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Interview vom 4. Juli 2023
Interview vom 4. Juli 2023
Deutschlands meiste Band der Welt KNORKATOR hat natürlich auch Deutschlands meisten Gitarristen der Welt, BUZZ DEE Baur. Logisch, oder? Selbst Leute, die mit dieser satirischen Rockband aus Berlin, die uns vor Jahren mal beim ESC vertreten wollten und dafür alles zerhackten, was nicht niet- und nagelfest war, nichts anzufangen wissen, dürften BUZZ DEE aber doch irgendwo schon einmal über den Weg gelaufen sein. Markant sein Äußeres ebenso, wie seine Spielweise, und reichhaltig die Liste der Kapellen, in denen er bisher spielte und mit seinem Gitarrensound versah. In den 70ern gründete er die Bluesband MONOKEL, spielte bei Metropol und ELEFANT, eher er zu den Gruppen KEKS, PRINZIP und MCB kam. Nach der Wende spielte er u.a. bei LANZ BULLDOG und DE BUFFDICKS eher er dann schließlich 1996 einer der KNORKATORen wurde. Im Bereich Blues und Rock ist ihm nichts fremd und er dürfte wohl einer der "stillsten" Vertreter seiner Art unter all den Rockgitarristen sein. Unser Kollege Christian sprach vor einigen Tagen mit "der alten Frau" über ihn und seine bisherige Karriere. Hier das Ergebnis ...
Seit wann trägst Du eigentlich Deinen Spitznamen Buzz Dee? Wo kam der her?
Das kann ich Dir ganz ausführlich erzählen. Den Namen hat sich Alf Ator ausgedacht. Basti heiße ich schon seit meiner Kindheit, das war nicht neu. Aber diese Schreibweise stammt aus dem Hirn von Alf. Und zwar habe ich damals gerade eine Kneipenmugge gemacht, als KNORKATOR einen Gitarristen suchte. Stumpen, den ich vorher schon kannte, fragte mich, ob ich Interesse hätte. Ich sagte ihm, ich spiele mit TINO STANDHAFT bei Speiche, da kann er mir ja mal ein paar Demotapes von KNORKATOR vorbeibringen. Dann kam tatsächlich Alf in Begleitung seiner damaligen Frau vorbei und überreichte mir ein paar Tapes, auf denen stand "Für Buzz Dee". Erst verstand ich das gar nicht, dann dämmerte es mir aber schnell. Und dabei blieb es bis heute.
Bevor wir zu KNORKATOR kommen, lass uns zunächst mal auf Deine eigenen Wurzeln schauen. Hast Du überhaupt noch Erinnerungen an Deine Kindheit in Cottbus, wo Du geboren bist?
Nein, gar nicht. Was wohl vor allem daran liegt, dass ich ein halbes Jahr alt war, als meine Eltern von Cottbus nach Karl-Marx-Stadt gezogen sind. Sie waren Schauspieler und haben am dortigen Theater angefangen. Und 1960, ich war gerade mal drei Jahre alt, zogen wir auch schon nach Berlin. Erst lebten wir in Weißensee, dann in Karlshorst und ab 1964, dem Jahr meiner Einschulung, wohnten wir in Pankow.
Also stammst Du aus einem künstlerischen Haushalt?
Ja. Vater und Mutter waren beide Schauspieler am Deutschen Theater.
Kannst Du Dich noch an den Moment in Deinem Leben erinnern, als Dich das Rock'n'Roll-Virus erwischt hat? Was war der Auslöser, dass Du Dich für die Musik interessiert hast?
Für Musik habe ich mich schon immer interessiert. Das klingt jetzt vielleicht komisch, aber meine Eltern hatten eine Platte von Abi & Esther Ofarim, die ich gut fand und auch Platten von Herb Alpert, einem fantastischen Trompeter. Da war ich ungefähr zehn Jahre. Und 1969 bekam ich dann ein kleines Radio geschenkt, auf dem nur Sender auf Mittelwelle zu empfangen waren. Das Ding sah aus wie eine Puderdose, was mir aber egal war. Dank dieses Radios machte ich eines Tages Bekanntschaft mit dem Sender AFN, was dazu führte, dass ich plötzlich jeden Abend freiwillig ins Bett ging, um mir noch eine Stunde lang die Hitparade auf AFN anzuhören. Da liefen dann beispielsweise Nummern wie "Whole lotta love" von LED ZEPPELIN oder "Let it be" von den BEATLES. Von da an war ich infiziert und konnte mir diese Beschäftigung mit der Musik nicht mehr wegdenken.
Die BEATLES waren jetzt aber nicht Deine Favoriten, oder?
Doch, die BEATLES gehörten durchaus dazu. Dazu muss man wissen, in der DDR gab es eine BEATLES-LP. Die berühmte AMIGA-LP von den BEATLES. Mein Vater kaufte die seinerzeit, das muss 1966 gewesen sein. Ich habe diese Platte rauf und runter gehört und besitze sie auch heute noch. 1970 war mein Vater mit dem Theater in Schottland unterwegs, von wo er mir die "Help"-LP mitbrachte. Meine Cousinen aus dem Westen versorgten mich ebenfalls mit Platten. Und ich habe heute wohl noch zehn BEATLES-Platten in meinem Besitz.
Im Internet habe ich eine Quelle gefunden, in der die Gruppe BLUES BOULEVARD, eine Schülerband, Deine erste Station gewesen sein soll. Stimmt das?
Es stimmt, ich hatte diese Schülerband. Aber wie das mit Schülerbands so ist: wenn die Schulzeit zu Ende ist, löst sich diese Band in der Regel auf. Nun kannte ich damals den Bassisten Gunther Krex, der auch eine Band hatte. Und der suchte mit seinem Mitstreiter Christian Platzer 1975 für einen einzigen Auftritt, und zwar beim Panke-Fest, ein paar Musiker, da seine anderen Leute zur Armee eingezogen wurden. Gunther fragte mich, ob ich Lust hätte mitzuspielen, das Ganze sollte in Richtung Blues gehen. Zu dieser Zeit hatte ich mir bereits einige Songs von Johnny Winter überspielt, weil ich diese Art Musik sehr interessant fand. Also sagte ich Gunther und Christian zu. Nun musst Du Dir mal überlegen: das war mein erster öffentlicher Auftritt. Das mit der Schülerband zur Abschlussfeier zähle ich mal nicht mit. Wir spielten beim Pankefest, und das gleich vor ungefähr 2.000 Leuten! Okay, wir hatten eine fürchterliche Anlage, aber am Ende war das mein Schlüsselerlebnis und ich wusste: genau DAS willst Du machen. Ich weiß sogar noch, was wir bei diesem Gig gespielt haben. Zum Beispiel "Natural born bugie" von HUMBLE PIE, "Red house" von Jimi Hendrix, von Rory Gallagher "Cradle rock" und dann noch eine Instrumentalnummer. Insgesamt hatten wir ja nur eine halbe Stunde.
Das klingt so, als wäre die Setlist abseits der 60:40-Regel gelaufen…
Ich bitte Dich, wer hat sich denn an diesen 60:40-Unsinn gehalten?! Auf der offiziellen Setliste standen irgendwelche Phantasiestücke drauf und wenn man uns sagte, wir sollen mal dieses oder jenes davon vorspielen, haben wir halt irgendwas improvisiert. In der Anfangszeit von MONOKEL haben wir immer zwei Nummern der polnischen Band BREAKOUT gespielt, obwohl wir das eigentlich total doof fanden.
Du warst also im besten Teenager-Alter und hast 1975 nach diesem tollen Erlebnis beim Pankefest die Gruppe MONOKEL gegründet. Wie kam es denn dazu? Und wer gehörte damals zu der ersten, relativ unbekannten Gründungsformation?
Gunther Krex nahm mich eines Tages mal mit in den Frannz Club, wo eine Band mit Namen ENGERLING spielen sollte. Von diesem Tag an war ich Stammgast im Frannz Club. Nun wollte ich mir endlich mal die HANSI BIEBL BAND angucken. Nach etlichen Versuchen bekam ich auch tatsächlich mal die Chance, BIEBL im Frannz zu sehen. Als es aber soweit war, spielte plötzlich eine Band namens VAI HU. Ich wusste damit nichts anzufangen, dachte, jetzt spielt da statt BIEBL eine vietnamesische Band. Bis man mich aufklärte, dass kurz zuvor zwei Musiker der HANSI BIEBL BAND im Schlauchboot über die Ostsee abgehauen waren. Na gut, nun stand also VAI HU auf der Bühne. Die spielten so eine Mischung aus Blues und Jazz-Rock. Den Gitarristen Axel Stammberger kannte ich noch aus seiner Zeit bei FEUERVOGEL. Jedenfalls streute ich zur damaligen Zeit die Nachricht, dass ich Leute für eine eigene Band suche. Und an diesem Abend im Frannz Club kam jemand auf mich zu, den ich aus der Schulzeit kannte und der inzwischen Einlasser im Frannz Club war. Der meinte zu mir, da hinten steht einer an der Tür, der Gitarre spielt und ebenfalls gerade eine Band für sich sucht. Den sprach ich also an. Peter Schneider, so hieß er, meinte, er würde zwar mehr auf Soul stehen, aber Bluesrock wäre auch geil. Nun wollte ich wissen, über welches Equipment er denn verfügt, denn ohne solches war man als Musiker im Osten nichts wert. Es stellte sich heraus, dass Peter diverse Boxen und Verstärker sowie eine Hagstrom-Gitarre besaß und auch noch ein Mikrofon in seinem Besitz hatte. Das war der pure Wahnsinn! Wir wollten es also mal zusammen versuchen, brauchten allerdings noch einen Bassisten. Da lief uns Willy Borchert über den Weg. Willy spielte zwar zehnmal besser Gitarre als wir beide zusammen, aber wir brauchten jetzt einen Bassisten. Ein Schlagzeuger fehlte natürlich auch noch. Hier konnte uns Ingo Politz weiterhelfen, den ich ebenfalls von seiner kurzzeitigen Mitwirkung bei FEUERVOGEL kannte. Ingo selber wollte nicht bei uns einsteigen, aber er empfahl uns jemanden von der Musikhochschule, und zwar hieß der Horst Trümpelmann. Letztlich stieß noch Michael Mirek an der Mundharmonika zu uns. Nun begannen wir zu proben und machten im Sommer 1976 unsere erste Einstufung. Wir waren alle noch blutjung, ich zum Beispiel war gerade mal 18, aber die Jury fand das recht gut, was wir machten. Man fragte uns, ob wir vielleicht an die Musikschule Berlin-Friedrichshain gehen wollten, was Peter Schneider und ich sofort bejahten, aber Willy Borchert hatte keinen Bock, schon wieder auf die Schule gehen zu müssen. Der wollte lieber erstmal Straßenbahnfahrer werden. Und Horst Trümpelmann, unser Schlagzeuger, wollte künftig lieber Jazz spielen. Damit brach die Kapelle zum ersten Mal auseinander. Peter und ich saßen daraufhin ziemlich ratlos in unserem Probenkeller in der Grabbeallee und überlegten hin und her, wie es weitergehen soll. Plötzlich tauchte Stefan Diestelmann auf. VAI HU hatte sich nämlich gerade aufgelöst. Wie sich das dann alles entwickelte, weiß ich nicht mehr hundertprozentig. Diestelmann war zwar ein etwas merkwürdiger Typ, aber als Lehrer war er großartig. Er konnte Dir bestimmte Dinge ganz wunderbar erklären. Wir klagten ihm unser Leid, dass wir unbedingt einen Schlagzeuger und einen Bassisten bräuchten, woraufhin Stefan sagte, er kennt da tatsächlich einen Bassisten, der ist aber schon etwas älter und trinkt ganz gerne mal einen. Und so stellte Diestelmann uns Jörg "Speiche" Schütze vor, den ich vom Sehen schon aus dem Frannz Club kannte. Wir machten eine gemeinsame Probe und befanden Speiche für gut. Speiche wiederum brachte den Schlagzeuger Michael Werner ins Spiel. Dieser erwies sich allerdings als nicht brauchbar. Das traf übrigens auf viele Drummer im Osten zu. Oftmals hätte ich da besser getrommelt als manch einer, der sich Schlagzeuger nannte. Ich wäre sowieso lieber Schlagzeuger geworden, aber das Problem war die Lautstärke beim Üben. Das beschwerte sich immer das ganze Haus über den Lärm, so dass ich diesen Traum aufgab.
Es scheiterte also daran, dass Du die Nachbarn mit dem Lärm verärgert hast?
Heutzutage ist das ja alles kein Problem mehr, da kaufst Du Dir ein elektronisches Schlagzeug und alles ist gut. Aber damals waren die Bedingungen andere. Aber egal. Eines Tages kam Speiche an und meinte, er hätte in Treptow einen total geilen Mundharmonikaspieler gehört. Und das war Frank Gahler. Der stieg dann auch sofort bei uns ein. Allerdings spielten wir in dieser Besetzung auch nur bis 1977.
Monokel in den 70ern (Fotograf: unbekannt)
Also war das die offizielle Gründungsbesetzung?
Nein, keinesfalls. Genauso wenig stimmt es, dass Speiche der MONOKEL-Gründer war. Offiziell gab es MONOKEL seit unserer ersten Einstufung, aber von dieser Ursprungs-Besetzung gibt es ja keinen mehr.
Diese allererste Besetzung kannte ich nämlich auch nicht, deshalb fragte ich ja danach. Also wollen wir jetzt diese Lücke ein für alle Mal schließen. Hast Du denn die Musikschule auch wirklich besucht?
Ja klar, ich war für ein Jahr auf der Musikschule in Berlin-Friedrichshain. Danach wurde sie für die Ausbildung von Berufsmusikern dichtgemacht. Seien wir mal ehrlich: eigentlich ging es doch jedem Musiker nur darum, den Berufsausweis zu machen. Du konntest ja im Osten nicht einfach sagen, dass Du von der Musik leben kannst. Nein, dazu musstest Du Musik studiert haben. In Friedrichshain ging das alles sehr locker. Plötzlich wurde das Ding dann nur noch für Amateurmusiker offengehalten. Wer seinen Berufsausweis machen wollte, musste stattdessen an der Musikhochschule weitermachen. Aber wir wurden zum Glück übernommen. Ich war dann nochmal fast vier Jahre an der Hochschule, bin da aber leider durch die mündliche Theorieprüfung gerasselt. Ich sollte die Prüfung nachholen, was ich aber nicht getan habe. Zu diesem Zeitpunkt spielte ich aber schon bei KEKS und später dann bei MCB. 1986 bekam ich meine Pappe, also den Berufsausweis trotzdem noch, und zwar über Mike Demnitz. Den kannte man ja von REFORM und MCB.
Dann hast Du also bis weit in die 80er Jahre ohne Berufsausweis…
(unterbricht)… Nee nee, ich hatte immerhin einen "vorläufigen Berufsausweis" in der Tasche. Ja, ich habe mich schon irgendwie damit durchgeschummelt, bin dann aber irgendwann doch aufgeflogen. Ich war ja inzwischen bekannt wie ein bunter Hund. Plötzlich hieß es, sie brauchen mal meine Ausweisnummer. Natürlich kamen die schnell dahinter, dass diese Nummer zu einem "vorläufigen Berufsausweis" gehörte, weshalb man mir nahelegte, nochmal eine sogenannte externe Prüfung zu absolvieren. Ich meldete mich also an, fand das aber schnell total doof, denn es ging dabei um ganz viel Marxismus/Leninismus und nur wenig um Musik.
Bis 1979 bist Du bei MONOKEL geblieben. Gab es denn bis dahin für die Band schon die Möglichkeit, beim Rundfunk eigene Songs aufzunehmen oder kam das erst, nachdem Du raus warst?
Das kam erst später.
Warum hast Du MONOKEL eigentlich verlassen?
Mir war das Ganze zu archaisch bluesmäßig angehaucht. Zudem hatten wir ab 1979 einen Schlagzeuger aus Halle, der absolut nicht spielen konnte. Zu diesem Zeitpunkt machten wir unter anderem Nummern von den ALLMAN BROTHERS. Damit war der überfordert, das konnte der nicht. Das konnte ich ohne Übertreibung wirklich besser trommeln. Ich musste dem erklären, wie der Anfang von "I don`t cross to bear" ging! Und darüber kriegten wir uns in die Haare, denn die Kollegen meinten, der Junge ist gut, der hat den Blues. Darüber konnte ich leider überhaupt nicht lachen, denn der hatte nun wahrlich nicht den Blues, sondern der konnte einfach nichts! Ich habe dann Ernie von METROPOL angefragt, ob er nicht Lust hätte, bei MONOKEL einzusteigen. Die Antwort war "Nein", aber im Gegenzug wurde ich gefragt, ob ich stattdessen nicht bei METROPOL mitmachen wolle, allerdings nur für ein halbes Jahr, weil da wieder mal einer zur Armee musste. Naja, das war ja nun nicht unbedingt die Band, die ich mir gewünscht hätte, aber ich muss sagen, METROPOL war sehr aktiv, die spielten richtig viel. Die hatten auch schon eigene Techniker, so dass das doch ein Schritt nach oben war. Wenn auch nur für kurze Zeit.
Genau, lange dauerte Deine Zeit bei METROPOL nicht. Danach folgten Stationen wie VOX und ELEFANT. Letzteres war aber nicht die Band von Ute Freudenberg, oder?
Nein, das hatte mit Ute Freudenberg nichts zu tun. Es gab noch eine Berliner Band mit Namen ELEFANT. Die waren sogar schon länger dabei als die Freudenberg-Band. Das ging aber sowohl mit VOX als auch mit ELEFANT jeweils nur ein paar Monate, dann ging ich zu KEKS.
Wie kam es denn dazu, dass Du 1981 bei KEKS angeheuert hast?
Ich war mit Detlef Brauer, seinerzeit Gitarrist bei KEKS und vorher bei REGENBOGEN, in einer Klasse auf der Musikhochschule. Der meinte, "Ralf ‚Bummi' Bursy ist bei KEKS ausgeschieden, weil er zu PRINZIP gegangen war", deshalb brauchten die unbedingt einen neuen Sänger. Na gut, nur als Sänger… das konnte ich mir nicht so richtig vorstellen. Detlef Brauer bot mir dann an, sich die Jobs als Sänger und Gitarrist mit mir zu teilen. Ich überlegte hin und her, nahm das Angebot letztlich aber an. Leider kriegte ich mich mit Detlef dann ständig in die Haare. Er war in der Band ohnehin nicht sehr beliebt, weshalb er auch irgendwann ausstieg, zu BERLUC ging und "No bomb" sang. Nachdem "No bomb" fertig war, stellte Brauer einen Ausreisenantrag, und weg war er.
Bummi selber hast Du also gar nicht innerhalb der Band kennengelernt?
Nein. Ich kannte Bummi zwar, aber zusammen Musik gemacht haben wir nie.
Du hast 1983 mit KEKS das gleichnamige Album rausgebracht. Waren auf der Platte nur Rundfunkproduktionen?
Nein, die Songs wurden extra für die Platte aufgenommen. Wir waren ja wie die meisten Bands beim Rundfunk. Die hätten es am liebsten so organisiert, dass Du in jedem Halbjahr zwei Songs aufnimmst. Nach ungefähr vier Jahren reicht das Material dann aus, um eine LP daraus zu machen. Das war natürlich völliger Schwachsinn, denn bis dahin waren die meisten Lieder ja total veraltet. Dann kam aber das Angebot von AMIGA, im Studio eine Platte live einzuspielen. Wir haben uns tierisch gefreut, die Jungs vom Rundfunk waren darüber aber natürlich richtig sauer. Ich traf eines Tages Walter Cikan und erzählte ihm in meiner Naivität und voller Euphorie, dass wir bei AMIGA ein Album aufnehmen können, was Walter wiederum ziemlich mies fand. Wir haben es trotzdem gemacht, worüber ich auch heute noch sehr froh bin.
War das Deine erste Plattenaufnahme oder gab es vorher schon Produktionen, bei denen Du mitgewirkt hast?
Ja, es gab beim Rundfunk schon einige Sachen, bei denen ich dabei war, aber echte Studioaufnahmen konnte ich erst mit KEKS machen. METROPOL hat übrigens damals schon im Studio von Gunther Wosylus, dem ehemaligen PUHDYS-Schlagzeuger, ein paar Demos aufgenommen, aber da war ich nicht dabei, da ich ja nur Gastmusiker war.
Bei KEKS gab es ja für Dich erstmals einen Ausflug in die Welt des Songwritings. War die Zeit damals reif, dass Du eigene Lieder schreibst, oder hat man Dich dazu überredet?
Nein, dazu hatte man mich nicht überredet. Nachdem Detlef Brauer ausgestiegen war, wollte man die Band eigentlich schon fallen lassen. So nach dem Motto: Wenn der Brauer weg ist, braucht ihr gar nicht erst versuchen weiterzumachen. Wir haben aber alle Zweifler eines Besseren belehrt. Wir haben in der Besetzung, in der wir die Platte aufgenommen haben, immerhin noch ungefähr ein Jahr weitergespielt, bevor unser Bassist ausstieg und zu Petra Zieger ging. Heute sagt er selber, das war der größte Fehler seines Lebens. Aber man darf dabei nicht übersehen, dass er bei Petra Zieger ein Mehrfaches von dem verdiente, was er bei KEKS gekriegt hat. Ab diesem Moment begann es bei KEKS zu bröckeln. Wir hatten dann nochmal eine Besetzung, wo wir gesagt haben: "Jetzt räuchern wir hier alles weg!" Es kamen nämlich zwei gute Leute in die Band, von denen der eine Alex Schloussen war, der Bruder von Marcus Schloussen. Der zweite Neue war Frank Powileit, ein richtig guter Gitarrist. Mit diesen beiden wollten wir nochmal richtig auf die Kacke hauen. Wir hatten bei irgendwelchen Festspielen mitgemacht, wo es für uns allerdings nur zum 3. Platz reichte - aber nur auf Grund unseres Aussehens, davon bin ich immer noch überzeugt. Wir hatten eben bunte Haare und so'n Zeug, was im Jahr 1983 noch dazu führte, dass die Jury zickig wurde. Merkwürdig war nur, dass der Osten drei Jahre später plötzlich den Punk erfunden hatte. Jedenfalls stellten dann drei Leute von KEKS einen Ausreiseantrag, womit die Band KEKS erledigt war.
Wie hast Du denn die Zeit mit KEKS insgesamt erlebt? Du sagtest ja gerade, dass es kurz nach Deiner Ankunft in der Band schon den ersten Knatsch mit einem Kollegen gab.
Bei KEKS ging es tierisch ab, wir hatten coole Klamotten und Frisuren, ähnlich wie die ersten Punks, die damals gerade auf der Bildfläche erschienen. Und dass Detlef Brauer nach all dem Knatsch endlich raus war, tat der Band gut. Anfangs klangen wir ja noch etwas POLICE-lastig und poppig, danach war es doch schon eher Rock'n'Roll. Klar, wir haben auch gecovert, zum Beispiel spielten wir gerne und viel SEX PISTOLS. Und wir waren relativ viel unterwegs, hatten im Osten eine gute Fanschar. In Berlin war das sogar richtig extrem. Wenn wir z.B. im Plänterwald gespielt haben, waren da hunderte Punks. Ich kann mich erinnern, dass einmal das ZDF da war. Aufgefallen sind die durch die riesigen Videokameras, die sie mit sich rumschleppten. So etwas gab es ja im Osten nicht. Am nächsten Tag, einem Sonnabend, traten wir in Weißensee auf und wieder waren da Leute, die filmten. Am Mittwoch der nächsten Woche kam dann "Kennzeichen D" im Fernsehen. Ich gucke mir die Sendung ahnungslos an, als der Moderator sagte: "Auch vor dem Osten macht der Punk nicht halt…" Und plötzlich sehe ich mich im Fernsehen! Ich fand das natürlich toll, aber im Ergebnis dessen durften wir dann nicht mehr bei "rund" auftreten. Wir schrieben daraufhin einen Beschwerdebrief ans Fernsehen, denn für die Erwähnung im ZDF konnten wir ja nichts. Erstaunlicherweise entschuldigte man sich auch bei uns und lud uns sofort für die übernächste "rund"-Sendung ein, wo wir sogar zwei Songs spielen durften. Insgesamt hatten wir bei KEKS durchaus ein paar gute Jahre.
Du sprichst ein paar interessante Punkte an. Mal waren eure Haare zu bunt, dann wart Ihr im Westfernsehen. Hattet Ihr denn öfter Ärger mit den Kultur-Oberen?
Naja, es gab Ärger, aber das hielt sich alles in Grenzen. Ich sehe oft Sendungen über irgendwelche Punkbands, die ständig festgenommen worden sind und ich frage mich dann immer, was die eigentlich verbrochen haben mussten. Mir ist so etwas nie passiert. Ich hing ja früher auch viel am Alexanderplatz mit Punks rum, die auch jeden Abend verhaftet wurden. Aber wenn man nach dem Ausweis gefragt wird und antwortet: "Hau ab, Du blöder Bulle!", dann musstest Du halt damit rechnen, festgenommen zu werden. Unser Ärger mit den Funktionären bezog sich meistens auf unsere Klamotten, auf die Nietengürtel, unsere Frisuren usw. Beispielsweise sollten wir mal in "rund" auftreten, aber kurz vorher rief mich unser Manager ganz aufgeregt an: "Bist Du verrückt, mit Deinen grünen Haaren kannst Du doch nicht auf die Bühne! Du musst das ganz schnell ändern!" Na gut, dann habe ich mir das Grün eben rausgefärbt, was dazu führte, dass meine Haare an diesen Stellen dann weiß waren. Das ging natürlich auch nicht, also musste ich mir alles möglichst schnell wieder braun färben. Es war einfach nur albern. Oder das Thema Gürtel… Wenn eine Petra Zieger mit Nietengürtel auftrat, hat man ein Auge zugedrückt, aber wenn wir die Dinger umhatten, schrie man ganz laut auf und sprach von Revolution und dem bösen Westen.
Das Ende von KEKS war ja eher unfreiwillig. Was genau war denn damals los?
Hmmm… Es ging ja um die Ausreiseanträge. Unser Manager hatte auch einen solchen Antrag gestellt, den er aber zunächst wieder zurückzog, weil er erst noch sein Haus verkaufen wollte. Leider hatten unser Bassist, unser Gitarrist und der Schlagzeuger aber ebenfalls Ausreiseanträge gestellt, und die waren 1984 auch alle weg. Überhaupt gab es 1984 eine extreme Ausreisewelle. Daran kann ich mich deshalb so gut erinnern, weil in dem Jahr die Hälfte meiner Kumpels plötzlich nicht mehr da waren. Deren Anträge liefen zumeist schon länger, aber 1984 durften sie dann allesamt ausreisen. Von KEKS blieben nur noch der Keyboarder und ich übrig. Wir versuchten nochmal neue Musiker zu finden, unter anderem holte ich Christian Platzer zu KEKS, mit dem ich Jahre zuvor bei BLUES BOULEVARD angefangen hatte. Dazu kam noch Holger Küste am Bass, der später bei LIFT landete. Ans Schlagzeug setzte sich für den Neubeginn Michael Velten, der von MORGENROCK kam. Wir versuchten das Ganze noch eine Weile aufrecht zu erhalten, neue Songs zu machen, aber nachdem dann auch noch der Keyboarder ging und ich als Einziger von der Ursprungsbesetzung übrig war, mussten wir auch noch eine neue Einstufung machen. Und was passierte? Die Eierköppe gaben uns keine neue Konzertberechtigung! Die wussten ganz genau, dass damit die Band auseinanderbricht. Viele Jahre später erzählte mir Ritchie Barton, der heute bei SILLY spielt, was Phase war. Die wollten nämlich, dass mein Name aus der Musikszene verschwindet. Mein Name war nämlich für die Kulturfunktionäre zu sehr mit den Ausreisen meiner Bandkollegen verbunden. Offiziell konnten sie mir zwar nicht in den Arsch treten, denn ich war ja im Land geblieben, aber hintenrum haben sie es dann doch gemacht. Wir spielten noch ein paar letzte, kleinere Muggen mit KEKS und dann lösten wir die Band auf. Es kam auch kaum noch Publikum, es war irgendwie alles Mist. Ich hatte anschließend ein paar Monate lang nichts zu tun. Doch wie der Zufall es wollte, rief mich 1985 an meinem Geburtstag Mike Demnitz an und fragte mich, ob ich Lust hätte, bei MCB einzusteigen. Er machte mir zwei Jahre zuvor schon mal das Angebot, aber da lief es mit KEKS noch super, so dass ich überhaupt nicht daran dachte, da auszusteigen. Ohne dass Mike es wusste, machte er mir damit das schönste und größte Geburtstagsgeschenk.
Woher kanntet Ihr Euch?
Er war ja bei REFORM und unsere beiden Bands haben öfter mal zusammen gespielt. Oder wenn REFORM mal in Berlin spielte, waren wir natürlich da und haben hinterher noch gemeinsam was getrunken. Mike Demnitz hatte mich sowieso schon immer fasziniert. Ich habe ihn nach der Gründung von REFORM mal im Studentenklub Linienstraße erlebt. Es verbreitete sich wie ein Lauffeuer, dass es eine neue Band aus Magdeburg gäbe und die einen Bassisten hätten, wie es keinen zweiten gab. Mike hing der Bass unter den Knien, er ist rumgehüpft wie ein Wahnsinniger, während die Gitarristen von REFORM mit angeschraubten Turnschuhen und Notenblättern vor der Nase rumstanden. Das hat mich weggehauen! Und 1980 habe ich Demnitz zusammen mit Peter Sandkaulen bei LAVA gesehen. Irre, so wollte ich auch immer spielen. Und so kam es, dass ich ab 1986 bei Demnitz und MCB landete.
Wie war Mike Demnitz denn als Kollege? Eher unkompliziert oder ließ er doch eher den Chef rausgucken?
Das kam immer darauf an, wie viel er getrunken hatte. Eigentlich ist er ein ganz charmanter und netter Mensch. Aber wenn es ein Gläschen zu viel war… Wir beide haben uns sogar einige Male gekloppt. Aber am nächsten Tag kam er immer wieder an, gab zu, dass er Scheiße gebaut hatte, und damit war es erledigt. Grundsätzlich war es eine geile Zeit mit ihm und wir waren wirklich ein eingespieltes Team. Anfangs war noch Bernd Schilanski am Schlagzeug dabei, der von der Gruppe MAGDEBURG kam, später dann von MCB zu SCHESELONG wechselte. Schilanski wurde ersetzt durch Jörg Borchert, der auch ein sehr Guter Trommler war. Wir spielten enorm viel live mit MCB, vor allem auch auf den Metal-Festivals in der DDR. Erstaunlich war die Masse an Fans, die wir hatten. In den 70ern waren es die Bluesfreaks, auch Kunden genannt, in ihren Parkas und Kletterschuhen, Anfang der 80er wuchs die Punkszene immer mehr an und ab Mitte der 80er gab es dann die Heavy Metal-Fraktion, die immer mehr anwuchs und größer wurde. Unter den Metal-Fans waren allerdings auch viele ehemalige Bluesfans, die inzwischen das Lager gewechselt hatten. Wir spielten bis 1989, ehe es bei MCB leider zu einem toten Punkt kam.
Gibt es Erlebnisse aus Deiner MCB-Zeit, die bleibende Eindrücke bei Dir hinterlassen haben? Egal, ob positiv oder negativ?
Oh ja. Wir haben zum Beispiel 1988 in Berlin auf der Insel der Jugend gespielt. Außer uns waren noch PLATTFORM, PHARAO und eine russische Band dabei. Das war eine tolle Veranstaltung, von der ich glücklicherweise noch einen Fernsehmitschnitt habe. Die russische Band war echte Sahne, die haben gerockt und gespielt wie Sau. Wenn man das mit den heutigen Festivals vergleicht, war das damals eher eine Miniveranstaltung. Aber für mich war das 1988 eine Größenordnung, die wir so überhaupt nicht kannten. Da wurden riesige Kamerakräne aufgefahren, das war Wahnsinn. Dieses Erlebnis würde ich spontan als positive Erinnerung anführen. Es kamen natürlich viele andere Dinge hinzu, die man nicht vergisst.
Gab es auch Negatives?
Ja, zum Beispiel unser Management. Wir hatten mal einen Manager, der uns nach Strich und Faden beschissen hatte. Wir als Band gingen immer mit 200 Mark nach Hause, er hatte einen Tausender in der Tasche. Als wir dahinterkamen, haben wir ihn umgehend rausgeschmissen. Das hatte allerdings zur Folge, dass wir plötzlich ohne Anlage da standen. Zumal das Thema Technik im Osten ja ohnehin ein großes Problem darstellte. Ich war froh, dass ich persönlich wenigstens zwei Marshall und eine vernünftige Gitarre sowie ein Paar ordentliche Treter hatte. Das war teuer genug. Auch war ich heilfroh, Gitarrist zu sein und nicht etwa Keyboarder! Die waren ja manchmal mit bis zu 50.000 Mark verschuldet. Als dieses DX 7 von Yamaha auf den Markt kam, dieses absolute Scheißding, das hatte 40.000 Ostmark gekostet! Aber so war das eben damals.
Was war denn die Gruppe FUFFZIGER für eine Kapelle, die 1988 Songs auf dem Sampler "Hello Sunshine" veröffentlichte und bei der Du auch mitgewirkt haben sollst.
Nein, ich war nicht dabei, die haben nur einen Song von mir übernommen. Das Ganze war ein einziger Witz. Und zwar hatten wir mit der allerletzten KEKS-Besetzung ein paar Demos aufgenommen. Unter anderem war so eine Art Rockabilly-Nummer mit dem Titel "Faschingsball" dabei. Und Manfred Mayer, der Sänger der FUFFZIGER, hörte den Song und fragte mich, ob er die Nummer für sein Album aufnehmen darf. Ich habe das genehmigt, denn KEKS gab es ja nicht mehr. Das eigentliche Demo haben wir seinerzeit schnell mal in zehn Minuten aufgenommen. Bei den FUFFZIGERN klang es dann erstaunlicherweise genauso wie unsere Version.
Kurz vor der Wende im Jahr 1989, Du hast es gerade erwähnt, war für Dich Schluss bei MCB. War tatsächlich diese fehlende Platte bei AMIGA der Grund, weshalb Du das Interesse an MCB verloren hattest oder gab es noch andere Gründe?
Wir hatten bislang ja nur eine Kleeblatt-Platte mit MCB machen dürfen. FORMEL 1 hatte ja inzwischen die "Live im Stahlwerk" aufgenommen und uns hatte AMIGA ebenfalls eine LP versprochen. Nach dem Angebot passierte aber von Seiten AMIGA nichts mehr, aber wir rührten uns auch nicht. Stattdessen hatten wir mit MCB im Frühjahr 1989 einen richtigen toten Punkt, wo gar nichts mehr ging. Das war damals sehr frustrierend für mich. Heute würde ich an eine solche Situation anders rangehen. Jetzt passierte jedenfalls Folgendes: eines Tages klingelte es an meiner Tür und davor standen Bernd "Kuhle" Kühnert und Ernie von MONOKEL. Ich freute mich sehr, dass sie mal vorbeikamen, zumal wir ohnehin nie den Kontakt verloren hatten. Wir tranken was und dann kamen sie raus mit der Sprache. Sie wollten mich nämlich überreden, wieder bei MONOKEL einzusteigen. Das kam natürlich sehr überraschend und ich überlegte hin und her. Aber der Zeitpunkt war äußerst günstig, zumal es mit MCB ohnehin gerade nicht weiterging. Also sagte ich zu. So haben wir von Juni 1989 bis Sommer 1990 erneut zusammengespielt, ehe es wieder zu bröckeln begann. Vor der Wende spielten wir noch relativ häufig. Nach der Wende tingelten wir dann mehr auf irgendwelchen Sessions umher. Im März 1990 machten wir zusammen mit der HEINZ GLASS BAND sogar eine dreiwöchige Tournee durch die Pfalz und Hessen. Für uns war das der Oberknaller, denn wir spielten von Kneipen bis hin zu 500 Mann fassenden Sälen. So nach und nach schlief das aber alles ein, wir hatten kaum noch Buchungen, die Kollegen hatten auch keine wirkliche Lust, neue Songs zu schreiben. Also warf ich das Handtuch und hörte bei MONOKEL wieder auf.
Lass uns kurz die nachfolgenden Stationen besuchen und in kurzen Sätzen besprechen, denn da gab es ja einiges. Unter anderem warst Du bei LANZ BULLDOG. Erzähle mal was darüber.
LANZ BULLDOG war das nächste Unternehmen nach MONOKEL. Irgendwann rief mich Kuhle Kühnert an, um mir zu sagen, er wäre jetzt auch raus bei MONOKEL. Und er wollte wissen, ob ich Bock hätte, zusammen mit Josch Jürgen Ochmann und Olaf Käppel von der Gruppe RAPUNZEL was Neues zu machen. Also setzten wir uns ins Auto, fuhren zu den beiden nach Chemnitz, machten eine Probe, stellten fest, dass es funktionierte und schon stand der Entschluss fest. Jetzt musste Kuhle aber erstmal für ein Vierteljahr nach Mexiko. Als er zurückkam, traf ich zufällig Ina Morgenweck, die ich bereits aus MCB-Zeiten kannte. Ihr Ex-Freund Knäcke, zu dem ich ohnehin guten Kontakt hatte, fragte mich dann, was ich davon halten würde, wenn Ina nach Berlin kommt. Sie kam dann auch recht schnell und wir probten mit ihr und einer Band, die aber nicht funktionierte. Also erzählte ich Ina, dass ich noch eine weitere Band habe, die zwar eher blueslastige Sachen spielt, aber sie kann sich das ja mal anhören. Das passte sofort und so nahmen wir Ina in die Band auf. Leider stieg Kuhle dann nach einiger Zeit aus. Wir waren also nur noch zu viert. Unter anderem war unser Bassist Olaf Käppel immer noch dabei, der ja von Hause aus eigentlich Gitarrist war. Olaf war grundsätzlich ein guter Bassist, aber leider lehnte er alles ab zu spielen, was über den Grundton hinausging. Das war für eine Band wie unsere auf Dauer ein bisschen wenig. Also war klar, wenn es für uns weiter und nach vorn gehen sollte, brauchten wir einen anderen Bassisten. Nun haben wir, soweit ich mich erinnere, eine Mugge in Afalter gehabt, wo außer uns noch BLUESSTIFT und Tino Standhaft auftraten. Und bei Tino zupfte damals Christoph Frenz den Bass, und das äußerst gut. Nun konnten wir seinerzeit mit dem Pfund von Gastspielen in Österreich und der Schweiz punkten, was Christophs Entscheidung zu unseren Gunsten wahrscheinlich etwas beeinflusste. Letztlich war Christoph ungefähr vier Jahre bei uns. Als dann diese Band auch wieder auseinanderbrach, war ich todtraurig.
Ina Morgenweck machte dann solo weiter, richtig?
Ja, Ina ist ein echter Hans-Dampf-in-allen-Gassen. Sie spielt in drei verschiedenen Coverbands, sie macht nebenbei auch noch ihre eigenen Sachen, nimmt zwischendurch Gesangsunterricht und und und… Es ist unglaublich, was diese Frau leistet. Eine ganze Weile war sie auch mal bei Chris Norman als Gast tätig. Der wollte sie eigentlich fest in seiner Band haben, was sie aber abgelehnt hat. Stell Dir vor, der spielt mal zwei Jahre nicht, was dann? Des Weiteren war sie bei AVATARIA, dieser Monster-Metal-Band. Die haben ja in ganz Europa vor tausenden Menschen gespielt. Da stieg Ina aber auch bald wieder aus, weil es ihr zu viel wurde. Sie hatte genügend andere Projekte am Start.
Bei Dir kam im Anschluss noch DE BUFFDICKS, die Band mit Robert Gläser.
Genau. Dazu muss ich aber etwas ausholen. Als Ina die LAZY BONES, wie wir uns zum Schluss nannten, verließ und nach Hessen ging, verkrümelte sich auch der Rest der Band. Das waren Dicki Grimm am Schlagzeug, Christoph Frenz und unser Keyboarder Mischka. Die gingen alle zu KERSCHOWSKI, mit dem sie ganz früher schon mal zusammengespielt hatten. Man versuchte mit allen Mitteln, mich auch dorthin zu lotsen, aber ganz ehrlich, was sollte ich denn bei KERSCHOWSKI? Der Clou war, die machten eine Mugge zusammen und die Sache hatte sich schon wieder erledigt. Für mich kam jetzt eine ätzende Zeit. Ich habe zwar schön gewohnt, da ich das Sommerhaus meiner Eltern übernommen hatte und da natürlich keine Miete zahlen musste, aber ich hatte nichts zu tun. Ein bisschen Geld verdiente ich mir, in dem ich meinen Ford Transit an den Wochenenden an RENFT vermietet habe. Und wie das unter Musikern so ist, sprachen mich zwei der damaligen RENFT-Musiker, nämlich Heinz Prüfer und Robert "Gohlis" Hoffmann an, ob ich nicht Lust auf was Neues hätte. Die waren bei RENFT nicht mehr so richtig glücklich, weil die nur noch ihre eigenen Oldies spielten. Robert Gläser kam auch noch dazu und wir nahmen sogar acht Songs als Demos auf. Leider hat diese Band niemals wirklich existiert, geschweige denn Auftritte gehabt. Zum einen konnten wir uns auf keinen Namen einigen und auch die Frage, wer sich um das Management kümmern sollte, blieb ungeklärt. Ich warf dann den Namen BUFFDICKS auf den Tisch, was aber auf wenig Gegenliebe stieß. Robert Gläser allerdings wollte den Namen BUFFDICKS für eine seiner anderen Bands, in denen er aktiv war, verwenden. Ich guckte mir diese Band dann mal im Frannz Club an und fand das gar nicht so übel, auch wenn der Stil nicht hundertprozentig meins war. Wie auch immer, kurz darauf verließen der Gitarrist und der Schlagzeuger DE BUFFDICKS, dafür stieg ich mit ein. Allerdings auch nur für ein halbes Jahr. Vielleicht war am Ende der Altersunterschied zu extrem, denn ich war schon 37, die anderen Anfang 20. Die kamen immerzu mit Ideen an, wo ich nur sagen konnte, das habe ich alles schon vor zwanzig Jahren gemacht und erlebt. Irgendwann wollten sie mich nicht mehr, was dazu führte, dass es mit ihnen dann völlig bergab ging. DE BUFFDICKS waren übrigens die einzige Band, aus der ich rausgeschmissen wurde.
Die BUFFDICKS haben ja auch ein Album gemacht. Hast Du daran mitgewirkt?
Nein, das haben sie erst nach meinem Abgang gemacht. Von den Demos, die wir gemeinsam aufgenommen hatten, ist kein einziges auf der Platte gelandet. Und nachdem die Platte fertig war, haben sie sich aufgelöst. Ich war sogar noch zur Record Release Party in der Kulturbrauerei. Allerdings war da schon erkennbar, dass das nichts mehr werden konnte. Kurz nach mir hörte auch der eigentliche Sänger der BUFFDICKS auf, weil er lieber irgendwas studieren wollte. Der war ein gutaussehender, sehr charismatischer Typ, wurde nur immer sehr schnell heiser. Als Nachfolger kam ein Typ aus Westberlin, der zwar gut singen konnte, aber auf der Bühne nicht zu sehen war! Noch dazu stand er auf der Bühne neben Robert Gläser, der mindestens einen ganzen Kopf größer war! Dieser Sänger war ein richtig graues Männchen, der quasi nicht sichtbar war. Und als Gitarrist hatten sie Thomas Glatzer aus Köpenick, der zwar auch gut Gitarre spielt, aber auch so ein Schüchterner ist. Eigentlich habe ich an diesem Abend nur ein Konzert für Bass und Schlagzeug gehört und gesehen. Mehr nicht. Robert Gläser und Christian Gerlach waren absolut prägnant und im Vordergrund. Aber nicht nur auf der Bühne, sondern auch bei den Proben und den Plattenaufnahmen. Na egal, danach haben sich DE BUFFDICKS aufgelöst.
Buzz Dee mit Mike Seeber (Foto: Torsten Meyer)
Nachdem Du anschließend noch ein halbes Jahr bei Tino Standhaft in der Band warst, kam 1996 ein Unternehmen auf den Plan, welches zu dem Zeitpunkt bereits zwei Jahre bestand, welches damals aber noch ganz anders operierte als dann später mit Dir. Die Rede ist natürlich von KNORKATOR. Wie bist Du zu KNORKATOR gekommen?
Stumpen und ich, wir kannten uns schon ganz lange. Stumpen meinte, er hätte mich schon 1986 im Haus der jungen Talente in Berlin gesehen, als wir mit Dirk Zöllners damaliger Band CHICOREE zwei Tage am Stück gespielt haben. Ich für meinen Teil habe ihn bewusst kennengelernt 1994/95, als wir uns immer mal im Frannz Club über den Weg liefen. Ich wusste über ihn, nur, dass er eine Band mit Robert Gläser hatte, die es aber nicht mehr gab und dass er jetzt etwas Neues macht. Eines Tages klingelte zuhause mein Telefon. Gero, also Stumpen, war dran und klagte mir sein Leid, dass er unbedingt einen Gitarristen braucht, weil seiner weggegangen war. Die Zeit drängte, denn die Band hatte die Möglichkeit, auf der aktuellen Rio Reiser-Tour nach Rio spielen zu können. Ich fragte: "Wieso denn NACH Rio Reiser?" Stumpen sagte: "Na ja… wir zerkloppen auf der Bühne immer Fernseher und alles Mögliche…" Und da Rio Reiser ja immer barfuß auftrat, sollten sie eben erst nach ihm spielen. Auch hier war der Zeitpunkt wieder günstig gewählt, denn ich hatte gerade nichts Richtiges außer ein paar Gigs mit Tino Standhaft. Und jetzt kommt das, was ich Dir ganz am Anfang des Interviews erzählt hatte. Ich spielte gerade mit Tino in Speiches Blueskneipe, als Alf Ator reinkam und mir ein paar Demokassetten in die Hand drückte. Ich hörte mir das an und fragte mich: "Oh Gott, was ist das denn!?" Über die Texte musste ich schmunzeln, die Musik war mir völlig artfremd. Deshalb wollte ich eigentlich zu Alf fahren und ihm sagen, dass das nichts für mich ist.
War die Musik von KNORKATOR denn damals schon so, wie sie 1997 auf dem Album klingt? Also in Richtung RAMMSTEIN?
Ja, im Prinzip ja, aber doch anders. Auf jeden Fall klangen sie sehr nach Industrial. Alf hatte jedenfalls die Ruhe weg nach meiner versuchten Absage und versuchte mich davon zu überzeugen, dass es doch gar nicht so schlimm wäre und ich solle es wenigstens versuchen. Na gut, ich sagte zu, die Tour mitzumachen und danach zu entscheiden, wie es weitergeht. Die erste Mugge fand in Schwerin statt, aber ohne, dass wir vorher mal zusammen geprobt hätten. Wir waren ja auch nur zu dritt und nur unsere zwei Gesangsstimmen und die Gitarren waren live, der Rest kam vom Band. Wir spielten also und meine beiden Mitstreiter haben auf der Bühne tatsächlich alles zerdroschen. Und die Menge hat getobt! Das Witzige war ja, uns kannte vorher keine Sau! Ich dachte, hier würden sicher nur die 68er kommen und Rio Reisers "Keine Macht für niemand" brüllen, aber komischerweise sind wir gut angekommen. Vielleicht deshalb, weil es so total aus dem Rahmen fiel und man so etwas vorher noch nie gesehen hatte. Nach dieser Mugge jedenfalls sagte ich zu Alf und Stumpen: "Also wenn ihr wollt, bleibe ich dabei". Und so ist es bis heute geblieben.
1997 kam auch gleich das erste KNORKATOR-Album auf den Markt, was auch gleich "The Schlechtst of" benannt wurde. Erzähle uns doch bitte mal, wie dieses Album entstanden ist.
Als ich Mitglied bei KNORKATOR wurde, gab es die Songs der ersten beiden Alben bereits. Für das Debütalbum suchten wir natürlich die Songs heraus, von denen wir glaubten, dass es die Besten seien. Einzig der Song "Böse" kam erst später dazu, aber der Rest war schon fertig. Nun musst Du wissen, dass wir seinerzeit im Frannz Club immer sogenannte KONORKATOR-Partys abhielten, auf denen wir irgendwelchen Blödsinn veranstalteten wie zum Beispiel Gläserweitwurf oder Damentauziehen und luden uns dazu immer ein paar Gäste ein. Unter anderem holten wir uns mal IN EXTREMO dazu. Ein weiteres Mal hatten wir eine Hamburger Band eingeladen, deren Namen mir aber gerade nicht einfallen will. Diese Band war bei Rod Track unter Vertrag, also der Plattenfirma von Rod Gonzalez von den ÄRZTEN. Bei diesem Konzert jedenfalls standen Bela B. und Rod von den ÄRZTEN mit offenem Mund vor der Bühne, als wir gespielt haben. Als wir fertig waren, kam Bela zu uns und fragte, ob er ein Demotape von uns kaufen könnte. Ich sagte ihm, dass er das auch geschenkt haben könne. Zwei Wochen später spielten wir wieder in Berlin, diesmal in der Wabe und Bela B. war auch wieder anwesend, nur hatte er diesmal den Manager der ÄRZTE dabei. Der wollte uns mal live erleben und meinte hinterher zu uns, das wäre der oberkrasseste Kracher gewesen, den er jemals gesehen hätte. Der Typ versprach sogar, uns einen vernünftigen Plattendeal zu besorgen. Wir sollten als nächsten Schritt ein Konzert in einer Location spielen, die wir sicher vollkriegen würden. Wir entschieden uns für den Knaack Club. Der Laden war krachend voll und der ÄRZTE-Manager hatte wirklich sämtliche wichtigen Leute der Major-Label rangeholt, die es damals gab, damit die uns live erleben. Nur leider sind wirklich alle völlig angeekelt aus dem Konzert rausgegangen. Rod sagte dazu nur, wenn die anderen eben nicht wollen, nehmen wir eure Platte eben bei mir, bei Rod Track, auf. Genauso passierte es dann auch. Einen Teil der Demos haben wir so übernommen, wie sie waren, die Gitarren spielte ich nochmal neu ein und fertig war das erste Album. Die Record Release Party fand im Januar 1998 im Kesselhaus statt und das Album verkaufte sich immerhin an die zehntausend Mal. Plötzlich standen die Manager der Major-Label doch bei uns Schlange. Zu dieser Zeit hatten wir aber bereits Markus Herrmann als Manager, der damalige Freund von Katarina Witt. Markus kannte sämtliche Plattenbosse und brachte uns auf diese Weise wieder ins Spiel. Jetzt konnten wir uns in Ruhe die Partner aussuchen. Als wir dann den ersten richtigen Vertrag unterschrieben, dachte ich, da stehen doch ein paar Nullen zu viel auf dem Papier. Das war schon ein echter Hammer.
Buzz Dee und Stumpen (Foto: Rüdiger Lübeck)
Wie kann man denn ernsthaft Erfolg haben wollen und an einem Album arbeiten, wenn man sich bei vielen eurer Texte im Studio vor Lachen sicher kaum halten kann?
Ja, da hast Du vollkommen Recht, das ist so. Wenn man das eine Weile macht, kriegt man nicht mehr ständig Lachanfälle beim Lesen der Texte. Auf jeden Fall war das, was wir gemacht haben, etwas völlig Neues in der Szene. Und die Leute redeten ja auch über uns, über unsere Texte und das wir auf der Bühne alles kaputtmachten. Die Idee für dieses Konzept stammt von Alf, der übrigens ein Peter Gabriel-Fan ist, der ein Fan von Johann Sebastian Bach ist, aber auch von DEEP PURPLE. Alf stellte sich die Frage: "Wie willst Du als kleine Band auf Dich aufmerksam machen, wenn Du solche Musik spielst wie wir und in kleinen Clubs in Berlin-Köpenick auftrittst? Das interessiert doch normalerweise keine Sau. Also müssen wir Chaos verursachen". Und genau das hat KNORKATOR dann gemacht. Die Rechnung ging auf, keine Frage. Inzwischen machen wir natürlich viele von den Sachen nicht mehr, für die wir früher bekannt waren, aber es hat immer tierischen Spaß gemacht.
Aber es muss doch trotzdem echt geil sein, wenn Ihr im Probenraum an neuem Material arbeitet. Ich kenne es ja von mir selber, dass ich manchmal auf youtube ein neues Video sehe und mich bei dem Text totlache. Das kann Euch doch nicht anders gehen.
Die Sache ist so, dass Alf unser Mastermind ist, der die Songs alle schreibt. Schon, wenn eine neue Nummer halb fertig ist, spielt Alf uns die Nummer vor. Natürlich gibt es dann oft ein ziemlich lautes Gelächter. Wir anderen hören uns den Song dann zuhause eine Zeitlang an, gucken, was wir vielleicht noch ändern können, und bis wir letztlich damit zur Aufnahme ins Studio gehen, hast Du den Song dermaßen verinnerlicht, da kriegst Du keine Lachanfälle mehr. Ich werde auch nie vergessen, als Alf uns damals in Potsdam sagte, er hätte einen neuen Song namens "Böse" und spielte uns den vor. Wir lagen alle unter dem Tisch vor Lachen. Es ist doch so, dass jeder von uns die Inhalte dieses Textes schon mal selbst erlebt hat. Und Alf sagte ja immer, er möchte Texte machen, die auch in hundert Jahren noch aktuell sind.
Ihr grabt ja quasi den gleichen Garten um wie die Kollegen von RAMMSTEIN. Gab es damals irgendwelche Kontakte zwischen Euch? Vielleicht eine Art Erfahrungsaustausch?
Natürlich kennen wir uns alle. Paul und Flake kenne ich sogar schon, seit es FEELING B. gab. Die anderen Jungs von RAMMSTEIN lernte ich erst nach und nach kennen. Es stand auch irgendwann mal zur Debatte, ob wir nicht den Support für RAMMSTEIN machen. Aber das ist schon Ewigkeiten her und ohnehin war nur die halbe Kapelle dafür, während die andere Hälfte dagegen war. Überhaupt führen diese Vergleiche manchmal zu skurrilen Dingen. So quatschten mich früher immer wieder mal Leute an, die dachten wir wären schon Millionäre, da wir doch so ähnlich wie RAMMSTEIN seien. Da konnte ich immer nur antworten, dass zwischen uns RAMMSTEIN nicht nur Welten, sondern ganze Universen liegen. Allein das ganze Drumherum macht doch klar, wo die Unterschiede liegen. Bei RAMMSTEIN ging auch alles viel, viel schneller. Überleg mal, die haben sich 1994 gegründet und schon ein Jahr später kam das erste Album raus, was dann auch noch einen einschneidenden Erfolg verzeichnen konnte. Sie kamen auch ratzfatz nach Amerika. Uns gibt es fast genauso lange, aber von diesen Erfolgen können wir nur träumen. Das ist jetzt natürlich Jammern auf hohem Niveau, denn wir haben eine sehr stabile und große Fanbase im deutschsprachigen Raum. Wir spielen auch alle zwei Jahre bei den Russen, wo dann jedes Mal die Luft brennt. In Kanada oder Südamerika waren wir auch, aber Tourneen in dem Sinne machen wir nur hier in Deutschland. Diese wiederum sind dann aber immer der Hammer. Wenn ich nur an unsere letzte Tour denke... ich habe nur in glückliche Gesichter geguckt, die Leute waren absolut happy, wenn wir gespielt haben. Und nach jeder Mugge haben wir immer noch eine Autogrammstunde gegeben und pausenlos gehört, wir sollen und dürfen als Band nicht aufhören zu existieren.
Basti, Dein Kollege Alf Ator sagt über Dich: "Die alte Frau steht auf der Bühne nur rum". Du hast ja nun wirklich keinen übermäßig großen Aktionsradius, wenn Ihr live spielt. War das eigentlich schon immer so, vor allem, wenn du an die 70er und 80er Jahre zurückdenkst?
Nee, so war es natürlich früher nicht. Als ich in den Zwanzigern war, konnte ich auf der Bühne noch Purzelbäume schlagen. Bei KNORKATOR jedoch zappeln Alf und Stumpen ja selbst schon die ganze Zeit über nur rum, was sollte ich denn noch machen? Also entschieden wir, ich gebe auf der Bühne den Coolen mit Sonnenbrille und Kippe im Mund. Die Leute waren begeistert und meinten, genau das hat vorher bei KNORKATOR gefehlt - ein Ruhepunkt. Diese Rolle gefällt mir bis heute ausgenommen gut.
Berlin 2012 (Foto: Jens Lorenz)
Du hast quasi den Habitus eines Bassisten.
Stimmt. Vor allem kann ich das auf diese Art noch machen, bis ich steinalt bin. Wir sehen es ja bei Stumpen, der langsam mal aufhören sollte, solche Aktionen wie letztens in Wacken zu machen, als er von der Bühne gesprungen ist. Wenn ich daran zurückdenke, als ich bei KNORKATOR einstieg, war Stumpen vielleicht 32 oder so und er war wie ein Gummimännchen! Das war unglaublich. Alle dachten immer, der macht richtig viel Sport. Ich sagte dann immer: "Nee, der macht weder Sport noch nimmt er Drogen". Der hat nicht geraucht, und er und Alf trinken auch seit Jahren schon keinen Alkohol mehr. Ich konnte mich jedenfalls schnell mit meiner neuen Rolle als Ruhepol anfreunden.
Legendär war auch Euer Auftritt beim Vorentscheid zum Grand Prix. Davon reden die Leute ja heute noch. Erzähle doch bitte mal aus Deiner Sicht, was Ihr dort erlebt habt und wie Ihr die Sache angegangen seid.
Das war eine lustige Geschichte. Zwei Jahre vor uns war Guildo Horn dabei, und eine Band wie ROSENSTOLZ machte ja auch mal mit. Alf und Stumpen waren zu der Zeit schon gut mit AnNa R. befreundet. Und AnNa meinte, wir müssten da auch unbedingt mal mitmachen. Wir zierten uns aber immer ein bisschen. Eines Tages fuhren wir aus Hamburg, wo wir Gespräche mit unserer Plattenfirma hatten, wieder zurück nach Hause. Plötzlich sagte Alf: "Leute, guckt mal, was hier in der Zeitung steht. KNORKATOR bewerben sich beim Grand Prix mit dem Song ‚Brecht das Siegel'." Also gemünzt auf Ralph Siegl. Bis heute weiß ich nicht, wer diesen Artikel in die Presse gesetzt hat. Trotzdem haben wir erstmal lauthals darüber gelacht, ehe wir ins Grübeln kamen und uns fragten, ob wir das nicht tatsächlich mal wagen sollten. Wir riefen umgehend unsere Plattenfirma an und wollten deren Meinung dazu hören. Die waren sofort einverstanden. Nun galt damals noch die Regel, man durfte nur mit neuen, bisher unveröffentlichten Songs antreten. Und da kamen für uns nur zwei Nummern in Frage. Das eine war eine langsame Nummer und der zweite Titel hieß "Ick wer zun Schwein". Das war zwar nun nicht unsere allerbeste Nummer, doch die Plattenfirma stand hinter uns und delegierte uns zum Grand Prix. Wenn Dich ein Label zum Grand Prix anmeldete, musste man zugelassen werden. Jetzt ging es also los. Die komplette Mannschaft von N3 kam zu uns nach Berlin in den Knaack Club. Der Chef von N3 fragte uns, was wir denn mit unserem Auftritt vorhätten? Wir taten ganz unschuldig und erzählten ihm, wir wollen einfach nur ganz in Ruhe unser Lied präsentieren, aber der Herr glaubte uns nicht und bohrte nach, weil er überzeugt davon war, dass wir irgendetwas planten. Da sagte Alf, er würde gerne während des Songs auf der Bühne seine Orgel zerhacken. "Na das ist doch wunderbar", war die Antwort des N3-Chefs. Angeblich hatte er ja auch nur gefragt, damit die Kameraleute wissen, worauf sie achten müssen, damit diese Momente dann auch bei den Zuschauern an den Fernsehgeräten ankommen. Im Nachhinein muss ich auch sagen, dass diese eine Woche, die wir dort im Norden verbrachten, eine herrliche Zeit war. Nach unserem Auftritt beim Vorausscheid war in unserem Hotel natürlich die Hölle los. Der Witz war, wir hatten am Ende den 4. Platz belegt. Über den Drittplatzierten redete kein Mensch, das war irgendeine Hamburger Band. Platz 2 machte die blinde Sängerin Corinna May, die bereits zum dritten Mal dabei war und vermutlich einen Blindenbonus hatte. Und dass Stefan Raab das Ding gewinnt, war mir vorher schon klar. Wir hatten jedoch eine Unmenge Artikel hinterher zu verzeichnen, von denen viele in die Richtung gingen "Wer hat diese Irren ins Fernsehen gelassen?" Wir standen dann im Hotel am Tresen inmitten der Schar von Journalisten, ich trank zufrieden mein Bierchen, als der N3-Chef kam und mir sein Telefon ans Ohr drückte. Da war tatsächlich seine Mutter dran und sagte mir allen Ernstes: "Ihr seid die Besten gewesen!" Das war schön. Leider hat unsere Plattenfirma das Ding danach verkackt.
Warum?
Na ja, es war ja klar, dass es ein Skandal wird, wenn wir wirklich da mitmachen. Also hätte man sich vorbereiten müssen, in dem man ein Video und eine Single-CD zum Song parat hat, diverses Werbematerial hätte da sein müssen - all das hatten die Jungs nicht. Als sie das dann irgendwann Monate später nachholten, war der Zug natürlich längst abgefahren. Ganz viele Leute meinten damals, nach diesem Auftritt hätte es bei uns durch die Decke gehen müssen. Stattdessen kam bei uns nun der absolut tote Punkt. Wir hatten mehrere Jahre so gut wie gar nichts mehr zu tun, das war ganz fürchterlich. Wir arbeiteten an dem "Ich hasse Musik"-Album, wo zunächst die Veröffentlichung ein Dreivierteljahr verschoben wurde, danach dann nochmals um ein halbes Jahr. Ich wusste nicht mehr, wovon ich leben sollte. Zum Glück war ich mit einer Frau zusammen, die ganz gut verdiente, ansonsten wäre das tragisch geworden. Wir hielten uns mit Lesungen über Wasser. Nach neunzig von diesen Leseveranstaltungen war ich am Ende. Ich konnte und wollte einfach nicht mehr. Aber letztlich sicherte das unser Überleben, obwohl es dafür kaum Geld gab. Wir hatten also auch richtig trübe Zeiten als Band. Es ging eigentlich erst wieder los bei uns, als Janet Gogow 2007 bei uns ins Management einstieg. 2008 lösten wir uns dann bekanntlich auf.
Das war sehr schade, aber die Gründe nachvollziehbar …
Viele glauben heute noch, dass das damals ein Werbegag war. Dazu kann ich immer wieder nur sagen, dass es beileibe kein Gag war. Ich dachte bis zu dem Zeitpunkt, dieses Burnout-Syndrom wäre so eine Art Modekrankheit wie in den 80er Jahren Parodontose. Aber leider musste ich bei Stumpen erleben, dass Burnout tatsächlich existiert. Es war wirklich grauenvoll, das mitanzusehen. Stumpen selber sagte, er will auf jeden Fall noch die 2008er Tour mit uns machen, danach kann und will er aber nicht mehr. Die Zeit war schlimm. Die Band löste sich also auf und wir sahen uns ungefähr ein halbes Jahr lang nicht mehr. Ich nahm derweil jeden Auftrag an, der sich mir bot. Das ging von Hans die Geige bis zu einer STONES-Coverband. Das ging so weit, dass ich einmal innerhalb von vierzehn Tagen in fünf verschiedenen Bands mitgespielt hatte und am Ende gar nicht mehr wusste, wer das eigentlich war, sondern nur noch über den Kalender mitbekam, dass ich morgen hier und übermorgen da und dort sein musste. Aber irgendwann mussten wir KNORKATORs uns ja nochmal treffen, um die finanziellen Dinge abzuklären. Das war im Frühjahr 2009. Zu der Zeit konnten wir schon wieder Witze reißen, was für mich ein gutes Zeichen war. Alf erzählte, dass er gerade an einem Soloprogramm arbeitet, was Stumpen veranlasste, mir etwas Ähnliches vorzuschlagen. Er wollte sich auch einem Soloprogramm versuchen. Und zwar sollte es so ablaufen, dass Stumpen ein Programm zusammenstellt und damit zehn Tage im Monat tourt. Die ersten beiden Monate wollte er es allein durchziehen, danach sollte ich dazukommen. Und zwar wollte er immer in denselben Gegenden spielen, aber alle zwei Monate ein neues Programm anbieten. Das haben wir dann tatsächlich ca. eineinhalb Jahre durchgezogen. Während dieser Zeit hatten wir viel Gelegenheit, uns zu unterhalten und ich erfuhr dadurch, was diese Krankheit für den Betroffenen bedeutet, wie schrecklich Burnout sein kann. Irgendwann kamen wir an den Punkt, wo uns klar wurde, dass wir KNORKATOR wiederbeleben müssen. Zumal wir uns zu einem Zeitpunkt getrennt hatten, als die Band richtig gut funktioniert hat und wir Erfolg hatten. Gero und ich versuchten dann alle Beteiligten von unserer Idee zu überzeugen. Das Management jubelte sofort, unser damaliger Schlagzeuger Nick Aragua war ebenfalls einverstanden, nur Alf tat sich noch etwas schwer, weil er sein Soloprogramm nicht aufgeben wollte. Der Einzige, den wir beim Neustart nicht mehr dabeihaben wollten, war unser Bassist Tim Schallenberg, der inzwischen leider verstorben ist. Nun brauchten wir also dringend einen neuen Bassisten. Und wie der Zufall manchmal so spielt, war ich mit unserer Managerin Janet auf einer Mugge von RUMMELSNUFF. Nick, unser Drummer, gab uns den Tipp, dass bei RUMMELSNUFF ein Bassist mitspielt, den er von früher aus seiner Schülerband kennt. Nachdem wir ihn dann live sahen, war klar, der Typ passte nicht zu KNORKATOR. Dafür spielte aber noch ein Gitarrist namens Rajko Gohlke mit, der aber von Hause aus Bassist war und der genau in unser Schema passte. Rajko war auch gleich empfänglich für unsere Anfrage und so spielt er bis heute bei KNORKATOR den Bass.
Lass uns kurz zu dem Soloprogramm von Stumpen und Dir zurückkommen. Ist daraus die CD "Jesang zu Jitarre und manchmal och Jeije" entstanden?
Ja genau.
Davon gab es 777 Exemplare zu erwerben. Warum nur so wenig?
Das ist etwas kompliziert. Du musst eigentlich die Originalinterpreten der Songs fragen, ob Du deren Lieder neu aufnehmen und veröffentlichen darfst. Solange Du die Nummern 1:1, also komplett identisch, nachspielst, hast Du alle Freiheiten. Aber sobald Du etwas daran veränderst, zum Beispiel die Texte ins Deutsche übersetzt, musst Du Dir das Okay der Urheber einholen. Bei uns traf das auf drei Titel zu, und zwar "Girl from Ipanema", "Bei mir biste scheen" und noch einer, der mir gerade nicht einfällt. Diese Songs waren heilige Kühe, die man eigentlich nicht verhunzen darf. Gero führte an, dass ein Helge Schneider da wohl eine Ausnahme sei, was sich aber mit dem Erfolg der Helge Schneider-Versionen begründen ließ. Nun war unsere Platte aber schon fertig, wir hätten sie aber zu keiner Zeit verkaufen dürfen. Deshalb haben wir die Auflage so gering gehalten.
KNORKATOR fand also wieder zusammen, was sicher eine gute Nachricht für uns alle war. Nun hat es Euch ja schon auf eine Vielzahl Bühnen getrieben, von denen einer der größten und spektakulärsten die in Wacken gewesen sein dürfte. Ging es Euch vom Gefühl her auch so?
Nein. Die größte Bühne, die wir je bespielten, stand im polnischen Küstrin, davor standen 500.000 Leute. Das war unvorstellbar, dagegen war und ist Wacken wirklich Kindergarten. Nicht falsch verstehen, Wacken ist wirklich der Hammer. Wir waren wohl schon fünf oder sechs Mal dort, aber 2006 in Küstrin war unvergleichlich. Ich dachte immer nur: Was geht denn hier ab? Und komischerweise ist das bis heute immer noch ein Geheimtipp. Du kannst fast jeden beliebigen Konzertgänger fragen, ob er "Haltestelle Woodstock" in Küstrin kennt. Fast jeder wird antworten: "Nö, noch nie gehört". Mittlerweile sind die schon bei einer knappen Million Zuschauer. Das Ding ist größer als Roskilde, größer als alles andere. Es ist das größte Rockfestival Europas.
Buzz Dee mit Tobi Hillig …. und alleine
Was für ein Gefühl ist es, auf einer solchen Veranstaltung spielen zu dürfen?
Wie ich schon sagte, es war unbeschreiblich. Allein die Bühne war ungefähr 60 Meter breit und 10 Meter hoch und bis zum Horizont hast Du nur Menschen gesehen. Glücklicherweise gibt es vom polnischen Fernsehen einen Mitschnitt, den ich auch noch irgendwo zu liegen habe.
Spielt man da sein Programm ganz cool runter oder geht einem da ein bisschen die Düse?
Ich habe vor jedem Auftritt Lampenfieber, aber nach einer halben Minute ist das wieder weg. Aber ich möchte nochmal sagen, dass Wacken auch unglaublich geil ist. Zumal wir ruhigen Gewissens sagen können, dass die Leute immer vor unserer Bühne stehen, auch wenn zeitgleich noch auf anderen Bühnen was los ist. 2024 sind wir übrigens wieder nach Wacken eingeladen. Wir waren nun ein paar Jahre nicht dabei, was aber der Philosophie der Veranstalter geschuldet ist, die dafür sorgen, dass zwischen den Auftritten einer Band mindestens vier Jahre liegen. Das ist auch in Ordnung, denn sonst nutzt sich das Interesse der Fans schnell ab. Zum Beispiel waren viele Jahre lang SLAYER und MOTÖRHEAD gesetzt. Die waren jahrelang Headliner, was dann irgendwann langweilig wurde. Beim Rockharz-Festival müssen nur zwei Jahre zwischen den Auftritten liegen, was auch okay ist.
Neben KNORKATOR findest Du aber immer noch Zeit für anderweitige Gastspiele. So bist Du in den 2010er Jahren wieder mal bei MONOKEL eingestiegen.
Was heißt eingestiegen? Ich habe über die Jahre immer mal wieder bei MONOKEL mitgemacht, egal ob bei KRAFTBLUES oder bei SPEICHES MONOKEL.
Damit leitest Du zur nächsten Frage über. Du bist ja der Gründer von MONOKEL. Wie hast Du es empfunden, dass es über Jahre diese beiden MONOKEL-Bands gab?
Das war natürlich idiotisch. Schlimm war vor allem, dass die beiden Fraktionen richtige Gerichtsverfahren gegeneinander geführt haben. Für mich war das Kindergarten pur. Nun muss man verstehen, dass MONOKEL KRAFTBLUES eigentlich der Rest der ursprünglichen MONOKEL-Truppe war. Speiche stieg irgendwann aus, aber eines schönen Tages hatte er dann doch wieder Lust auf MONOKEL. Jetzt hatte sich Speiche aber den Namen MONOKEL patentieren lassen, so dass plötzlich die Streitereien um den Namen begannen. Das ging so weit, dass beide Parteien mir verbieten wollten, bei der jeweils anderen Fraktion mitzuspielen. Mir ging das allerdings am Hintern vorbei. Ich habe ehrlich gesagt nie verstanden, weshalb Speiche diesen Streit losgetreten hat, anstatt seine Band zum Beispiel SPEICHES BLUES BAND zu nennen. Wer ihn kennt, weiß doch, wo er herkommt. Der ganze Stress entstand eigentlich erst, als das Buch "Bye bye Lübben City" erschien. Im Zuge dessen gab es eine Veranstaltung, wo natürlich allein schon wegen des Songs "Bye bye Lübben City" MONOKEL auftreten sollte. Die Band fand sich für diese eine Mugge noch einmal in der Besetzung der 80er Jahre zusammen. Aber wie das so ist, fanden sie plötzlich wieder Spaß an der Sache und wollten genau in dieser Besetzung eine kleine Tour machen. Vielleicht fünf oder sechs Muggen, mehr war nicht angedacht. Allerdings wäre das dann wiederum Dicki Grimm und Christoph Frenz gegenüber unfair gewesen, die in der aktuellen Besetzung Bass und Schlagzeug beackerten. Es kam jedenfalls aufgrund irgendwelcher Streitereien nicht zu der Tour in der ursprünglichen Besetzung. Zu diesem Zeitpunkt erschien auch Speiche wieder auf der Bildfläche und wollte nun auch wieder unter dem Namen MONOKEL Musik machen. Seitdem redeten beide Seiten nicht mehr miteinander. Es war einfach grauenvoll. 2016 bekniete mich der Veranstalter des Oettersdorf Open Air, ob ich es nicht schaffen könnte, als Mittelsmann zu fungieren und dafür zu sorgen, dass zu "40 Jahre MONOKEL" tatsächlich beide Bands auf der Bühne stehen. Nein, es führte kein Weg dahin, weil die Jungs von KRAFTBLUES es nicht wollten.
Wenigstens haben sich Kuhle und Speiche vor Speiches Tod wieder miteinander versöhnt.
Die hatten sich schon lange vorher wieder vertragen. Das war übrigens auch der Grund, weshalb Kuhle bei KRAFTBLUES gehen musste. Das war alles dermaßen absurd… Am Wochenende stehe ich übrigens in Spremberg wieder mit einer zusammengewürfelten MONOKEL-Band auf der Bühne (Buzz Dee spricht über die Rock- und Bluesnacht im Hof des Spremberger "Hotel zur Post" am 8. Juli, Anm. d. Red.)
Der Output von BUZZ DEES. Teilweise noch bei fantotal.de erhältlich …
Neben MONOKEL gäbe es dann noch die Band BUZZ DEES zu erwähnen.
BUZZ DEES entstand, nachdem wir uns mit KNORKATOR aufgelöst hatten. Es hat Riesenspaß gemacht mit dieser Band, wir haben sogar zwei CDs eingespielt, aber leider hatten wir kein Management. Und somit interessierte sich auch keine Sau für BUZZ DEES.
Och … ich schon.
Klar, eine Handvoll Leute fand uns geil, aber die Veranstalter zuckten immer nur die Schultern und sagten: "Wer? BUZZ DEES? Kennen wir nicht, wollen wir nicht". Wir probierten es mit drei verschiedenen Booking Agenturen, aber keine kriegte es auf die Reihe, uns unterzubringen. Die Band gibt es offiziell immer noch, aber es ist eingeschlafen. Den letzten Gig hatten wir vor drei Jahren. Dazu kommt natürlich, dass jeder auch noch anderweitig gebunden ist. Wenn Du dann nicht jemanden hast, der das koordiniert, hast Du verloren. Selbst wenn man sich einmal im Jahr für einen Gig trifft, ist das ein wahnsinniger Aufwand mit der Proberei. Es ist also sehr schade. Aber vielleicht ergibt sich eines Tages mal wieder etwas in diese Richtung.
Hat "die alte Frau" denn noch Ziele beruflicher Natur, die Du gerne verwirklichen möchtest?
Berufliche Träume? Na klar! Ich möchte noch ganze lange spielen! Aber bitte in einer ruhigen, entspannten Atmosphäre, so wie es im Moment bei KNORKATOR der Fall ist. Es gab auch Zeiten, da haben wir uns die Köppe eingeschlagen, aber auf so etwas habe ich keine Lust mehr. Auch auf irgendwelche Muggen, wo sich der Veranstalter keine Mühe gibt, habe ich keinen Bock mehr. Gerade im Blues kommst Du immer wieder in Locations, wo Du Dich fragst, warum der Veranstalter nicht wenigstens den Backstage-Bereich einigermaßen zum Wohlfühlen herrichtet. Manchmal stehen die vollen Mülleimer rum oder die Tische sind übereinandergestapelt, so etwas erlebt man auch heutzutage noch. Sagt man was, kriegt man zur Antwort: "Bisher hat es niemanden gestört". Logisch, wenn keiner was sagt… Ansonsten würde ich liebend gerne mal eine komplette Polen-Tournee machen. Jeder, der schon mal in Polen gespielt hat, wird Dir bestätigen, dass das Publikum da der Hammer ist. Auf keinen Fall habe ich mehr Lust auf solche Aktionen wie für zwei Muggen nach Südafrika. Oder Australien. Wobei… Australien in Verbindung mit einer ganzen Tour, das wäre schon was. Grundsätzlich bin ich aber für solche Abenteuer zu alt, das will ich nicht mehr. Selbst Stumpen sagte seinerzeit: "Warum müssen wir für zwei Konzerte ans Ende der Welt reisen, warum spielen wir stattdessen nicht lieber in Polen oder Holland?" Erstaunlich fand ich wiederum, dass es selbst in Kanada KNORKATOR-Fans gibt, wie wir erleben durften. Die hatten stellenweise 600 Kilometer Anreise hinter sich und erzählten uns, dass sie wahrscheinlich niemals nach Europa kommen werden. Als sie aber gehörten haben, dass wir in Kanada spielen, haben sie die weite Reise ohne Zögern angetreten.
Du hast gesagt, MONOKEL steht an und KNORKATOR steht an, beides live auf der Bühne. Gibt es denn sonst noch etwas, womit Du Dich gerade beruflich beschäftigst?
Nein, eher nicht. Zurzeit bin ich gerade dabei, die Wohnung meiner Freundin aufzulösen. Da gab es ein bisschen Stress und Ärger und bis Monatsende müssen wir da noch einige Dinge erledigen. Das ist das, was mich derzeit zwischen den Muggen auf Trab hält.
Ich danke Dir vielmals für das Interview und wünsche Dir einen schönen Sommer.
Das wünsche ich Dir auch.
Seit wann trägst Du eigentlich Deinen Spitznamen Buzz Dee? Wo kam der her?
Das kann ich Dir ganz ausführlich erzählen. Den Namen hat sich Alf Ator ausgedacht. Basti heiße ich schon seit meiner Kindheit, das war nicht neu. Aber diese Schreibweise stammt aus dem Hirn von Alf. Und zwar habe ich damals gerade eine Kneipenmugge gemacht, als KNORKATOR einen Gitarristen suchte. Stumpen, den ich vorher schon kannte, fragte mich, ob ich Interesse hätte. Ich sagte ihm, ich spiele mit TINO STANDHAFT bei Speiche, da kann er mir ja mal ein paar Demotapes von KNORKATOR vorbeibringen. Dann kam tatsächlich Alf in Begleitung seiner damaligen Frau vorbei und überreichte mir ein paar Tapes, auf denen stand "Für Buzz Dee". Erst verstand ich das gar nicht, dann dämmerte es mir aber schnell. Und dabei blieb es bis heute.
Bevor wir zu KNORKATOR kommen, lass uns zunächst mal auf Deine eigenen Wurzeln schauen. Hast Du überhaupt noch Erinnerungen an Deine Kindheit in Cottbus, wo Du geboren bist?
Nein, gar nicht. Was wohl vor allem daran liegt, dass ich ein halbes Jahr alt war, als meine Eltern von Cottbus nach Karl-Marx-Stadt gezogen sind. Sie waren Schauspieler und haben am dortigen Theater angefangen. Und 1960, ich war gerade mal drei Jahre alt, zogen wir auch schon nach Berlin. Erst lebten wir in Weißensee, dann in Karlshorst und ab 1964, dem Jahr meiner Einschulung, wohnten wir in Pankow.
Also stammst Du aus einem künstlerischen Haushalt?
Ja. Vater und Mutter waren beide Schauspieler am Deutschen Theater.
Kannst Du Dich noch an den Moment in Deinem Leben erinnern, als Dich das Rock'n'Roll-Virus erwischt hat? Was war der Auslöser, dass Du Dich für die Musik interessiert hast?
Für Musik habe ich mich schon immer interessiert. Das klingt jetzt vielleicht komisch, aber meine Eltern hatten eine Platte von Abi & Esther Ofarim, die ich gut fand und auch Platten von Herb Alpert, einem fantastischen Trompeter. Da war ich ungefähr zehn Jahre. Und 1969 bekam ich dann ein kleines Radio geschenkt, auf dem nur Sender auf Mittelwelle zu empfangen waren. Das Ding sah aus wie eine Puderdose, was mir aber egal war. Dank dieses Radios machte ich eines Tages Bekanntschaft mit dem Sender AFN, was dazu führte, dass ich plötzlich jeden Abend freiwillig ins Bett ging, um mir noch eine Stunde lang die Hitparade auf AFN anzuhören. Da liefen dann beispielsweise Nummern wie "Whole lotta love" von LED ZEPPELIN oder "Let it be" von den BEATLES. Von da an war ich infiziert und konnte mir diese Beschäftigung mit der Musik nicht mehr wegdenken.
Die BEATLES waren jetzt aber nicht Deine Favoriten, oder?
Doch, die BEATLES gehörten durchaus dazu. Dazu muss man wissen, in der DDR gab es eine BEATLES-LP. Die berühmte AMIGA-LP von den BEATLES. Mein Vater kaufte die seinerzeit, das muss 1966 gewesen sein. Ich habe diese Platte rauf und runter gehört und besitze sie auch heute noch. 1970 war mein Vater mit dem Theater in Schottland unterwegs, von wo er mir die "Help"-LP mitbrachte. Meine Cousinen aus dem Westen versorgten mich ebenfalls mit Platten. Und ich habe heute wohl noch zehn BEATLES-Platten in meinem Besitz.
Im Internet habe ich eine Quelle gefunden, in der die Gruppe BLUES BOULEVARD, eine Schülerband, Deine erste Station gewesen sein soll. Stimmt das?
Es stimmt, ich hatte diese Schülerband. Aber wie das mit Schülerbands so ist: wenn die Schulzeit zu Ende ist, löst sich diese Band in der Regel auf. Nun kannte ich damals den Bassisten Gunther Krex, der auch eine Band hatte. Und der suchte mit seinem Mitstreiter Christian Platzer 1975 für einen einzigen Auftritt, und zwar beim Panke-Fest, ein paar Musiker, da seine anderen Leute zur Armee eingezogen wurden. Gunther fragte mich, ob ich Lust hätte mitzuspielen, das Ganze sollte in Richtung Blues gehen. Zu dieser Zeit hatte ich mir bereits einige Songs von Johnny Winter überspielt, weil ich diese Art Musik sehr interessant fand. Also sagte ich Gunther und Christian zu. Nun musst Du Dir mal überlegen: das war mein erster öffentlicher Auftritt. Das mit der Schülerband zur Abschlussfeier zähle ich mal nicht mit. Wir spielten beim Pankefest, und das gleich vor ungefähr 2.000 Leuten! Okay, wir hatten eine fürchterliche Anlage, aber am Ende war das mein Schlüsselerlebnis und ich wusste: genau DAS willst Du machen. Ich weiß sogar noch, was wir bei diesem Gig gespielt haben. Zum Beispiel "Natural born bugie" von HUMBLE PIE, "Red house" von Jimi Hendrix, von Rory Gallagher "Cradle rock" und dann noch eine Instrumentalnummer. Insgesamt hatten wir ja nur eine halbe Stunde.
Das klingt so, als wäre die Setlist abseits der 60:40-Regel gelaufen…
Ich bitte Dich, wer hat sich denn an diesen 60:40-Unsinn gehalten?! Auf der offiziellen Setliste standen irgendwelche Phantasiestücke drauf und wenn man uns sagte, wir sollen mal dieses oder jenes davon vorspielen, haben wir halt irgendwas improvisiert. In der Anfangszeit von MONOKEL haben wir immer zwei Nummern der polnischen Band BREAKOUT gespielt, obwohl wir das eigentlich total doof fanden.
Du warst also im besten Teenager-Alter und hast 1975 nach diesem tollen Erlebnis beim Pankefest die Gruppe MONOKEL gegründet. Wie kam es denn dazu? Und wer gehörte damals zu der ersten, relativ unbekannten Gründungsformation?
Gunther Krex nahm mich eines Tages mal mit in den Frannz Club, wo eine Band mit Namen ENGERLING spielen sollte. Von diesem Tag an war ich Stammgast im Frannz Club. Nun wollte ich mir endlich mal die HANSI BIEBL BAND angucken. Nach etlichen Versuchen bekam ich auch tatsächlich mal die Chance, BIEBL im Frannz zu sehen. Als es aber soweit war, spielte plötzlich eine Band namens VAI HU. Ich wusste damit nichts anzufangen, dachte, jetzt spielt da statt BIEBL eine vietnamesische Band. Bis man mich aufklärte, dass kurz zuvor zwei Musiker der HANSI BIEBL BAND im Schlauchboot über die Ostsee abgehauen waren. Na gut, nun stand also VAI HU auf der Bühne. Die spielten so eine Mischung aus Blues und Jazz-Rock. Den Gitarristen Axel Stammberger kannte ich noch aus seiner Zeit bei FEUERVOGEL. Jedenfalls streute ich zur damaligen Zeit die Nachricht, dass ich Leute für eine eigene Band suche. Und an diesem Abend im Frannz Club kam jemand auf mich zu, den ich aus der Schulzeit kannte und der inzwischen Einlasser im Frannz Club war. Der meinte zu mir, da hinten steht einer an der Tür, der Gitarre spielt und ebenfalls gerade eine Band für sich sucht. Den sprach ich also an. Peter Schneider, so hieß er, meinte, er würde zwar mehr auf Soul stehen, aber Bluesrock wäre auch geil. Nun wollte ich wissen, über welches Equipment er denn verfügt, denn ohne solches war man als Musiker im Osten nichts wert. Es stellte sich heraus, dass Peter diverse Boxen und Verstärker sowie eine Hagstrom-Gitarre besaß und auch noch ein Mikrofon in seinem Besitz hatte. Das war der pure Wahnsinn! Wir wollten es also mal zusammen versuchen, brauchten allerdings noch einen Bassisten. Da lief uns Willy Borchert über den Weg. Willy spielte zwar zehnmal besser Gitarre als wir beide zusammen, aber wir brauchten jetzt einen Bassisten. Ein Schlagzeuger fehlte natürlich auch noch. Hier konnte uns Ingo Politz weiterhelfen, den ich ebenfalls von seiner kurzzeitigen Mitwirkung bei FEUERVOGEL kannte. Ingo selber wollte nicht bei uns einsteigen, aber er empfahl uns jemanden von der Musikhochschule, und zwar hieß der Horst Trümpelmann. Letztlich stieß noch Michael Mirek an der Mundharmonika zu uns. Nun begannen wir zu proben und machten im Sommer 1976 unsere erste Einstufung. Wir waren alle noch blutjung, ich zum Beispiel war gerade mal 18, aber die Jury fand das recht gut, was wir machten. Man fragte uns, ob wir vielleicht an die Musikschule Berlin-Friedrichshain gehen wollten, was Peter Schneider und ich sofort bejahten, aber Willy Borchert hatte keinen Bock, schon wieder auf die Schule gehen zu müssen. Der wollte lieber erstmal Straßenbahnfahrer werden. Und Horst Trümpelmann, unser Schlagzeuger, wollte künftig lieber Jazz spielen. Damit brach die Kapelle zum ersten Mal auseinander. Peter und ich saßen daraufhin ziemlich ratlos in unserem Probenkeller in der Grabbeallee und überlegten hin und her, wie es weitergehen soll. Plötzlich tauchte Stefan Diestelmann auf. VAI HU hatte sich nämlich gerade aufgelöst. Wie sich das dann alles entwickelte, weiß ich nicht mehr hundertprozentig. Diestelmann war zwar ein etwas merkwürdiger Typ, aber als Lehrer war er großartig. Er konnte Dir bestimmte Dinge ganz wunderbar erklären. Wir klagten ihm unser Leid, dass wir unbedingt einen Schlagzeuger und einen Bassisten bräuchten, woraufhin Stefan sagte, er kennt da tatsächlich einen Bassisten, der ist aber schon etwas älter und trinkt ganz gerne mal einen. Und so stellte Diestelmann uns Jörg "Speiche" Schütze vor, den ich vom Sehen schon aus dem Frannz Club kannte. Wir machten eine gemeinsame Probe und befanden Speiche für gut. Speiche wiederum brachte den Schlagzeuger Michael Werner ins Spiel. Dieser erwies sich allerdings als nicht brauchbar. Das traf übrigens auf viele Drummer im Osten zu. Oftmals hätte ich da besser getrommelt als manch einer, der sich Schlagzeuger nannte. Ich wäre sowieso lieber Schlagzeuger geworden, aber das Problem war die Lautstärke beim Üben. Das beschwerte sich immer das ganze Haus über den Lärm, so dass ich diesen Traum aufgab.
Es scheiterte also daran, dass Du die Nachbarn mit dem Lärm verärgert hast?
Heutzutage ist das ja alles kein Problem mehr, da kaufst Du Dir ein elektronisches Schlagzeug und alles ist gut. Aber damals waren die Bedingungen andere. Aber egal. Eines Tages kam Speiche an und meinte, er hätte in Treptow einen total geilen Mundharmonikaspieler gehört. Und das war Frank Gahler. Der stieg dann auch sofort bei uns ein. Allerdings spielten wir in dieser Besetzung auch nur bis 1977.
Monokel in den 70ern (Fotograf: unbekannt)
Also war das die offizielle Gründungsbesetzung?
Nein, keinesfalls. Genauso wenig stimmt es, dass Speiche der MONOKEL-Gründer war. Offiziell gab es MONOKEL seit unserer ersten Einstufung, aber von dieser Ursprungs-Besetzung gibt es ja keinen mehr.
Diese allererste Besetzung kannte ich nämlich auch nicht, deshalb fragte ich ja danach. Also wollen wir jetzt diese Lücke ein für alle Mal schließen. Hast Du denn die Musikschule auch wirklich besucht?
Ja klar, ich war für ein Jahr auf der Musikschule in Berlin-Friedrichshain. Danach wurde sie für die Ausbildung von Berufsmusikern dichtgemacht. Seien wir mal ehrlich: eigentlich ging es doch jedem Musiker nur darum, den Berufsausweis zu machen. Du konntest ja im Osten nicht einfach sagen, dass Du von der Musik leben kannst. Nein, dazu musstest Du Musik studiert haben. In Friedrichshain ging das alles sehr locker. Plötzlich wurde das Ding dann nur noch für Amateurmusiker offengehalten. Wer seinen Berufsausweis machen wollte, musste stattdessen an der Musikhochschule weitermachen. Aber wir wurden zum Glück übernommen. Ich war dann nochmal fast vier Jahre an der Hochschule, bin da aber leider durch die mündliche Theorieprüfung gerasselt. Ich sollte die Prüfung nachholen, was ich aber nicht getan habe. Zu diesem Zeitpunkt spielte ich aber schon bei KEKS und später dann bei MCB. 1986 bekam ich meine Pappe, also den Berufsausweis trotzdem noch, und zwar über Mike Demnitz. Den kannte man ja von REFORM und MCB.
Dann hast Du also bis weit in die 80er Jahre ohne Berufsausweis…
(unterbricht)… Nee nee, ich hatte immerhin einen "vorläufigen Berufsausweis" in der Tasche. Ja, ich habe mich schon irgendwie damit durchgeschummelt, bin dann aber irgendwann doch aufgeflogen. Ich war ja inzwischen bekannt wie ein bunter Hund. Plötzlich hieß es, sie brauchen mal meine Ausweisnummer. Natürlich kamen die schnell dahinter, dass diese Nummer zu einem "vorläufigen Berufsausweis" gehörte, weshalb man mir nahelegte, nochmal eine sogenannte externe Prüfung zu absolvieren. Ich meldete mich also an, fand das aber schnell total doof, denn es ging dabei um ganz viel Marxismus/Leninismus und nur wenig um Musik.
Bis 1979 bist Du bei MONOKEL geblieben. Gab es denn bis dahin für die Band schon die Möglichkeit, beim Rundfunk eigene Songs aufzunehmen oder kam das erst, nachdem Du raus warst?
Das kam erst später.
Warum hast Du MONOKEL eigentlich verlassen?
Mir war das Ganze zu archaisch bluesmäßig angehaucht. Zudem hatten wir ab 1979 einen Schlagzeuger aus Halle, der absolut nicht spielen konnte. Zu diesem Zeitpunkt machten wir unter anderem Nummern von den ALLMAN BROTHERS. Damit war der überfordert, das konnte der nicht. Das konnte ich ohne Übertreibung wirklich besser trommeln. Ich musste dem erklären, wie der Anfang von "I don`t cross to bear" ging! Und darüber kriegten wir uns in die Haare, denn die Kollegen meinten, der Junge ist gut, der hat den Blues. Darüber konnte ich leider überhaupt nicht lachen, denn der hatte nun wahrlich nicht den Blues, sondern der konnte einfach nichts! Ich habe dann Ernie von METROPOL angefragt, ob er nicht Lust hätte, bei MONOKEL einzusteigen. Die Antwort war "Nein", aber im Gegenzug wurde ich gefragt, ob ich stattdessen nicht bei METROPOL mitmachen wolle, allerdings nur für ein halbes Jahr, weil da wieder mal einer zur Armee musste. Naja, das war ja nun nicht unbedingt die Band, die ich mir gewünscht hätte, aber ich muss sagen, METROPOL war sehr aktiv, die spielten richtig viel. Die hatten auch schon eigene Techniker, so dass das doch ein Schritt nach oben war. Wenn auch nur für kurze Zeit.
Genau, lange dauerte Deine Zeit bei METROPOL nicht. Danach folgten Stationen wie VOX und ELEFANT. Letzteres war aber nicht die Band von Ute Freudenberg, oder?
Nein, das hatte mit Ute Freudenberg nichts zu tun. Es gab noch eine Berliner Band mit Namen ELEFANT. Die waren sogar schon länger dabei als die Freudenberg-Band. Das ging aber sowohl mit VOX als auch mit ELEFANT jeweils nur ein paar Monate, dann ging ich zu KEKS.
Wie kam es denn dazu, dass Du 1981 bei KEKS angeheuert hast?
Ich war mit Detlef Brauer, seinerzeit Gitarrist bei KEKS und vorher bei REGENBOGEN, in einer Klasse auf der Musikhochschule. Der meinte, "Ralf ‚Bummi' Bursy ist bei KEKS ausgeschieden, weil er zu PRINZIP gegangen war", deshalb brauchten die unbedingt einen neuen Sänger. Na gut, nur als Sänger… das konnte ich mir nicht so richtig vorstellen. Detlef Brauer bot mir dann an, sich die Jobs als Sänger und Gitarrist mit mir zu teilen. Ich überlegte hin und her, nahm das Angebot letztlich aber an. Leider kriegte ich mich mit Detlef dann ständig in die Haare. Er war in der Band ohnehin nicht sehr beliebt, weshalb er auch irgendwann ausstieg, zu BERLUC ging und "No bomb" sang. Nachdem "No bomb" fertig war, stellte Brauer einen Ausreisenantrag, und weg war er.
Bummi selber hast Du also gar nicht innerhalb der Band kennengelernt?
Nein. Ich kannte Bummi zwar, aber zusammen Musik gemacht haben wir nie.
Du hast 1983 mit KEKS das gleichnamige Album rausgebracht. Waren auf der Platte nur Rundfunkproduktionen?
Nein, die Songs wurden extra für die Platte aufgenommen. Wir waren ja wie die meisten Bands beim Rundfunk. Die hätten es am liebsten so organisiert, dass Du in jedem Halbjahr zwei Songs aufnimmst. Nach ungefähr vier Jahren reicht das Material dann aus, um eine LP daraus zu machen. Das war natürlich völliger Schwachsinn, denn bis dahin waren die meisten Lieder ja total veraltet. Dann kam aber das Angebot von AMIGA, im Studio eine Platte live einzuspielen. Wir haben uns tierisch gefreut, die Jungs vom Rundfunk waren darüber aber natürlich richtig sauer. Ich traf eines Tages Walter Cikan und erzählte ihm in meiner Naivität und voller Euphorie, dass wir bei AMIGA ein Album aufnehmen können, was Walter wiederum ziemlich mies fand. Wir haben es trotzdem gemacht, worüber ich auch heute noch sehr froh bin.
War das Deine erste Plattenaufnahme oder gab es vorher schon Produktionen, bei denen Du mitgewirkt hast?
Ja, es gab beim Rundfunk schon einige Sachen, bei denen ich dabei war, aber echte Studioaufnahmen konnte ich erst mit KEKS machen. METROPOL hat übrigens damals schon im Studio von Gunther Wosylus, dem ehemaligen PUHDYS-Schlagzeuger, ein paar Demos aufgenommen, aber da war ich nicht dabei, da ich ja nur Gastmusiker war.
Bei KEKS gab es ja für Dich erstmals einen Ausflug in die Welt des Songwritings. War die Zeit damals reif, dass Du eigene Lieder schreibst, oder hat man Dich dazu überredet?
Nein, dazu hatte man mich nicht überredet. Nachdem Detlef Brauer ausgestiegen war, wollte man die Band eigentlich schon fallen lassen. So nach dem Motto: Wenn der Brauer weg ist, braucht ihr gar nicht erst versuchen weiterzumachen. Wir haben aber alle Zweifler eines Besseren belehrt. Wir haben in der Besetzung, in der wir die Platte aufgenommen haben, immerhin noch ungefähr ein Jahr weitergespielt, bevor unser Bassist ausstieg und zu Petra Zieger ging. Heute sagt er selber, das war der größte Fehler seines Lebens. Aber man darf dabei nicht übersehen, dass er bei Petra Zieger ein Mehrfaches von dem verdiente, was er bei KEKS gekriegt hat. Ab diesem Moment begann es bei KEKS zu bröckeln. Wir hatten dann nochmal eine Besetzung, wo wir gesagt haben: "Jetzt räuchern wir hier alles weg!" Es kamen nämlich zwei gute Leute in die Band, von denen der eine Alex Schloussen war, der Bruder von Marcus Schloussen. Der zweite Neue war Frank Powileit, ein richtig guter Gitarrist. Mit diesen beiden wollten wir nochmal richtig auf die Kacke hauen. Wir hatten bei irgendwelchen Festspielen mitgemacht, wo es für uns allerdings nur zum 3. Platz reichte - aber nur auf Grund unseres Aussehens, davon bin ich immer noch überzeugt. Wir hatten eben bunte Haare und so'n Zeug, was im Jahr 1983 noch dazu führte, dass die Jury zickig wurde. Merkwürdig war nur, dass der Osten drei Jahre später plötzlich den Punk erfunden hatte. Jedenfalls stellten dann drei Leute von KEKS einen Ausreiseantrag, womit die Band KEKS erledigt war.
Wie hast Du denn die Zeit mit KEKS insgesamt erlebt? Du sagtest ja gerade, dass es kurz nach Deiner Ankunft in der Band schon den ersten Knatsch mit einem Kollegen gab.
Bei KEKS ging es tierisch ab, wir hatten coole Klamotten und Frisuren, ähnlich wie die ersten Punks, die damals gerade auf der Bildfläche erschienen. Und dass Detlef Brauer nach all dem Knatsch endlich raus war, tat der Band gut. Anfangs klangen wir ja noch etwas POLICE-lastig und poppig, danach war es doch schon eher Rock'n'Roll. Klar, wir haben auch gecovert, zum Beispiel spielten wir gerne und viel SEX PISTOLS. Und wir waren relativ viel unterwegs, hatten im Osten eine gute Fanschar. In Berlin war das sogar richtig extrem. Wenn wir z.B. im Plänterwald gespielt haben, waren da hunderte Punks. Ich kann mich erinnern, dass einmal das ZDF da war. Aufgefallen sind die durch die riesigen Videokameras, die sie mit sich rumschleppten. So etwas gab es ja im Osten nicht. Am nächsten Tag, einem Sonnabend, traten wir in Weißensee auf und wieder waren da Leute, die filmten. Am Mittwoch der nächsten Woche kam dann "Kennzeichen D" im Fernsehen. Ich gucke mir die Sendung ahnungslos an, als der Moderator sagte: "Auch vor dem Osten macht der Punk nicht halt…" Und plötzlich sehe ich mich im Fernsehen! Ich fand das natürlich toll, aber im Ergebnis dessen durften wir dann nicht mehr bei "rund" auftreten. Wir schrieben daraufhin einen Beschwerdebrief ans Fernsehen, denn für die Erwähnung im ZDF konnten wir ja nichts. Erstaunlicherweise entschuldigte man sich auch bei uns und lud uns sofort für die übernächste "rund"-Sendung ein, wo wir sogar zwei Songs spielen durften. Insgesamt hatten wir bei KEKS durchaus ein paar gute Jahre.
Du sprichst ein paar interessante Punkte an. Mal waren eure Haare zu bunt, dann wart Ihr im Westfernsehen. Hattet Ihr denn öfter Ärger mit den Kultur-Oberen?
Naja, es gab Ärger, aber das hielt sich alles in Grenzen. Ich sehe oft Sendungen über irgendwelche Punkbands, die ständig festgenommen worden sind und ich frage mich dann immer, was die eigentlich verbrochen haben mussten. Mir ist so etwas nie passiert. Ich hing ja früher auch viel am Alexanderplatz mit Punks rum, die auch jeden Abend verhaftet wurden. Aber wenn man nach dem Ausweis gefragt wird und antwortet: "Hau ab, Du blöder Bulle!", dann musstest Du halt damit rechnen, festgenommen zu werden. Unser Ärger mit den Funktionären bezog sich meistens auf unsere Klamotten, auf die Nietengürtel, unsere Frisuren usw. Beispielsweise sollten wir mal in "rund" auftreten, aber kurz vorher rief mich unser Manager ganz aufgeregt an: "Bist Du verrückt, mit Deinen grünen Haaren kannst Du doch nicht auf die Bühne! Du musst das ganz schnell ändern!" Na gut, dann habe ich mir das Grün eben rausgefärbt, was dazu führte, dass meine Haare an diesen Stellen dann weiß waren. Das ging natürlich auch nicht, also musste ich mir alles möglichst schnell wieder braun färben. Es war einfach nur albern. Oder das Thema Gürtel… Wenn eine Petra Zieger mit Nietengürtel auftrat, hat man ein Auge zugedrückt, aber wenn wir die Dinger umhatten, schrie man ganz laut auf und sprach von Revolution und dem bösen Westen.
Das Ende von KEKS war ja eher unfreiwillig. Was genau war denn damals los?
Hmmm… Es ging ja um die Ausreiseanträge. Unser Manager hatte auch einen solchen Antrag gestellt, den er aber zunächst wieder zurückzog, weil er erst noch sein Haus verkaufen wollte. Leider hatten unser Bassist, unser Gitarrist und der Schlagzeuger aber ebenfalls Ausreiseanträge gestellt, und die waren 1984 auch alle weg. Überhaupt gab es 1984 eine extreme Ausreisewelle. Daran kann ich mich deshalb so gut erinnern, weil in dem Jahr die Hälfte meiner Kumpels plötzlich nicht mehr da waren. Deren Anträge liefen zumeist schon länger, aber 1984 durften sie dann allesamt ausreisen. Von KEKS blieben nur noch der Keyboarder und ich übrig. Wir versuchten nochmal neue Musiker zu finden, unter anderem holte ich Christian Platzer zu KEKS, mit dem ich Jahre zuvor bei BLUES BOULEVARD angefangen hatte. Dazu kam noch Holger Küste am Bass, der später bei LIFT landete. Ans Schlagzeug setzte sich für den Neubeginn Michael Velten, der von MORGENROCK kam. Wir versuchten das Ganze noch eine Weile aufrecht zu erhalten, neue Songs zu machen, aber nachdem dann auch noch der Keyboarder ging und ich als Einziger von der Ursprungsbesetzung übrig war, mussten wir auch noch eine neue Einstufung machen. Und was passierte? Die Eierköppe gaben uns keine neue Konzertberechtigung! Die wussten ganz genau, dass damit die Band auseinanderbricht. Viele Jahre später erzählte mir Ritchie Barton, der heute bei SILLY spielt, was Phase war. Die wollten nämlich, dass mein Name aus der Musikszene verschwindet. Mein Name war nämlich für die Kulturfunktionäre zu sehr mit den Ausreisen meiner Bandkollegen verbunden. Offiziell konnten sie mir zwar nicht in den Arsch treten, denn ich war ja im Land geblieben, aber hintenrum haben sie es dann doch gemacht. Wir spielten noch ein paar letzte, kleinere Muggen mit KEKS und dann lösten wir die Band auf. Es kam auch kaum noch Publikum, es war irgendwie alles Mist. Ich hatte anschließend ein paar Monate lang nichts zu tun. Doch wie der Zufall es wollte, rief mich 1985 an meinem Geburtstag Mike Demnitz an und fragte mich, ob ich Lust hätte, bei MCB einzusteigen. Er machte mir zwei Jahre zuvor schon mal das Angebot, aber da lief es mit KEKS noch super, so dass ich überhaupt nicht daran dachte, da auszusteigen. Ohne dass Mike es wusste, machte er mir damit das schönste und größte Geburtstagsgeschenk.
Woher kanntet Ihr Euch?
Er war ja bei REFORM und unsere beiden Bands haben öfter mal zusammen gespielt. Oder wenn REFORM mal in Berlin spielte, waren wir natürlich da und haben hinterher noch gemeinsam was getrunken. Mike Demnitz hatte mich sowieso schon immer fasziniert. Ich habe ihn nach der Gründung von REFORM mal im Studentenklub Linienstraße erlebt. Es verbreitete sich wie ein Lauffeuer, dass es eine neue Band aus Magdeburg gäbe und die einen Bassisten hätten, wie es keinen zweiten gab. Mike hing der Bass unter den Knien, er ist rumgehüpft wie ein Wahnsinniger, während die Gitarristen von REFORM mit angeschraubten Turnschuhen und Notenblättern vor der Nase rumstanden. Das hat mich weggehauen! Und 1980 habe ich Demnitz zusammen mit Peter Sandkaulen bei LAVA gesehen. Irre, so wollte ich auch immer spielen. Und so kam es, dass ich ab 1986 bei Demnitz und MCB landete.
Wie war Mike Demnitz denn als Kollege? Eher unkompliziert oder ließ er doch eher den Chef rausgucken?
Das kam immer darauf an, wie viel er getrunken hatte. Eigentlich ist er ein ganz charmanter und netter Mensch. Aber wenn es ein Gläschen zu viel war… Wir beide haben uns sogar einige Male gekloppt. Aber am nächsten Tag kam er immer wieder an, gab zu, dass er Scheiße gebaut hatte, und damit war es erledigt. Grundsätzlich war es eine geile Zeit mit ihm und wir waren wirklich ein eingespieltes Team. Anfangs war noch Bernd Schilanski am Schlagzeug dabei, der von der Gruppe MAGDEBURG kam, später dann von MCB zu SCHESELONG wechselte. Schilanski wurde ersetzt durch Jörg Borchert, der auch ein sehr Guter Trommler war. Wir spielten enorm viel live mit MCB, vor allem auch auf den Metal-Festivals in der DDR. Erstaunlich war die Masse an Fans, die wir hatten. In den 70ern waren es die Bluesfreaks, auch Kunden genannt, in ihren Parkas und Kletterschuhen, Anfang der 80er wuchs die Punkszene immer mehr an und ab Mitte der 80er gab es dann die Heavy Metal-Fraktion, die immer mehr anwuchs und größer wurde. Unter den Metal-Fans waren allerdings auch viele ehemalige Bluesfans, die inzwischen das Lager gewechselt hatten. Wir spielten bis 1989, ehe es bei MCB leider zu einem toten Punkt kam.
Gibt es Erlebnisse aus Deiner MCB-Zeit, die bleibende Eindrücke bei Dir hinterlassen haben? Egal, ob positiv oder negativ?
Oh ja. Wir haben zum Beispiel 1988 in Berlin auf der Insel der Jugend gespielt. Außer uns waren noch PLATTFORM, PHARAO und eine russische Band dabei. Das war eine tolle Veranstaltung, von der ich glücklicherweise noch einen Fernsehmitschnitt habe. Die russische Band war echte Sahne, die haben gerockt und gespielt wie Sau. Wenn man das mit den heutigen Festivals vergleicht, war das damals eher eine Miniveranstaltung. Aber für mich war das 1988 eine Größenordnung, die wir so überhaupt nicht kannten. Da wurden riesige Kamerakräne aufgefahren, das war Wahnsinn. Dieses Erlebnis würde ich spontan als positive Erinnerung anführen. Es kamen natürlich viele andere Dinge hinzu, die man nicht vergisst.
Gab es auch Negatives?
Ja, zum Beispiel unser Management. Wir hatten mal einen Manager, der uns nach Strich und Faden beschissen hatte. Wir als Band gingen immer mit 200 Mark nach Hause, er hatte einen Tausender in der Tasche. Als wir dahinterkamen, haben wir ihn umgehend rausgeschmissen. Das hatte allerdings zur Folge, dass wir plötzlich ohne Anlage da standen. Zumal das Thema Technik im Osten ja ohnehin ein großes Problem darstellte. Ich war froh, dass ich persönlich wenigstens zwei Marshall und eine vernünftige Gitarre sowie ein Paar ordentliche Treter hatte. Das war teuer genug. Auch war ich heilfroh, Gitarrist zu sein und nicht etwa Keyboarder! Die waren ja manchmal mit bis zu 50.000 Mark verschuldet. Als dieses DX 7 von Yamaha auf den Markt kam, dieses absolute Scheißding, das hatte 40.000 Ostmark gekostet! Aber so war das eben damals.
Was war denn die Gruppe FUFFZIGER für eine Kapelle, die 1988 Songs auf dem Sampler "Hello Sunshine" veröffentlichte und bei der Du auch mitgewirkt haben sollst.
Nein, ich war nicht dabei, die haben nur einen Song von mir übernommen. Das Ganze war ein einziger Witz. Und zwar hatten wir mit der allerletzten KEKS-Besetzung ein paar Demos aufgenommen. Unter anderem war so eine Art Rockabilly-Nummer mit dem Titel "Faschingsball" dabei. Und Manfred Mayer, der Sänger der FUFFZIGER, hörte den Song und fragte mich, ob er die Nummer für sein Album aufnehmen darf. Ich habe das genehmigt, denn KEKS gab es ja nicht mehr. Das eigentliche Demo haben wir seinerzeit schnell mal in zehn Minuten aufgenommen. Bei den FUFFZIGERN klang es dann erstaunlicherweise genauso wie unsere Version.
Kurz vor der Wende im Jahr 1989, Du hast es gerade erwähnt, war für Dich Schluss bei MCB. War tatsächlich diese fehlende Platte bei AMIGA der Grund, weshalb Du das Interesse an MCB verloren hattest oder gab es noch andere Gründe?
Wir hatten bislang ja nur eine Kleeblatt-Platte mit MCB machen dürfen. FORMEL 1 hatte ja inzwischen die "Live im Stahlwerk" aufgenommen und uns hatte AMIGA ebenfalls eine LP versprochen. Nach dem Angebot passierte aber von Seiten AMIGA nichts mehr, aber wir rührten uns auch nicht. Stattdessen hatten wir mit MCB im Frühjahr 1989 einen richtigen toten Punkt, wo gar nichts mehr ging. Das war damals sehr frustrierend für mich. Heute würde ich an eine solche Situation anders rangehen. Jetzt passierte jedenfalls Folgendes: eines Tages klingelte es an meiner Tür und davor standen Bernd "Kuhle" Kühnert und Ernie von MONOKEL. Ich freute mich sehr, dass sie mal vorbeikamen, zumal wir ohnehin nie den Kontakt verloren hatten. Wir tranken was und dann kamen sie raus mit der Sprache. Sie wollten mich nämlich überreden, wieder bei MONOKEL einzusteigen. Das kam natürlich sehr überraschend und ich überlegte hin und her. Aber der Zeitpunkt war äußerst günstig, zumal es mit MCB ohnehin gerade nicht weiterging. Also sagte ich zu. So haben wir von Juni 1989 bis Sommer 1990 erneut zusammengespielt, ehe es wieder zu bröckeln begann. Vor der Wende spielten wir noch relativ häufig. Nach der Wende tingelten wir dann mehr auf irgendwelchen Sessions umher. Im März 1990 machten wir zusammen mit der HEINZ GLASS BAND sogar eine dreiwöchige Tournee durch die Pfalz und Hessen. Für uns war das der Oberknaller, denn wir spielten von Kneipen bis hin zu 500 Mann fassenden Sälen. So nach und nach schlief das aber alles ein, wir hatten kaum noch Buchungen, die Kollegen hatten auch keine wirkliche Lust, neue Songs zu schreiben. Also warf ich das Handtuch und hörte bei MONOKEL wieder auf.
Lass uns kurz die nachfolgenden Stationen besuchen und in kurzen Sätzen besprechen, denn da gab es ja einiges. Unter anderem warst Du bei LANZ BULLDOG. Erzähle mal was darüber.
LANZ BULLDOG war das nächste Unternehmen nach MONOKEL. Irgendwann rief mich Kuhle Kühnert an, um mir zu sagen, er wäre jetzt auch raus bei MONOKEL. Und er wollte wissen, ob ich Bock hätte, zusammen mit Josch Jürgen Ochmann und Olaf Käppel von der Gruppe RAPUNZEL was Neues zu machen. Also setzten wir uns ins Auto, fuhren zu den beiden nach Chemnitz, machten eine Probe, stellten fest, dass es funktionierte und schon stand der Entschluss fest. Jetzt musste Kuhle aber erstmal für ein Vierteljahr nach Mexiko. Als er zurückkam, traf ich zufällig Ina Morgenweck, die ich bereits aus MCB-Zeiten kannte. Ihr Ex-Freund Knäcke, zu dem ich ohnehin guten Kontakt hatte, fragte mich dann, was ich davon halten würde, wenn Ina nach Berlin kommt. Sie kam dann auch recht schnell und wir probten mit ihr und einer Band, die aber nicht funktionierte. Also erzählte ich Ina, dass ich noch eine weitere Band habe, die zwar eher blueslastige Sachen spielt, aber sie kann sich das ja mal anhören. Das passte sofort und so nahmen wir Ina in die Band auf. Leider stieg Kuhle dann nach einiger Zeit aus. Wir waren also nur noch zu viert. Unter anderem war unser Bassist Olaf Käppel immer noch dabei, der ja von Hause aus eigentlich Gitarrist war. Olaf war grundsätzlich ein guter Bassist, aber leider lehnte er alles ab zu spielen, was über den Grundton hinausging. Das war für eine Band wie unsere auf Dauer ein bisschen wenig. Also war klar, wenn es für uns weiter und nach vorn gehen sollte, brauchten wir einen anderen Bassisten. Nun haben wir, soweit ich mich erinnere, eine Mugge in Afalter gehabt, wo außer uns noch BLUESSTIFT und Tino Standhaft auftraten. Und bei Tino zupfte damals Christoph Frenz den Bass, und das äußerst gut. Nun konnten wir seinerzeit mit dem Pfund von Gastspielen in Österreich und der Schweiz punkten, was Christophs Entscheidung zu unseren Gunsten wahrscheinlich etwas beeinflusste. Letztlich war Christoph ungefähr vier Jahre bei uns. Als dann diese Band auch wieder auseinanderbrach, war ich todtraurig.
Ina Morgenweck machte dann solo weiter, richtig?
Ja, Ina ist ein echter Hans-Dampf-in-allen-Gassen. Sie spielt in drei verschiedenen Coverbands, sie macht nebenbei auch noch ihre eigenen Sachen, nimmt zwischendurch Gesangsunterricht und und und… Es ist unglaublich, was diese Frau leistet. Eine ganze Weile war sie auch mal bei Chris Norman als Gast tätig. Der wollte sie eigentlich fest in seiner Band haben, was sie aber abgelehnt hat. Stell Dir vor, der spielt mal zwei Jahre nicht, was dann? Des Weiteren war sie bei AVATARIA, dieser Monster-Metal-Band. Die haben ja in ganz Europa vor tausenden Menschen gespielt. Da stieg Ina aber auch bald wieder aus, weil es ihr zu viel wurde. Sie hatte genügend andere Projekte am Start.
Bei Dir kam im Anschluss noch DE BUFFDICKS, die Band mit Robert Gläser.
Genau. Dazu muss ich aber etwas ausholen. Als Ina die LAZY BONES, wie wir uns zum Schluss nannten, verließ und nach Hessen ging, verkrümelte sich auch der Rest der Band. Das waren Dicki Grimm am Schlagzeug, Christoph Frenz und unser Keyboarder Mischka. Die gingen alle zu KERSCHOWSKI, mit dem sie ganz früher schon mal zusammengespielt hatten. Man versuchte mit allen Mitteln, mich auch dorthin zu lotsen, aber ganz ehrlich, was sollte ich denn bei KERSCHOWSKI? Der Clou war, die machten eine Mugge zusammen und die Sache hatte sich schon wieder erledigt. Für mich kam jetzt eine ätzende Zeit. Ich habe zwar schön gewohnt, da ich das Sommerhaus meiner Eltern übernommen hatte und da natürlich keine Miete zahlen musste, aber ich hatte nichts zu tun. Ein bisschen Geld verdiente ich mir, in dem ich meinen Ford Transit an den Wochenenden an RENFT vermietet habe. Und wie das unter Musikern so ist, sprachen mich zwei der damaligen RENFT-Musiker, nämlich Heinz Prüfer und Robert "Gohlis" Hoffmann an, ob ich nicht Lust auf was Neues hätte. Die waren bei RENFT nicht mehr so richtig glücklich, weil die nur noch ihre eigenen Oldies spielten. Robert Gläser kam auch noch dazu und wir nahmen sogar acht Songs als Demos auf. Leider hat diese Band niemals wirklich existiert, geschweige denn Auftritte gehabt. Zum einen konnten wir uns auf keinen Namen einigen und auch die Frage, wer sich um das Management kümmern sollte, blieb ungeklärt. Ich warf dann den Namen BUFFDICKS auf den Tisch, was aber auf wenig Gegenliebe stieß. Robert Gläser allerdings wollte den Namen BUFFDICKS für eine seiner anderen Bands, in denen er aktiv war, verwenden. Ich guckte mir diese Band dann mal im Frannz Club an und fand das gar nicht so übel, auch wenn der Stil nicht hundertprozentig meins war. Wie auch immer, kurz darauf verließen der Gitarrist und der Schlagzeuger DE BUFFDICKS, dafür stieg ich mit ein. Allerdings auch nur für ein halbes Jahr. Vielleicht war am Ende der Altersunterschied zu extrem, denn ich war schon 37, die anderen Anfang 20. Die kamen immerzu mit Ideen an, wo ich nur sagen konnte, das habe ich alles schon vor zwanzig Jahren gemacht und erlebt. Irgendwann wollten sie mich nicht mehr, was dazu führte, dass es mit ihnen dann völlig bergab ging. DE BUFFDICKS waren übrigens die einzige Band, aus der ich rausgeschmissen wurde.
Die BUFFDICKS haben ja auch ein Album gemacht. Hast Du daran mitgewirkt?
Nein, das haben sie erst nach meinem Abgang gemacht. Von den Demos, die wir gemeinsam aufgenommen hatten, ist kein einziges auf der Platte gelandet. Und nachdem die Platte fertig war, haben sie sich aufgelöst. Ich war sogar noch zur Record Release Party in der Kulturbrauerei. Allerdings war da schon erkennbar, dass das nichts mehr werden konnte. Kurz nach mir hörte auch der eigentliche Sänger der BUFFDICKS auf, weil er lieber irgendwas studieren wollte. Der war ein gutaussehender, sehr charismatischer Typ, wurde nur immer sehr schnell heiser. Als Nachfolger kam ein Typ aus Westberlin, der zwar gut singen konnte, aber auf der Bühne nicht zu sehen war! Noch dazu stand er auf der Bühne neben Robert Gläser, der mindestens einen ganzen Kopf größer war! Dieser Sänger war ein richtig graues Männchen, der quasi nicht sichtbar war. Und als Gitarrist hatten sie Thomas Glatzer aus Köpenick, der zwar auch gut Gitarre spielt, aber auch so ein Schüchterner ist. Eigentlich habe ich an diesem Abend nur ein Konzert für Bass und Schlagzeug gehört und gesehen. Mehr nicht. Robert Gläser und Christian Gerlach waren absolut prägnant und im Vordergrund. Aber nicht nur auf der Bühne, sondern auch bei den Proben und den Plattenaufnahmen. Na egal, danach haben sich DE BUFFDICKS aufgelöst.
Buzz Dee mit Mike Seeber (Foto: Torsten Meyer)
Nachdem Du anschließend noch ein halbes Jahr bei Tino Standhaft in der Band warst, kam 1996 ein Unternehmen auf den Plan, welches zu dem Zeitpunkt bereits zwei Jahre bestand, welches damals aber noch ganz anders operierte als dann später mit Dir. Die Rede ist natürlich von KNORKATOR. Wie bist Du zu KNORKATOR gekommen?
Stumpen und ich, wir kannten uns schon ganz lange. Stumpen meinte, er hätte mich schon 1986 im Haus der jungen Talente in Berlin gesehen, als wir mit Dirk Zöllners damaliger Band CHICOREE zwei Tage am Stück gespielt haben. Ich für meinen Teil habe ihn bewusst kennengelernt 1994/95, als wir uns immer mal im Frannz Club über den Weg liefen. Ich wusste über ihn, nur, dass er eine Band mit Robert Gläser hatte, die es aber nicht mehr gab und dass er jetzt etwas Neues macht. Eines Tages klingelte zuhause mein Telefon. Gero, also Stumpen, war dran und klagte mir sein Leid, dass er unbedingt einen Gitarristen braucht, weil seiner weggegangen war. Die Zeit drängte, denn die Band hatte die Möglichkeit, auf der aktuellen Rio Reiser-Tour nach Rio spielen zu können. Ich fragte: "Wieso denn NACH Rio Reiser?" Stumpen sagte: "Na ja… wir zerkloppen auf der Bühne immer Fernseher und alles Mögliche…" Und da Rio Reiser ja immer barfuß auftrat, sollten sie eben erst nach ihm spielen. Auch hier war der Zeitpunkt wieder günstig gewählt, denn ich hatte gerade nichts Richtiges außer ein paar Gigs mit Tino Standhaft. Und jetzt kommt das, was ich Dir ganz am Anfang des Interviews erzählt hatte. Ich spielte gerade mit Tino in Speiches Blueskneipe, als Alf Ator reinkam und mir ein paar Demokassetten in die Hand drückte. Ich hörte mir das an und fragte mich: "Oh Gott, was ist das denn!?" Über die Texte musste ich schmunzeln, die Musik war mir völlig artfremd. Deshalb wollte ich eigentlich zu Alf fahren und ihm sagen, dass das nichts für mich ist.
War die Musik von KNORKATOR denn damals schon so, wie sie 1997 auf dem Album klingt? Also in Richtung RAMMSTEIN?
Ja, im Prinzip ja, aber doch anders. Auf jeden Fall klangen sie sehr nach Industrial. Alf hatte jedenfalls die Ruhe weg nach meiner versuchten Absage und versuchte mich davon zu überzeugen, dass es doch gar nicht so schlimm wäre und ich solle es wenigstens versuchen. Na gut, ich sagte zu, die Tour mitzumachen und danach zu entscheiden, wie es weitergeht. Die erste Mugge fand in Schwerin statt, aber ohne, dass wir vorher mal zusammen geprobt hätten. Wir waren ja auch nur zu dritt und nur unsere zwei Gesangsstimmen und die Gitarren waren live, der Rest kam vom Band. Wir spielten also und meine beiden Mitstreiter haben auf der Bühne tatsächlich alles zerdroschen. Und die Menge hat getobt! Das Witzige war ja, uns kannte vorher keine Sau! Ich dachte, hier würden sicher nur die 68er kommen und Rio Reisers "Keine Macht für niemand" brüllen, aber komischerweise sind wir gut angekommen. Vielleicht deshalb, weil es so total aus dem Rahmen fiel und man so etwas vorher noch nie gesehen hatte. Nach dieser Mugge jedenfalls sagte ich zu Alf und Stumpen: "Also wenn ihr wollt, bleibe ich dabei". Und so ist es bis heute geblieben.
1997 kam auch gleich das erste KNORKATOR-Album auf den Markt, was auch gleich "The Schlechtst of" benannt wurde. Erzähle uns doch bitte mal, wie dieses Album entstanden ist.
Als ich Mitglied bei KNORKATOR wurde, gab es die Songs der ersten beiden Alben bereits. Für das Debütalbum suchten wir natürlich die Songs heraus, von denen wir glaubten, dass es die Besten seien. Einzig der Song "Böse" kam erst später dazu, aber der Rest war schon fertig. Nun musst Du wissen, dass wir seinerzeit im Frannz Club immer sogenannte KONORKATOR-Partys abhielten, auf denen wir irgendwelchen Blödsinn veranstalteten wie zum Beispiel Gläserweitwurf oder Damentauziehen und luden uns dazu immer ein paar Gäste ein. Unter anderem holten wir uns mal IN EXTREMO dazu. Ein weiteres Mal hatten wir eine Hamburger Band eingeladen, deren Namen mir aber gerade nicht einfallen will. Diese Band war bei Rod Track unter Vertrag, also der Plattenfirma von Rod Gonzalez von den ÄRZTEN. Bei diesem Konzert jedenfalls standen Bela B. und Rod von den ÄRZTEN mit offenem Mund vor der Bühne, als wir gespielt haben. Als wir fertig waren, kam Bela zu uns und fragte, ob er ein Demotape von uns kaufen könnte. Ich sagte ihm, dass er das auch geschenkt haben könne. Zwei Wochen später spielten wir wieder in Berlin, diesmal in der Wabe und Bela B. war auch wieder anwesend, nur hatte er diesmal den Manager der ÄRZTE dabei. Der wollte uns mal live erleben und meinte hinterher zu uns, das wäre der oberkrasseste Kracher gewesen, den er jemals gesehen hätte. Der Typ versprach sogar, uns einen vernünftigen Plattendeal zu besorgen. Wir sollten als nächsten Schritt ein Konzert in einer Location spielen, die wir sicher vollkriegen würden. Wir entschieden uns für den Knaack Club. Der Laden war krachend voll und der ÄRZTE-Manager hatte wirklich sämtliche wichtigen Leute der Major-Label rangeholt, die es damals gab, damit die uns live erleben. Nur leider sind wirklich alle völlig angeekelt aus dem Konzert rausgegangen. Rod sagte dazu nur, wenn die anderen eben nicht wollen, nehmen wir eure Platte eben bei mir, bei Rod Track, auf. Genauso passierte es dann auch. Einen Teil der Demos haben wir so übernommen, wie sie waren, die Gitarren spielte ich nochmal neu ein und fertig war das erste Album. Die Record Release Party fand im Januar 1998 im Kesselhaus statt und das Album verkaufte sich immerhin an die zehntausend Mal. Plötzlich standen die Manager der Major-Label doch bei uns Schlange. Zu dieser Zeit hatten wir aber bereits Markus Herrmann als Manager, der damalige Freund von Katarina Witt. Markus kannte sämtliche Plattenbosse und brachte uns auf diese Weise wieder ins Spiel. Jetzt konnten wir uns in Ruhe die Partner aussuchen. Als wir dann den ersten richtigen Vertrag unterschrieben, dachte ich, da stehen doch ein paar Nullen zu viel auf dem Papier. Das war schon ein echter Hammer.
Buzz Dee und Stumpen (Foto: Rüdiger Lübeck)
Wie kann man denn ernsthaft Erfolg haben wollen und an einem Album arbeiten, wenn man sich bei vielen eurer Texte im Studio vor Lachen sicher kaum halten kann?
Ja, da hast Du vollkommen Recht, das ist so. Wenn man das eine Weile macht, kriegt man nicht mehr ständig Lachanfälle beim Lesen der Texte. Auf jeden Fall war das, was wir gemacht haben, etwas völlig Neues in der Szene. Und die Leute redeten ja auch über uns, über unsere Texte und das wir auf der Bühne alles kaputtmachten. Die Idee für dieses Konzept stammt von Alf, der übrigens ein Peter Gabriel-Fan ist, der ein Fan von Johann Sebastian Bach ist, aber auch von DEEP PURPLE. Alf stellte sich die Frage: "Wie willst Du als kleine Band auf Dich aufmerksam machen, wenn Du solche Musik spielst wie wir und in kleinen Clubs in Berlin-Köpenick auftrittst? Das interessiert doch normalerweise keine Sau. Also müssen wir Chaos verursachen". Und genau das hat KNORKATOR dann gemacht. Die Rechnung ging auf, keine Frage. Inzwischen machen wir natürlich viele von den Sachen nicht mehr, für die wir früher bekannt waren, aber es hat immer tierischen Spaß gemacht.
Aber es muss doch trotzdem echt geil sein, wenn Ihr im Probenraum an neuem Material arbeitet. Ich kenne es ja von mir selber, dass ich manchmal auf youtube ein neues Video sehe und mich bei dem Text totlache. Das kann Euch doch nicht anders gehen.
Die Sache ist so, dass Alf unser Mastermind ist, der die Songs alle schreibt. Schon, wenn eine neue Nummer halb fertig ist, spielt Alf uns die Nummer vor. Natürlich gibt es dann oft ein ziemlich lautes Gelächter. Wir anderen hören uns den Song dann zuhause eine Zeitlang an, gucken, was wir vielleicht noch ändern können, und bis wir letztlich damit zur Aufnahme ins Studio gehen, hast Du den Song dermaßen verinnerlicht, da kriegst Du keine Lachanfälle mehr. Ich werde auch nie vergessen, als Alf uns damals in Potsdam sagte, er hätte einen neuen Song namens "Böse" und spielte uns den vor. Wir lagen alle unter dem Tisch vor Lachen. Es ist doch so, dass jeder von uns die Inhalte dieses Textes schon mal selbst erlebt hat. Und Alf sagte ja immer, er möchte Texte machen, die auch in hundert Jahren noch aktuell sind.
Ihr grabt ja quasi den gleichen Garten um wie die Kollegen von RAMMSTEIN. Gab es damals irgendwelche Kontakte zwischen Euch? Vielleicht eine Art Erfahrungsaustausch?
Natürlich kennen wir uns alle. Paul und Flake kenne ich sogar schon, seit es FEELING B. gab. Die anderen Jungs von RAMMSTEIN lernte ich erst nach und nach kennen. Es stand auch irgendwann mal zur Debatte, ob wir nicht den Support für RAMMSTEIN machen. Aber das ist schon Ewigkeiten her und ohnehin war nur die halbe Kapelle dafür, während die andere Hälfte dagegen war. Überhaupt führen diese Vergleiche manchmal zu skurrilen Dingen. So quatschten mich früher immer wieder mal Leute an, die dachten wir wären schon Millionäre, da wir doch so ähnlich wie RAMMSTEIN seien. Da konnte ich immer nur antworten, dass zwischen uns RAMMSTEIN nicht nur Welten, sondern ganze Universen liegen. Allein das ganze Drumherum macht doch klar, wo die Unterschiede liegen. Bei RAMMSTEIN ging auch alles viel, viel schneller. Überleg mal, die haben sich 1994 gegründet und schon ein Jahr später kam das erste Album raus, was dann auch noch einen einschneidenden Erfolg verzeichnen konnte. Sie kamen auch ratzfatz nach Amerika. Uns gibt es fast genauso lange, aber von diesen Erfolgen können wir nur träumen. Das ist jetzt natürlich Jammern auf hohem Niveau, denn wir haben eine sehr stabile und große Fanbase im deutschsprachigen Raum. Wir spielen auch alle zwei Jahre bei den Russen, wo dann jedes Mal die Luft brennt. In Kanada oder Südamerika waren wir auch, aber Tourneen in dem Sinne machen wir nur hier in Deutschland. Diese wiederum sind dann aber immer der Hammer. Wenn ich nur an unsere letzte Tour denke... ich habe nur in glückliche Gesichter geguckt, die Leute waren absolut happy, wenn wir gespielt haben. Und nach jeder Mugge haben wir immer noch eine Autogrammstunde gegeben und pausenlos gehört, wir sollen und dürfen als Band nicht aufhören zu existieren.
Basti, Dein Kollege Alf Ator sagt über Dich: "Die alte Frau steht auf der Bühne nur rum". Du hast ja nun wirklich keinen übermäßig großen Aktionsradius, wenn Ihr live spielt. War das eigentlich schon immer so, vor allem, wenn du an die 70er und 80er Jahre zurückdenkst?
Nee, so war es natürlich früher nicht. Als ich in den Zwanzigern war, konnte ich auf der Bühne noch Purzelbäume schlagen. Bei KNORKATOR jedoch zappeln Alf und Stumpen ja selbst schon die ganze Zeit über nur rum, was sollte ich denn noch machen? Also entschieden wir, ich gebe auf der Bühne den Coolen mit Sonnenbrille und Kippe im Mund. Die Leute waren begeistert und meinten, genau das hat vorher bei KNORKATOR gefehlt - ein Ruhepunkt. Diese Rolle gefällt mir bis heute ausgenommen gut.
Berlin 2012 (Foto: Jens Lorenz)
Du hast quasi den Habitus eines Bassisten.
Stimmt. Vor allem kann ich das auf diese Art noch machen, bis ich steinalt bin. Wir sehen es ja bei Stumpen, der langsam mal aufhören sollte, solche Aktionen wie letztens in Wacken zu machen, als er von der Bühne gesprungen ist. Wenn ich daran zurückdenke, als ich bei KNORKATOR einstieg, war Stumpen vielleicht 32 oder so und er war wie ein Gummimännchen! Das war unglaublich. Alle dachten immer, der macht richtig viel Sport. Ich sagte dann immer: "Nee, der macht weder Sport noch nimmt er Drogen". Der hat nicht geraucht, und er und Alf trinken auch seit Jahren schon keinen Alkohol mehr. Ich konnte mich jedenfalls schnell mit meiner neuen Rolle als Ruhepol anfreunden.
Legendär war auch Euer Auftritt beim Vorentscheid zum Grand Prix. Davon reden die Leute ja heute noch. Erzähle doch bitte mal aus Deiner Sicht, was Ihr dort erlebt habt und wie Ihr die Sache angegangen seid.
Das war eine lustige Geschichte. Zwei Jahre vor uns war Guildo Horn dabei, und eine Band wie ROSENSTOLZ machte ja auch mal mit. Alf und Stumpen waren zu der Zeit schon gut mit AnNa R. befreundet. Und AnNa meinte, wir müssten da auch unbedingt mal mitmachen. Wir zierten uns aber immer ein bisschen. Eines Tages fuhren wir aus Hamburg, wo wir Gespräche mit unserer Plattenfirma hatten, wieder zurück nach Hause. Plötzlich sagte Alf: "Leute, guckt mal, was hier in der Zeitung steht. KNORKATOR bewerben sich beim Grand Prix mit dem Song ‚Brecht das Siegel'." Also gemünzt auf Ralph Siegl. Bis heute weiß ich nicht, wer diesen Artikel in die Presse gesetzt hat. Trotzdem haben wir erstmal lauthals darüber gelacht, ehe wir ins Grübeln kamen und uns fragten, ob wir das nicht tatsächlich mal wagen sollten. Wir riefen umgehend unsere Plattenfirma an und wollten deren Meinung dazu hören. Die waren sofort einverstanden. Nun galt damals noch die Regel, man durfte nur mit neuen, bisher unveröffentlichten Songs antreten. Und da kamen für uns nur zwei Nummern in Frage. Das eine war eine langsame Nummer und der zweite Titel hieß "Ick wer zun Schwein". Das war zwar nun nicht unsere allerbeste Nummer, doch die Plattenfirma stand hinter uns und delegierte uns zum Grand Prix. Wenn Dich ein Label zum Grand Prix anmeldete, musste man zugelassen werden. Jetzt ging es also los. Die komplette Mannschaft von N3 kam zu uns nach Berlin in den Knaack Club. Der Chef von N3 fragte uns, was wir denn mit unserem Auftritt vorhätten? Wir taten ganz unschuldig und erzählten ihm, wir wollen einfach nur ganz in Ruhe unser Lied präsentieren, aber der Herr glaubte uns nicht und bohrte nach, weil er überzeugt davon war, dass wir irgendetwas planten. Da sagte Alf, er würde gerne während des Songs auf der Bühne seine Orgel zerhacken. "Na das ist doch wunderbar", war die Antwort des N3-Chefs. Angeblich hatte er ja auch nur gefragt, damit die Kameraleute wissen, worauf sie achten müssen, damit diese Momente dann auch bei den Zuschauern an den Fernsehgeräten ankommen. Im Nachhinein muss ich auch sagen, dass diese eine Woche, die wir dort im Norden verbrachten, eine herrliche Zeit war. Nach unserem Auftritt beim Vorausscheid war in unserem Hotel natürlich die Hölle los. Der Witz war, wir hatten am Ende den 4. Platz belegt. Über den Drittplatzierten redete kein Mensch, das war irgendeine Hamburger Band. Platz 2 machte die blinde Sängerin Corinna May, die bereits zum dritten Mal dabei war und vermutlich einen Blindenbonus hatte. Und dass Stefan Raab das Ding gewinnt, war mir vorher schon klar. Wir hatten jedoch eine Unmenge Artikel hinterher zu verzeichnen, von denen viele in die Richtung gingen "Wer hat diese Irren ins Fernsehen gelassen?" Wir standen dann im Hotel am Tresen inmitten der Schar von Journalisten, ich trank zufrieden mein Bierchen, als der N3-Chef kam und mir sein Telefon ans Ohr drückte. Da war tatsächlich seine Mutter dran und sagte mir allen Ernstes: "Ihr seid die Besten gewesen!" Das war schön. Leider hat unsere Plattenfirma das Ding danach verkackt.
Warum?
Na ja, es war ja klar, dass es ein Skandal wird, wenn wir wirklich da mitmachen. Also hätte man sich vorbereiten müssen, in dem man ein Video und eine Single-CD zum Song parat hat, diverses Werbematerial hätte da sein müssen - all das hatten die Jungs nicht. Als sie das dann irgendwann Monate später nachholten, war der Zug natürlich längst abgefahren. Ganz viele Leute meinten damals, nach diesem Auftritt hätte es bei uns durch die Decke gehen müssen. Stattdessen kam bei uns nun der absolut tote Punkt. Wir hatten mehrere Jahre so gut wie gar nichts mehr zu tun, das war ganz fürchterlich. Wir arbeiteten an dem "Ich hasse Musik"-Album, wo zunächst die Veröffentlichung ein Dreivierteljahr verschoben wurde, danach dann nochmals um ein halbes Jahr. Ich wusste nicht mehr, wovon ich leben sollte. Zum Glück war ich mit einer Frau zusammen, die ganz gut verdiente, ansonsten wäre das tragisch geworden. Wir hielten uns mit Lesungen über Wasser. Nach neunzig von diesen Leseveranstaltungen war ich am Ende. Ich konnte und wollte einfach nicht mehr. Aber letztlich sicherte das unser Überleben, obwohl es dafür kaum Geld gab. Wir hatten also auch richtig trübe Zeiten als Band. Es ging eigentlich erst wieder los bei uns, als Janet Gogow 2007 bei uns ins Management einstieg. 2008 lösten wir uns dann bekanntlich auf.
Das war sehr schade, aber die Gründe nachvollziehbar …
Viele glauben heute noch, dass das damals ein Werbegag war. Dazu kann ich immer wieder nur sagen, dass es beileibe kein Gag war. Ich dachte bis zu dem Zeitpunkt, dieses Burnout-Syndrom wäre so eine Art Modekrankheit wie in den 80er Jahren Parodontose. Aber leider musste ich bei Stumpen erleben, dass Burnout tatsächlich existiert. Es war wirklich grauenvoll, das mitanzusehen. Stumpen selber sagte, er will auf jeden Fall noch die 2008er Tour mit uns machen, danach kann und will er aber nicht mehr. Die Zeit war schlimm. Die Band löste sich also auf und wir sahen uns ungefähr ein halbes Jahr lang nicht mehr. Ich nahm derweil jeden Auftrag an, der sich mir bot. Das ging von Hans die Geige bis zu einer STONES-Coverband. Das ging so weit, dass ich einmal innerhalb von vierzehn Tagen in fünf verschiedenen Bands mitgespielt hatte und am Ende gar nicht mehr wusste, wer das eigentlich war, sondern nur noch über den Kalender mitbekam, dass ich morgen hier und übermorgen da und dort sein musste. Aber irgendwann mussten wir KNORKATORs uns ja nochmal treffen, um die finanziellen Dinge abzuklären. Das war im Frühjahr 2009. Zu der Zeit konnten wir schon wieder Witze reißen, was für mich ein gutes Zeichen war. Alf erzählte, dass er gerade an einem Soloprogramm arbeitet, was Stumpen veranlasste, mir etwas Ähnliches vorzuschlagen. Er wollte sich auch einem Soloprogramm versuchen. Und zwar sollte es so ablaufen, dass Stumpen ein Programm zusammenstellt und damit zehn Tage im Monat tourt. Die ersten beiden Monate wollte er es allein durchziehen, danach sollte ich dazukommen. Und zwar wollte er immer in denselben Gegenden spielen, aber alle zwei Monate ein neues Programm anbieten. Das haben wir dann tatsächlich ca. eineinhalb Jahre durchgezogen. Während dieser Zeit hatten wir viel Gelegenheit, uns zu unterhalten und ich erfuhr dadurch, was diese Krankheit für den Betroffenen bedeutet, wie schrecklich Burnout sein kann. Irgendwann kamen wir an den Punkt, wo uns klar wurde, dass wir KNORKATOR wiederbeleben müssen. Zumal wir uns zu einem Zeitpunkt getrennt hatten, als die Band richtig gut funktioniert hat und wir Erfolg hatten. Gero und ich versuchten dann alle Beteiligten von unserer Idee zu überzeugen. Das Management jubelte sofort, unser damaliger Schlagzeuger Nick Aragua war ebenfalls einverstanden, nur Alf tat sich noch etwas schwer, weil er sein Soloprogramm nicht aufgeben wollte. Der Einzige, den wir beim Neustart nicht mehr dabeihaben wollten, war unser Bassist Tim Schallenberg, der inzwischen leider verstorben ist. Nun brauchten wir also dringend einen neuen Bassisten. Und wie der Zufall manchmal so spielt, war ich mit unserer Managerin Janet auf einer Mugge von RUMMELSNUFF. Nick, unser Drummer, gab uns den Tipp, dass bei RUMMELSNUFF ein Bassist mitspielt, den er von früher aus seiner Schülerband kennt. Nachdem wir ihn dann live sahen, war klar, der Typ passte nicht zu KNORKATOR. Dafür spielte aber noch ein Gitarrist namens Rajko Gohlke mit, der aber von Hause aus Bassist war und der genau in unser Schema passte. Rajko war auch gleich empfänglich für unsere Anfrage und so spielt er bis heute bei KNORKATOR den Bass.
Lass uns kurz zu dem Soloprogramm von Stumpen und Dir zurückkommen. Ist daraus die CD "Jesang zu Jitarre und manchmal och Jeije" entstanden?
Ja genau.
Davon gab es 777 Exemplare zu erwerben. Warum nur so wenig?
Das ist etwas kompliziert. Du musst eigentlich die Originalinterpreten der Songs fragen, ob Du deren Lieder neu aufnehmen und veröffentlichen darfst. Solange Du die Nummern 1:1, also komplett identisch, nachspielst, hast Du alle Freiheiten. Aber sobald Du etwas daran veränderst, zum Beispiel die Texte ins Deutsche übersetzt, musst Du Dir das Okay der Urheber einholen. Bei uns traf das auf drei Titel zu, und zwar "Girl from Ipanema", "Bei mir biste scheen" und noch einer, der mir gerade nicht einfällt. Diese Songs waren heilige Kühe, die man eigentlich nicht verhunzen darf. Gero führte an, dass ein Helge Schneider da wohl eine Ausnahme sei, was sich aber mit dem Erfolg der Helge Schneider-Versionen begründen ließ. Nun war unsere Platte aber schon fertig, wir hätten sie aber zu keiner Zeit verkaufen dürfen. Deshalb haben wir die Auflage so gering gehalten.
KNORKATOR fand also wieder zusammen, was sicher eine gute Nachricht für uns alle war. Nun hat es Euch ja schon auf eine Vielzahl Bühnen getrieben, von denen einer der größten und spektakulärsten die in Wacken gewesen sein dürfte. Ging es Euch vom Gefühl her auch so?
Nein. Die größte Bühne, die wir je bespielten, stand im polnischen Küstrin, davor standen 500.000 Leute. Das war unvorstellbar, dagegen war und ist Wacken wirklich Kindergarten. Nicht falsch verstehen, Wacken ist wirklich der Hammer. Wir waren wohl schon fünf oder sechs Mal dort, aber 2006 in Küstrin war unvergleichlich. Ich dachte immer nur: Was geht denn hier ab? Und komischerweise ist das bis heute immer noch ein Geheimtipp. Du kannst fast jeden beliebigen Konzertgänger fragen, ob er "Haltestelle Woodstock" in Küstrin kennt. Fast jeder wird antworten: "Nö, noch nie gehört". Mittlerweile sind die schon bei einer knappen Million Zuschauer. Das Ding ist größer als Roskilde, größer als alles andere. Es ist das größte Rockfestival Europas.
Buzz Dee mit Tobi Hillig …. und alleine
Was für ein Gefühl ist es, auf einer solchen Veranstaltung spielen zu dürfen?
Wie ich schon sagte, es war unbeschreiblich. Allein die Bühne war ungefähr 60 Meter breit und 10 Meter hoch und bis zum Horizont hast Du nur Menschen gesehen. Glücklicherweise gibt es vom polnischen Fernsehen einen Mitschnitt, den ich auch noch irgendwo zu liegen habe.
Spielt man da sein Programm ganz cool runter oder geht einem da ein bisschen die Düse?
Ich habe vor jedem Auftritt Lampenfieber, aber nach einer halben Minute ist das wieder weg. Aber ich möchte nochmal sagen, dass Wacken auch unglaublich geil ist. Zumal wir ruhigen Gewissens sagen können, dass die Leute immer vor unserer Bühne stehen, auch wenn zeitgleich noch auf anderen Bühnen was los ist. 2024 sind wir übrigens wieder nach Wacken eingeladen. Wir waren nun ein paar Jahre nicht dabei, was aber der Philosophie der Veranstalter geschuldet ist, die dafür sorgen, dass zwischen den Auftritten einer Band mindestens vier Jahre liegen. Das ist auch in Ordnung, denn sonst nutzt sich das Interesse der Fans schnell ab. Zum Beispiel waren viele Jahre lang SLAYER und MOTÖRHEAD gesetzt. Die waren jahrelang Headliner, was dann irgendwann langweilig wurde. Beim Rockharz-Festival müssen nur zwei Jahre zwischen den Auftritten liegen, was auch okay ist.
Neben KNORKATOR findest Du aber immer noch Zeit für anderweitige Gastspiele. So bist Du in den 2010er Jahren wieder mal bei MONOKEL eingestiegen.
Was heißt eingestiegen? Ich habe über die Jahre immer mal wieder bei MONOKEL mitgemacht, egal ob bei KRAFTBLUES oder bei SPEICHES MONOKEL.
Damit leitest Du zur nächsten Frage über. Du bist ja der Gründer von MONOKEL. Wie hast Du es empfunden, dass es über Jahre diese beiden MONOKEL-Bands gab?
Das war natürlich idiotisch. Schlimm war vor allem, dass die beiden Fraktionen richtige Gerichtsverfahren gegeneinander geführt haben. Für mich war das Kindergarten pur. Nun muss man verstehen, dass MONOKEL KRAFTBLUES eigentlich der Rest der ursprünglichen MONOKEL-Truppe war. Speiche stieg irgendwann aus, aber eines schönen Tages hatte er dann doch wieder Lust auf MONOKEL. Jetzt hatte sich Speiche aber den Namen MONOKEL patentieren lassen, so dass plötzlich die Streitereien um den Namen begannen. Das ging so weit, dass beide Parteien mir verbieten wollten, bei der jeweils anderen Fraktion mitzuspielen. Mir ging das allerdings am Hintern vorbei. Ich habe ehrlich gesagt nie verstanden, weshalb Speiche diesen Streit losgetreten hat, anstatt seine Band zum Beispiel SPEICHES BLUES BAND zu nennen. Wer ihn kennt, weiß doch, wo er herkommt. Der ganze Stress entstand eigentlich erst, als das Buch "Bye bye Lübben City" erschien. Im Zuge dessen gab es eine Veranstaltung, wo natürlich allein schon wegen des Songs "Bye bye Lübben City" MONOKEL auftreten sollte. Die Band fand sich für diese eine Mugge noch einmal in der Besetzung der 80er Jahre zusammen. Aber wie das so ist, fanden sie plötzlich wieder Spaß an der Sache und wollten genau in dieser Besetzung eine kleine Tour machen. Vielleicht fünf oder sechs Muggen, mehr war nicht angedacht. Allerdings wäre das dann wiederum Dicki Grimm und Christoph Frenz gegenüber unfair gewesen, die in der aktuellen Besetzung Bass und Schlagzeug beackerten. Es kam jedenfalls aufgrund irgendwelcher Streitereien nicht zu der Tour in der ursprünglichen Besetzung. Zu diesem Zeitpunkt erschien auch Speiche wieder auf der Bildfläche und wollte nun auch wieder unter dem Namen MONOKEL Musik machen. Seitdem redeten beide Seiten nicht mehr miteinander. Es war einfach grauenvoll. 2016 bekniete mich der Veranstalter des Oettersdorf Open Air, ob ich es nicht schaffen könnte, als Mittelsmann zu fungieren und dafür zu sorgen, dass zu "40 Jahre MONOKEL" tatsächlich beide Bands auf der Bühne stehen. Nein, es führte kein Weg dahin, weil die Jungs von KRAFTBLUES es nicht wollten.
Wenigstens haben sich Kuhle und Speiche vor Speiches Tod wieder miteinander versöhnt.
Die hatten sich schon lange vorher wieder vertragen. Das war übrigens auch der Grund, weshalb Kuhle bei KRAFTBLUES gehen musste. Das war alles dermaßen absurd… Am Wochenende stehe ich übrigens in Spremberg wieder mit einer zusammengewürfelten MONOKEL-Band auf der Bühne (Buzz Dee spricht über die Rock- und Bluesnacht im Hof des Spremberger "Hotel zur Post" am 8. Juli, Anm. d. Red.)
Der Output von BUZZ DEES. Teilweise noch bei fantotal.de erhältlich …
Neben MONOKEL gäbe es dann noch die Band BUZZ DEES zu erwähnen.
BUZZ DEES entstand, nachdem wir uns mit KNORKATOR aufgelöst hatten. Es hat Riesenspaß gemacht mit dieser Band, wir haben sogar zwei CDs eingespielt, aber leider hatten wir kein Management. Und somit interessierte sich auch keine Sau für BUZZ DEES.
Och … ich schon.
Klar, eine Handvoll Leute fand uns geil, aber die Veranstalter zuckten immer nur die Schultern und sagten: "Wer? BUZZ DEES? Kennen wir nicht, wollen wir nicht". Wir probierten es mit drei verschiedenen Booking Agenturen, aber keine kriegte es auf die Reihe, uns unterzubringen. Die Band gibt es offiziell immer noch, aber es ist eingeschlafen. Den letzten Gig hatten wir vor drei Jahren. Dazu kommt natürlich, dass jeder auch noch anderweitig gebunden ist. Wenn Du dann nicht jemanden hast, der das koordiniert, hast Du verloren. Selbst wenn man sich einmal im Jahr für einen Gig trifft, ist das ein wahnsinniger Aufwand mit der Proberei. Es ist also sehr schade. Aber vielleicht ergibt sich eines Tages mal wieder etwas in diese Richtung.
Hat "die alte Frau" denn noch Ziele beruflicher Natur, die Du gerne verwirklichen möchtest?
Berufliche Träume? Na klar! Ich möchte noch ganze lange spielen! Aber bitte in einer ruhigen, entspannten Atmosphäre, so wie es im Moment bei KNORKATOR der Fall ist. Es gab auch Zeiten, da haben wir uns die Köppe eingeschlagen, aber auf so etwas habe ich keine Lust mehr. Auch auf irgendwelche Muggen, wo sich der Veranstalter keine Mühe gibt, habe ich keinen Bock mehr. Gerade im Blues kommst Du immer wieder in Locations, wo Du Dich fragst, warum der Veranstalter nicht wenigstens den Backstage-Bereich einigermaßen zum Wohlfühlen herrichtet. Manchmal stehen die vollen Mülleimer rum oder die Tische sind übereinandergestapelt, so etwas erlebt man auch heutzutage noch. Sagt man was, kriegt man zur Antwort: "Bisher hat es niemanden gestört". Logisch, wenn keiner was sagt… Ansonsten würde ich liebend gerne mal eine komplette Polen-Tournee machen. Jeder, der schon mal in Polen gespielt hat, wird Dir bestätigen, dass das Publikum da der Hammer ist. Auf keinen Fall habe ich mehr Lust auf solche Aktionen wie für zwei Muggen nach Südafrika. Oder Australien. Wobei… Australien in Verbindung mit einer ganzen Tour, das wäre schon was. Grundsätzlich bin ich aber für solche Abenteuer zu alt, das will ich nicht mehr. Selbst Stumpen sagte seinerzeit: "Warum müssen wir für zwei Konzerte ans Ende der Welt reisen, warum spielen wir stattdessen nicht lieber in Polen oder Holland?" Erstaunlich fand ich wiederum, dass es selbst in Kanada KNORKATOR-Fans gibt, wie wir erleben durften. Die hatten stellenweise 600 Kilometer Anreise hinter sich und erzählten uns, dass sie wahrscheinlich niemals nach Europa kommen werden. Als sie aber gehörten haben, dass wir in Kanada spielen, haben sie die weite Reise ohne Zögern angetreten.
Du hast gesagt, MONOKEL steht an und KNORKATOR steht an, beides live auf der Bühne. Gibt es denn sonst noch etwas, womit Du Dich gerade beruflich beschäftigst?
Nein, eher nicht. Zurzeit bin ich gerade dabei, die Wohnung meiner Freundin aufzulösen. Da gab es ein bisschen Stress und Ärger und bis Monatsende müssen wir da noch einige Dinge erledigen. Das ist das, was mich derzeit zwischen den Muggen auf Trab hält.
Ich danke Dir vielmals für das Interview und wünsche Dir einen schönen Sommer.
Das wünsche ich Dir auch.
Interview: Christian Reder
Übertragung: Torsten Meyer
Fotos: Pressematerial Knorkator, Basti Baur privat, Bodo Kubatzki, Rüdiger Lübeck, Jens Lorenz, Torsten Meyer
Übertragung: Torsten Meyer
Fotos: Pressematerial Knorkator, Basti Baur privat, Bodo Kubatzki, Rüdiger Lübeck, Jens Lorenz, Torsten Meyer