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Interview vom 11. August 2022



Georgi Gogow, genannt "Joro", war der erste Musikant, der die Geige mit einem Plektrum spielte. Das war in den 70ern und er war einer der treibenden Kräfte, die die Geige als Instrument in der Rockmusik überhaupt erst attraktiv und "angesagt" machten. Mit dem Song "Am Fenster" machte er sich zusammen mit der Gruppe CITY unsterblich, gründete später noch so tolle Bands wie NO55 und DER WILDE GARTEN und gehört zur Deutschrockszene so unverzichtbar dazu, wie das Salz zur Suppe. Nun macht sich aber Abschiedsstimmung breit.001 20220815 1154632426 Je näher der 30. Dezember und die letzte CITY-Mugge in Berlin heran rückt, wird einem das Herz schwer. Eine deutsche Kultband wird es danach nicht mehr geben. Doch hören wirklich alle CITY-Musikanten auf und züchten fortan Rosen? Das wollten wir von "Joro" Gogow, dem Geiger und Bassisten der Berliner Band wissen. Aber nicht nur dazu bat unser Kollege Christian um Auskunft ...

 


 

Lass uns mit den aktuellen Dingen beginnen. Im Moment betrifft das vor allem CITY. Du hast ja in diesem Jahr alles, was CITY betrifft, zum letzten Mal vor Dir. Also Albumproduktion, Konzerte, Tournee… wie fühlt sich das für Dich an?
Man kann das ganz klassisch definieren: ich sehe das mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Natürlich hatte man vor fünf Jahren solche Gedanken noch nicht, sondern die kamen erst durch verschiedene Lebensumstände ans Licht, vor allem durch den Tod unseres Schlagzeugers Klaus. Dann stand natürlich "50 Jahre CITY" im Raum. Und nicht zuletzt gab es ja noch die Corona-Zeit, als wir insgesamt 26 Monate nicht auf der Bühne stehen konnten. Die Band hat die Zeit genutzt, um wieder aus der Trauer herauszukommen, denn Klaus` Tod hat uns sehr, sehr hart getroffen. Seine Krankheit verlief in zwei Etappen bzw. Ebenen. Zunächst baute er 2015 massiv ab, kam dann aber wieder richtig gut zurück und wurde scheinbar ganz der alte Klaus. Das war für uns ein echtes kleines Wunder. Am Ende war der Krebs aber leider stärker. Das hat uns in der Entscheidung bestärkt, unsere Karriere und das Bestehen von CITY nach 50 Jahren zu beenden.

Wenn ich da mal kurz einhaken darf… Ich habe kürzlich mit einem Musiker einer anderen Band gesprochen, die das gleiche Schicksal zu verdauen hatten. Da wurde auch ein Bandmitglied krank und starb an der Krankheit. Wie ist das bei CITY abgelaufen? War das Thema präsent und stand ständig im Raum oder habt Ihr die Erkrankung von Klaus ausgeklammert und einfach weitergearbeitet?
Anfangs hat uns das unglaublich schockiert, denn es hieß, diese Art Krebs sei sehr tückisch und wird ab einem bestimmten Alter gar nicht mehr behandelt. Aber durch die heutzutage weit fortgeschrittene Medizin hatte man Klaus noch fünf Lebensjahre schenken können. So, und nun hat das Ganze wieder zwei Gesichter. Zum einen ist es eine völlig normale Regung, wenn man sich freut, dass es jemand überstanden hat. Die andere Seite ist die, dass man zusehen muss, wie dieser Koloss von Mensch so massiv abbaut … Klaus war ja ein Baum von einem Mann, ein Fels in der Brandung, eine sehr starke Persönlichkeit. Nichts brachte ihn zum Umfallen, ständig stürzte er sich voller Energie in neue Aufgaben, war von einer schier unerschöpflichen Kreativität beseelt. Die Vorstellung, dass wir Klaus verlieren könnten, hatte sich durchaus schon während der ersten Phase seiner Erkrankung in unsere Köpfe geschlichen. Das mussten wir als Band erst einmal verarbeiten und damit klarkommen, aber Klaus ging es ja nicht anders, auch er musste das erstmal verdauen und damit umgehen. Deshalb haben wir auch den Fakt, dass jemand aus unseren Reihen nicht mehr unter uns weilt, bei unserem Fernsehkonzert thematisiert, indem wir uns bei dem Lied "Es war gut" um das Schlagzeug positioniert und Klaus damit einen letzten Abschiedsgruß geschickt haben. Im Netz löste das Lied hunderttausende Reaktionen aus, was uns sehr berührt hat. Klaus fehlt uns sehr, das kann man nicht anders sagen. Trotzdem gehen wir weiter als Band auf die Bühne und haben mittlerweile mit Roger Heinrich einen guten Ersatz gefunden, der uns auch schon während der ersten Krankheitsphase von Klaus zur Seite stand. Wobei wir alle wissen, dass man Klaus nicht wirklich ersetzen kann. Aber Roger macht einen tollen Job. Und ich darf es mal unter uns so ausdrücken, wie es war und ist: er hat uns den Arsch gerettet.

Es gab ja auch Zeiten, da saß Dein Sohn bei CITY am Schlagzeug. War er keine Option als Ersatz für Klaus?
Derzeit nicht.

Zurück zu CITY. Es passiert alles gerade zum letzten Mal. Ihr seid zum letzten Mal im Studio gewesen, habt zum letzten Mal ein Album aufgenommen. Was war das für ein Gefühl, als Du die Studiotür hinter Dir geschlossen hast in dem Bewusstsein, dass es danach kein neues CITY-Album mehr geben wird, dass dieses das wirklich letzte war?
Wir sind "Die letzte Runde" in mehreren Wellen angegangen. Der Teil mit dem größten Aufwand stand dabei am Anfang und wurde hauptsächlich von Toni und Fritz getragen. Dabei ging es um die gesamte Planung und Durchführung der Produktion und im Anschluss daran um die Logistik bei den Konzerten. Das alles ging Hand in Hand mit der multiart-Agentur, die uns tatkräftig mit ihrer großen Erfahrung und vor allem ihren technischen Möglichkeiten unterstützt hat. Unbedingt erwähnen muss ich auch unseren Produzenten Andre Kunze, der die größten CITY-Hits in Klassik-Arrangements umgewandelt hat und mit uns die Idee umsetzte, gemeinsam mit einem Sinfonieorchester, den Berliner Symphonikern, auf der Bühne zu stehen. Die neuen, klassischen Arrangements von "Casablanca", "Am Fenster" usw. waren richtig toll. Das Schreiben der Arrangements und das Einstudieren mit den Symphonikern kostete natürlich sehr viel Zeit und Arbeit, aber am Ende sind die Aufführungen großartig gelaufen. Wir hatten ja schon einige Jahre zuvor bei OSTROCK IN KLASSIK Erfahrungen mit dem Babelsberger Filmorchester sammeln können, das war jedoch kein Vergleich mit dem, was jetzt mit den Berliner Symphonikern ablief. Das Babelsberger Filmorchester begleitete damals alle beteiligten Bands, spielte also Arrangements von den PUHDYS, von KARAT und von CITY, während diesmal der alleinige Fokus auf den Titeln von CITY lag. Es war schön zu sehen, mit welcher Freude das Orchester sich unserer Lieder angenommen hat und mit welcher Heftigkeit die Symphoniker uns umrahmt haben. Für mich persönlich war das eine echte Sternstunde.


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Wird davon später ein Mitschnitt auf DVD erscheinen?
Es gibt ja schon das MDR-Fernsehkonzert, welches noch in der Mediathek verfügbar sein müsste. Inwieweit noch andere Formate erscheinen werden, kann ich im Moment nicht sagen. Auf jeden Fall wurde unser Konzert am 23. Juli in der Berliner Wuhlheide, bei dem die Berliner Symphoniker in voller Besetzung dabei waren, aufgezeichnet.

Im September beginnt ja nun die große CITY-Abschiedstournee, die sich bis Ende Dezember hinziehen wird. Das ist dann endgültig "Die letzte Runde". In Berlin seid Ihr gleich zweimal zugange, und zwar am 29.12. und am 30.12. Es ist eine blöde Frage, aber bist Du manchmal gedanklich schon bei dem allerletzten Konzert? Hast Du schon hin und wieder Bilder im Kopf, wie dieses Abschlusskonzert sein wird?
Die Generalproben sind ja schon gelaufen. Wir hatten fünf Konzerte mit den Berliner Symphonikern und acht Auftritte als CITY pur zum Aufwärmen und Einstudieren des Programms. Da mussten wir uns also tatsächlich schon in manchen Städten von unserem Publikum verabschieden, was jedes Mal ein schwerer Moment war. Jetzt liegen noch insgesamt dreißig Abschiede vor uns, wobei der Schlusspunkt dann eine gewisse Routine sein wird. Das hoffe ich jedenfalls.

Du wünschst Dir also, dass es nicht zu emotional wird.
Das weiß ich noch nicht, das lasse ich auf mich zukommen.

Du sagtest eben, Ihr habt noch dreißig Konzerte vor Euch. Was kannst Du den Leuten sagen, die noch unentschlossen sind, ob sie kommen sollen? Was wird auf der Bühne passieren, was habt Ihr vorbereitet?
In erster Linie wird man CITY erleben, wie man uns kennt: locker, witzig. Toni ist ein sehr erfahrener Entertainer, der immer einen Witz auf den Lippen hat und gut mit dem Publikum kommuniziert. Es gab Zeiten, da war unser Programm von viel Routine gekennzeichnet. Diesmal ist es anders, denn jeder weiß um die Besonderheiten des Abschieds. Es wird unter anderem Zurufe aus dem Publikum geben, auf die wir dann spontan reagieren müssen. Jeder von uns wird sich, ohne dass wir das vorher großartig besprechen müssen, so gut wie möglich einbringen auf den letzten Konzerten, denn wir wissen, dass wir danach höchstwahrscheinlich nie wieder gemeinsam auf der Bühne stehen werden. Um ein bisschen die traurige Note aus Deiner Frage und meinen Antworten rauszunehmen, lass mich mal etwas abschweifen. Als wir uns 1992 wieder zusammengeschlossen haben, geschah das auf eine Initiative von THE INCHTABOKATABLES hin. Die Jungs luden uns zur Präsentation ihrer neuen Platte in den Tränenpalast ein und meinten vorher, ob wir uns vorstellen könnten, wieder als CITY aufzutreten. Bedingung war allerdings: nur mit Geige und in der Originalbesetzung. Und das war sozusagen die Initialzündung, es wieder miteinander zu versuchen. Natürlich kamen Toni und Fritz vorher zu mir, um meine Meinung dazu abzuklopfen. Ganz ehrlich, was hatte ich damals schon zu verlieren? Die ersten acht Jahre mit CITY waren mir noch gut im Gedächtnis und waren eine gute Basis für das, was CITY letztlich immer war, nämlich eine der erfolgreichsten deutschen Bands. Wir trafen uns also zunächst im Studio. Ich hatte mich natürlich vorbereitet, kannte die "Casablanca"-Platte und alles andere, was sie in der Zeit ohne mich eingespielt hatten. Es klappte auch recht gut, aber das Erstaunlichste war: als wir unsere alten Stücke spielten, fühlte es sich an, als wenn es diese zehn Jahre Trennung nie gegeben hätte!

Ein Phänomen, von dem viele Musiker sprechen, die sich Jahre nicht sahen und dann wieder zusammen muggten …
Es scheint irgendwo eine Art Schublade zu geben, in der bestimmte Musikstücke gespeichert werden. Und wenn man diese Schublade nach einiger Zeit mal wieder aufmacht, ist die gute alte Zeit plötzlich wieder da. So erging es uns, was wir einerseits erstaunlich, andererseits aber auch toll fanden. Und deshalb ist der jetzige Schlusspunkt hinter 50 Jahre CITY von viel Zufriedenheit gekennzeichnet, weil wir eine superschöne und erfolgreiche Zeit miteinander hatten.


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Da sprichst Du übrigens was an … Als Du die Band 1982 verlassen hast, gab es einen Riesenzoff, das ist ja mittlerweile bekannt. 1992 kamt Ihr dann wieder zusammen. Wie konntest Du nach all dem Zank und Streit, der Euch ja bis vor das Gericht führte, noch einmal so tief in das Bandgefüge eintauchen, und das immerhin für weitere dreißig Jahre. Wie ist das geglückt?
Ich habe da eine Theorie, aber das ist nur meine ganz persönliche Meinung. Und zwar wollte ich damals die Band in eine andere Richtung führen, was leider misslungen ist. Es gab seinerzeit bei CITY schon die punkige Note und dazu noch die Orientierung zum Hardrock. Mit "Am Fenster" gesellte sich dann noch eine balladeske Note hinzu. Ich wollte wie gesagt etwas verändern, aber irgendwie war ich zu der Zeit viel zu wild. Als ich dann aufwachte und zu mir kam, stand ich plötzlich allein gegen die drei anderen. Nachdem ich meinen Kampf um CITY eindeutig verloren hatte, natürlich mit einem großen Schmerz in der Brust, sagte ich mir aber, jetzt musst Du nach vorne schauen und neue Schlösser bauen. Dabei will ich es belassen, denn ich war nie ein Freund davon, hinterher dreckige Wäsche zu waschen und diese vor den Leuten auszubreiten. Die Trennung musste damals sein, auch wenn das alles sehr schmerzlich war. Ich war gerade mal etwas über Dreißig, hatte aber jede Menge Ideen im Kopf, auch musikalischer Art, die ich mit CITY nicht verwirklichen konnte. Von 1982 bis zum Mauerfall hatte ich dann mit NO 55 meine neue Band gefunden und wir waren nicht weniger erfolgreich als ich es mit CITY war. Medial waren wir zwar ein bisschen isoliert, aber es öffneten sich immer wieder neue Türen für uns. Mit NO 55 habe ich immerhin zwei Alben aufgenommen, dazu noch jeweils eine mit der AMIGA BLUES BAND und dem MAMA BLUES PROJECT. Ich habe also innerhalb von sieben Jahren vier Platten aufgenommen, was für damalige Verhältnisse nicht schlecht war. Sicher waren wir in den Medien nicht ganz so präsent wie manch andere Band, aber ich bin trotzdem sehr stolz darauf.

Die NO 55-Platten sind heute ja echte Klassiker.
Das stimmt. Ich hatte also gut zu tun nach meinem Ausstieg bei CITY. Und mit NO 55, das darf man auch nicht vergessen, hatten wir selbst im Ausland große Erfolge, vor allem in Skandinavien, was außer uns in diesem Maße keine andere DDR-Band geschafft hat. Als die DDR dann zusammenbrach, war ich plötzlich arbeitslos wie so viele andere Musiker auch. Wir hatten überhaupt keine Orientierung mehr. Diese zwei Jahre musikalische Abstinenz waren sicher auch mit ein Grund dafür, dass ich nach der Anfrage von Toni und Fritz entschieden hatte, wieder bei CITY einzusteigen. Wir haben vorher über eine lange Zeit gewisse Erfolge definiert, hatten mit "Am Fenster" einen absoluten Überhit, also warum sollten wir es nicht nochmal versuchen? Und heute kann ich mit Gewissheit sagen, es hat sich definitiv gelohnt.

Deine Rückkehr hat der Band ja auch hörbar gutgetan, denn plötzlich waren der Bass und die Geige wieder da, was ja in den Achtzigern vielen gefehlt hat.
Das hast Du gesagt (lacht).

Ja (lächelt). Damit schließen wir das Kapitel CITY und kommen zu NO55, was ja hier auch schon angesprochen wurde. Seit einiger Zeit gibt es ja sowas wie eine Art Rückkehr dieser Band. Gala und Du stehen nämlich wieder gemeinsam auf der Bühne. Ihr nennt Euch schlicht und einfach GALA GOGOW. Wie kam es dazu?
Ausgangspunkt war der 60.Geburtstag von Gala. Zu diesem Anlass fragte er einige seiner alten Kollegen, ob sie Lust hätten, mit ihm in Köpenick im Rahmen einer neuen Veranstaltungsreihe, die dort Premiere hatte, ein paar Songs zu spielen. So, wie ich mich 1992 mit CITY wiedergetroffen habe, traf ich mich nun also mit Gala wieder. Seit der Auflösung von NO55 bis 2018 waren ja auch schon fast dreißig Jahre vergangen. Außer mir kamen zu dem Treffen noch Gisbert "Pitti" Piatkowski, Bernd Haucke am Schlagzeug und Rene Decker am Saxophon. Außerdem war als zweiter Schlagzeuger mein Sohn Nikolai dabei. Wir haben gleich mal fünf Songs aufgenommen und fühlten uns dabei so wunderbar, als hätte es die dreißig Jahre Abstinenz voneinander nie gegeben. Im Publikum saßen auch einige Musikerkollegen, die es gar nicht fassen konnten, wie wir miteinander spielten. Das Ganze passierte im Juni 2018. Kurz darauf rief mich Gala an und meinte, wir könnten doch mal überlegen, ob wir nicht wieder etwas zusammen machen wollen. Allerdings diesmal nicht als NO55, denn die anderen Kollegen waren alle mit anderen Dingen beschäftigt oder spielten fest in anderen Bands. Aber wir zwei, er und ich, könnten ja mal abseits von CITY so ein bisschen NO55, "ein bisschen MONOKEL, ein bisschen ganz was anderes" spielen und schon war die Idee geboren und wurde in die Tat umgesetzt. Und siehe da, es hat funktioniert.


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Habe ich das eben richtig verstanden, dass Ihr den alten Namen NO55 nicht wieder in Betrieb nehmen wolltet, weil die Kollegen nicht mitmachen konnten?
Na ja, NO55 war ja eine Band, zu der ein fest umrissener Personenkreis gehörte. Und es gab weder bei Gala noch bei mir das Interesse, ohne die anderen Mitstreiter NO55 wieder aufleben zu lassen. Wenn wir zwei oder drei Songs aus der Zeit spielen, wird das sofort wahrgenommen. Und wenn wir Gäste wie z.B. Rene Decker einladen, oder auch Pitti, der zweimal schon bei GALA GOGOW mitgespielt hat, dann ist das völlig in Ordnung. Aber NO55 als Künstlerkollektiv ist endgültig Geschichte.

Du sagtest gerade, Ihr habt den einen oder anderen alten Song gespielt. Ihr habt also NO55-Lieder fest im Repertoire?
Ja, selbstverständlich. Das sind z.B. "Goodbye alte Zeit", "Schlüsselkind" oder "Vorüber". Als nächstes wollen wir auch noch "Kurzschluss" mit einbauen. Grundsätzlich möchten wir aber nach vorne schauen.

Das heißt also, neues Song-Material zu erarbeiten steht im Fokus.
Absolut, da gibt es auch schon jede Menge Ideen. Gala liefert viele sehr gute Texte ab, nur komme ich leider nicht mit dem Vertonen hinterher, da CITY in diesem Jahr meine ganzen Kräfte bündelt. Nächstes Jahr habe ich dann nicht nur mehr Zeit, sondern vor allem auch Lust, den einen oder anderen Text zu vertonen.

Es fällt Dir scheinbar ziemlich leicht, Dich auf Kollegen einzulassen und mit ihnen zusammen Songs zu schreiben. Mit Toni Krahl ist Dir das ja auch immer wieder passiert. Mit Gala funktioniert das also genauso gut?
Es gibt hier zwei Möglichkeiten. Der Musiker gestaltet die Komposition und gibt diese weiter an einen guten und routinierten Texter, der dann was daraus macht. Oder der Poet liefert sein Gedicht bei einem Musiker ab, der versucht sich mit dem Text auseinanderzusetzen und den entsprechenden Rhythmus dafür zu finden. In der ersten halben Dekade bei CITY war es so, dass Toni die Texte geliefert hat und ich die Musik dazu geschrieben habe. Mit diesem Modell waren wir bekanntlich sehr erfolgreich. Ob das nun "Der King vom Prenzlauer Berg" war, "Der Tätowierte" oder was auch immer, es war erfolgreich. Auch bei den Songs, die von Fritz kamen, wie z.B. "Es ist unheimlich heiß", war zuerst die Musik da. Das war eben für die damalige Zeit typisch und der übliche Weg beim Songschreiben. Dann aber hat man sich auf textliche Aussagen und Inhalte aus der Hand von Leuten konzentriert, die eher philosophisch rüberkommen und irgendwie einen anderen Horizont vermitteln. Damit meine ich, dass es plötzlich Tages Texte sein sollten, die nicht mehr so rockermäßig klangen, sondern eher philosophisch. So etwas können Profitexter natürlich hundertmal besser als ein Rockmusiker, der die Arbeit im Studio liebt. Nach meinem Weggang verstärkte sich bei CITY jedenfalls die Tendenz, sich mit Texten aus fremden Federn zu versorgen.

Macht Ihr das mit der Musik zum Text bei GALA GOGOW jetzt genauso?
Nein. Unser erster Song entstand, als Gala und ich im Probenraum saßen. Ich klimperte ein bisschen auf meiner Gitarre rum und Gala meinte, das würde sich gerade gut anhören, was ich da spiele. Wir machten daraus innerhalb von fünf Minuten eine Demoversion und Gala lieferte am nächsten Morgen den fertigen Text dazu. Unabhängig davon hat Gala natürlich noch einige Texte in seiner Schublade und wir gucken, ob wir davon direkt etwas verwenden können. Es ist also alles eigenes Handwerk.




2018 ging es nach Deinen Worten los mit GALA GOGOW. Somit habt Ihr bis heute vier Jahre mit dem neuen Projekt erlebt, wobei ca. zwei Jahre davon direkt draufgingen für den CITY-Abschied bzw. dass sie dem Corona-Lockdown zum Opfer fielen. Wieviel habt Ihr denn schon gemeinsam machen können?
Ja, du hast Recht, wir konnten 26 Monate wegen Corona nicht auf die Bühne. Bei CITY haben wir die Zeit genutzt, um unsere Abschiedstournee in aller Ruhe vorzubereiten. Was GALA GOGOW betrifft, hatte ich 2021 das ungute Gefühl, dass unser neues Projekt eventuell scheitern bzw. nicht stattfinden würde, wenn wir jetzt nicht irgendetwas machen. Wir hatten bereits einige Songs komplett fertig, wir hatten auch schon geprobt, so dass das abendfüllende Liveprogramm absolut vorzeigbar war. An diesem Punkt rief ich Gala an und schlug ihm vor, ein kleines Wagnis zu starten. Meine Idee war, dass wir ins Studio gehen, dort vielleicht zehn bis zwölf Songs einspielen, das Ganze von meiner Filmcrew aufnehmen lassen und als Videos ins Netz stellen. Gala fand den Gedanken sofort gut. Wir zogen uns zwei Tage in den Probenraum zurück und haben die Lieder dann bei einem Freund in einer Potsdamer Künstlerwerkstatt aufgezeichnet. Rene Decker und ich haben anschließend das Audiomaterial aufgearbeitet und Gala gemeinsam mit dem Filmemacher Markus Gottschall die Videos zusammengeschnitten. Auf die Art brachten wir nach und nach zwölf Videos ins Netz, die sowohl für das Publikum als auch für die Veranstalter als Visitenkarte für GALA GOGOW gelten sollen. Das hat auf jeden Fall super funktioniert.

Wie wird es jetzt weitergehen? Du sagtest gerade, dieses Jahr bist Du bei CITY komplett eingebunden, aber im nächsten Jahr hast Du den Kopf frei, um neue Lieder zu schreiben und vielleicht den einen oder anderen Auftritt mit GALA GOGOW zu machen. Wann können wir mit einer CD rechnen?
Wir haben unsere zwölf fertigen Lieder inzwischen auf eine reine Promo-CD gebrannt, die wir in erster Linie den Veranstaltern in die Hand drücken wollen. Die Frage ist jetzt natürlich, wie sich die Gesellschaft in Sachen Corona verhält, welche diesbezüglichen Entscheidungen von der Politik kommen. Werden zum Beispiel Großveranstaltungen von der Politik wieder unterdrückt? Das hoffe ich natürlich nicht, denn mit CITY wollen wir das Jahr wie geplant zu Ende spielen. Aber auch für die gesamte Unterhaltungsbranche wäre eine solche Entscheidung verhängnisvoll. Käme noch ein weiterer Lockdown, würde es der Kultur die Atemwege zuschnüren. Die Leute würden sich abwenden und sich anderen Dingen widmen. Durch die vergangenen Lockdowns ist vielen Menschen erst klar geworden, wie essentiell wichtig das kulturelle Leben für sie eigentlich ist. Wir merken nämlich an der Reaktion des Publikums, wie ausgehungert die Leute sind, was z.B. Konzertbesuche angeht. Die Fans haben seit drei Jahren Tickets in den Schubladen zu liegen, die vielfach gar nicht mehr einlösbar sind, was ein riesengroßer Schlamassel ist. Deshalb hoffe ich sehr, dass durch die zu erwartenden neuen Maßnahmen kulturelle Veranstaltungen, in welcher Form auch immer, nicht wieder unterdrückt oder gar annulliert werden. Mein Wunsch ist: lasst es einfach laufen. Im Sport funktioniert es ja auch, da dürfen seit geraumer Zeit wieder zigtausend Menschen in die Stadien. Jeder, der vernünftig ist, weiß, wie er sich schützen kann.

Wirst Du denn nach dem 30.12. die Geige nochmal in die Hand nehmen und "Am Fenster" spielen oder wird das Lied mit dem Ende von CITY auch beerdigt?
Nein, warum auch? Als wir mit NO55 in den 80er Jahren an der Drushba-Trasse in der damaligen Sowjetunion gespielt haben, war klar, dass es überall da, wo mein Gesicht auftauchte, ohne "Am Fenster" nicht gehen würde. Nun hatte ich befürchtet, dass Gala "Am Fenster" ablehnen würde, aber zu meinem Erstaunen meinte er, ohne zu zögern: "Kein Ding, das spielen wir". Und somit haben wir 1986 mit NO55 erstmals "Am Fenster" gebracht, nachdem ich es vorher vier Jahre nicht mehr gespielt hatte. Ich werde es auch zukünftig gerne mal wieder hervorholen, aber es wird auf keinen Fall fester Bestandteil des Programms von GALA GOGOW. Dazu gehört einfach die Stimme von Toni, und Gala ist nun mal nicht Toni. Zu besonderen Veranstaltungen oder wenn der Veranstalter es explizit verlangt, dann spielen wir "Am Fenster" natürlich gerne.




Wenn Du das jetzt so betonst, werden es künftig natürlich alle Veranstalter, die das hier lesen, zur Bedingung machen.
Dann habe ich mich da wohl etwas missverständlich ausgedrückt. Ich bin ein freier Künstler und kein Veranstalter kann irgendetwas von mir verlangen. Ich lege großen Wert darauf, dass ich frei von jeder Art Einmischung agiere. Was ich meinte, sind beispielsweise reine Privatveranstaltungen. Da kann man über alles reden. So wie man da zwanglos zum anderen sagt: "Bringst Du eine Torte mit?", kann man auch im Nebensatz sagen: "Wäre schön, wenn Du zum Abschluss 'Am Fenster' spielst". Das ist überhaupt kein Problem. Aber bei GALA GOGOW gehört die Nummer NICHT zum Standardprogramm. Es wird genügend andere Songs geben, zu denen ich die Geige wieder raushole, weil Gala sich das gewünscht hat. Wer sich unsere Videos auf YouTube anschaut, wird das deutlich erkennen.

Neben GALA GOGOW bist Du auch sonst sehr aktiv gewesen. Unter anderem gab es das Projekt DER WILDE GARTEN. Ist das noch aktuell?
Das ist eine gute Frage, die ich mit einem JA beantworten kann. DER WILDE GARTEN wurde von mir 1997 als eine Art Spielfeld für überschüssige Energie gegründet und bis 2015 in verschiedenen Besetzungen erfolgreich am Leben gehalten. 2015 verstarb dann Rainer Rohloff, mit dem ich den WILDEN GARTEN zuvor acht Jahre lang geführt hatte. Ich zog danach erst einmal einen Schlussstrich unter das Projekt. 2019 wurde ich von einigen Musikern direkt auf DER WILDE GARTEN und NO55 angesprochen. Aber das ging nicht in die Richtung "Wollen wir da nicht mal etwas zusammen machen…", sondern das kam dann von mir. Ich dachte mir, wenn Dich schon diese Leute fragen und deutlich machen, dass sie meine Musik mögen und gut finden, dann belebe ich den WILDEN GARTEN eben wieder. Und so ist es gekommen. Wir hatten schon Auftritte, die auch zu positiven Reaktionen der örtlichen Medien führten. Also plane ich, auch dieses Projekt abendfüllend zu gestalten.

005 20220815 1551459885Wer gehört denn aktuell zum WILDEN GARTEN dazu?
Hauptsächlich gehört dazu die Sängerin Karolina Blasek, bekannt als Sängerin der AC/DC-Coverband BLACK/ROSIE. Außerdem ist dabei Kai-Uwe Scheffler, dem man als Gitarrist und Sänger der STATUS QUO-Coverband QUOTIME kennt. Die beiden hatten mich angesprochen und sind derzeit meine unmittelbaren Partner. Karolina singt, Kai-Uwe spielt Gitarre und ich mache den Tausendsassa und bringe Gitarre, Bass und Geige zum Einsatz. Wir arbeiten also im Kern als Trio. In meinem persönlichen Umfeld gibt es aber weitere sehr gute Musiker, die je nach Gelegenheit mitmachen und dann Schlagzeug oder Bass beisteuern. Das Ganze soll in Zukunft jedenfalls wieder wachsen.

Das hört sich gut an.
Ja, ich bin auch sehr glücklich darüber, dass DER WILDE GARTEN wieder Fahrt aufnimmt.

Die schönste Nachricht in diesem Interview ist, dass Du nicht in Rente gehen wirst, sondern weiterhin aktiv bleibst. Gibt es sonst noch etwas Wichtiges, was wir in diesem Gespräch vergessen haben oder was Du einfach noch loswerden möchtest?
Mir fällt absolut keine Frage ein, die Du nicht schon gestellt hast. Es war alles dabei.

Dann wünsche ich Dir alles Gute für "Die letzte Runde" und vor allem im nächsten Jahr für Deine beiden Herzensprojekte GALA GOGOW und DER WILDE GARTEN.
Ich bedanke mich ganz herzlich.



Interview: Christian Reder
Übertragung: Torsten Meyer
Fotos: Pressematerial Gala Gogow, Michaela Proksch, Christian Reder, Reinhard Baer



   
   
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