Hugo Laartz
von der
MODERN SOUL BAND
Die MODERN SOUL BAND wird in diesem Jahr 45 Jahre alt. Das wird am 20. Juli 2013 im Rahmen des 18. Köpenicker Blues & Jazzfestivals 2013 im Rathaushof in Berlin-Köpenick mit einem Konzert gefeiert. Bandchef Gerhard 'Hugo' Laartz feiert 9 Tage später seinen 73. Geburtstag. Gerade ist er von Spanien zurück nach Deutschland gezogen, so dass er die beiden "Feiertage" entspannt vor der eigenen Haustür begehen kann. In 45 Jahren ist eine Menge passiert. Die MODERN SOUL BAND, und mit ihr Hugo Laartz, haben eine ganze Menge erlebt. Musiker kamen, Musiker gingen. Mehr als in anderen Bands. Seine Band war das Sprungbrett für viele große Karrieren. Sängerinnen und Sänger, ebenso wie alle Arten von Musikern, spielten bei Hugo und der MSB, bevor sie als Solisten oder in anderen Bands große Erfolge feiern konnten. Die MODERN SOUL BAND blieb sich über die Jahre aber immer treu. Die Musik hat sich nie verändert - vielleicht mal kurz in den 80ern - und das lieben die Fans an ihrer Band. Es gab viele Anlässe zum Feiern, aber auch viele Momente, in denen die Trauer die Freude ablöste. Aber nur kurzzeitig, denn die Freude am Musizieren und am Live-Spielen ist über all die Jahre nicht weniger geworden. Die MODERN SOUL BAND ist möglicherweise die einzige Band in Deutschland, die ihren Namen zurecht trägt. Soul kommt nie aus der Mode. Darum ist und bleibt sie "modern". Und die Band, die sie spielt, tut dies mit Begeisterung, die sich immer auch auf das Publikum überträgt. Ein beachtliches "Dienstjubiläum" mit 45 Jahren wollen wir ebenso feiern, wie einen "unrunden" Geburtstag des Mannes, der die MODERN SOUL BAND erst möglich machte und sie über die Jahre am Leben hielt. Darum haben wir Hugo Laartz zu uns eingeladen, um mit ihm über die Erlebnisse mit der MODERN SOUL BAND, über das bevorstehende Jubiläumskonzert in Berlin und über allerlei andere Dinge zu plaudern ...
Die Musikerkollegen und Deine Fans nennen Dich HUGO, obwohl Du ja eigentlich Gerhard heißt. Ist das Dein Spitzname oder der zweite Vorname im Pass?
Das ist mein Spitzname. Den hat mir ein Schulkamerad in der 4. Klasse verpasst. Der sagte: "Gerhard gefällt mir gar nicht, ich nenne Dich ab jetzt Hugo". Damit war ich einverstanden. Bis heute bin ich den Namen aber auch nicht mehr los geworden.
Vor kurzem bist Du von Spanien wieder zurück nach Berlin gezogen. Hattest Du genug von der Sonne und dem Mittelmeer?
Wir hatten ja sowieso vor, wieder zurückzukommen. Die spanische Staatsbürgerschaft hatten wir ohnehin nicht. Leider wurden die Pläne zur Rückkehr nach Deutschland durch den Tod meiner Frau beschleunigt und so war ich schneller wieder in Berlin, als geplant.
Wer direkt in Berlin oder zumindest in der Nähe wohnt, hatte in den letzten Jahren das Glück, die MODERN SOUL BAND mal live erleben zu können. Eure Fans im Süden, Osten und Westen schauten da immer in die Röhre. Wird es in Zukunft wieder vermehrt Konzerte der MODERN SOUL BAND geben, da Du nun ja wieder fest in Berlin wohnst?
Das weiß ich nicht. Auf jeden Fall ist natürlich der Zugriff für sämtliche Kollegen einfacher, genau wie die Organisation von Konzerten. Bisher waren die Muggen sehr kostenaufwendig, denn ich musste ja immer erst mit dem Flieger von Spanien hierher kommen. Das war aber eigentlich kein großes Handicap, denn so viel spielen wir ohnehin nicht mehr. Die meisten Bandmitglieder sind ja auch mit Studioarbeit beschäftigt, sind als Lehrer tätig oder sind schon Rentner usw. Und die Nachfrage ist auch nicht mehr so groß, weil wir vom Kommerz etwas weiter entfernt sind, als andere Bands. Mit der Musik, die die Leute heute oft hören wollen, haben wir halt nicht viel am Hut.
Ende des Monats feierst Du Deinen 73. Geburtstag und kannst auf eine ziemlich lange Karriere zurückblicken. Wie war das damals in Deiner Jugend? Was war Deine Lieblingsmusik? Und wie hat die Jugend in den Fünfzigern die Musik für sich entdeckt?
Damals gab es ja noch keine Rockmusik, das war alles mehr oder weniger Schlager. So richtig ging das mit der Rockmusik erst mit BILL HALEY und ELVIS los. Da begannen die Eltern zu sagen: "Das ist ja eine verrückte Musik. Und erst die Haare...!" Damit begann die Rock'n'Roll-Zeit. ELVIS war nicht so unser Ding, aber BILL HALEY haben wir nachgespielt. Der hatte ja auch eine Band, also nahm man sich seinerzeit eine Gitarre und versuchte, die Songs nachzuspielen. Eigene Titel kamen natürlich überhaupt nicht in Frage, es wurde nur gecovert.
Du selbst hast nach der Schule einen normalen Beruf erlernt, Du bist Fernmeldemechaniker geworden. War das Dein Berufswunsch oder bist Du irgendwie dazu gekommen?
Nein, mein Berufswunsch war das nicht. Aber ich war der Sohn eines Handwerkers und da stand Musik nicht wirklich zur Diskussion. Schon gar nicht dachte man daran, damit auch mal Geld verdienen zu können. Mein Vater sagte: "Lerne erst mal was Vernünftiges und dann kannst Du meinetwegen nebenbei Musik machen". Das konnte ich natürlich anfangs auch nicht alleine entscheiden.
Du sagtest eben, Du hast zur Gitarre gegriffen, als die Rockmusik aufkam. Hast Du Musikunterricht genommen?
Nein, das war alles autodidaktisch. Die Harmonien haben wir uns selber raufgedrückt. Die einfachen Melodien von BILL HALEY konnte man ja durchaus nachvollziehen, dafür haben unsere Fähigkeiten ausgereicht. Gesungen haben wir auch ein bisschen und daraus resultierte dann zu meiner Lehrzeit die Gründung der MUSIC STROMERS. Die entwickelten sich nach und nach immer weiter. Zuerst machten wir Skiffle-Musik, dann dieses und jenes. Geprobt haben wir im "Haus der jungen Talente". Anfang der Sechziger hatten wir dann gleich Auftritte in der Sowjetunion, spielten in Moskau, Kiew und Sotschi. Wir gingen dann sogar zum Musikunterricht. Parallel zur Musikhochschule gab es eine Schule mit einer Spezialklasse, an der man seinen Abschluss als Berufsmusiker machen konnte. Es war ja in der DDR nicht möglich, dass man einfach seinen Beruf aufgab und anfing, Musik zu machen. Nein, hier musste man immer erst ein Zertifikat und einen Lehrabschluss, also eine Berufsausbildung nachweisen. Das hatten die meisten gemacht und konnten somit ihren Job als Berufsmusiker ausüben.
Waren die MUSIC STROMERS Deine erste Band oder gab es vorher schon was?
Ja, das war meine erste Band. Das ging bis 1968. Ich hatte Top-Leute in der Band, zum Beispiel Herbert Dreilich. Den hatte ich auf Empfehlung aus Halle/Saale geholt, weil mein Gitarrist nach seiner Armeezeit zu Günther Fischer gegangen ist. Bis zum Verbot der MUSIC STROMERS spielte Dreilich bei mir.
Hatten die MUSIC STROMERS auch eigene Songs oder wurde nur gecovert?
Die DDR hatte damals einfach noch nicht das Potential ihrer Musiker erkannt. Die konnten zwar alle berufsmäßig Musik machen, aber eigene Titel hatte kaum jemand, auch wir nicht. Das machte auch anfangs keinen Sinn, weil man das im Radio ohnehin noch nicht gespielt hätte. Die Jugendlichen sind uns noch fleißig hinterher gezottelt, denn in vielen Ortschaften gab es noch kein Westradio. Dementsprechend groß war der Andrang auf unseren Konzerten und manch ein Bürgermeister war mächtig überfordert, wenn so eine Kapelle in seinen Ort kam. Das wollten die halt nicht. Erst nach 1968 begann das Umdenken. Da wurde die Produktion eigener Titel endlich unterstützt. Plötzlich war man durch die Unterstützung der Medien in der DDR eine richtige Rockgröße. Was dabei heraus kam, weiß man ja. Die PUHDYS wurden gegründet usw. Das war dann okay. Dann begann ja allmählich auch die BEATLES-Ära. Auch hier spielten wieder alle Bands die Nummern nach. Bei den MUSIC STROMERS ging es dann aber so ganz langsam los mit eigenen Titeln. Wir brachten die ganz nebenbei im Programm unter. Ansonsten haben wir natürlich auch nur die großen Hits gespielt. Vor allem im "Tal der Ahnungslosen", also in Dresden und Umgebung, wo die Leute ja nun gar keine Chance hatten, Westfernsehen oder Westradio zu empfangen, freute man sich natürlich mächtig darüber.
Kannst Du Dich noch an Deinen allerersten Auftritt als Musiker erinnern? Wann und wo war das genau?
Nein, das weiß ich nicht mehr so genau. Mein Vater schickte mich mit sieben Jahren zum Klavierunterricht. Damals war Hausmusik sehr angesagt und so haben wir oft im Bekanntenkreis gespielt. Wir machten ein Trio auf, was in Richtung 3 TRAVELLERS ging. Ganz am Anfang spielten wir Musik von HAZY OSTERWALD und all so was, bevor es dann mit dem Rock'n'Roll richtig losging. Als erste Amateurband hatten wir dann Anfang der Sechziger ein vierwöchiges Gastspiel im Friedrichstadtpalast. Das war schon ein erhebendes Gefühl, denn in dieses Haus passten ja ein paar tausend Leute rein.
Wie war das eigentlich möglich, dass Ihr so kurz nach dem Krieg und bei der damaligen politischen Lage in der DDR diesen englischsprachigen Bandnamen MUSIC STROMERS nutzen konntet? Gab es da keinen Druck von oben?
Natürlich. Sogar in der "Melodie & Rhythmus" wurde offiziell gefragt, warum diese Kapelle sich MUSIC STROMERS nannte. Das wäre doch kein Name im DDR-Sinne, sondern das seien nur Anglizismen und Habitus. Wir wurden also schon dafür kritisiert. Aber dann gab es einen Gegenartikel von AMIGA, da kannten wir jemanden recht gut. Und danach konnte sich an unserem Namen niemand mehr stoßen. Später gab es ja dann auch "DIE BUTLERS", woraus sich später RENFT entwickelte. Die meisten anderen Bands hatten eigentlich Namen, die sich auf ihre Mitglieder bzw. Bandleader bezogen. Und bei den SPUTNIKS konnte sich natürlich keiner aufregen. Bei uns erregte man sich jedenfalls mächtig wegen des Namens. Und man störte sich auch daran, wie wir aussahen und rumliefen. Aber wenn ich mir heute Bilder von damals ansehe, stelle ich fest, dass wir überhaupt keine langen Haare hatten. Doch so ist es ja heute noch, die ältere Generation regt sich immer über die jüngeren Leute auf. Heute sind es halt die Piercings und all so was.
Hatte von der ersten STROMERS-Besetzung jemand musikalische Vorkenntnisse?
Mit Gunter Stein ging ich schon zusammen in die Lehre. Ich sagte zu ihm, er solle es doch mal mit Schlagzeug probieren und dann hat er sich das auch ganz allein beigebracht. Von den anderen Bandmitgliedern war der eine oder andere musikalisch durchaus begabt, manche hatten auch schon etwas privaten Musikunterricht. Aber schnell kristallisierte sich heraus, dass das nicht ausreichte, um weiterzukommen. Weiterbildung war also angesagt, denn die Titel wurden allmählich anspruchsvoller. Und zwangsläufig waren dadurch Wechsel innerhalb der Band angesagt.
Wer gehörte denn außer Gunter Stein noch zur STROMERS-Besetzung?
Peter Schadetzky, der spielte Klavier. Ich habe dazu die Rhythmusgitarre gespielt und auch gesungen. Ich war sozusagen der zweite Gitarrist der STROMERS und Herbert Dreilich spielte die Leadgitarre. Jochen Gleichmann, der eigentlich von Hause aus Trompeter war, stand bei uns an der Orgel. Das sahen wir alles nicht so verbissen.
Du sagtest ja eben, die MUSIC STROMERS hielten sich bis 1968, ehe auch diese Band vom Verbot getroffen wurde, das man damals ja gegen zahlreiche Beatbands verhängte. Welche Begründung gab man Euch für das Verbot der STROMERS?
Es lag einfach daran, dass viele Bands damals durch ihren Bekanntheitsgrad für riesige Menschenaufläufe sorgten. Die Jugendlichen reisten oft von weit her zu den Konzerten an, lagen dann in ihren Parkas irgendwo auf den Plätzen rum. Das war nichts für den normalen DDR-Bürger. Der wurde verrückt, wenn irgendwo so eine Band auftrat, weil es pures Chaos war. Dann hast Du von einem Landkreis zum nächsten Spielverbote bekommen. Heute hieß es, Ihr dürft nicht mehr in Karl-Marx-Stadt auftreten, morgen war der Bezirk Cottbus für uns als Band verbotene Zone. Die kamen einfach mit den Massen nicht klar, die auf die Konzerte kamen. Natürlich wurde auch Alkohol verkonsumiert und dann lagen überall die Flaschen rum. Das passte nicht ins saubere Bild, welches die Bonzen von unseren Städten vermitteln wollten.
Was wurde nach dem Verbot aus den Bandmitgliedern?
Ich bekam nach dem STROMERS-Verbot die Auflage, keine neue Band aufzumachen. Herbert Dreilich ging dann zu PANTA RHEI, mein Bassist Wolfgang "Eddi" Greiser landete bei Günther Fischer. Ich selbst spielte bei anderen Bands...
Genau, Du hattest z. B. ein kurzes Intermezzo als Bassist bei der MICHAEL-FRITZEN-COMBO.
Richtig. Der Michael Fritzen sprach mich an, ob ich nicht Lust hätte, bei ihm Bass zu spielen. Also versuchte ich es einfach, ich kaufte mir einen Höfner-Bass und hörte mir das Repertoire der Band an. Wir spielten dann einen ganzen Monat lang auf der Seebrücke Sellin (Rügen). Das heißt, wir sollten dort spielen, aber auf einmal griff der berühmte Ausspruch nach uns: "Drei Worte genügen: Runter von Rügen!" Wir hatten jetzt also urplötzlich auch ein Auftrittsverbot auf Rügen bekommen.
Wie ging es weiter?
Mich sprach dann Eugen Hahn an, der Bassist bei KLAUS LENZ war, ob wir nicht irgendwas in Richtung Soul machen wollen. Diese Art Musik war für mich Neuland, das hatte ich vorher nie gespielt. Das ging ja sogar ein bisschen in die Jazz-Richtung, was ja vorher bei meinen Bands nicht so ausgeprägt war.
Ihr habt dann das MODERN-SEPTETT gegründet. Wer gehörte in der Anfangszeit dazu?
Ganz am Anfang machte Gunther Wosylus, der spätere PUHDYS-Drummer, bei uns mit. Eugen Hahn übernahm den Bass und ebenfalls von Anfang an war als Sänger Klaus Nowodworski dabei. Kurzzeitig spielte Günter Dobrowolski die Gitarre, später übernahm Hansi Biebl die Gitarre. Andreas Altenfelder war unser Trompeter. Als der die Fliege machte, hieß unser neuer Trompeter Jochen Gleichmann und am Saxophon stand Jürgen Fritsch. Ein Jahr später gehörte dann auch Conny Bauer zu uns. 1970 entschieden wir uns dann dazu, das Wort SEPTETT wegzulassen und uns stattdessen MODERN SOUL BAND zu nennen.
Euer erster Sänger war Klaus Nowodworski, Du hast es ja eben gesagt. Wie habt Ihr Euch kennengelernt, wie kam Klaus zu Euch?
Durch einen Veranstalter. Der meinte mal zu mir, er würde einen Sänger mit einer tollen Soulstimme kennen, der würde gut zu uns passen. Das sollte so in Richtung James Brown und Otis Redding gehen. Ich kannte Klaus vorher nicht, aber es hat mit ihm gleich geklappt.
Klaus Nowodworski, der ja leider 2001 gestorben ist, gehörte zu den Sängern mit einem hohen Wiedererkennungswert. Er hatte einen eigenen und prägenden Stil, trotzdem war er immer ein Teil des Ganzen. Wie habt Ihr es geschafft, einen solchen Ausnahmekünstler so einzubinden, dass das Gleichgewicht gehalten wurde?
Er kam ja nicht als DER STAR zu uns. Klaus war vorher Sänger in einer anderen Band. Das Charakteristische, was ihn auszeichnete, wurde dann ja auch durch die MODERN SOUL BAND mitgeprägt. Deshalb war er von Beginn an ins Bandgefüge integriert und es hieß nicht KLAUS NOWODWORSKI & BAND, sondern wir hießen MODERN SOUL BAND. Das war was anderes, als wenn man einen schon fertigen Superstar einkauft. Nimm nur mal Veronika Fischer als Beispiel. Da hieß es dann eben VERONIKA FISCHER & BAND. Aber die ganzen anderen Gruppen wie LIFT oder electra, die ebenfalls gute Sänger wie Stephan Trepte hatten, die behielten alle ihren Bandnamen bei. Im Westen war es ja ähnlich, da gab es in den meisten Fällen auch nur echte Bandnamen wie BEATLES oder ROLLING STONES. Ausnahmen bildeten höchstens solche speziellen Gruppen, wie die SPENCER DAVIS GROUP.
Wie es kam es dazu, dass es über die Jahre so ein starkes Kommen und Gehen bei der MODERN SOUL BAND gab? Viele Musiker stiegen ein, dann stiegen sie wieder aus - Ihr habt eine ellenlange Liste an Musikern.
Die Leute, die zu mir in die Band kamen, waren ja meistens schon gute Musiker, die dann auch mal was Eigenes aufziehen wollten. Nimm als Beispiel Conny Bauer. Dem hat es bald nicht mehr ausgereicht, was wir zelebrierten. Der wollte selber kreativ sein und hatte zunächst eine Jazzband parallel zu uns, in der er sich richtig austoben konnte. Wir sprachen dann miteinander über seine Wünsche, aus musikalischen Gründen bei MODERN SOUL auszusteigen.
Ein weiteres großes Problem: Wir waren kein Reisekader. Erst 1988 konnten wir unser erstes Gastspiel im Westen machen, das war in Dänemark. Aber es war wirklich ein langer und schwieriger Weg bis dahin. Dadurch sind mir auch viele gute Musiker abgesprungen. Die bekamen von anderen Bands, die ins westliche Ausland fahren durften, irgendwelche Angebote. Auch mit Hansi Biebl und Klaus Nowodworski gab es schon bald Probleme, denn das waren ja schon immer zwei ganz eigenwillige Typen. Hansi Biebl machte dann sein Trio auf und konnte sich so austoben, wie er wollte. Also entweder sind die Leute von MODERN SOUL weg, weil sie sich dort nicht genügend weiterentwickeln konnten oder sie bekamen von anderen Bands, die in den Westen durften, Angebote. Aber diese anderen Bands waren meistens vom Niveau her nicht wirklich besser als die MODERN SOUL BAND, sondern die durften aus politischen Gründen reisen. Es gab Fälle, da sind Musiker von uns weg zu einer simplen Unterhaltungskapelle, nur weil die für vier Wochen in einem Hamburger Pub spielen durften. Da zog also die Banane mehr, als die Musik.
Es gab ja auch mal eine Fusion zwischen Klaus Lenz und MODERN SOUL. Das ganze nannte sich dann KLAUS-LENZ-MODERN-SOUL-BIG-BAND. Ein richtig langer Name. Wer hatte die Idee dazu?
Ich persönlich wäre gar nicht darauf gekommen. Die eigentlich Idee dazu kam von Klaus Lenz. Der war schon immer recht experimentierfreudig und hatte auch schon immer mit großen Formationen gearbeitet. Dem ging es ähnlich wie mir, weil er ja noch viele schärfere und größere Musiker hervorbrachte. Zum Beispiel hätte ein Manfred Krug ohne seine Zeit bei Klaus Lenz wahrscheinlich niemals einen solchen Namen als Musiker, wie er ihn heute hat. Man könnte die Liste beliebig fortsetzen. Ob das nun Günther Fischer war, Ulrich Gumpert, Uschi Brüning, Reinhard Lakomy - die waren alle bei Lenz. Bei MODERN SOUL war es ja so, dass wir Anfang der Siebziger unheimlich abräumten. Wir liefen wie der Teufel im Rundfunk, denn wir produzierten dort schon früher, als die PUHDYS. Wir schafften es mit unserer Musik sogar in die Hitparaden, wir traten oft bei "rund" auf usw. Bei Klaus Lenz war das ein bisschen anders, der fuhr eine andere Schiene. Der war nicht so rockig wie wir, sondern seine Musik war eher jazzig ausgelegt. Kommerziell konnte Lenz damit natürlich alleine nicht so viel bewegen, wie wir. Also fragte mich Klaus eines Tages, ob wir uns nicht einfach mal zusammenschmeißen wollen mit unseren Bands. Mit diesen Solisten in unseren beiden Gruppen waren dann logischerweise volle Häuser vorprogrammiert. Das war gut. Diese Tournee haben wir dann auch zweimal gemacht.
Wenn ich mir das so vorstelle, frage ich mich, wie Ihr das live umgesetzt habt. Standen da plötzlich dreißig Leute auf der Bühne oder wie sah das Liveprogramm aus?
Lenz hatte natürlich hervorragende Pianisten, so dass ich mich plötzlich in der Bläsergruppe neben Conny Bauer und Sieghart Schubert wiederfand und Ventilposaune spielte. Ich nahm dann Posaunenunterricht, obwohl ich eigentlich schon bei MODERN SOUL manchmal in einem Viererbläsersatz, u. a. mit Conny Bauer, Ventilposaune spielte. Von daher war ich also schon etwas vorbelastet, so dass ich zu Lenz sagen konnte, er solle mir mal ein paar Noten aufschreiben und ich würde mich dann da rein hängen. Das Problem war somit gelöst. Zumindest 1973 auf der ersten Tournee. Die Bassisten lösten sich ab, mal spielte der, mal der. Den Gitarristen brachte ich mit und da Lenz zu der Zeit damals auch keinen Drummer hatte, kam der auch aus meiner Band. Das war also die erste Besetzung unserer Big Band.
Du sprachst von zwei Tourneen. Was war der Unterschied zur ersten Tour?
Zur zweiten Tour 1976 traten wir mit zwei Keyboardern auf. Der eine spielte nur Orgel, der andere nur Klavier. Überhaupt war das diesmal ein Riesenaufwand. Wir zogen nämlich mit sechs Gesangssolisten durch die Lande. Das waren Stephan Trepte, Klaus Nowodworski, die "Lütte", Uschi Brüning, Holger Biege und noch irgendwer. Wir spielten ein wunderbares Abschlusskonzert im damaligen Palast der Republik, worüber es meines Wissens sogar eine LP gab.
Die erste LP der MODERN SOUL BAND erschien 1977. Da wart Ihr aber schon sieben Jahre unter diesem Namen und insgesamt neun Jahre unterwegs.
Das stimmt, das war die Platte mit Regine Dobberschütz und das ganze war ein Livemitschnitt aus Gotha. Aber vorher gab es schon diverse Singles, wie z. B. den "Novemberblues".
1982 verließ Klaus Nowodworski die Band. War das nicht ein schwerer Schlag und schmerzhafter Verlust für Dich und die Band?
Eigentlich nicht, denn mit Klaus eskalierten damals einige Dinge. Wir spielten natürlich anfangs noch die ganzen Soul-Hits, denn Soulmusik war damals richtig angesagt. Deshalb waren wir auch nicht die Einzigen, die mit Bläsern gearbeitet hatten. Als aber der erste große Soul-Boom vorbei war, schmissen die anderen alle ihre Bläser wieder raus. Nur ich machte das nicht, denn ich bin da etwas beständiger. Ich wusste, wenn wir die Bläser rauswerfen, sind wir nicht mehr die typische Soulband, denn der Sound wäre nicht mehr gegeben. Klaus war aber der Meinung, wir müssten was anderes machen. Ich versuchte, ihm zu erklären, dass uns das niemand abnehmen würde, wenn wir plötzlich andere Musik machen würden. Das funktioniert nicht. Also sagte ich ihm, wenn er eine andere Musikrichtung machen will, muss er sich halt eine neue Band suchen. Ich bleibe jedenfalls bei meinen Prinzipien, keine Bläser rauszuschmeißen. Dummerweise wurden wir auch nicht mehr so häufig gebucht, andere Bands machten eben mehr Muggen, als wir. Es ist doch so, dass jede Band und jede Musik ihre Epochen und ihre Zeit hat. Bei uns war also gerade etwas Flaute, während andere richtig abräumten, Muggen machten und fleißig produzierten. Natürlich sagte man mir dann von allen Seiten, "Du musst moderner werden! Was Du da machst, ist doch Scheiße." Jeder wollte mir irgendwie reinreden. Also trennten Klaus und ich uns. Danach holte ich Christian Schmidt als neuen Sänger zu MODERN SOUL. Ich glaube, der kam von der SIEGHART SCHUBERT COMBO. Aber vorher machte er wohl auch schon Soul und galt als JOE COCKER aus Pankow.
Mit Christian Schmidt hattet Ihr plötzlich so was, wie einen "zweiten Frühling"...
Das stimmt. Nachdem Christian sich richtig eingefummelt hatte bei uns, fing es noch mal richtig an, zu brummen. Wir bekamen wieder richtigen Auftrieb. Es folgten eine LP, diverse Live-Mitschnitte, unsere Jubiläumskonzerte im Fünf-Jahres-Rhythmus und wir wurden sogar zum Schlagerfestival geschickt. Mit "Ideale" hatten wir dort auch einen Bombentitel, der von Micha Sellin getextet wurde. Es reichte immerhin zum 2. Platz, und wir gewannen auch noch den Kritikerpreis. Es ging aber noch weiter, wir machten einen Monat lang eine Revue mit Helga Hahnemann, spielten auch beim "Festival des politischen Liedes". Damit hatte sich mein Festhalten an den Bläsern übrigens als die richtige Entscheidung erwiesen, denn es kamen noch mal richtige gute Songs von uns heraus, die auch Erfolg hatten.
Klaus Nowodworski verließ also von sich aus und freiwillig die Band?
Ja, Klaus ging von sich aus, weil wir beide unterschiedlicher Meinung waren, was den weiteren Weg der MODERN SOUL BAND betraf. Ich beharrte darauf, dass MODERN SOUL bleibt, wie es ist. Wir hatten danach auch ein oder zwei Jahre lang keinen Kontakt. Klaus driftete danach als Solist oder auch Duett-Sänger in Richtung Schlagerszene ab, was für mich gar nicht ging. Das war ohne Ende kommerziell, aber Klaus musste ja auch irgendwie Geld verdienen. In einer anderen Band hat er übrigens nach MODERN SOUL auch nie wieder gesungen.
Man kann also sagen, durch den Ausstieg von Klaus Nowodworski seid Ihr zurück in die Erfolgsspur gekommen?
Genau. Wir hatten dann auch zwei riesige Tourneen durch die UdSSR und waren plötzlich wieder richtig im Gespräch, das war schon komisch. Das sind Dinge, auf die hast du selber manchmal gar keinen Einfluss.
Den 15. Geburtstag der MODERN SOUL BAND habt Ihr 1983 unter anderem zusammen mit Peter Herbolzheimer aus der BRD gefeiert. Der war ja in den Siebzigern eine große Nummer mit Udo Lindenberg. Wie kam es dazu, dass er mit Euch auftrat?
Das ist eigentlich ein kleiner Fehler in der Geschichtsübertragung. Wir feierten unseren Bandgeburtstag im Palast der Republik. Organisiert wurde das alles vom Rundfunk, nicht von uns. Zusätzlich war auch Peter Herbolzheimer da, der aber nicht seine eigenen Musiker mitbrachte, sondern mit dem Rundfunk-Orchester zusammen spielte und mit denen Titel einstudierte. Von diesem Rundfunk-Orchester hatte ich für MODERN SOUL auch ein paar zusätzliche Bläser eingekauft. Das war am Ende alles ein ziemlicher Mischmasch, irgendwie saßen wir alle zusammen. Herbolzheimer hat dann jedenfalls seine eigenen Titel mit dem Rundfunk-Orchester gespielt. Es war also auf keinen Fall so, dass die MODERN SOUL BAND da voll integriert war. Wir sind zwar am gleichen Tag aufgetreten, aber ich habe nicht direkt unter der Leitung von Herbolzheimer mitmusiziert. Gut, dass wir das an dieser Stelle mal richtig stellen können, denn immer wieder liest man, ich wäre an diesem Tag mit Herbolzheimer zusammen aufgetreten. Das stimmt zwar in gewisser Weise, aber man kann das auch völlig falsch auffassen. Genauso wenig hat Herbolzheimer jemals bei MODERN SOUL mitgespielt.
Hatte die von Dir erwähnte Teilnahme am "Festival des politischen Liedes" denn für Euch irgendwelche Auswirkungen?
Na klar. Das Festival fand in der Berliner Werner-Seelenbinder-Halle statt und dort saß in der VIP-Lounge immer der Strahlemann Egon Krenz rum, umrahmt von unheimlich vielen Blauhemden. Das war jedenfalls für uns der Auslöser, dass wir plötzlich auch in den Westen fahren durften. Aber dazu musste ich Egon Krenz erst einen Brief schreiben und ihm erklären, die und die können in den Westen fahren und jetzt wäre es wohl man an der Zeit, uns auch mal ein Gastspiel im westlichen Ausland zu genehmigen, falls mal eine entsprechende Anfrage kommt. Krenz war erstaunt, dass wir bisher nicht fahren durften und setzte sich dafür ein, dass wir mit auf diese Liste kamen. Und so wurden wir auf den letzten Metern der DDR doch noch in den Kreis der Reisekader aufgenommen.
Wo im Westen seid Ihr denn vor der Wende noch aufgetreten?
Wir waren in Dänemark, in Westberlin, irgendwo in Hanau... das war alles schon 1989, kurz vor der Wende. Danach war dann alles eins und wir konnten gleich Anfang der Neunziger u. a. in Hamburg in der "Fabrik" auftreten. Erst lief ein Soulfilm mit dem Titel "The Commitments" und danach machten wir ein Konzert. Bremen stand auch noch auf dem Programm, aber ansonsten hielten sich unsere Westauftritte in Grenzen. Uns kannte da drüben keine Sau. Deshalb ist ja auch kaum einer in unsere Konzerte gekommen. Im Grunde genommen konnte man das völlig vergessen. Wer da mehr Kontakte hatte, als wir, der räumte natürlich auch mehr Auftritte ab und hatte mehr Publikum. Nur wer sich mit der DDR-Musik auskannte, der konnte auch was mit den Bands anfangen, die sich mehr am Rande des Geschehens bewegten.
Dafür wart Ihr in Eurer Heimat umso bekannter und erfolgreicher. Ihr habt auch ein paar Mal bei "Rock für den Frieden" mitgemacht. Nach welchen Kriterien wurden die Bands für derartige Veranstaltungen ausgewählt? Oder musste man sich dafür bewerben?
Die Auswahl hat das "Komitee für Unterhaltungskunst" getroffen. Wenn Du einen Titel hattest, von dem die meinten, der würde da gerade gut reinpassen, warst Du dabei. Selber hattest Du keinen Einfluss darauf. Wir waren dabei wegen dem Lied "Ideale" und dem "Free Nelson Mandela"-Song. Übrigens fällt mir da gerade eine nette Anekdote ein. Letzte Woche rief mich mein Manager an und meinte, er hätte einen Anruf aus Kapstadt bekommen. Der Anrufer wollte wissen, wie es zu dem Mandela-Song kam. Der war ja nun auf Deutsch produziert, der deutsche Text kam von Micha Sellin. Das muss 1986 gewesen sein, da hatte Mandela schon etwa 20 Jahre Haft hinter sich. Bei "Rock für den Frieden" hatten wir dann eine afrikanische Band dabei, mit denen wir das Stück gemeinsam aufgeführt haben. Das war eine Stimmung, wie beim Karneval in Rio. Angeregt hatte das übrigens einer vom "Komitee für Unterhaltungskunst". Der meinte zu mir, der Song wäre doch was für uns, der ist mit Bläsern und so. Vielleicht hatte der ja schon im Hinterkopf, dass das gut zum "Festival des politischen Liedes" passen könnte. Vor allem, wenn da eine Band vom ANC kommt und die im Background immer "Free Nelson Mandela!" singen. Diesen Song aufzunehmen, war jedenfalls eine gute Idee.
Viele Musiker erzählen, dass sich bei vielen Leuten Ende der Achtziger ein spürbares Desinteresse für Musik "Made in DDR" entwickelt hatte. Habt Ihr davon auch was gespürt?
Nein, eigentlich nicht. Aber Ende der achtziger Jahre wurden ja plötzlich auch viele Westmusiker eingekauft, die dann hier gespielt haben. Zum Beispiel TINA TURNER, JOE COCKER, BRUCE SPRINGSTEEN, die STONES, die haben alle hier im Osten in Berlin-Weißensee gespielt. Da merkte man erst mal, wie gnadenlos das Publikum sein kann. Bei COCKER zum Beispiel hatte man ENNO als Vorband und die wurden zum Teil gnadenlos ausgepfiffen. Das war natürlich blöde und undankbar. Erst waren sie die Größten und kaum kommen die "Richtigen", die sogenannten Vorbilder, schon wirst Du abgekanzelt. Nach der Wende war es ebenso, da wollte man nur das Zeug aus dem Westen hören. Aber ich muss ehrlich sagen, das gab sich dann wieder. Wir selber spielten später auch mit dem ELECTRIC LIGHT ORCHESTRA zusammen, auch mit MOTHERS FINEST oder auch ROGER CHAPMANN teilten wir die Bühne.
Wie hast Du selbst die Wende erlebt? Wie hast Du vom Fall der Mauer erfahren?
Als es immer kritischer wurde mit der Lage, habe ich Toni Krahl angerufen, der zum Komitee für Unterhaltungskunst gehörte. Die machten immer noch ihre alte Soße. Ich erklärte Toni, dass wir uns was einfallen lassen müssen. Ringsherum bricht unsere Welt zusammen und darüber wird kein Wort verloren! Daraufhin hat Toni Krahl ein paar Leute zu einem Team zusammengetrommelt und wir sind mit ihm zu Bärbel Bohley gegangen. Zunächst stand die Frage im Raum, ob wir uns an den Unterschriften für das "Neue Forum" beteiligen. Wir haben dann aber gesagt, wir wollen etwas Eigenes aufsetzen. Das war damals ein richtig politisches Ding und wir hatten auch ordentlich Angst. Wir waren sechs Musiker und ein Texter. Boddi Bodag von ENGERLING, Tamara Danz, der PANKOW-Manager und noch einige. Das war schon unheimlich, weil keiner sagen konnte, wie das ausgeht. Heute wird man sagen, das war ja lächerlich. Aber damals hätte die Situation durchaus noch mal kippen können und dann wären alle die, die für den Wandel in der DDR sorgen wollten, abgewandert in den Knast. Glücklicherweise haben dann fast alle Künstler unser Schreiben unterzeichnet. Und alle gleichzeitig konnten sie ja nicht einbuchten.
Die MODERN SOUL BAND gehörte zu den wenigen Bands, die nach der Wende unbeirrbar weitermachten. 1991 entstand mit "Moods" sogar ein neues Album. Wie sah damals nach der Wende das Interesse der Leute an Euren Platten und Konzerten aus?
Das war natürlich nicht so umwerfend. "Moods" war eine Platte, die leider in den Medien nicht erwähnt wurde und auch nicht so umfangreich verlegt wurde. Das war mehr eine Platte für uns selber, die wir dann auf unseren wenigen Konzerten anbieten konnten. Wir haben uns jedenfalls nicht aufgelöst, wie andere Bands, die dann zehn Jahre später aber gesagt haben: "Komm, wir versuchen es jetzt mal wieder." Das funktionierte natürlich auch, nur wir haben halt immer wieder gemuschelt. Unser Problem war natürlich, dass inzwischen keiner mehr von der Musik leben konnte. Mein Gitarrist Gisbert "Pitti" Piatkowski und ich waren dann an der Musikschule tätig, so dass wir unser Einkommen hatten und nicht mehr hauptsächlich auf die Musik angewiesen waren. Mein Sänger, Christian Schmidt, suchte auch etwas anderes, wo er überleben konnte. Der trat in eine Pub-Band ein. Die haben dreimal die Woche stundenlang in irgendwelchen Pubs gespielt. Das hätte ich niemals gemacht. Christian hat sich dadurch zugrunde gerichtet. Der ist ja in diesem Jahr auch gestorben, wie Du weißt.
Ja, leider ... Was verstehst Du denn unter einer Pub-Band?
Na ja, die haben pausenlos in solchen Pubs und Clubs gespielt. Es waren nur Covertitel zu hören und die spielten zum Tanz. Wer da auftrat, war den Leuten scheißegal, die wollten nur unterhalten werden und tanzen. Um die Band an sich ging es ihnen überhaupt nicht.
Bei den Aufnahmen zu "Moods" habt Ihr die Titel erstmals mit englischen Texten versehen. Bis dahin hörte man von Euch 21 Jahre lang nur deutsche Texte. Warum jetzt der Wechsel der Sprache?
Das verrate ich Dir gerne. Die ganzen Texter und Autoren, mit denen wir zu DDR-Zeiten zusammen gearbeitet hatten, waren freischaffend oder haben beim Rundfunk ihre Brötchen verdient. Nach der Wende waren die mit den Bands nicht mehr so verbunden, da sich viele Gruppen aus Existenzgründen auflösten. Dadurch gingen auch viele Kontakte zu den Textern in die Brüche. Dazu kam, dass man ja nun texten konnte, was und wie man wollte. Es wurde nichts mehr lektoriert! Das war ja früher ein echtes Problem. Man brauchte wirklich gute Lyriker und Leute, die mit Worten umgehen konnten und die Texte für die Bands geschrieben haben. Die Texte mussten nämlich so geschickt geschrieben sein, dass sie auch durch die Lektorate kamen. Bevor ein Lied abgenickt wurde, musste es dem Lektorat vorgespielt werden. An der Musik gab es ja selten was auszusetzen, aber sowie auch nur ein falsches Wort vorkam, war das Ding gelaufen. Politische Themen durften gar nicht vorkommen, alles zum Thema Umweltschutz war auch Kacke. Selbst, wenn manche Titel durchkamen, fiel danach einem Dorfsheriff aus Finsterwalde auf, dass man diesen Titel ja eigentlich doch nicht spielen kann. Das ging dann gleich hoch ans ZK und die Partei, und der Titel wurde aus den Rundfunksendungen genommen. Es musste halt alles passen, Kritik wurde nicht geduldet.
Aber wie seid Ihr denn nun zu den englischen Texten gekommen?
In Westberlin gab es einen Produzenten mit Namen Dietmar Püschel. Der gründete ein Label in Spandau und der hatte auch ein Studio. Püschel kam auf mich zu und fragte mich, ob wir nicht mal einen Song produzieren wollen, in dem beide deutschen Nationalhymnen ineinander verschachtelt sind. Er hatte nämlich die Rechte an der DDR-Nationalhymne gekauft. Er machte dann sogar eine ganze LP daraus mit verschiedensten Fassungen dieser Hymnen, z. B. als Klassik-Version. Da hat beispielsweise Anke Lautenbach eine dieser Versionen gesungen. Bernd Wefelmeyer hat die Big Band-Fassung arrangiert und ich war für die Rock-Version zuständig. Das haben wir produziert in Deutsch und Englisch. Auf Deutsch hieß das "Eine Erde für uns alle", auf Englisch "Touch of freedom". Dem Texter der englischen Fassung spielte ich mal unsere eigenen Nummern vor und fragte ihn, ob wir nicht mal was davon auf Englisch machen könnten. So kam das mit der englischsprachigen Platte. Das war also nicht auf unserem Mist gewachsen, sondern dieser erwähnte Typ kümmerte sich darum. Auf der Platte war auch "Child of Bitterfeld". Das lief auf den letzten Metern noch in der DDR-Hitparade. Produziert wurde das Lied 1989 in einem Studio in Westberlin. Anschließend versuchten wir auch wieder, deutsche Texte zu machen und da habe ich dann den einen oder anderen Text selber geschrieben. Da wurde plötzlich ungeahntes Potential in mir frei. Ich dachte mir, jetzt braucht man sich nicht mehr so viel Gedanken machen, sondern kann texten, wie einem die Schnauze gewachsen ist.
1999 kam Klaus Nowodworski dann zur MODERN SOUL BAND zurück. Habt Ihr ihn dazu überredet oder hatte er plötzlich wieder selber Bock darauf?
Irgendwie bekamen wir wieder Kontakt miteinander. Wir trafen uns hin und wieder mal und redeten. Christian Schmidt wechselte dann zu einer von diesen, wie ich immer sage, Pub-Bands oder Cover-Bands. Diese Band bestand durchaus aus guten und professionellen Musikern. Einer war mal bei WIR, einer kam von der PETRA ZIEGER BAND usw. Die mussten natürlich auch überleben, deshalb riefen die diese Band ins Leben. Aber leider hatten die sich MEINEN Sänger ausgeguckt! Und weil der damals kaum seine Miete bezahlen konnte, hat er zugesagt. Anfangs haben wir versucht, miteinander zu kooperieren, doch dann gab es immer wieder Überschneidungen. Nun hatte ich schon nur noch zwölf Muggen im Jahr und sollte davon noch welche absagen, weil mein Sänger woanders sang ... Also musste ich mir einen neuen Sänger suchen. Ursprünglich hatten wir Michael Barakowski aufgerufen. Nur leider steckte der gerade in einem tiefen Loch. Zu DDR-Zeiten hatte er ja mit seiner Band unheimlich abgeräumt. Und jetzt hatte er sich nicht richtig im Griff, hatte mit Alkohol usw. zu kämpfen. In dieser Zeit sprach ich dann einfach mal Klaus Nowodworski an. Klaus war etwa ein Jahr bei uns, als er mich eines Tages im Jahr 2000 anrief und meinte, er hätte öfter so ein Flimmern vor den Augen. Ich sagte ihm, vielleicht hätte er Migräne, denn das kenne ich von mir auch. Für den nächsten Gig in Cottbus fiel Klaus aus und ich musste Christian Schmidt fragen, ob er noch einmal einspringen kann, was er auch tat. Tja, und dann ging es schnell. Im September sagte Klaus, er kann nicht auftreten, im Oktober lag er schon im Krankenhaus mit der Diagnose Gehirntumor.
Wer übernahm dann nach seinem Tod den Platz am Mikrofon?
Das wurde Dirk Lorenz, der in Westberlin bei den BLUES BROTHERS auftrat. Der kannte sämtliche Soultitel und war ein Entertainer vor dem Herrn. Er verkaufte richtig gut. Aber irgendwie klappte es dann nicht mehr so mit uns. Er war dreißig Jahre jünger, als ich und wollte viel mehr Auftritte mit der Band. Dazu kam, dass ich ja ab 2001 in Spanien lebte. Der Dirk Lorenz war zwar menschlich ein netter Kerl, aber von der Stimme her hat er mich nicht so vom Hocker gehauen. Da fehlte irgendwo der Wiedererkennungswert. Außerdem machte er mir zu viel Halligalli, das sah manchmal schon ein bisschen Mallorca-mäßig aus. Du musst Dir das so vorstellen: "Und jetzt machen mal alle mit!" Dann tanzte er plötzlich auf dem Tisch. "Und die Hartz IV-Empfänger dahinten machen auch mit!" Mir war das schon manchmal peinlich, ich fühlte mich nicht mehr wohl dabei. Das merkte man mir natürlich an. Es war zwangsläufig ein bisschen Spannung zwischen uns, die von mir ausging. Einige Bandkollegen wurden auch nicht richtig warm mit ihm. Eines Tages rief Dirk mich dann an und sagte, er hört auf. Ich hatte schon die ganze Zeit überlegt, wie ich ihn los werde, denn eigentlich machte er einen super Job. Deshalb war ich froh, dass Dirk von sich aus gekündigt hat. Bei der nächsten Mugge meinte er dann aber: "Hugo, ich bleibe doch bei Euch, Du brauchst Dich nicht um Ersatz zu kümmern". Das wollte ich dann aber nicht mehr und sagte Dirk ab. Stattdessen probierte ich es noch einmal mit Christian Schmidt, der inzwischen wegen Trunkenheit aus seiner neuen Band geflogen war. Der arme Kerl war dann völlig von der Rolle. Zwischenzeitlich war er dann mal mit einem netten Mädel zusammen, die mich anrief und fragte, ob ich nicht was für Christian tun könne. Nun konnte ich den Christian schon immer gut leiden, zumal wir mit ihm als Sänger auch unsere größten Erfolge hatten. Also probierte ich es. Aber leider stieß ich bei einigen Kollegen aus der Band eher auf Ablehnung. Ich merkte dann auch, dass Christian dies und jenes vergaß und da wusste ich, das wird nicht einfach. Er trank dann auch heimlich, obwohl er das auf meine Fragen immer verneinte. Trotzdem machte er auf mich oft den Eindruck, als wenn er was getrunken hätte. Mein Bassist und kurz darauf auch der Gitarrist wollten bei mir aufhören, wenn ich Christian weiter behalte. Also musste ich mich notgedrungen von ihm trennen. Dadurch fiel er wahrscheinlich in ein noch größeres Loch und kam dann gar nicht mehr von der Flasche los. Irgendwann versagte die Leber und irgendwann war er dann nicht mehr unter uns. Mein ehemaliger Trommler Roger Heinrich, der heute auf Zypern lebt, empfahl mir dann André Siodla, der zu DDR-Zeiten meistens im Background von Dirk Zöllner tätig war. Mit ihm machten wir dann weiter. Anfangs hatte André ganz schön zu kämpfen, da er relativ unbekannt war. Aber er hat sich durchgebissen, hat auch eine super Ausstrahlung und wir sind alle der Meinung, dass er gut zu uns passt.
Ihr hattet also bewegte Zeiten, was die Sänger betrifft ...
Na ja, Du siehst es ja selbst: Zwei Todesfälle, zwei Alkoholkranke ... In den Anfangsjahren hatte ich ja parallel zum Sänger auch immer noch ein Mädel in der Band. Zum Beispiel Regine Dobberschütz. Das war übrigens auch sehr interessant, denn sie war eine sehr Gute. Regine kommt auch zu unserem Jubiläum und macht für ein paar Titel mit. Sie hatte zwischendurch auch einige Höhenflüge, war bei Lenz, bei Günther Fischer und mit "Solo Sunny" hatte sie einen richtigen Hit. Andererseits hat "Solo Sunny" natürlich nichts mit MODERN SOUL zu tun. Aber wir werden es dennoch spielen, nur habe ich Regine klar gemacht, dass sie diesmal dann auch "Klein sein" und "Schlafen gehen" singen muss. Wir spielen das Ganze zwei Töne tiefer und jetzt kann Regine es auch singen.
Wenn man sich Eure Diskographie anschaut, dann stellt man fest, dass "Moods" Euer letztes Studioalbum war und das ist immerhin schon 22 Jahre her. Danach gab es nur Best Of-Kopplungen oder Live-CDs. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass MODERN SOUL noch mal ein komplett neues Album einspielt?
Also Material für ein Studioalbum würde durchaus vorliegen. Aber man muss das ganze auch realistisch sehen. Der Aufwand für eine gute Studioproduktion ist enorm. Aber die Chance, dass Du mit den neuen Titeln dann auch in den Medien läufst und Deinen Bekanntheitsgrad aufpäppelst, ist dagegen relativ gering. Deshalb stellt sich für mich wirklich die Frage nach Aufwand und Nutzen. Da bin ich halt eher skeptisch. Uns fehlt auch eine echte Interessengemeinschaft im Hintergrund, die so eine Produktion unterstützen würde. Also warum soll ich so viel Kohle investieren, wenn die Scheibe hinterher noch nicht mal im Plattenladen liegt?
Trotz alledem feiert Ihr am 20. Juli im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Jazz in town" in Berlin Euren 45. Bandgeburtstag mit einem Konzert. Was habt Ihr vorbereitet? Wer wird als Gastmusiker dabei sein? Was wird es auf der Bühne zu erleben geben?
Das wird ein wirklich interessantes Programm, welches von Jazz über Soul bis zum Pop reicht. Zum Beispiel Michael Barakowski mit seinem Hit "Zeit die nie vergeht", was ja schon hart an der Grenze zum Pop liegt. Ein Extrem in die andere Richtung ist Ernst-Ludwig Petrowsky. Also es werden Gegensätze ohne Ende sein. Abgerundet wird das Programm durch die Bluesschiene, denn Peter Pabst von der JONATHAN BLUES BAND singt von Klaus Nowodworski den "November Blues". Henry Kotowski gehört auch zum Programm, denn der war auch lange bei MODERN SOUL und mit dem hatten wir den "Zicken-Rock" produziert. Das ist eine Bluesnummer, die immer rein passt. Außerdem machen noch Uschi Brüning und Regine Dobberschütz mit und eventuell auch noch Conny Bauer, der heute einer der schärfsten Posaunisten ist und ein Solostück spielen wird. Und nicht vergessen darf ich natürlich Klaus Lenz. Dem habe ich extra für diesen Abend einen Instrumentaltitel geschickt. Der freut sich sehr, dass er dabei ist. Klaus spielt dann noch beim Auftritt von Uschi Brüning mit, die wiederum eine Janis Joplin-Nummer singt. Und unser MODERN SOUL-Programm kommt ja sowieso. Das wird hochinteressant. Es ist also für jeden etwas dabei. Ich kann ohne Übertreibung sagen, dass es ein hoher Anspruch ist, der an dem Tag über die Bühne gehen wird. Auf jeden Fall wird es ein langer Abend. Es soll nämlich von 19:30 Uhr bis 23:00 Uhr gehen.
Der Vorverkauf ist wohl auch schon sehr gut angelaufen ...
Das ist wohl tatsächlich so. Die Konstellation mit unserer Band als Bindeglied kommt sehr gut an. Es sind ja auch nur Leute dabei, mit denen wir schon mal zusammengespielt haben, die schon mal zur Band gehörten. Andere Musiker sind bei unseren Jubiläumsparties auch nicht dabei.
Ich habe es eingangs ja schon erwähnt, Du wirst Ende dieses Monats 73 Jahre alt. Viele Deiner Altersgenossen sind schon im Ruhestand und genießen nach jahrzehntelanger Arbeit das Leben. Ich will Dich jetzt nicht in Rente schicken, aber wie lange wirst Du uns noch erhalten bleiben bzw. wie lange wirst Du noch Musik machen?
Das kann ich gar nicht so genau sagen. Wenn Du Dich einigermaßen wohlfühlst und Du noch nicht als Krüppel durch die Gegend läufst und schon gar nicht auf die Bühne kriechen musst ... solange kannst Du auch als Musiker arbeiten. Aber wenn da was absehbar ist, oder die Leute sagen, "Wie läuft der denn rum?", dann hör ich auf. Ich selbst habe mir noch kein Limit gesetzt. Vielleicht hab ich irgendwann die Schnauze auch voll, aber das weiß ich jetzt noch nicht.
Wenn man so lange mit einer Band aktiv ist, wie Du es mit der MODERN SOUL BAND bist, kann man da irgendein Erlebnis festmachen, das über allen anderen steht - völlig egal, ob im positiven oder negativen Sinne?
Nein, das ist alles so durchwachsen mit positiven wie negativen Erlebnissen. Es gibt Highlights, da freut man sich eben ... Die Tourneen in der Sowjetunion waren schon so kleine Highlights. Auch Festivals, die man mit anderen Bands zusammen spielt, oder ganz allgemein, wenn man mit besonderen Leuten zusammen arbeitet und sich dort wiedertrifft. Das sind auch Highlights. Ich erinnere mich noch an ein Festival zusammen mit Roger Chapman und der Manfred Mann's Earth Band, das auch zu den großen Momenten in unserer Bandgeschichte gehört. Und von diesen Momenten gibt es ganz viele. Ich kann nichts davon besonders hervorheben, weil es einfach zu viele schöne Erlebnisse gab.
Gibt es Entscheidungen, die Du in den vergangenen 45 Jahren getroffen hast, die Du heute anders treffen würdest?
(überlegt lange) Eigentlich kann ich diese Frage auch nicht wirklich beantworten. Es gab viele die sagten, "Hättest Du es mal einfacher und kommerzieller gemacht, dann wärst Du vielleicht auch so bekannt wie die PUHDYS geworden." Aber ich hab' immer meinen Kram so weitergemacht, wie ich es für richtig hielt, mit dem Abstrich, dass ich eben doch nicht so berühmt geworden bin. Aber ich bin mit dem Erreichten zufrieden.
Du entstammst einer Generation, die noch Schallplatten gekauft und gehört haben und die bei Live-Konzerten mehr Wert auf die Musik, als auf die Show drumherum gelegt haben. Was geht Dir durch den Kopf, wenn Du Dir die heutige Musikszene so anschaust?
Im Laufe der Zeit haben sich zig andere Musikrichtungen entwickelt. Das Gewusel, das es da heute drumherum gibt, gab es zu unserer Zeit nicht. Wir sind in den 50ern mit Swing- und Schlagermusik aufgewachsen. Und wenn ich mir das heute so ansehe, dann staune ich manchmal, was Dank der fortgeschrittenen Technik alles möglich ist und was da passiert. Aber davon mal abgesehen, beeindruckt mich das aber manchmal nicht sonderlich, was damit gemacht wird, denn ich finde nicht alles gut, was es da heute gibt. Bei Manchem, was da auf die Menschheit losgelassen wird, denke ich auch, "Das muss doch jetzt wirklich nicht sein!" Aber letztlich bestimmen auch nicht immer die Musiker den Markt, sondern das macht heute das Publikum. Was die gut finden, muss von den Musikern gespielt werden, damit es eine Nummer 1 wird.
Interessierst Du Dich für die aktuelle Musik oder interessiert es Dich nicht mehr?
Nein, man bekommt ja schon automatisch dieses und jenes mit. In die Sachen, die so ein bisschen richtungsbezogen und von Interesse für uns sind, hört man schon mal rein. Das beeinflusst mich aber nicht, denn eigentlich ist es so, dass ich mich nach wie vor immer noch selbst finde und für uns Songs schreibe, die zu uns passen. Große Ausschläge nach links, rechts, oben oder unten gibt's bei mir eigentlich nicht. Und Experimente mache ich schon gar nicht.
Hugo, ich wünsche Dir für Deinen bevorstehenden Geburtstag alles Gute. Dass er so ausfallen möge, wie Du es Dir wünschst ...
Ja, danke!
Auch das Jubiläumskonzert soll ein voller Erfolg werden. Das wünschen wir Euch auch. Hast Du noch ein paar letzte Worte, die Du an die Leser richten möchtest?
Ich würde mich freuen, wenn sich Menschen, die uns noch nicht kennen, der MODERN SOUL BAND ein bisschen annähern, sich öffnen und auch mit dieser Art von Musik ein bisschen beschäftigen. Vielleicht gewinnen wir ja so noch ein paar mehr Fans dazu. Es wäre schön, wenn sich das rumsprechen würde, was wir machen und wie gut unsere Musik ist, damit noch ein paar Leute mehr zu unseren Konzerten dazu kommen. Sowas wünscht man sich als Musiker doch eigentlich: Dass man immer eine volle Hütte hat.
Das ist mein Spitzname. Den hat mir ein Schulkamerad in der 4. Klasse verpasst. Der sagte: "Gerhard gefällt mir gar nicht, ich nenne Dich ab jetzt Hugo". Damit war ich einverstanden. Bis heute bin ich den Namen aber auch nicht mehr los geworden.
Vor kurzem bist Du von Spanien wieder zurück nach Berlin gezogen. Hattest Du genug von der Sonne und dem Mittelmeer?
Wir hatten ja sowieso vor, wieder zurückzukommen. Die spanische Staatsbürgerschaft hatten wir ohnehin nicht. Leider wurden die Pläne zur Rückkehr nach Deutschland durch den Tod meiner Frau beschleunigt und so war ich schneller wieder in Berlin, als geplant.
Wer direkt in Berlin oder zumindest in der Nähe wohnt, hatte in den letzten Jahren das Glück, die MODERN SOUL BAND mal live erleben zu können. Eure Fans im Süden, Osten und Westen schauten da immer in die Röhre. Wird es in Zukunft wieder vermehrt Konzerte der MODERN SOUL BAND geben, da Du nun ja wieder fest in Berlin wohnst?
Das weiß ich nicht. Auf jeden Fall ist natürlich der Zugriff für sämtliche Kollegen einfacher, genau wie die Organisation von Konzerten. Bisher waren die Muggen sehr kostenaufwendig, denn ich musste ja immer erst mit dem Flieger von Spanien hierher kommen. Das war aber eigentlich kein großes Handicap, denn so viel spielen wir ohnehin nicht mehr. Die meisten Bandmitglieder sind ja auch mit Studioarbeit beschäftigt, sind als Lehrer tätig oder sind schon Rentner usw. Und die Nachfrage ist auch nicht mehr so groß, weil wir vom Kommerz etwas weiter entfernt sind, als andere Bands. Mit der Musik, die die Leute heute oft hören wollen, haben wir halt nicht viel am Hut.
Ende des Monats feierst Du Deinen 73. Geburtstag und kannst auf eine ziemlich lange Karriere zurückblicken. Wie war das damals in Deiner Jugend? Was war Deine Lieblingsmusik? Und wie hat die Jugend in den Fünfzigern die Musik für sich entdeckt?
Damals gab es ja noch keine Rockmusik, das war alles mehr oder weniger Schlager. So richtig ging das mit der Rockmusik erst mit BILL HALEY und ELVIS los. Da begannen die Eltern zu sagen: "Das ist ja eine verrückte Musik. Und erst die Haare...!" Damit begann die Rock'n'Roll-Zeit. ELVIS war nicht so unser Ding, aber BILL HALEY haben wir nachgespielt. Der hatte ja auch eine Band, also nahm man sich seinerzeit eine Gitarre und versuchte, die Songs nachzuspielen. Eigene Titel kamen natürlich überhaupt nicht in Frage, es wurde nur gecovert.
Du selbst hast nach der Schule einen normalen Beruf erlernt, Du bist Fernmeldemechaniker geworden. War das Dein Berufswunsch oder bist Du irgendwie dazu gekommen?
Nein, mein Berufswunsch war das nicht. Aber ich war der Sohn eines Handwerkers und da stand Musik nicht wirklich zur Diskussion. Schon gar nicht dachte man daran, damit auch mal Geld verdienen zu können. Mein Vater sagte: "Lerne erst mal was Vernünftiges und dann kannst Du meinetwegen nebenbei Musik machen". Das konnte ich natürlich anfangs auch nicht alleine entscheiden.
Du sagtest eben, Du hast zur Gitarre gegriffen, als die Rockmusik aufkam. Hast Du Musikunterricht genommen?
Nein, das war alles autodidaktisch. Die Harmonien haben wir uns selber raufgedrückt. Die einfachen Melodien von BILL HALEY konnte man ja durchaus nachvollziehen, dafür haben unsere Fähigkeiten ausgereicht. Gesungen haben wir auch ein bisschen und daraus resultierte dann zu meiner Lehrzeit die Gründung der MUSIC STROMERS. Die entwickelten sich nach und nach immer weiter. Zuerst machten wir Skiffle-Musik, dann dieses und jenes. Geprobt haben wir im "Haus der jungen Talente". Anfang der Sechziger hatten wir dann gleich Auftritte in der Sowjetunion, spielten in Moskau, Kiew und Sotschi. Wir gingen dann sogar zum Musikunterricht. Parallel zur Musikhochschule gab es eine Schule mit einer Spezialklasse, an der man seinen Abschluss als Berufsmusiker machen konnte. Es war ja in der DDR nicht möglich, dass man einfach seinen Beruf aufgab und anfing, Musik zu machen. Nein, hier musste man immer erst ein Zertifikat und einen Lehrabschluss, also eine Berufsausbildung nachweisen. Das hatten die meisten gemacht und konnten somit ihren Job als Berufsmusiker ausüben.
Waren die MUSIC STROMERS Deine erste Band oder gab es vorher schon was?
Ja, das war meine erste Band. Das ging bis 1968. Ich hatte Top-Leute in der Band, zum Beispiel Herbert Dreilich. Den hatte ich auf Empfehlung aus Halle/Saale geholt, weil mein Gitarrist nach seiner Armeezeit zu Günther Fischer gegangen ist. Bis zum Verbot der MUSIC STROMERS spielte Dreilich bei mir.
Hatten die MUSIC STROMERS auch eigene Songs oder wurde nur gecovert?
Die DDR hatte damals einfach noch nicht das Potential ihrer Musiker erkannt. Die konnten zwar alle berufsmäßig Musik machen, aber eigene Titel hatte kaum jemand, auch wir nicht. Das machte auch anfangs keinen Sinn, weil man das im Radio ohnehin noch nicht gespielt hätte. Die Jugendlichen sind uns noch fleißig hinterher gezottelt, denn in vielen Ortschaften gab es noch kein Westradio. Dementsprechend groß war der Andrang auf unseren Konzerten und manch ein Bürgermeister war mächtig überfordert, wenn so eine Kapelle in seinen Ort kam. Das wollten die halt nicht. Erst nach 1968 begann das Umdenken. Da wurde die Produktion eigener Titel endlich unterstützt. Plötzlich war man durch die Unterstützung der Medien in der DDR eine richtige Rockgröße. Was dabei heraus kam, weiß man ja. Die PUHDYS wurden gegründet usw. Das war dann okay. Dann begann ja allmählich auch die BEATLES-Ära. Auch hier spielten wieder alle Bands die Nummern nach. Bei den MUSIC STROMERS ging es dann aber so ganz langsam los mit eigenen Titeln. Wir brachten die ganz nebenbei im Programm unter. Ansonsten haben wir natürlich auch nur die großen Hits gespielt. Vor allem im "Tal der Ahnungslosen", also in Dresden und Umgebung, wo die Leute ja nun gar keine Chance hatten, Westfernsehen oder Westradio zu empfangen, freute man sich natürlich mächtig darüber.
Kannst Du Dich noch an Deinen allerersten Auftritt als Musiker erinnern? Wann und wo war das genau?
Nein, das weiß ich nicht mehr so genau. Mein Vater schickte mich mit sieben Jahren zum Klavierunterricht. Damals war Hausmusik sehr angesagt und so haben wir oft im Bekanntenkreis gespielt. Wir machten ein Trio auf, was in Richtung 3 TRAVELLERS ging. Ganz am Anfang spielten wir Musik von HAZY OSTERWALD und all so was, bevor es dann mit dem Rock'n'Roll richtig losging. Als erste Amateurband hatten wir dann Anfang der Sechziger ein vierwöchiges Gastspiel im Friedrichstadtpalast. Das war schon ein erhebendes Gefühl, denn in dieses Haus passten ja ein paar tausend Leute rein.
Wie war das eigentlich möglich, dass Ihr so kurz nach dem Krieg und bei der damaligen politischen Lage in der DDR diesen englischsprachigen Bandnamen MUSIC STROMERS nutzen konntet? Gab es da keinen Druck von oben?
Natürlich. Sogar in der "Melodie & Rhythmus" wurde offiziell gefragt, warum diese Kapelle sich MUSIC STROMERS nannte. Das wäre doch kein Name im DDR-Sinne, sondern das seien nur Anglizismen und Habitus. Wir wurden also schon dafür kritisiert. Aber dann gab es einen Gegenartikel von AMIGA, da kannten wir jemanden recht gut. Und danach konnte sich an unserem Namen niemand mehr stoßen. Später gab es ja dann auch "DIE BUTLERS", woraus sich später RENFT entwickelte. Die meisten anderen Bands hatten eigentlich Namen, die sich auf ihre Mitglieder bzw. Bandleader bezogen. Und bei den SPUTNIKS konnte sich natürlich keiner aufregen. Bei uns erregte man sich jedenfalls mächtig wegen des Namens. Und man störte sich auch daran, wie wir aussahen und rumliefen. Aber wenn ich mir heute Bilder von damals ansehe, stelle ich fest, dass wir überhaupt keine langen Haare hatten. Doch so ist es ja heute noch, die ältere Generation regt sich immer über die jüngeren Leute auf. Heute sind es halt die Piercings und all so was.
Hatte von der ersten STROMERS-Besetzung jemand musikalische Vorkenntnisse?
Mit Gunter Stein ging ich schon zusammen in die Lehre. Ich sagte zu ihm, er solle es doch mal mit Schlagzeug probieren und dann hat er sich das auch ganz allein beigebracht. Von den anderen Bandmitgliedern war der eine oder andere musikalisch durchaus begabt, manche hatten auch schon etwas privaten Musikunterricht. Aber schnell kristallisierte sich heraus, dass das nicht ausreichte, um weiterzukommen. Weiterbildung war also angesagt, denn die Titel wurden allmählich anspruchsvoller. Und zwangsläufig waren dadurch Wechsel innerhalb der Band angesagt.
Wer gehörte denn außer Gunter Stein noch zur STROMERS-Besetzung?
Peter Schadetzky, der spielte Klavier. Ich habe dazu die Rhythmusgitarre gespielt und auch gesungen. Ich war sozusagen der zweite Gitarrist der STROMERS und Herbert Dreilich spielte die Leadgitarre. Jochen Gleichmann, der eigentlich von Hause aus Trompeter war, stand bei uns an der Orgel. Das sahen wir alles nicht so verbissen.
Du sagtest ja eben, die MUSIC STROMERS hielten sich bis 1968, ehe auch diese Band vom Verbot getroffen wurde, das man damals ja gegen zahlreiche Beatbands verhängte. Welche Begründung gab man Euch für das Verbot der STROMERS?
Es lag einfach daran, dass viele Bands damals durch ihren Bekanntheitsgrad für riesige Menschenaufläufe sorgten. Die Jugendlichen reisten oft von weit her zu den Konzerten an, lagen dann in ihren Parkas irgendwo auf den Plätzen rum. Das war nichts für den normalen DDR-Bürger. Der wurde verrückt, wenn irgendwo so eine Band auftrat, weil es pures Chaos war. Dann hast Du von einem Landkreis zum nächsten Spielverbote bekommen. Heute hieß es, Ihr dürft nicht mehr in Karl-Marx-Stadt auftreten, morgen war der Bezirk Cottbus für uns als Band verbotene Zone. Die kamen einfach mit den Massen nicht klar, die auf die Konzerte kamen. Natürlich wurde auch Alkohol verkonsumiert und dann lagen überall die Flaschen rum. Das passte nicht ins saubere Bild, welches die Bonzen von unseren Städten vermitteln wollten.
Was wurde nach dem Verbot aus den Bandmitgliedern?
Ich bekam nach dem STROMERS-Verbot die Auflage, keine neue Band aufzumachen. Herbert Dreilich ging dann zu PANTA RHEI, mein Bassist Wolfgang "Eddi" Greiser landete bei Günther Fischer. Ich selbst spielte bei anderen Bands...
Genau, Du hattest z. B. ein kurzes Intermezzo als Bassist bei der MICHAEL-FRITZEN-COMBO.
Richtig. Der Michael Fritzen sprach mich an, ob ich nicht Lust hätte, bei ihm Bass zu spielen. Also versuchte ich es einfach, ich kaufte mir einen Höfner-Bass und hörte mir das Repertoire der Band an. Wir spielten dann einen ganzen Monat lang auf der Seebrücke Sellin (Rügen). Das heißt, wir sollten dort spielen, aber auf einmal griff der berühmte Ausspruch nach uns: "Drei Worte genügen: Runter von Rügen!" Wir hatten jetzt also urplötzlich auch ein Auftrittsverbot auf Rügen bekommen.
Wie ging es weiter?
Mich sprach dann Eugen Hahn an, der Bassist bei KLAUS LENZ war, ob wir nicht irgendwas in Richtung Soul machen wollen. Diese Art Musik war für mich Neuland, das hatte ich vorher nie gespielt. Das ging ja sogar ein bisschen in die Jazz-Richtung, was ja vorher bei meinen Bands nicht so ausgeprägt war.
Ihr habt dann das MODERN-SEPTETT gegründet. Wer gehörte in der Anfangszeit dazu?
Ganz am Anfang machte Gunther Wosylus, der spätere PUHDYS-Drummer, bei uns mit. Eugen Hahn übernahm den Bass und ebenfalls von Anfang an war als Sänger Klaus Nowodworski dabei. Kurzzeitig spielte Günter Dobrowolski die Gitarre, später übernahm Hansi Biebl die Gitarre. Andreas Altenfelder war unser Trompeter. Als der die Fliege machte, hieß unser neuer Trompeter Jochen Gleichmann und am Saxophon stand Jürgen Fritsch. Ein Jahr später gehörte dann auch Conny Bauer zu uns. 1970 entschieden wir uns dann dazu, das Wort SEPTETT wegzulassen und uns stattdessen MODERN SOUL BAND zu nennen.
Euer erster Sänger war Klaus Nowodworski, Du hast es ja eben gesagt. Wie habt Ihr Euch kennengelernt, wie kam Klaus zu Euch?
Durch einen Veranstalter. Der meinte mal zu mir, er würde einen Sänger mit einer tollen Soulstimme kennen, der würde gut zu uns passen. Das sollte so in Richtung James Brown und Otis Redding gehen. Ich kannte Klaus vorher nicht, aber es hat mit ihm gleich geklappt.
Klaus Nowodworski, der ja leider 2001 gestorben ist, gehörte zu den Sängern mit einem hohen Wiedererkennungswert. Er hatte einen eigenen und prägenden Stil, trotzdem war er immer ein Teil des Ganzen. Wie habt Ihr es geschafft, einen solchen Ausnahmekünstler so einzubinden, dass das Gleichgewicht gehalten wurde?
Er kam ja nicht als DER STAR zu uns. Klaus war vorher Sänger in einer anderen Band. Das Charakteristische, was ihn auszeichnete, wurde dann ja auch durch die MODERN SOUL BAND mitgeprägt. Deshalb war er von Beginn an ins Bandgefüge integriert und es hieß nicht KLAUS NOWODWORSKI & BAND, sondern wir hießen MODERN SOUL BAND. Das war was anderes, als wenn man einen schon fertigen Superstar einkauft. Nimm nur mal Veronika Fischer als Beispiel. Da hieß es dann eben VERONIKA FISCHER & BAND. Aber die ganzen anderen Gruppen wie LIFT oder electra, die ebenfalls gute Sänger wie Stephan Trepte hatten, die behielten alle ihren Bandnamen bei. Im Westen war es ja ähnlich, da gab es in den meisten Fällen auch nur echte Bandnamen wie BEATLES oder ROLLING STONES. Ausnahmen bildeten höchstens solche speziellen Gruppen, wie die SPENCER DAVIS GROUP.
Wie es kam es dazu, dass es über die Jahre so ein starkes Kommen und Gehen bei der MODERN SOUL BAND gab? Viele Musiker stiegen ein, dann stiegen sie wieder aus - Ihr habt eine ellenlange Liste an Musikern.
Die Leute, die zu mir in die Band kamen, waren ja meistens schon gute Musiker, die dann auch mal was Eigenes aufziehen wollten. Nimm als Beispiel Conny Bauer. Dem hat es bald nicht mehr ausgereicht, was wir zelebrierten. Der wollte selber kreativ sein und hatte zunächst eine Jazzband parallel zu uns, in der er sich richtig austoben konnte. Wir sprachen dann miteinander über seine Wünsche, aus musikalischen Gründen bei MODERN SOUL auszusteigen.
Ein weiteres großes Problem: Wir waren kein Reisekader. Erst 1988 konnten wir unser erstes Gastspiel im Westen machen, das war in Dänemark. Aber es war wirklich ein langer und schwieriger Weg bis dahin. Dadurch sind mir auch viele gute Musiker abgesprungen. Die bekamen von anderen Bands, die ins westliche Ausland fahren durften, irgendwelche Angebote. Auch mit Hansi Biebl und Klaus Nowodworski gab es schon bald Probleme, denn das waren ja schon immer zwei ganz eigenwillige Typen. Hansi Biebl machte dann sein Trio auf und konnte sich so austoben, wie er wollte. Also entweder sind die Leute von MODERN SOUL weg, weil sie sich dort nicht genügend weiterentwickeln konnten oder sie bekamen von anderen Bands, die in den Westen durften, Angebote. Aber diese anderen Bands waren meistens vom Niveau her nicht wirklich besser als die MODERN SOUL BAND, sondern die durften aus politischen Gründen reisen. Es gab Fälle, da sind Musiker von uns weg zu einer simplen Unterhaltungskapelle, nur weil die für vier Wochen in einem Hamburger Pub spielen durften. Da zog also die Banane mehr, als die Musik.
Es gab ja auch mal eine Fusion zwischen Klaus Lenz und MODERN SOUL. Das ganze nannte sich dann KLAUS-LENZ-MODERN-SOUL-BIG-BAND. Ein richtig langer Name. Wer hatte die Idee dazu?
Ich persönlich wäre gar nicht darauf gekommen. Die eigentlich Idee dazu kam von Klaus Lenz. Der war schon immer recht experimentierfreudig und hatte auch schon immer mit großen Formationen gearbeitet. Dem ging es ähnlich wie mir, weil er ja noch viele schärfere und größere Musiker hervorbrachte. Zum Beispiel hätte ein Manfred Krug ohne seine Zeit bei Klaus Lenz wahrscheinlich niemals einen solchen Namen als Musiker, wie er ihn heute hat. Man könnte die Liste beliebig fortsetzen. Ob das nun Günther Fischer war, Ulrich Gumpert, Uschi Brüning, Reinhard Lakomy - die waren alle bei Lenz. Bei MODERN SOUL war es ja so, dass wir Anfang der Siebziger unheimlich abräumten. Wir liefen wie der Teufel im Rundfunk, denn wir produzierten dort schon früher, als die PUHDYS. Wir schafften es mit unserer Musik sogar in die Hitparaden, wir traten oft bei "rund" auf usw. Bei Klaus Lenz war das ein bisschen anders, der fuhr eine andere Schiene. Der war nicht so rockig wie wir, sondern seine Musik war eher jazzig ausgelegt. Kommerziell konnte Lenz damit natürlich alleine nicht so viel bewegen, wie wir. Also fragte mich Klaus eines Tages, ob wir uns nicht einfach mal zusammenschmeißen wollen mit unseren Bands. Mit diesen Solisten in unseren beiden Gruppen waren dann logischerweise volle Häuser vorprogrammiert. Das war gut. Diese Tournee haben wir dann auch zweimal gemacht.
Wenn ich mir das so vorstelle, frage ich mich, wie Ihr das live umgesetzt habt. Standen da plötzlich dreißig Leute auf der Bühne oder wie sah das Liveprogramm aus?
Lenz hatte natürlich hervorragende Pianisten, so dass ich mich plötzlich in der Bläsergruppe neben Conny Bauer und Sieghart Schubert wiederfand und Ventilposaune spielte. Ich nahm dann Posaunenunterricht, obwohl ich eigentlich schon bei MODERN SOUL manchmal in einem Viererbläsersatz, u. a. mit Conny Bauer, Ventilposaune spielte. Von daher war ich also schon etwas vorbelastet, so dass ich zu Lenz sagen konnte, er solle mir mal ein paar Noten aufschreiben und ich würde mich dann da rein hängen. Das Problem war somit gelöst. Zumindest 1973 auf der ersten Tournee. Die Bassisten lösten sich ab, mal spielte der, mal der. Den Gitarristen brachte ich mit und da Lenz zu der Zeit damals auch keinen Drummer hatte, kam der auch aus meiner Band. Das war also die erste Besetzung unserer Big Band.
Du sprachst von zwei Tourneen. Was war der Unterschied zur ersten Tour?
Zur zweiten Tour 1976 traten wir mit zwei Keyboardern auf. Der eine spielte nur Orgel, der andere nur Klavier. Überhaupt war das diesmal ein Riesenaufwand. Wir zogen nämlich mit sechs Gesangssolisten durch die Lande. Das waren Stephan Trepte, Klaus Nowodworski, die "Lütte", Uschi Brüning, Holger Biege und noch irgendwer. Wir spielten ein wunderbares Abschlusskonzert im damaligen Palast der Republik, worüber es meines Wissens sogar eine LP gab.
Die erste LP der MODERN SOUL BAND erschien 1977. Da wart Ihr aber schon sieben Jahre unter diesem Namen und insgesamt neun Jahre unterwegs.
Das stimmt, das war die Platte mit Regine Dobberschütz und das ganze war ein Livemitschnitt aus Gotha. Aber vorher gab es schon diverse Singles, wie z. B. den "Novemberblues".
1982 verließ Klaus Nowodworski die Band. War das nicht ein schwerer Schlag und schmerzhafter Verlust für Dich und die Band?
Eigentlich nicht, denn mit Klaus eskalierten damals einige Dinge. Wir spielten natürlich anfangs noch die ganzen Soul-Hits, denn Soulmusik war damals richtig angesagt. Deshalb waren wir auch nicht die Einzigen, die mit Bläsern gearbeitet hatten. Als aber der erste große Soul-Boom vorbei war, schmissen die anderen alle ihre Bläser wieder raus. Nur ich machte das nicht, denn ich bin da etwas beständiger. Ich wusste, wenn wir die Bläser rauswerfen, sind wir nicht mehr die typische Soulband, denn der Sound wäre nicht mehr gegeben. Klaus war aber der Meinung, wir müssten was anderes machen. Ich versuchte, ihm zu erklären, dass uns das niemand abnehmen würde, wenn wir plötzlich andere Musik machen würden. Das funktioniert nicht. Also sagte ich ihm, wenn er eine andere Musikrichtung machen will, muss er sich halt eine neue Band suchen. Ich bleibe jedenfalls bei meinen Prinzipien, keine Bläser rauszuschmeißen. Dummerweise wurden wir auch nicht mehr so häufig gebucht, andere Bands machten eben mehr Muggen, als wir. Es ist doch so, dass jede Band und jede Musik ihre Epochen und ihre Zeit hat. Bei uns war also gerade etwas Flaute, während andere richtig abräumten, Muggen machten und fleißig produzierten. Natürlich sagte man mir dann von allen Seiten, "Du musst moderner werden! Was Du da machst, ist doch Scheiße." Jeder wollte mir irgendwie reinreden. Also trennten Klaus und ich uns. Danach holte ich Christian Schmidt als neuen Sänger zu MODERN SOUL. Ich glaube, der kam von der SIEGHART SCHUBERT COMBO. Aber vorher machte er wohl auch schon Soul und galt als JOE COCKER aus Pankow.
Mit Christian Schmidt hattet Ihr plötzlich so was, wie einen "zweiten Frühling"...
Das stimmt. Nachdem Christian sich richtig eingefummelt hatte bei uns, fing es noch mal richtig an, zu brummen. Wir bekamen wieder richtigen Auftrieb. Es folgten eine LP, diverse Live-Mitschnitte, unsere Jubiläumskonzerte im Fünf-Jahres-Rhythmus und wir wurden sogar zum Schlagerfestival geschickt. Mit "Ideale" hatten wir dort auch einen Bombentitel, der von Micha Sellin getextet wurde. Es reichte immerhin zum 2. Platz, und wir gewannen auch noch den Kritikerpreis. Es ging aber noch weiter, wir machten einen Monat lang eine Revue mit Helga Hahnemann, spielten auch beim "Festival des politischen Liedes". Damit hatte sich mein Festhalten an den Bläsern übrigens als die richtige Entscheidung erwiesen, denn es kamen noch mal richtige gute Songs von uns heraus, die auch Erfolg hatten.
Klaus Nowodworski verließ also von sich aus und freiwillig die Band?
Ja, Klaus ging von sich aus, weil wir beide unterschiedlicher Meinung waren, was den weiteren Weg der MODERN SOUL BAND betraf. Ich beharrte darauf, dass MODERN SOUL bleibt, wie es ist. Wir hatten danach auch ein oder zwei Jahre lang keinen Kontakt. Klaus driftete danach als Solist oder auch Duett-Sänger in Richtung Schlagerszene ab, was für mich gar nicht ging. Das war ohne Ende kommerziell, aber Klaus musste ja auch irgendwie Geld verdienen. In einer anderen Band hat er übrigens nach MODERN SOUL auch nie wieder gesungen.
Man kann also sagen, durch den Ausstieg von Klaus Nowodworski seid Ihr zurück in die Erfolgsspur gekommen?
Genau. Wir hatten dann auch zwei riesige Tourneen durch die UdSSR und waren plötzlich wieder richtig im Gespräch, das war schon komisch. Das sind Dinge, auf die hast du selber manchmal gar keinen Einfluss.
Den 15. Geburtstag der MODERN SOUL BAND habt Ihr 1983 unter anderem zusammen mit Peter Herbolzheimer aus der BRD gefeiert. Der war ja in den Siebzigern eine große Nummer mit Udo Lindenberg. Wie kam es dazu, dass er mit Euch auftrat?
Das ist eigentlich ein kleiner Fehler in der Geschichtsübertragung. Wir feierten unseren Bandgeburtstag im Palast der Republik. Organisiert wurde das alles vom Rundfunk, nicht von uns. Zusätzlich war auch Peter Herbolzheimer da, der aber nicht seine eigenen Musiker mitbrachte, sondern mit dem Rundfunk-Orchester zusammen spielte und mit denen Titel einstudierte. Von diesem Rundfunk-Orchester hatte ich für MODERN SOUL auch ein paar zusätzliche Bläser eingekauft. Das war am Ende alles ein ziemlicher Mischmasch, irgendwie saßen wir alle zusammen. Herbolzheimer hat dann jedenfalls seine eigenen Titel mit dem Rundfunk-Orchester gespielt. Es war also auf keinen Fall so, dass die MODERN SOUL BAND da voll integriert war. Wir sind zwar am gleichen Tag aufgetreten, aber ich habe nicht direkt unter der Leitung von Herbolzheimer mitmusiziert. Gut, dass wir das an dieser Stelle mal richtig stellen können, denn immer wieder liest man, ich wäre an diesem Tag mit Herbolzheimer zusammen aufgetreten. Das stimmt zwar in gewisser Weise, aber man kann das auch völlig falsch auffassen. Genauso wenig hat Herbolzheimer jemals bei MODERN SOUL mitgespielt.
Hatte die von Dir erwähnte Teilnahme am "Festival des politischen Liedes" denn für Euch irgendwelche Auswirkungen?
Na klar. Das Festival fand in der Berliner Werner-Seelenbinder-Halle statt und dort saß in der VIP-Lounge immer der Strahlemann Egon Krenz rum, umrahmt von unheimlich vielen Blauhemden. Das war jedenfalls für uns der Auslöser, dass wir plötzlich auch in den Westen fahren durften. Aber dazu musste ich Egon Krenz erst einen Brief schreiben und ihm erklären, die und die können in den Westen fahren und jetzt wäre es wohl man an der Zeit, uns auch mal ein Gastspiel im westlichen Ausland zu genehmigen, falls mal eine entsprechende Anfrage kommt. Krenz war erstaunt, dass wir bisher nicht fahren durften und setzte sich dafür ein, dass wir mit auf diese Liste kamen. Und so wurden wir auf den letzten Metern der DDR doch noch in den Kreis der Reisekader aufgenommen.
Wo im Westen seid Ihr denn vor der Wende noch aufgetreten?
Wir waren in Dänemark, in Westberlin, irgendwo in Hanau... das war alles schon 1989, kurz vor der Wende. Danach war dann alles eins und wir konnten gleich Anfang der Neunziger u. a. in Hamburg in der "Fabrik" auftreten. Erst lief ein Soulfilm mit dem Titel "The Commitments" und danach machten wir ein Konzert. Bremen stand auch noch auf dem Programm, aber ansonsten hielten sich unsere Westauftritte in Grenzen. Uns kannte da drüben keine Sau. Deshalb ist ja auch kaum einer in unsere Konzerte gekommen. Im Grunde genommen konnte man das völlig vergessen. Wer da mehr Kontakte hatte, als wir, der räumte natürlich auch mehr Auftritte ab und hatte mehr Publikum. Nur wer sich mit der DDR-Musik auskannte, der konnte auch was mit den Bands anfangen, die sich mehr am Rande des Geschehens bewegten.
Dafür wart Ihr in Eurer Heimat umso bekannter und erfolgreicher. Ihr habt auch ein paar Mal bei "Rock für den Frieden" mitgemacht. Nach welchen Kriterien wurden die Bands für derartige Veranstaltungen ausgewählt? Oder musste man sich dafür bewerben?
Die Auswahl hat das "Komitee für Unterhaltungskunst" getroffen. Wenn Du einen Titel hattest, von dem die meinten, der würde da gerade gut reinpassen, warst Du dabei. Selber hattest Du keinen Einfluss darauf. Wir waren dabei wegen dem Lied "Ideale" und dem "Free Nelson Mandela"-Song. Übrigens fällt mir da gerade eine nette Anekdote ein. Letzte Woche rief mich mein Manager an und meinte, er hätte einen Anruf aus Kapstadt bekommen. Der Anrufer wollte wissen, wie es zu dem Mandela-Song kam. Der war ja nun auf Deutsch produziert, der deutsche Text kam von Micha Sellin. Das muss 1986 gewesen sein, da hatte Mandela schon etwa 20 Jahre Haft hinter sich. Bei "Rock für den Frieden" hatten wir dann eine afrikanische Band dabei, mit denen wir das Stück gemeinsam aufgeführt haben. Das war eine Stimmung, wie beim Karneval in Rio. Angeregt hatte das übrigens einer vom "Komitee für Unterhaltungskunst". Der meinte zu mir, der Song wäre doch was für uns, der ist mit Bläsern und so. Vielleicht hatte der ja schon im Hinterkopf, dass das gut zum "Festival des politischen Liedes" passen könnte. Vor allem, wenn da eine Band vom ANC kommt und die im Background immer "Free Nelson Mandela!" singen. Diesen Song aufzunehmen, war jedenfalls eine gute Idee.
Viele Musiker erzählen, dass sich bei vielen Leuten Ende der Achtziger ein spürbares Desinteresse für Musik "Made in DDR" entwickelt hatte. Habt Ihr davon auch was gespürt?
Nein, eigentlich nicht. Aber Ende der achtziger Jahre wurden ja plötzlich auch viele Westmusiker eingekauft, die dann hier gespielt haben. Zum Beispiel TINA TURNER, JOE COCKER, BRUCE SPRINGSTEEN, die STONES, die haben alle hier im Osten in Berlin-Weißensee gespielt. Da merkte man erst mal, wie gnadenlos das Publikum sein kann. Bei COCKER zum Beispiel hatte man ENNO als Vorband und die wurden zum Teil gnadenlos ausgepfiffen. Das war natürlich blöde und undankbar. Erst waren sie die Größten und kaum kommen die "Richtigen", die sogenannten Vorbilder, schon wirst Du abgekanzelt. Nach der Wende war es ebenso, da wollte man nur das Zeug aus dem Westen hören. Aber ich muss ehrlich sagen, das gab sich dann wieder. Wir selber spielten später auch mit dem ELECTRIC LIGHT ORCHESTRA zusammen, auch mit MOTHERS FINEST oder auch ROGER CHAPMANN teilten wir die Bühne.
Wie hast Du selbst die Wende erlebt? Wie hast Du vom Fall der Mauer erfahren?
Als es immer kritischer wurde mit der Lage, habe ich Toni Krahl angerufen, der zum Komitee für Unterhaltungskunst gehörte. Die machten immer noch ihre alte Soße. Ich erklärte Toni, dass wir uns was einfallen lassen müssen. Ringsherum bricht unsere Welt zusammen und darüber wird kein Wort verloren! Daraufhin hat Toni Krahl ein paar Leute zu einem Team zusammengetrommelt und wir sind mit ihm zu Bärbel Bohley gegangen. Zunächst stand die Frage im Raum, ob wir uns an den Unterschriften für das "Neue Forum" beteiligen. Wir haben dann aber gesagt, wir wollen etwas Eigenes aufsetzen. Das war damals ein richtig politisches Ding und wir hatten auch ordentlich Angst. Wir waren sechs Musiker und ein Texter. Boddi Bodag von ENGERLING, Tamara Danz, der PANKOW-Manager und noch einige. Das war schon unheimlich, weil keiner sagen konnte, wie das ausgeht. Heute wird man sagen, das war ja lächerlich. Aber damals hätte die Situation durchaus noch mal kippen können und dann wären alle die, die für den Wandel in der DDR sorgen wollten, abgewandert in den Knast. Glücklicherweise haben dann fast alle Künstler unser Schreiben unterzeichnet. Und alle gleichzeitig konnten sie ja nicht einbuchten.
Die MODERN SOUL BAND gehörte zu den wenigen Bands, die nach der Wende unbeirrbar weitermachten. 1991 entstand mit "Moods" sogar ein neues Album. Wie sah damals nach der Wende das Interesse der Leute an Euren Platten und Konzerten aus?
Das war natürlich nicht so umwerfend. "Moods" war eine Platte, die leider in den Medien nicht erwähnt wurde und auch nicht so umfangreich verlegt wurde. Das war mehr eine Platte für uns selber, die wir dann auf unseren wenigen Konzerten anbieten konnten. Wir haben uns jedenfalls nicht aufgelöst, wie andere Bands, die dann zehn Jahre später aber gesagt haben: "Komm, wir versuchen es jetzt mal wieder." Das funktionierte natürlich auch, nur wir haben halt immer wieder gemuschelt. Unser Problem war natürlich, dass inzwischen keiner mehr von der Musik leben konnte. Mein Gitarrist Gisbert "Pitti" Piatkowski und ich waren dann an der Musikschule tätig, so dass wir unser Einkommen hatten und nicht mehr hauptsächlich auf die Musik angewiesen waren. Mein Sänger, Christian Schmidt, suchte auch etwas anderes, wo er überleben konnte. Der trat in eine Pub-Band ein. Die haben dreimal die Woche stundenlang in irgendwelchen Pubs gespielt. Das hätte ich niemals gemacht. Christian hat sich dadurch zugrunde gerichtet. Der ist ja in diesem Jahr auch gestorben, wie Du weißt.
Ja, leider ... Was verstehst Du denn unter einer Pub-Band?
Na ja, die haben pausenlos in solchen Pubs und Clubs gespielt. Es waren nur Covertitel zu hören und die spielten zum Tanz. Wer da auftrat, war den Leuten scheißegal, die wollten nur unterhalten werden und tanzen. Um die Band an sich ging es ihnen überhaupt nicht.
Bei den Aufnahmen zu "Moods" habt Ihr die Titel erstmals mit englischen Texten versehen. Bis dahin hörte man von Euch 21 Jahre lang nur deutsche Texte. Warum jetzt der Wechsel der Sprache?
Das verrate ich Dir gerne. Die ganzen Texter und Autoren, mit denen wir zu DDR-Zeiten zusammen gearbeitet hatten, waren freischaffend oder haben beim Rundfunk ihre Brötchen verdient. Nach der Wende waren die mit den Bands nicht mehr so verbunden, da sich viele Gruppen aus Existenzgründen auflösten. Dadurch gingen auch viele Kontakte zu den Textern in die Brüche. Dazu kam, dass man ja nun texten konnte, was und wie man wollte. Es wurde nichts mehr lektoriert! Das war ja früher ein echtes Problem. Man brauchte wirklich gute Lyriker und Leute, die mit Worten umgehen konnten und die Texte für die Bands geschrieben haben. Die Texte mussten nämlich so geschickt geschrieben sein, dass sie auch durch die Lektorate kamen. Bevor ein Lied abgenickt wurde, musste es dem Lektorat vorgespielt werden. An der Musik gab es ja selten was auszusetzen, aber sowie auch nur ein falsches Wort vorkam, war das Ding gelaufen. Politische Themen durften gar nicht vorkommen, alles zum Thema Umweltschutz war auch Kacke. Selbst, wenn manche Titel durchkamen, fiel danach einem Dorfsheriff aus Finsterwalde auf, dass man diesen Titel ja eigentlich doch nicht spielen kann. Das ging dann gleich hoch ans ZK und die Partei, und der Titel wurde aus den Rundfunksendungen genommen. Es musste halt alles passen, Kritik wurde nicht geduldet.
Aber wie seid Ihr denn nun zu den englischen Texten gekommen?
In Westberlin gab es einen Produzenten mit Namen Dietmar Püschel. Der gründete ein Label in Spandau und der hatte auch ein Studio. Püschel kam auf mich zu und fragte mich, ob wir nicht mal einen Song produzieren wollen, in dem beide deutschen Nationalhymnen ineinander verschachtelt sind. Er hatte nämlich die Rechte an der DDR-Nationalhymne gekauft. Er machte dann sogar eine ganze LP daraus mit verschiedensten Fassungen dieser Hymnen, z. B. als Klassik-Version. Da hat beispielsweise Anke Lautenbach eine dieser Versionen gesungen. Bernd Wefelmeyer hat die Big Band-Fassung arrangiert und ich war für die Rock-Version zuständig. Das haben wir produziert in Deutsch und Englisch. Auf Deutsch hieß das "Eine Erde für uns alle", auf Englisch "Touch of freedom". Dem Texter der englischen Fassung spielte ich mal unsere eigenen Nummern vor und fragte ihn, ob wir nicht mal was davon auf Englisch machen könnten. So kam das mit der englischsprachigen Platte. Das war also nicht auf unserem Mist gewachsen, sondern dieser erwähnte Typ kümmerte sich darum. Auf der Platte war auch "Child of Bitterfeld". Das lief auf den letzten Metern noch in der DDR-Hitparade. Produziert wurde das Lied 1989 in einem Studio in Westberlin. Anschließend versuchten wir auch wieder, deutsche Texte zu machen und da habe ich dann den einen oder anderen Text selber geschrieben. Da wurde plötzlich ungeahntes Potential in mir frei. Ich dachte mir, jetzt braucht man sich nicht mehr so viel Gedanken machen, sondern kann texten, wie einem die Schnauze gewachsen ist.
1999 kam Klaus Nowodworski dann zur MODERN SOUL BAND zurück. Habt Ihr ihn dazu überredet oder hatte er plötzlich wieder selber Bock darauf?
Irgendwie bekamen wir wieder Kontakt miteinander. Wir trafen uns hin und wieder mal und redeten. Christian Schmidt wechselte dann zu einer von diesen, wie ich immer sage, Pub-Bands oder Cover-Bands. Diese Band bestand durchaus aus guten und professionellen Musikern. Einer war mal bei WIR, einer kam von der PETRA ZIEGER BAND usw. Die mussten natürlich auch überleben, deshalb riefen die diese Band ins Leben. Aber leider hatten die sich MEINEN Sänger ausgeguckt! Und weil der damals kaum seine Miete bezahlen konnte, hat er zugesagt. Anfangs haben wir versucht, miteinander zu kooperieren, doch dann gab es immer wieder Überschneidungen. Nun hatte ich schon nur noch zwölf Muggen im Jahr und sollte davon noch welche absagen, weil mein Sänger woanders sang ... Also musste ich mir einen neuen Sänger suchen. Ursprünglich hatten wir Michael Barakowski aufgerufen. Nur leider steckte der gerade in einem tiefen Loch. Zu DDR-Zeiten hatte er ja mit seiner Band unheimlich abgeräumt. Und jetzt hatte er sich nicht richtig im Griff, hatte mit Alkohol usw. zu kämpfen. In dieser Zeit sprach ich dann einfach mal Klaus Nowodworski an. Klaus war etwa ein Jahr bei uns, als er mich eines Tages im Jahr 2000 anrief und meinte, er hätte öfter so ein Flimmern vor den Augen. Ich sagte ihm, vielleicht hätte er Migräne, denn das kenne ich von mir auch. Für den nächsten Gig in Cottbus fiel Klaus aus und ich musste Christian Schmidt fragen, ob er noch einmal einspringen kann, was er auch tat. Tja, und dann ging es schnell. Im September sagte Klaus, er kann nicht auftreten, im Oktober lag er schon im Krankenhaus mit der Diagnose Gehirntumor.
Wer übernahm dann nach seinem Tod den Platz am Mikrofon?
Das wurde Dirk Lorenz, der in Westberlin bei den BLUES BROTHERS auftrat. Der kannte sämtliche Soultitel und war ein Entertainer vor dem Herrn. Er verkaufte richtig gut. Aber irgendwie klappte es dann nicht mehr so mit uns. Er war dreißig Jahre jünger, als ich und wollte viel mehr Auftritte mit der Band. Dazu kam, dass ich ja ab 2001 in Spanien lebte. Der Dirk Lorenz war zwar menschlich ein netter Kerl, aber von der Stimme her hat er mich nicht so vom Hocker gehauen. Da fehlte irgendwo der Wiedererkennungswert. Außerdem machte er mir zu viel Halligalli, das sah manchmal schon ein bisschen Mallorca-mäßig aus. Du musst Dir das so vorstellen: "Und jetzt machen mal alle mit!" Dann tanzte er plötzlich auf dem Tisch. "Und die Hartz IV-Empfänger dahinten machen auch mit!" Mir war das schon manchmal peinlich, ich fühlte mich nicht mehr wohl dabei. Das merkte man mir natürlich an. Es war zwangsläufig ein bisschen Spannung zwischen uns, die von mir ausging. Einige Bandkollegen wurden auch nicht richtig warm mit ihm. Eines Tages rief Dirk mich dann an und sagte, er hört auf. Ich hatte schon die ganze Zeit überlegt, wie ich ihn los werde, denn eigentlich machte er einen super Job. Deshalb war ich froh, dass Dirk von sich aus gekündigt hat. Bei der nächsten Mugge meinte er dann aber: "Hugo, ich bleibe doch bei Euch, Du brauchst Dich nicht um Ersatz zu kümmern". Das wollte ich dann aber nicht mehr und sagte Dirk ab. Stattdessen probierte ich es noch einmal mit Christian Schmidt, der inzwischen wegen Trunkenheit aus seiner neuen Band geflogen war. Der arme Kerl war dann völlig von der Rolle. Zwischenzeitlich war er dann mal mit einem netten Mädel zusammen, die mich anrief und fragte, ob ich nicht was für Christian tun könne. Nun konnte ich den Christian schon immer gut leiden, zumal wir mit ihm als Sänger auch unsere größten Erfolge hatten. Also probierte ich es. Aber leider stieß ich bei einigen Kollegen aus der Band eher auf Ablehnung. Ich merkte dann auch, dass Christian dies und jenes vergaß und da wusste ich, das wird nicht einfach. Er trank dann auch heimlich, obwohl er das auf meine Fragen immer verneinte. Trotzdem machte er auf mich oft den Eindruck, als wenn er was getrunken hätte. Mein Bassist und kurz darauf auch der Gitarrist wollten bei mir aufhören, wenn ich Christian weiter behalte. Also musste ich mich notgedrungen von ihm trennen. Dadurch fiel er wahrscheinlich in ein noch größeres Loch und kam dann gar nicht mehr von der Flasche los. Irgendwann versagte die Leber und irgendwann war er dann nicht mehr unter uns. Mein ehemaliger Trommler Roger Heinrich, der heute auf Zypern lebt, empfahl mir dann André Siodla, der zu DDR-Zeiten meistens im Background von Dirk Zöllner tätig war. Mit ihm machten wir dann weiter. Anfangs hatte André ganz schön zu kämpfen, da er relativ unbekannt war. Aber er hat sich durchgebissen, hat auch eine super Ausstrahlung und wir sind alle der Meinung, dass er gut zu uns passt.
Ihr hattet also bewegte Zeiten, was die Sänger betrifft ...
Na ja, Du siehst es ja selbst: Zwei Todesfälle, zwei Alkoholkranke ... In den Anfangsjahren hatte ich ja parallel zum Sänger auch immer noch ein Mädel in der Band. Zum Beispiel Regine Dobberschütz. Das war übrigens auch sehr interessant, denn sie war eine sehr Gute. Regine kommt auch zu unserem Jubiläum und macht für ein paar Titel mit. Sie hatte zwischendurch auch einige Höhenflüge, war bei Lenz, bei Günther Fischer und mit "Solo Sunny" hatte sie einen richtigen Hit. Andererseits hat "Solo Sunny" natürlich nichts mit MODERN SOUL zu tun. Aber wir werden es dennoch spielen, nur habe ich Regine klar gemacht, dass sie diesmal dann auch "Klein sein" und "Schlafen gehen" singen muss. Wir spielen das Ganze zwei Töne tiefer und jetzt kann Regine es auch singen.
Wenn man sich Eure Diskographie anschaut, dann stellt man fest, dass "Moods" Euer letztes Studioalbum war und das ist immerhin schon 22 Jahre her. Danach gab es nur Best Of-Kopplungen oder Live-CDs. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass MODERN SOUL noch mal ein komplett neues Album einspielt?
Also Material für ein Studioalbum würde durchaus vorliegen. Aber man muss das ganze auch realistisch sehen. Der Aufwand für eine gute Studioproduktion ist enorm. Aber die Chance, dass Du mit den neuen Titeln dann auch in den Medien läufst und Deinen Bekanntheitsgrad aufpäppelst, ist dagegen relativ gering. Deshalb stellt sich für mich wirklich die Frage nach Aufwand und Nutzen. Da bin ich halt eher skeptisch. Uns fehlt auch eine echte Interessengemeinschaft im Hintergrund, die so eine Produktion unterstützen würde. Also warum soll ich so viel Kohle investieren, wenn die Scheibe hinterher noch nicht mal im Plattenladen liegt?
Trotz alledem feiert Ihr am 20. Juli im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Jazz in town" in Berlin Euren 45. Bandgeburtstag mit einem Konzert. Was habt Ihr vorbereitet? Wer wird als Gastmusiker dabei sein? Was wird es auf der Bühne zu erleben geben?
Das wird ein wirklich interessantes Programm, welches von Jazz über Soul bis zum Pop reicht. Zum Beispiel Michael Barakowski mit seinem Hit "Zeit die nie vergeht", was ja schon hart an der Grenze zum Pop liegt. Ein Extrem in die andere Richtung ist Ernst-Ludwig Petrowsky. Also es werden Gegensätze ohne Ende sein. Abgerundet wird das Programm durch die Bluesschiene, denn Peter Pabst von der JONATHAN BLUES BAND singt von Klaus Nowodworski den "November Blues". Henry Kotowski gehört auch zum Programm, denn der war auch lange bei MODERN SOUL und mit dem hatten wir den "Zicken-Rock" produziert. Das ist eine Bluesnummer, die immer rein passt. Außerdem machen noch Uschi Brüning und Regine Dobberschütz mit und eventuell auch noch Conny Bauer, der heute einer der schärfsten Posaunisten ist und ein Solostück spielen wird. Und nicht vergessen darf ich natürlich Klaus Lenz. Dem habe ich extra für diesen Abend einen Instrumentaltitel geschickt. Der freut sich sehr, dass er dabei ist. Klaus spielt dann noch beim Auftritt von Uschi Brüning mit, die wiederum eine Janis Joplin-Nummer singt. Und unser MODERN SOUL-Programm kommt ja sowieso. Das wird hochinteressant. Es ist also für jeden etwas dabei. Ich kann ohne Übertreibung sagen, dass es ein hoher Anspruch ist, der an dem Tag über die Bühne gehen wird. Auf jeden Fall wird es ein langer Abend. Es soll nämlich von 19:30 Uhr bis 23:00 Uhr gehen.
Der Vorverkauf ist wohl auch schon sehr gut angelaufen ...
Das ist wohl tatsächlich so. Die Konstellation mit unserer Band als Bindeglied kommt sehr gut an. Es sind ja auch nur Leute dabei, mit denen wir schon mal zusammengespielt haben, die schon mal zur Band gehörten. Andere Musiker sind bei unseren Jubiläumsparties auch nicht dabei.
Ich habe es eingangs ja schon erwähnt, Du wirst Ende dieses Monats 73 Jahre alt. Viele Deiner Altersgenossen sind schon im Ruhestand und genießen nach jahrzehntelanger Arbeit das Leben. Ich will Dich jetzt nicht in Rente schicken, aber wie lange wirst Du uns noch erhalten bleiben bzw. wie lange wirst Du noch Musik machen?
Das kann ich gar nicht so genau sagen. Wenn Du Dich einigermaßen wohlfühlst und Du noch nicht als Krüppel durch die Gegend läufst und schon gar nicht auf die Bühne kriechen musst ... solange kannst Du auch als Musiker arbeiten. Aber wenn da was absehbar ist, oder die Leute sagen, "Wie läuft der denn rum?", dann hör ich auf. Ich selbst habe mir noch kein Limit gesetzt. Vielleicht hab ich irgendwann die Schnauze auch voll, aber das weiß ich jetzt noch nicht.
Wenn man so lange mit einer Band aktiv ist, wie Du es mit der MODERN SOUL BAND bist, kann man da irgendein Erlebnis festmachen, das über allen anderen steht - völlig egal, ob im positiven oder negativen Sinne?
Nein, das ist alles so durchwachsen mit positiven wie negativen Erlebnissen. Es gibt Highlights, da freut man sich eben ... Die Tourneen in der Sowjetunion waren schon so kleine Highlights. Auch Festivals, die man mit anderen Bands zusammen spielt, oder ganz allgemein, wenn man mit besonderen Leuten zusammen arbeitet und sich dort wiedertrifft. Das sind auch Highlights. Ich erinnere mich noch an ein Festival zusammen mit Roger Chapman und der Manfred Mann's Earth Band, das auch zu den großen Momenten in unserer Bandgeschichte gehört. Und von diesen Momenten gibt es ganz viele. Ich kann nichts davon besonders hervorheben, weil es einfach zu viele schöne Erlebnisse gab.
Gibt es Entscheidungen, die Du in den vergangenen 45 Jahren getroffen hast, die Du heute anders treffen würdest?
(überlegt lange) Eigentlich kann ich diese Frage auch nicht wirklich beantworten. Es gab viele die sagten, "Hättest Du es mal einfacher und kommerzieller gemacht, dann wärst Du vielleicht auch so bekannt wie die PUHDYS geworden." Aber ich hab' immer meinen Kram so weitergemacht, wie ich es für richtig hielt, mit dem Abstrich, dass ich eben doch nicht so berühmt geworden bin. Aber ich bin mit dem Erreichten zufrieden.
Du entstammst einer Generation, die noch Schallplatten gekauft und gehört haben und die bei Live-Konzerten mehr Wert auf die Musik, als auf die Show drumherum gelegt haben. Was geht Dir durch den Kopf, wenn Du Dir die heutige Musikszene so anschaust?
Im Laufe der Zeit haben sich zig andere Musikrichtungen entwickelt. Das Gewusel, das es da heute drumherum gibt, gab es zu unserer Zeit nicht. Wir sind in den 50ern mit Swing- und Schlagermusik aufgewachsen. Und wenn ich mir das heute so ansehe, dann staune ich manchmal, was Dank der fortgeschrittenen Technik alles möglich ist und was da passiert. Aber davon mal abgesehen, beeindruckt mich das aber manchmal nicht sonderlich, was damit gemacht wird, denn ich finde nicht alles gut, was es da heute gibt. Bei Manchem, was da auf die Menschheit losgelassen wird, denke ich auch, "Das muss doch jetzt wirklich nicht sein!" Aber letztlich bestimmen auch nicht immer die Musiker den Markt, sondern das macht heute das Publikum. Was die gut finden, muss von den Musikern gespielt werden, damit es eine Nummer 1 wird.
Interessierst Du Dich für die aktuelle Musik oder interessiert es Dich nicht mehr?
Nein, man bekommt ja schon automatisch dieses und jenes mit. In die Sachen, die so ein bisschen richtungsbezogen und von Interesse für uns sind, hört man schon mal rein. Das beeinflusst mich aber nicht, denn eigentlich ist es so, dass ich mich nach wie vor immer noch selbst finde und für uns Songs schreibe, die zu uns passen. Große Ausschläge nach links, rechts, oben oder unten gibt's bei mir eigentlich nicht. Und Experimente mache ich schon gar nicht.
Hugo, ich wünsche Dir für Deinen bevorstehenden Geburtstag alles Gute. Dass er so ausfallen möge, wie Du es Dir wünschst ...
Ja, danke!
Auch das Jubiläumskonzert soll ein voller Erfolg werden. Das wünschen wir Euch auch. Hast Du noch ein paar letzte Worte, die Du an die Leser richten möchtest?
Ich würde mich freuen, wenn sich Menschen, die uns noch nicht kennen, der MODERN SOUL BAND ein bisschen annähern, sich öffnen und auch mit dieser Art von Musik ein bisschen beschäftigen. Vielleicht gewinnen wir ja so noch ein paar mehr Fans dazu. Es wäre schön, wenn sich das rumsprechen würde, was wir machen und wie gut unsere Musik ist, damit noch ein paar Leute mehr zu unseren Konzerten dazu kommen. Sowas wünscht man sich als Musiker doch eigentlich: Dass man immer eine volle Hütte hat.
Interview: Christian Reder
Bearbeitung: tormey, mb, cr
Fotos: Pressematerial Band, Redaktion
Bearbeitung: tormey, mb, cr
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