, es aber überhaupt keinen Sinn ergibt weiterzumachen, wenn ich nicht übe und stattdessen anderen, die gerne hier wären, den Platz wegnehme. So ließ er mich wegtreten und nach Hause gehen. Diese Ansage war für mich quasi wie ein Weckruf, ein Wachrütteln. Ich haderte zwei Wochen mit mir und meinem Schicksal, dann rief ich meinen Professor an und sagte: "Herr Graswurm, ich weiß, das war Sch…, aber ich würde gerne weitermachen". Ich bekam meine zweite Chance und gab danach richtig Gas. Seitdem habe ich die Trompete jeden Tag am Mund und habe sie nie wieder losgelassen.
Kanntest Du Hans-Joachim Graswurm vorher schon als Musiker oder war er Dir völlig unbekannt?
Ich kannte ihn gar nicht. Wie vorhin schon gesagt, wusste ich während meiner Zeit an der Musikschule in Potsdam noch nicht, ob ich dauerhaft Musik machen möchte. Aber dann an der Hochschule merkte ich sehr schnell, hier weht ein anderer Wind, hier gibt es ganz andere Lehrer, echte Professoren mit Rang und Namen. Da gab es beispielsweise Alfons Wonneberg, unser Abteilungsleiter. Man informierte sich automatisch, was hat der gemacht, wo kommt der her. Hans-Joachim Graswurm, spielte bei Günter Fischer ... Alter Schwede, die fahren nach New York ... Das war also eine ganz andere Hausnummer. Der Name Graswurm sagte mir jedenfalls vorher nichts. Erst kurz bevor ich an der Hochschule vorspielen sollte und man mir sagte, da gibt es einen Lehrer, nämlich den Herrn Graswurm, der mich prüfen soll, begann ich mich dafür zu interessieren, wer das ist. Das muss man verstehen, ich war fünfzehn, sechzehn Jahre alt und habe elektronische Musik gehört. Jean-Michel Jarre und solches Zeug. Mit Jazz hatte ich überhaupt noch nichts zu tun. Erst an der Hochschule setzte ich mich dann mit Jazz auseinander, dafür aber ganz extrem.
Hans-Joachim Graswurm lebt nicht mehr, er ist 1986 gestorben. Was hat Du von ihm als Lehrer und Musiker mitgenommen? Ist vielleicht sogar etwas von ihm auf Dich abgefärbt?
Unbedingt. Erst einmal seine Ernsthaftigkeit, sich an Stücke heran zu arbeiten. Und dann das Improvisieren, den Mut zu haben, ein Instrument in die Hand zu nehmen und drauf los zu spielen. Einfach so, ohne Noten in der Hand zu haben. Augen zu und los geht's. Das war eine ganz wichtige Sache, die er mir beigebracht hat. Also das Instrument zu studieren, das blieb von ihm bei mir hängen. Er sagte mal zu mir: "Irgendwann wirst Du meinen Platz einnehmen." Es kam dann alles ganz anders, weil sich die DDR ja bekanntlich aufgelöst hat. Graswurm sorgte dafür, dass ich mein Instrument lieben gelernt habe. Vorher war es so, dass ich immer im Hinterkopf hatte, andere gehen z.B. Fußball spielen, ich spiele Trompete. Dabei würde ich auch gerne Fußball spielen gehen, auch wenn es nicht unbedingt mein Sport war. Aber verstehst Du, was ich meine? Jedenfalls brachte Graswurm mir bei, was es bedeutet, eine Trompete zu spielen.
Du hast die Hochschule 1984 abgeschlossen, bist aber erst 1986 bei der MODERN SOUL BAND eingestiegen. Was hast Du in den zwei Jahren dazwischen gemacht?
Ja, was war da los? Ich habe u.a. bei BAJAZZO gespielt, die damals im Osten eine relativ angesagte Jazzrockband waren. Davor habe ich in Magdeburg in einer Reggae-Band namens REGGAE PLAY gespielt. Mit Tino Eisbrenner und seiner Band JESSICA war ich auch mal unterwegs. Es gab da so eine 100-Tage-Tour, die hochinteressant war. Tino Eisbrenner hatte damals durch einen glücklichen Zufall ein englisches Kamerateam an der Backe, die über ihn berichteten. Die Funktionäre waren natürlich total nervös, da sie nicht verstanden, weshalb ein Sender wie die BBC plötzlich über Eisbrenner einen Bericht machte. Er nahm für die Tour noch drei Bläser mit und wir spielten in ca. 130 Tagen 100 Konzerte. Es war extrem, war aber für mich ein super Einstieg, um nach dem Studium überhaupt erstmal Fuß in der Musikszene zu fassen.
Wie bist Du dann letztlich zur MODERN SOUL BAND gekommen?
Das war einer dieser berühmten Zufälle. Christian Höhle, der eigentliche Trompeter der MODERN SOUL BAND hatte einen Ausreiseantrag in die BRD gestellt. Mit dem bin ich übrigens heute noch gut befreundet. Christian sagte zu mir: "Ferry, ich höre hier demnächst auf, willst Du meinen Platz übernehmen?" Es ging zunächst darum, dass die Band im Dezember 1986 in die Sowjetunion fahren sollte. Natürlich konnten sie nicht mit einem Trompeter fahren, der die Ausreise beantragt hatte. Durch einen weiteren Zufall hatte ich ein halbes Jahr vorher bei einem Konzert von MODERN SOUL in Potsdam schon mal ein, zwei Titel mitgespielt. Die Brücke zwischen uns war also schon vorhanden. Christian Höhle schlug mich also dann bei Hugo Laartz als Nachfolger vor. Ich bekam die Noten überreicht, schaute mir das an und stellte fest: "Hui, hier geht ja richtig die Post ab!" Aber ich hatte eine Aufgabe und erinnerte mich an die Worte meines Professors Graswurm: "Immer üben, bis man es hat". Und so spielte ich mich in die Band. In die Sowjetunion wäre ich trotzdem beinahe nicht mitgefahren, da ich vorher eine Angina bekam. Hugo Laartz ließ das aber nicht gelten und zerrte mich mit 40 Grad Fieber in den Flieger. Ich hatte nach der Ankunft dort nach knapp zwei Tage Zeit, um mich auszukurieren. Die Hoteldamen päppelten mich mit irgendwelchen Hausmittelchen wieder auf, so dass ich pünktlich zum ersten Konzert wieder einigermaßen fit war. Das war mein Einstieg bei MODERN SOUL. Mittlerweile bin ich ja nun schon dreißig Jahre dabei.
Das ist sehr verwunderlich, denn die MODERN SOUL BAND ist ja praktisch eine Art Durchlauferhitzer. Junge Musiker steigen ein, verdienen sich die ersten Sporen und wechseln dann schnell in größere und oft auch namhaftere Bands. Du bist da anders, bist bis heute dabei geblieben. Bist Du so ein treuer Mensch oder magst Du einfach keine Veränderungen?
Doch, ich mag durchaus Veränderungen. Aber nur dann, wenn alte Muster nicht mehr funktionieren. Bei MODERN SOUL trifft das aber nicht zu. Ich mag den Chef Hugo Laartz. Er ist nicht nur ein super Musiker, sondern auch ein guter Freund für mich. Ich mag seine Art zu musizieren, ich mag es, wie er die Arrangements der Band schreibt. Und ich dachte und denke immer noch, wenn ich aus dieser Band aussteigen würde, mache ich einen großen Fehler. Ich war tatsächlich zwischendurch mal raus, fand aber schnell wieder den Weg zurück und freute mich riesig, dass Hugo mich sofort wieder aufnahm. Heute ist es so, dass ich auch mal zu Hugo sagen kann: "Du Hugo, an diesem Tag bin ich gerade mit einer anderen Sache unterwegs, da kann ich nicht mit MODERN SOUL auftreten". Er sagt dann in der Regel: "Mach's aber nicht zu oft, ich spiele nämlich am liebsten mit Dir". Wenn man so etwas hört, fühlt man sich wahrgenommen und respektiert. Und so habe ich es bis zum heutigen Tag niemals bereut, dass ich der Band zu keiner Zeit den Rücken gekehrt habe.
Wenn man so lange in einer Band aktiv ist und diese große Fluktuation sieht, über die wir gerade sprachen, erlebt man ja doch eine ganze Menge. Was waren für Dich bis heute die beeindruckendsten Momente mit der MODERN SOUL BAND?
Da fällt mir natürlich sofort meine erste Reise in den Westen ein. Vorher waren wir mehrmals in der Sowjetunion. Es waren lange Tourneen, stellenweise fünf bis sechs Wochen lang. Ich habe das halbe Land bereist, wir haben in großen Konzerthallen vor fünf- bis sechstausend Zuschauern gespielt. Vor allem hatten wir immer unsere eigene Anlage dabei! Ich weiß gar nicht mehr, wie wir das eigentlich gemacht haben. Wir haben die Technik in riesigen LKW vorausgeschickt und sind dann hinterher geflogen. Das war schon gigantisch. Wenn man als junger Mensch solche Konzerte erlebt, ist das schon Wahnsinn. Vom finanziellen Verdienst mal ganz abgesehen. Ich war damals immer erstaunt, wie man mit solcher Musik so viele Leute erreichen kann. Dann durften wir auch irgendwann ins westliche Ausland. Unsere erste Reise führte uns nach Dänemark. Das war der Moment, in dem ich mir selber sagte: "Siehste, da hat sich die Ausdauer doch endlich mal ausgezahlt". Damit es allerdings zu diesen Reisen kommen konnte, musste Hugo Laartz erstmal zu Egon Krenz gehen und ihm erzählen: "Egon, alle fahren in den Westen, nur ich darf mit meiner Band nicht fahren." Das war übrigens auch ein Grund, weshalb einige Musiker MODERN SOUL verlassen haben. Eines Tages kam Hugo dann mit der Nachricht: "In drei Wochen fahren wir nach Dänemark". Natürlich glaubte ich das zuerst gar nicht, aber dann war es soweit und wir fuhren tatsächlich mit unseren Autos nach Warnemünde und von dort mit der Fähre rüber nach Dänemark. Und wenn Du erst einmal im Westen warst, war der Weg nach drüben eigentlich offen. Wir bekamen kurz darauf dann auch unsere Reisepässe und waren öfter mal drüben.
Hat die MODERN SOUL BAND auch in der BRD Konzerte gegeben?
Ja. Wir spielten z.B. in Hamburg, auch in Westberlin. Nebenher spielte ich auch noch im DDR-JAZZORCHESTER unter der Leitung von Conny Bauer, einem sehr bekannten Posaunisten. Mit dem Orchester waren wir u.a. eingeladen zu einem Jazzfestival in Münster und in Leverkusen. Das hat sich alles miteinander vermischt, denn im JAZZORCHESTER spielten auch einige andere Musiker der MODERN SOUL BAND. Es war also wie eine große Familie.
In dem JAZZORCHESTER hast Du aber nur ein Jahr gespielt, ist das richtig?
Das weiß ich jetzt auf Anhieb gar nicht so genau. Auf jeden Fall gibt es von dem Orchester sogar ein Live-Doppelalbum.
Wenn wir von vielen positiven und beeindruckenden Momenten sprechen, dann gibt es doch mit Sicherheit auch Erfahrungen und Erlebnisse, die Du lieber nicht gemacht hättest mit der MODERN SOUL BAND.
Ganz ehrlich? Da fällt mir nichts ein. Ich habe wirklich nicht eine einzige negative Erfahrung mit der Band gemacht. Okay, es störte mich manchmal, dass gute Musiker einfach so weitergezogen sind. Ich versuchte dann hin und wieder, mein Veto einzulegen, habe auf sie eingeredet. Klar, später waren wir dann trotzdem immer noch gute Freunde, aber in diesen Momenten störte es mich schon. Ein Beispiel dafür ist Gisbert "Pitti" Piatkowski. Als der die MODERN SOUL BAND verließ, weil er zu RENFT wechselte, fand ich das echt schade. Es rutschten natürlich immer wieder gute Musiker nach, so dass sich die Verluste nicht so arg bemerkbar machten. Wenn Du so willst, waren das meine einzig negativen Erfahrungen in dieser Zeit. Na gut, natürlich darf man auch nicht vergessen, dass inzwischen mit Klaus Nowodworski und Christian Schmidt, also gleich zwei Sänger der MODERN SOUL BAND, verstorben sind. Das tat richtig weh. Solche Momente kann man zweifelsfrei zu Negativerfahrungen erklären. Dazu kommt, es ist logischerweise verdammt schwierig, gleich einen neuen Frontmann zu finden. Siehe z.B. QUEEN, oder SILLY, die ja diese Erfahrungen auch machen mussten. Manchmal muss man dann für den neuen Frontmann sein ganzes Konzept umstellen. Ich finde, hier hat Hugo mit der Band immer ganz gut die Kurve bekommen.
Wieviel Einfluss hat man als Teil dieser doch recht großen Band auf das Programm? Entscheidet der Chef Hugo Laartz allein, was auf der Bühne passiert, oder herrscht bei Euch eine gesunde Demokratie?
Demokratie in gewisser Weise schon, Chef ist und bleibt aber Hugo Laartz. Im Laufe der Jahre bin ich aber so etwas wie die rechte Hand oder der Mann an Hugos Seite geworden. Also wenn ich innerhalb der Band etwas sage, hat das schon ein gewisses Gewicht. Da nun auch unser Posaunist Dagobert Darsow nach über vierzig Jahren ausgestiegen ist, bin ich neben Hugo sozusagen das Urgestein. Grundsätzlich macht also immer noch Hugo das Programm, aber wenn ich z.B. während der Probe abpfeife, weil etwas zu sagen habe, werde ich schon gehört.
Du hast im Liveprogramm mit Deinem Instrument und "Casablanca" natürlich auch einen besonderen Moment, den andere Bandmitglieder nicht haben. Seit wann ist das Bestandteil Eurer Auftritte und wie kam es dazu?
Vor etlichen Jahren äußerte Marc Huster, ein Gewichtheber, den Wunsch, einmal "Casablanca" zu singen. Ich war damals gerade mit Bürger Lars Dietrich auf Tour und wir waren schwer im Hip Hop-Bereich unterwegs. Also haben wir die Nummer einfach mal gecovert. Kann sogar sein, dass das mal auf CD erschienen ist, aber da bin ich mir nicht sicher. Auf jeden Fall gab es dieses Playback noch. Und so fragte ich dann eines Tages mal meinen damaligen Schlagzeuger, ob wir die Nummer nicht auch mal mit MODERN SOUL machen wollen. Dann hätten wir auch endlich mal die Rap-Ecke abgedeckt. Ich wusste zwar in dem Moment nicht, was für einen Text ich auf das Lied rappen wollte, aber ich war mir sicher, ich könnte da improvisieren, mir würde schon etwas einfallen. MODERN SOUL nahm den Song auch wirklich ins Programm auf, die Leute sind vor der Bühne ausgerastet vor Begeisterung und seitdem MUSS ich diesen Titel in jedem Konzert bringen. Die Fans erwarten das. Ich habe Hugo auch schon mal gefragt, ob wir denn stattdessen nicht mal etwas Anderes, Neues einbauen wollen. "Nein!!! ‚Blasenkranker' - so heißt ‚Casablanca' bei uns intern - müssen wir machen!" war Hugos Antwort darauf. CITY kennt unsere Version und hat sie auch abgenickt, also spielen wir diesen Titel vermutlich auch noch zwanzig weitere Jahre.
Hat Euer "Casablanca"-Cover vielleicht auch Einfluss darauf gehabt, dass Ihr beim CITY-Jubiläumskonzert die Bläsersektion gestellt habt?
Nein, das glaube ich nicht. Obwohl man das natürlich nie genau weiß. Aber ich kannte Toni Krahl schon vorher. Der sagte schon immer, dass er irgendwann mal was mit Bläsern machen wollte.
Du sagtest eben, dass Dagobert Darsow nach vierzig Jahren aus gesundheitlichen Gründen aus der Band ausgestiegen ist. Wer ist dafür der neue Mann, wo kommt der her?
Ich habe u.a. bei POLKAHOLIX, Jeanette Biedermann und verschiedenen Klaus Lenz-Projekten mitgespielt und dort den Posaunisten Stephan Bohm kennengelernt. Nach dem Ausscheiden von Dagobert stand für mich fest, dass Stephan genau der richtige Mann ist, um bei MODERN SOUL an meiner Seite zu agieren. In meiner eigenen Band GROOVEBUSTERS spielt er übrigens auch mit. So gesehen ist Stephan Bohm "mein Posaunist". Der Mann ist top und ich möchte mit keinem anderen mehr zusammen spielen.
Auch abseits der MODERN SOUL BAND bist Du schwer beschäftigt, wie Du schon ansatzweise erläutert hast. Von vielen dieser Dinge bekommt man nichts mit, weil sie mehr im Hintergrund stattfinden. So bist Du z.B. auch noch als Studiomusiker tätig. Seit wann machst Du das?
Also ich spiele bei vielen Produktionen und in den unterschiedlichsten Studios mit. Seit mehr als zwanzig Jahren habe ich aber auch ein eigenes Tonstudio. Ich produziere dort selber, vor allem junge Künstler, Werbemusik usw. Wenn man so will, bin ich eigentlich jeden Tag im Studio. Ganz aktuell mache ich gerade eine Weihnachts-CD mit Angelika Weiz. Das wird eine super CD! Insgesamt habe ich schon ca. fünfzig CDs produziert, manche davon hört man sich hinterher nie wieder an. Aber diese CD mit Angelika Weiz ist richtig geil geworden. Simone Thomalla konnte ich dafür gewinnen, für die CD noch eine kleine Geschichte einzulesen, dann wird die Scheibe gepresst und kommt hoffentlich noch pünktlich zum 1.Advent raus. Ich bin also mit der Studioarbeit gut ausgelastet, komponiere und produziere für andere und für mich selber.
Die Liste der Produktionen, an denen Du als Musiker beteiligt warst, liest sich fast wie das "Who is who" der deutschen Musikszene. Ich wurde erstmals auf Deinen Namen aufmerksam, als ich mir das Album "Hurensöhne" von SILLY zugelegt habe. Da sind nämlich richtig gute Bläserparts drauf. Wie bist DU zu SILLY gekommen und wie lief die Zusammenarbeit mit der Band?
Mit SILLY hatte und habe ich schon des öfteren zusammen gearbeitet. Also nicht nur bei der CD „Hurensöhne“, sondern ich war mit SILLY auch schon öfter live auf Tour unterwegs. Zu irgendeinem DDR-Jahrestag, es war wohl 1986 oder 1987, haben wir mit MODERN SOUL in Berlin ein Konzert gespielt und nach uns spielte SILLY. Nach dem Gig trafen wir uns alle in der Garderobe und Tamara sagte: „Wir machen noch eine Party, kommst Du mit?“ Wir ritten dann alle bei Bernd Römer (KARAT) zu Hause ein und ich quatschte während dieser Party sehr lange mit Tamara. Am Rande darf ich erwähnen, dass ich SILLY auch früher schon immer sehr geil fand. Das waren Soundtüftler, die haben neue Sachen probiert, das war super. Und so kam es dazu, dass SILLY irgendwann auf mich zukam und fragte: „Wir brauchen für unsere neue CD ein paar Bläser, wie sieht es aus?“
Du warst ja auch an der letzten SILLY-Platte "Paradies" beteiligt. Diese Produktion war ja überschattet von der tragischen Entwicklung um Tamara. Wie hast Du das damals erlebt?
Das war ganz furchtbar. Als wir die Platte eingespielt haben, hieß es schon, dass mit Tamara irgendwas nicht stimmt. Etwas später war ich gerade mit einer anderen Produktion beschäftigt und erfuhr, dass es um Tamara gar nicht gut stehen würde. Kurz darauf habe ich auf Zypern im Häuschen von Toni Krahl Urlaub gemacht. Dort saß ich gerade in einem Restaurant, als Maxs Repke (Rockhaus, Club der toten Dichter) mir Bescheid gab, dass Tamara tot sei. Das war ein Schock. Es war ja klar, dass sie sterben würde, aber wenn es dann soweit ist, ist es natürlich echt hart. Für mich war Tamara eine Person, mit der ich eng verbunden war. Deshalb ist es auch ganz anders, wenn man die Todesnachricht erhält. Das hat mich richtig runter gerissen. Eine Woche später flog ich nach Berlin zurück. Ritchie, Hasbe und Jäcki kamen gleich in mein Studio, wo wir uns in den Armen gelegen und ein bisschen gequatscht haben, bevor die drei mich fragten, ob ich auf Tamaras Beerdigung spielen würde. Natürlich sagte ich zu, aber dass mir das dann so schwer fallen würde, hätte ich nicht gedacht. Ich sah den weißen Sarg da stehen, oben darauf die Blumen… ich habe keinen Ton rausgekriegt. Als Pianist oder Schlagzeuger kann man das ja vielleicht noch überspielen, aber als Trompeter… Glücklicherweise hatte ich neben mir einen Posaunisten zu stehen, der etwas "ruppiger" anranzte und sagte, "Reiß Dich jetzt mal zusammen!" Das hat mir in diesem Moment echt geholfen. Das war insgesamt eine sehr, sehr traurige Zeit. Ich habe auch das Gefühl, dass diese eigentlich eng zusammenstehende DDR-Musikszene mit dem Tod von Tamara ein bisschen auseinandergebrochen ist.
Woran machst Du das fest?
Sie war ja nicht nur politisch engagiert, sondern sie war auch eine sehr starke Frau. Wo Tamara war, war auch die Szene. PUHDYS…okay, KARAT…ja, auch in Ordnung. Aber SILLY war eine Band, die mehr waren als nur C-Dur, F-Dur, G-Dur. Die haben sich musikalisch echt Gedanken gemacht. Und das wurde in der Musikszene auch anerkannt. Die waren eben eine Rockband, die alles ein bisschen geiler machten als die anderen. Klar, "Über sieben Brücken" war und ist eine Riesennummer, aber SILLY waren halt nochmal eine andere Güteklasse. Dadurch hatten sie auch einen besonderen Status. Allein schon optisch machte es was her, wenn die vorgefahren sind und Tamara mit ihren wehenden Haaren ausstieg, das sah schon cool aus. Und somit war Tamara für mich der Mittelpunkt der DDR-Szene. Das galt wohlgemerkt für die DDR-Rockszene, nicht für den Jazz oder Pop, aber im Rockbereich war sie einfach der Mittelpunkt. Wo Tamara war, waren sie alle, da musste man sein, da war was los. Es war immer gut, wenn man selber dann auch gerade dort im Umkreis spielte.
Drei Jahre vorher, nämlich 1993, warst Du auch am Comeback-Album der ÄRZTE beteiligt. Die Platte hieß "Die Bestie in Menschengestalt". Was kannst Du uns dazu erzählen?
Das wiederum kam über SILLY zustande, denn die sind gut befreundet mit den ÄRZTEN. Was viele gar nicht wissen, SILLY hat einen großen Anteil an den ÄRZTE-Alben. Denn was auf den Alben drauf ist, wurde nicht immer von den ÄRZTEN selber eingespielt, sondern stammt teilweise von Ritchie oder Hassbecker. Jedenfalls brauchten die ÄRZTE dann auch ein paar Bläser und naheliegend war in dem Fall, dass man mich anrief. Am Ende wurden es sogar zwei Platten, auf denen ich zu hören bin. Leider verloren wir uns später auch aus den Augen. Es war aber eine tolle Zeit und hat Riesenspaß gemacht.
Warst Du mit den ÄRZTEN gemeinsam im Studio oder lief das auch damals schon so, dass man an einem bestimmten Punkt erst dazu kommt, seinen Part einspielt und wieder geht?
Nein, wir waren richtig im Studio. Das ging über ein paar Tage.
Ein weiterer Name in der Liste ist Bernhard Potschka von SPLIFF. Hier hast Du 1992 an dem Album "Potschka/Perxon" mitgewirkt, zusammen mit einigen anderen Musikern, die ihre Wurzeln im Osten haben. Hattet Ihr damals selber Kontakt zu den SPLIFF-Musikern, oder kam das über die Plattenfirma "K&P" zustande?
Was in diesem Zusammenhang witzig ist: ich habe Potsch, den ich eigentlich auch aus den Augen verloren hatte, gerade vor zwei Wochen noch getroffen. Ich habe für ihn einen Remix gemacht, den er aber bis jetzt noch nicht gehört hat. Aber das nur nebenbei, zurück zu Deiner Frage. Es gibt einen Saxophonisten, den René Decker, der Anfang der 90er mit Potschka eine Produktion hatte. Das war aber noch vor der "Potschka/Perxon"-Platte. Da arbeitete er an einem Soloalbum mit spanischer Musik, u.a. auch mit Trompete. René hatte mich wohl empfohlen und Potsch meldete sich dann bei mir und fragte, "Was willst Du denn dafür haben, wenn Du mir die Trompeten einspielst? Ich kann Dir 1 1/2 Lizenzpunkte oder 1.500,- DM anbieten." - Ich antwortete ihm, "Potsch, ich komme aus dem Osten und seit 'nem halben Jahr ist erst der Zaun offen. Ich hab davon keine Ahnung! Was würdest Du mir denn raten?", und er meinte dann, dass es besser wäre, wenn ich die Kohle nähme (lacht). Das fand ich gut, denn die Platte kam am Ende gar nicht raus und ich hätte deshalb von den Punkten gar nix gehabt. So hatte ich 1.500,- DM auf der Hand. Da das seine eigene Produktion war, fand ich das schon herzlich und nett, dass er mir riet, lieber das Geld zu nehmen. Sowas spüre ich immer, wenn jemand nett und herzlich ist. Mit denen bin ich dann auch wirklich länger und enger befreundet, als dass man auf der Bühne nur "Hallo" zueinander sagt. Ja, und über diesen Weg bin ich dann auch bei der Produktion des "Potschka/Perxon"-Albums dabei gewesen.
In der populären Musik wurde eine Zeitlang sehr viel mit Bläsersätzen gearbeitet. Ich habe so das Gefühl, dass das gerade in der letzten Zeit etwas rückläufig ist. Täusche ich mich da, ist das nur so ein Gefühl von mir oder bekomme ich einfach nur die falschen Platten auf den Tisch?
Ein bisschen Recht hast Du schon. Aber andererseits schwankt das auch ein bisschen und vielleicht hast Du ja wirklich die falschen Platten gehört. Wenn ich mir beispielsweise die letzten SEEED-Alben anhöre, da rumpelt es ohne Ende mit Bläsern. Bei CULCHA CANDELA sind auch Bläser drauf, da habe ich auch mitgespielt. Es gibt immer ein paar Wellen, das stimmt, aber letztlich hupen die Bläser nach wie vor überall mit. Du darfst bei der Betrachtung nicht vergessen, Bläser sind ja in gewisser Weise auch Luxus. Wenn eine Band auf Tour geht und plötzlich einen kompletten Bläsersatz mit dabei hat, hast Du sofort für Hotel, Catering, Fahrkosten usw. ein paar Tausender mehr an der Backe, als wenn Du das alleine stemmst und die Bläser vielleicht vom Computer einspielst.
Es gibt ja nicht nur den Musiker Ferry Grott, sondern auch den Produzenten. Über Dein Mischpult liefen schon Sachen von Dirk Zöllner, Bürger Lars Dietrich oder POLKAHOLIX. Wann hast Du denn das erste Mal als Produzent gearbeitet und für wen war das?
Das erste Mal habe ich für meine eigene Band GROOVEBUSTERS produziert. Bereits Ende der 80er Jahre habe ich bei einigen Studioproduktionen rüber geäugt, um zu sehen, was die da wie machen. Klar, damals lief es noch anders, da waren noch Bandmaschinen im Einsatz. Aber interessiert hat mich das schon damals. Irgendwann kam dann mein Schlagzeuger Roger Heinrich während einer GROOVEBUSTERS-Tour auf die Idee, man könnte ja mal ein Album aufnehmen. Ich fand die Idee grundsätzlich gut, aber es war auch eine finanzielle Frage. Wir mieteten uns einen Raum in der Kulturbrauerei, später wurden aus einem Raum drei, wo wir dann meine erste selbstkomponierte CD mit den GROOVEBUSTERS produziert haben. Auf der Tour haben wir die natürlich auch verkauft. Kurz danach lernte ich Bürger Lars Dietrich kennen und ich produzierte mit ihm meine zweite CD. Aus dem anfänglichen Hobby wurde nach und nach ein richtiger Job. Das Studio wurde immer größer, ich erweiterte ständig das Equipment. Die Einnahmen aus den Produktionen wurden auch nicht etwa "versoffen", sondern wieder reinvestiert. So nahm das alles seinen Lauf.
Abseits der MODERN SOUL BAND hast Du für drei Jahre bei den POLKAHOLIX mitgespielt. Im letzten Jahr wurde diese Beziehung beendet. Warum bist da wieder raus?
Das hat zweierlei Gründe. Der erste: es ist anstrengend, da mitzuspielen. Die sind ja europaweit unterwegs und man ist da für einen einzigen Gig manchmal zwei bis drei Tage unterwegs. Und nach zwei Stunden Trompete bei den POLKAHOLIX, wo Du ja nebenbei auch noch tanzt und singst, weißt Du wirklich, was Du getan hast. Ich bin ja nun mal schon über 50 und habe überlegt, wenn ich jetzt alle meine Energie in diese Band investiere, bleibt keine Zeit und Kraft mehr für meine eigenen Projekte. Dann gibt es ein zweites Problem, welches sich aber gleich hier anschließt: Der Saxophonist und Sänger der POLKAHOLIX, Andy Wieczorek, fragte mich, ob ich in die Band einsteige, weil ich ja auch ein Studio habe und produziere und mal ein bisschen mit dem Staubwedel und Putzlappen über die Songs gehen könnte. Das habe ich auch getan und fleißig neue Songs geschrieben, musste aber irgendwann feststellen, dass ich auf Granit beiße, weil der Chef der Band das gar nicht so wollte. Es gab dann auf musikalischer Ebene einige Unstimmigkeiten und eines Tages spürte ich dann, dass ich irgendwie weiter muss. Meine Frau Iris meinte zusätzlich noch, ich würde immer nur für andere schreiben und spielen und tun und machen, aber sie würde mich auch gerne mal wieder solo hören. Damit hatte sie Recht. Und so kümmere ich mich jetzt verstärkt um mich, arbeite zusammen mit Lars gerade am neuen GROOVEBUSTERS- Album. Wir sind eigentlich schon fertig damit, wollen es aber noch ein bisschen schön machen, deshalb dauert es bis zum Erscheinen noch ein Weilchen. Aber zwei- und dreigleisig fahren schaffe ich kräftemäßig nicht mehr, deshalb konzentriere ich mich jetzt immer nur noch auf eine, meine Sache. Dennoch produziere ich auch das neue Album von MODERN SOUL. Von den POLKOHOLIX habe ich mich dann allerdings wegen der genannten Gründe getrennt. Hätten sich die Jungs von POLKAHOLIX allerdings in meine Hände begeben und wie z.B. Dirk Zöllner gesagt: „Ferry, mach mal so wie Du denkst, produziere uns einfach“, wäre es anders gekommen, meine Arbeit war nicht gefragt, weshalb ich dann diese Entscheidung getroffen habe.
So wie Du es erzählst, ist die Arbeit bei POLKAHOLIX im Vergleich zur Arbeit bei MODERN SOUL so unterschiedlich wie Tag und Nacht. Liege ich da richtig?
Ja, das ist vollkommen richtig. Bei der MODERN SOUL BAND ist es einfacher, ohne dass ich das jetzt näher begründen möchte.
Das Arbeiten mit Deiner eigenen Band, den GROOVEBUSTERS, dürfte ja demnach für Dich die entspannteste Form der Arbeit sein. Wer sind denn die GROOVEBUSTERS heute?
Da spielt der Schlagzeuger der MODERN SOUL BAND, Mathias Fuhrmann, mit. Des weiteren Oliver Bostroem, der ehemalige Gitarrist der ZÖLLNER, aus denen ja die GROOVEBUSTERS entstanden sind. Es war damals Ende der 80er Jahre so, dass Dirk Zöllner auch mal eine Mugge nur zu zweit hatte, wir anderen wollten aber auch auftreten. Wir waren noch sehr jung und spielgeil, deshalb haben wir nebenher eine zweite Band gegründet. Ich sollte als Trompeter im Stile von Miles Davis ganz vorne auf der Bühne stehen. Und seitdem existieren die GROOVEBUSTERS. Am Bass steht der Bassist von MUTABOR, Stephan Zelzer. Ihn lernte ich auf der Tour mit Jeanette Biedermann kennen. Ein super Typ, ein super Bassist. Stephan Bohm spielt natürlich die Posaune. Dann gehört wieder Bürger Lars Dietrich dazu, mit dem ich ja schon mein allererstes Album gemacht habe. Lars ist die letzten Jahre ein bisschen um die Häuser gezogen, fühlte sich aber musikalisch irgendwo so wohl, wie seinerzeit bei uns. Also sagte ich ihm: „Na dann husch husch zurück ins Körbchen!“ Seitdem arbeiten wir wieder zusammen.
Wie heißt das Album und wann kommt es raus?
Den Namen kann ich Dir noch nicht sagen, aber wahrscheinlich wird es „Berlin“ heißen, da ein Titel so heißt. Außerdem ist es noch nicht ganz fertig und wir haben dafür auch noch keinen Plattendeal abschließen können. Produziert habe ich die Platte natürlich, aber jetzt müssen wir um die Häuser ziehen und nach einem geeigneten Partner suchen, denn die Platte allein veröffentlichen ... Ja, kann man machen, aber es ist immer besser, wenn man jemanden dafür hat, der nicht nur Kohle hat, sondern auch einen gewissen Druck macht. Es gibt ja fast nur noch UNIVERSAL MUSIC und SONY. Denen werden wir unser Produkt anbieten. Normalerweise sollte das Album noch in diesem Jahr erscheinen, aber es wird sich ziehen, wir wollen schließlich alles richtig machen.
Wenn wir über neue Musik bei den GROOVEBUSTERS sprechen, müssen wir auch über neue Sachen bei der MODERN SOUL BAND sprechen. Gibt es da was in der Pipeline? Wann kommt wieder was in die Plattenläden?
In zwei Jahren feiern wir „50 Jahre MODERN SOUL BAND“. Unglaublich. Da wird natürlich ein neues Album erscheinen. Momentan sind wir mitten bei der Arbeit eines neuen Albums. Fünf bis sechs Nummern habe ich so halbwegs fertig, aber es ist auch da immer noch etwas zu ändern. Da kommt noch ein Solo rein, hier wird etwas ausgewechselt, also es gibt noch genug zu tun. Auch Hugo Laartz steuert neue Songs bei und er ist noch kräftig am Schreiben. Wir haben übrigens auch Gäste dabei. Uschi Brüning und Regine Dobberschütz werden mitmachen, Peter Pabst von JONATHAN wird dabei sein, Michael Barakowski und einige mehr. Aber es zieht sich alles noch ein Weilchen, es ist ja auch noch Zeit. Im Sommer 2018 gehen wir jedenfalls auf Tour mit einer Riesenbesetzung, auch die Gäste werden mit dabei sein. Bis dahin ist das Album mit Sicherheit schon auf dem Markt.
Du hast also das Auge immer ein wenig auf der Moderne, willst gerne mal etwas verändern. Wird denn das neue MODERN SOUL-Album eher klassisch klingen oder dann doch etwas neuer arrangiert sein?
Beides. Der Großteil der Songs kommt ja von Hugo. Und Hugo ist ein alteingesessener Meister, der im klassischen Sinne Soulmusik macht. Da das Ganze bei mir übers Mischpult geht, habe ich natürlich auf viele Sachen Zugriff und tausche auch den einen oder anderen Sound mal aus, das bekommt Hugo manchmal gar nicht mit. Dadurch wird es jedenfalls ein bisschen moderner. Im Grunde wird es aber wirklich klassisch nach MODERN SOUL klingen - im Sound von heute, da man ganz andere Technik zur Verfügung hat als noch vor zwanzig Jahren.
Ab und an läuft man sich ja bei facebook über den Weg. Da sehe ich bei Dir immer, wo Du gerade privat als Konzertgast unterwegs bist. Wo liegen Deine musikalischen Vorlieben? Was hörst Du selbst gerne und welche CD hast Du Dir zuletzt gekauft?
Ich lege ja manchmal auch auf und Du wirst es mir nicht glauben, aber ich liebe House und Techno! Es gibt überhaupt sehr wenige Musikrichtungen, die ich gar nicht gern höre. Dazu gehört z.B. Dixieland, damit kann ich nichts anfangen. Grundsätzlich höre ich jede Musik gerne, die gut gemacht ist. Sehr gerne höre ich mir aber auch Gustav Mahler und Bruckner an. Aber ich höre auch liebend gerne eine gute Popnummer. Ich weiß gar nicht, was die Leute immer gegen Helene Fischer haben! Das ist eine Pop-Maus, die ihre Mucke macht. Nicht dass Du mich falsch verstehst, ich habe keine Platte von Helene zu Hause. Aber was bitte schön will man denn noch? Da ist ein gut aussehendes Mädel, die tanzt und singt, hat ein Orchester dabei, macht einen auf Lasershow und Nebel, mehr geht doch nicht. Und ob nun Rhianna oder Madonna ... egal, solange das gut gemacht ist. Und meine letzte CD? Ehrlich gesagt kaufe ich mir kaum noch CDs, sondern ich lade mir das Zeug lieber runter. Natürlich gegen Bezahlung. Da war das letzte was ich mir gegönnt habe eine Platte von Uschi Brüning und Manfred Krug. Ich bin übrigens auch ein absoluter Mozart-Fan und hole mir von ihm und natürlich auch anderen gerne mal klassische Musik.
Nun haben wir eine Stunde lang über Deine Karriere geplaudert. Wie geht es weiter mit Dir, was hast Du für Zukunftspläne?
Ich werde auf jeden Fall mit meiner Tochter Stella Tamara Schiller ein paar Sachen machen. Sie ist nicht nur zwanzig Jahre jung, sieht toll aus und singt hervorragend, sondern sie komponiert auch erstklassig. Wenn meine Tochter, die leider in München lebt, mal bei mir in Berlin ist und einfach anfängt zu singen, frage ich mich manchmal, wieso zum Teufel mir solche Melodien nicht einfallen! Das ist irre, was sie für Ideen hat. Das würde ich gerne vorantreiben. Du siehst ja auch an der Geschichte mit der neuen MODERN SOUL-Produktion ... da habe ich jetzt noch ein gutes Jahr zu arbeiten. Länger planen ist riskant, weil man ja nie genau weiß, was passiert. Bleibt man gesund? Lernt man vielleicht neue Musiker oder neue Menschen kennen? Wie entwickeln sich die Musikrichtungen? Auf jeden Fall will ich meine eigene Band nach vorne bringen. Und natürlich will ich mit Angelika Weiz nicht nur diese angesprochene Weihnachts CD herausbringen, sondern wir wollen im nächsten Jahr zusammen etwas in Richtung Jazz, Soul, Gospel machen. Es soll eine CD werden, wozu ich sie aber lange überreden musste, da Angelika wirklich sehr lange nichts mehr produziert hat. Das sind meine nächsten Projekte, die mir vorschweben.
Dafür wünsche ich Dir viel Erfolg und viel Spaß! Möchtest Du zum Abschluss noch ein paar Worte an unsere Leser richten? Hast Du noch eine Botschaft für Sie?
Ich finde es vor allem toll, dass es die Seiten von Deutsche Mugge gibt. Ich denke, Ihr seid in der heutigen Zeit einzigartig mit dem, was Ihr macht. Wenn man z.B. etwas nachschlagen will oder sucht, findet man wirklich über jeden und alles bei Euch etwas! Ihr habt ein sehr übersichtliches Archiv und ich bin natürlich froh, dass ich jetzt mit unserem Interview ein Teil dieses Archivs geworden bin. Ich kann Euch nur alles Gute wünschen, bleibt dran. Und wenn man eines Tages nicht mehr da ist, bleibt vielleicht ein Stückchen stehen und übrig. Deshalb auch mal von Seiten eines Musikers ein ganz großes Dankeschön an Euch und für Eure Arbeit!
Interview: Christian Reder
Bearbeitung: tormey, cr
Fotos: Archiv Ferry Grott, Ferry Grott privat, Kora Polster, Uti Saxo, Tilo Müller, Roland Lybor
Bearbeitung: tormey, cr
Fotos: Archiv Ferry Grott, Ferry Grott privat, Kora Polster, Uti Saxo, Tilo Müller, Roland Lybor