Interview vom 9. Februar 2023
Der Schlagzeuger und Musikmanager Peter "Paule" Fincke kann inzwischen auf fünf Dekaden zurückblicken, in denen er mit verschiedenen Bands auf der Bühne gestanden hat. JOCO DEV ist eine davon, und mit FORMEL 1 hat er DDR-Musikgeschichte geschrieben. Zuletzt genannte Kapelle war die erste Heavy Metal Band der DDR, die eine Schallplatte beim staatlichen Label AMIGA aufnehmen konnte. Bis es dazu kam, ist viel Schweiß geflossen, denn "Paule" hat sich alles - egal was er beruflich auch gemacht hat - hart erarbeiten müssen. Jetzt, wo er eigentlich schon Rosen züchten, Briefmarken sammeln oder sonst einer bei Rentnern beliebten Freizeitbeschäftigung nachgehen könnte, lässt er es nochmal richtig laut krachen. Vom Heavy Metal kommt man eben nicht so einfach weg. Mit der Band SILENT RUNNING rockt er die Republik, und mit dieser Formation hat er im vergangenen Jahr "just for fun" ein Album veröffentlicht. Nicht weil man es wegen einer fehlenden warmen Mahlzeit am Tag musste, sondern weil er und seine Kollegen es wollten. Wer kann sowas heute noch von sich sagen? Wir haben "Paule" besucht, diesbezüglich mal nachgefragt und mit ihm über seine Karriere als Musiker und den "zweiten Bildungsweg" gesprochen. Leider wurde die Verabredung unseres Kollegen Christian mit Paule von einer traurigen Nachricht überschattet ...
Bevor wir loslegen ... Leider ist in der Zeit, in der wir dieses Interview geplant und geführt haben, einer Deiner ehemaligen Kollegen von FORMEL 1 gestorben, nämlich Christoph Hess. Was ist denn da passiert?
Ich weiß eigentlich nur, dass er nach längerer Krankheit bei seiner Schwester zu Hause gestorben ist. Er ist eingeschlafen und nicht wieder wach geworden.
Hattet Ihr in den letzten Jahren noch Kontakt?
Nein, wir hatten alle keinen Kontakt mehr zu ihm. Wir sind damals bei FORMEL 1 nicht im Streit auseinander gegangen, aber als wir musikalisch etwas härter Musik gemacht haben, hatten wir einen anderen Gitarristen und er stieg aus. Nachdem wir uns bei FORMEL 1 von ihm getrennt hatten, haben wir uns aber trotzdem noch ab und zu noch getroffen, z.B. bei Weihnachtsfeiern. Aber seit 2010 haben wir ihn alle nicht mehr gesehen und wir wissen auch nicht, wo er dann abgeblieben ist, da der Kontakt gänzlich abgebrochen war.
Hat er denn noch Musik gemacht, weißt Du das?
Das Letzte, das ich weiß, ist, dass er kurzzeitig nochmal beim Rock'n Roll-Orchester in Magdeburg gespielt hat, als er bei FORMEL 1 ausgestiegen war. Mehr weiß ich auch nicht.
Das sind Nachrichten, die wirklich niemand braucht. Lass uns trotzdem mal das Thema wechseln und zu Dir kommen. Fangen wir mal vorn bei Deiner Jugendzeit an. Wo kommst Du her und wo und wann wurdest Du geboren?
Ich bin ein Ur-Berliner und wurde am 20. September 1951 in Berlin-Lichtenberg geboren.
Wie hast Du denn als junger Mensch zum Schlagzeug gefunden? Waren auch bei Dir Eimer, Töpfe und andere Behälter die ersten Klangkörper?
Nein, überhaupt nicht. Ich bin ohnehin erst ziemlich spät zur Musik gekommen. Mit 17 Jahren besuchte ich ein spezielles Schulsystem, das nannte sich "Berufliche Grundausbildung". Da begann man schon in der 9. und 10. Klasse, einen Beruf zu erlernen. Das Ganze fand in einer Ortslage von Berlin-Köpenick, dem Wendenschloss, statt. Und da ich in Lichtenberg wohnte, hielt ich mich sehr viel dort auf, denn dadurch waren die Wege kürzer. Das war auch die Zeit der Beatmusik, also die Zeit der BEATLES, ROLLING STONES, KINKS usw. Wir gründeten damals einfach mal eine Schülerband und stellten fest, dass niemand am Schlagzeug sitzen wollte, sondern alle nur Gitarrist sein wollten. Ich nahm mir daraufhin ein Tambourin und trommelte ein bisschen darauf rum. Wir hatten glücklicherweise die Möglichkeit, im Funkwerk zu proben. Dort gab es einige Instrumente, was dazu führte, dass ich nach und nach als Autodidakt Schlagzeug spielen lernte.
Das heißt also, dass Du bis zu Deinem 17. Lebensjahr mit Musik nichts am Hut hattest?
Das stimmt.
Aber Du hast Dich als Teenager durchaus für Musik interessiert, oder?
Klar, das schon. Als ich ungefähr 16 war, ging das ja los mit der Beatmusik und das habe ich mir natürlich auch angehört.
Jetzt bist Du also 17 Jahre alt und hast die Band, in der Du mitspielst. Wann hast Du denn gemerkt, dass in Dir mehr steckt als ein Bursche, der die Nachbarschaft mit Krach wachhalten kann? Wann wurde Dir klar, dass Du auch durchaus ein richtiger Musiker werden könntest?
Das bemerkte ich tatsächlich erst recht spät. Nach meiner Lehre musste ich zur Armee und versuchte dort auch ein bisschen zu trommeln, was aber nicht von Erfolg gekrönt war. Als ich von der Armee zurückkam, sprach man mich an, ob ich nicht mal bei einer Band aus Müggelheim vorspielen könnte. Die wussten nämlich, dass ich Schlagzeug spielte. Ich ging also hin, wir spielten ein bisschen in einem Ausflugslokal und ich merkte schnell, dass ich ziemlichen Spaß mit den Jungs hatte. Nachdem wir als Band dann unsere Einstufung erhielten und einige Auftritte hatten, war mir klar, dass man da mehr draus machen kann.
Wie hieß diese Band?
FREISCHÜTZ.
Also gab es vor JOCO DEV schon eine Band, in denen Du aktiv warst. Gab es denn außer FREISCHÜTZ noch weitere Bands?
Ja, und zwar spielte ich vorher bei den BLIZZARDS. Das war die Band, mit der ich im Funkwerk gespielt habe, danach kam dann FREISCHÜTZ. Nach einigen weiteren, kurzen Stationen bin ich dann bei JOCO DEV gelandet.
Wie bist Du denn in diese Beatband gekommen?
Der Grundstein dafür waren die Schule und das Funkwerk. Wir haben versucht, aus FREISCHÜTZ eine echte Band zu formen, um damit auch dauerhaft erfolgreiche Auftritte zu haben. Ich kümmerte mich fortan um das Management der Band. Nun war es damals so, dass man zum "Haus für Kulturarbeit" gehen und seine Einstufung vorlegen musste. Und die Leute in der Einrichtung haben dann versucht, Veranstaltungen für uns zu finden. So nach und nach wurden es dadurch immer mehr Auftritte innerhalb Berlins. Der größte Traum eines Berliner Musikers war, irgendwann mal im Eisenbahner-Kulturhaus in Berlin-Karlshorst aufzutreten. Da haben alle bekannten Bands aus der Hauptstadt gespielt, ob es nun RENFT, BABYLON oder noch ein paar andere waren, es gehörte einfach dazu, dort zu spielen. Nachdem wir mit FREISCHÜTZ also langsam bekannt wurden, sah ich eines Tages mal in Friedrichshagen einen Auftritt von JOCO DEV. Ich war so frech und habe den damaligen Sänger Norbert Schmidt gefragt, ob wir nicht mal eine Runde zusammenspielen könnten. Also seine Band und meine. Norbert lehnte das aber ab, denn er kannte mich ja überhaupt nicht, was mich aber ziemlich angetörnt hat. Ich sagte zu ihm: "Weißt du was? Irgendwann stehen wir beide zusammen auf der Bühne". Dass diese Worte tatsächlich später mal wahr werden sollten, daran habe ich natürlich in dem Moment nicht gedacht.
Hat er Dich denn angesprochen oder wie bist Du zu JOCO DEV gekommen?
Nein, das war eine ganz andere Geschichte. Es war eine Art Tauschgeschäft. Ich trommelte seinerzeit gerade bei der Band DRUDENFUSS und wechselte rüber zu JOCO DEV, weil der dortige Schlagzeuger rüberging zu DRUDENFUSS.
Außer Dir trommelten bei JOCO DEV ja noch weitere, zum Teil recht bekannte Musiker. Einer von denen war zum Beispiel Paule Fuchs, späterer Mastermind von POND. Jetzt habt Ihr beide mit "Paule" den gleichen Spitznamen. Ist das reiner Zufall oder gibt es da einen Zusammenhang?
Warum der andere Kollege ebenfalls Paule heißt, entzieht sich meiner Kenntnis. Vielleicht ist das bei ihm tatsächlich nur ein Spitzname, ich weiß es nicht. Mein kompletter Name ist jedenfalls Peter Herbert Paul, so dass der Paule bei mir ganz gut passt.
Du bist also keineswegs der Nachfolger von POND-Paule gewesen und hast den Nicknamen übernommen?
Nein, das eine hat mit dem anderen nichts zu tun gehabt. Wir kennen uns sehr gut und haben auch mal etwas zusammen gemacht, als ich auf einer POND-Platte getrommelt habe, aber ansonsten gab und gibt es musikalisch kaum Berührungspunkte.
In welchem Zustand hast Du damals die Band JOCO DEV vorgefunden? Ihre Geschichte ist ja ziemlich bewegt, wenn man allein nur auf die Sache mit dem Instrumentenschmuggel blickt. Beeinflussten diese Dinge auch noch Deine Zeit bei der Band?
Ich denke schon. JOCO DEV war ja in ihrer Anfangszeit eine ziemlich kreative Band. Sie gehörten auch zu den ersten Beat-Bands der DDR, die im Fernsehen auftreten durften und waren auch in der TV-Sendung "Notenbank" Anfang der 70er dabei. Außerdem hatten sie einen starken Einfluss auf die gesamte Entwicklung der Rockmusik in der DDR. Dann kam es leider zu diesen Vorfällen bei der Beschaffung der Instrumente, um es mal vorsichtig auszudrücken, was zur Folge hatte, dass JOCO DEV schlagartig aus sämtlichen Fördermaßnahmen rausflog. Damit war die Karriere natürlich beendet. Die Jungs mussten natürlich trotzdem irgendwie sehen, dass es weiterging, also wurde aus JOCO DEV eine reine Coverband. Wir spielten bei unseren Auftritten alles, was das Publikum hören wollte, ob nun DEEP Purple, URIAH HEEP, BARCLAY JAMES HARVEST oder sonst etwas.
Gab es während Deiner Zeit dort gar keine neuen Songs mehr?
Wir waren ja zunächst recht erfolgreich als Coverband unterwegs, haben dann aber doch mal zwei, drei eigene Songs gemacht, was uns aber kein bisschen vorangebracht hat. Wir waren jetzt halt eine Coverband und hatten uns damit auch abgefunden.
Welches Erlebnis aus dieser Zeit mit JOCO DEV ist Dir denn besonders in Erinnerung geblieben?
Was mir besonders wichtig war: ich habe sehr viel gelernt bei JOCO DEV. Eigentlich war ich ja das Küken, denn alle anderen waren schon etwas älter. Dazu kam, dass JOCO DEV eine Profiband war und die Musiker somit alle ausgebildete Berufsmusiker waren und entsprechende Erfahrungen vorweisen konnten. Ich konnte jedenfalls mein bisheriges Wissen und Können in dieser Band noch um einiges erweitern. Deshalb hatte ich für die Zukunft ein wirklich gutes Gefühl. Hier lief alles sehr professionell ab, nicht so chaotisch, was ich vorher so nicht kannte. Die Touren waren gut geplant, was hauptsächlich daran lag, dass der damalige Bandchef Detlev Lübke alles im Griff hatte. Auch die Probenarbeit hatte einen sehr professionellen Anstrich. Jeder war zu jeder Zeit gut vorbereit. Das ganze Zusammenspiel und das Miteinander waren ebenfalls exzellent und ich merkte sehr schnell, dass hier jeder wusste, was er tat.
In welchem Jahr bist Du bei JOCO DEV eingestiegen?
Das war 1976.
1981, also fünf Jahre später, haben der Sänger Norbert Schmidt, der Gitarrist Wolfgang Densky und Du die Band FORMEL 1 gegründet, nachdem sich JOCO DEV aufgelöst hatte. Offiziell seid Ihr mit FORMEL 1 am 1. Januar 1981 als Amateurband gestartet. Wer hatte die Idee dazu?
Das Ganze lief etwas anders ab, was aber nicht unbedingt bekannt ist. Ich hatte ja eben erzählt, dass ich bei der Band DRUDENFUSS gespielt hatte. Wir waren damals nicht ganz unbekannt und galten im Prinzip als eine PINK FLOYD-Coverband. Wir gingen sogar mit bekannten Bands wie REFORM auf Tour. Ich hatte dann mal wieder eine Einberufung zur Armee auf dem Tisch, diesmal als Reservist. Und als ich von diesem Einsatz zurückkam, schlug man mir den Wechsel mit dem damaligen Drummer von JOCO DEV vor. Ich hatte überhaupt nichts dagegen, denn ich sah darin eine große Chance für mich, Berufsmusiker werden zu können. Insgesamt war ich dann einige Jahre bei JOCO DEV, aber dann entwickelten sich ein paar Dinge, die weniger was mit der Band zu tun hatten, sondern eher mit mir. Ich hatte eine Familie gegründet, was manches etwas komplizierter machte. Also verließ ich JOCO DEV und spielte stattdessen bei einer Amateurband namens TROJA weiter. Der Kontakt zu den Musikern von JOCO DEV schlief dann zwangsläufig ein, auch wenn man sich hier und dort mal auf ein Bierchen traf oder sich in den Klubs über den Weg lief. Die musikalischen Gemeinsamkeiten hatten sich aber erledigt. Eines Tages traf ich dann zufällig in einem Bowlingcenter in Berlin Norbert Schmidt und Wolfgang Densky und erfuhr, dass sie was Neues machen wollen. Daraufhin sagte ich kurzentschlossen: "Wenn Ihr einen Schlagzeuger braucht, hätte ich Lust, mitzumachen". So entstand das alles. Die Übergangszeit vom Ende JOCO DEVs bis hin zur Gründung von FORMEL 1 war also nur kurz.
Ihr habt die Sache also in einem Bowlingcenter klargemacht. Welche Ziele hattet Ihr mit der Gründung von FORMEL 1, wo sollte die Reise hingehen?
Wir wollten uns erstmal treffen und ein bisschen Musik anhören, die Norbert und vor allem Wolfgang gefiel. Wir saßen dann bei Wolfgang zuhause und er stellte uns jede Menge aktuellen britischen Heavy Metal und New Wave vor. Also solche Bands wie DEF LEPPARD, JUDAS PRIEST usw. Mir persönlich gefiel vor allem IRON MAIDEN, aber auch JUDAS PRIEST. Wir waren uns dann schnell einig, dass wir damit unseren Stil gefunden hatten, den wir mit FORMEL 1 spielen wollten. Und uns sollte auch nichts und niemand davon abbringen, diesen Weg zu gehen.
Du hast eben gesagt, dass Du mit Deinem Wechsel von DRUDENFUSS zu JOCO DEV die Chance gesehen hast, Profimusiker zu werden. Nun war FORMEL 1 aber anfangs noch eine Amateurband. Wann bist Du denn nun eigentlich Profimusiker geworden?
Als ich zu JOCO DEV ging, nahm ich auch eine Ausbildung an der Musikschule Friedrichshain auf. Ich bin alle Klassen durchlaufen, was letztlich recht lange dauerte. Meinen eigentlichen Abschluss machte ich dann 1985.
Da warst Du also bereits bei FORMEL 1.
Ja, das war erst zu FORMEL 1-Zeiten. Wir haben als Amateurband angefangen, weil wir ja noch Amateure waren. Der Einzige, der bereits Profimusiker war, war Norbert Schmidt. Wir anderen hatten aber den festen Willen, ebenfalls schnellstmöglich den Status als Profimusiker zu erreichen.
Zu Euch dreien kamen zur Bandgründung von FORMEL 1 ja noch der Bassist Detlef Dudziak und als zweiter Gitarrist der Slowake Andrej Horvath dazu. Horvath spielte bis 1977 bei COLLEGIUM MUSICUM. Aber wo kam Detlef Dudziak her und wie fanden die beiden Musiker zu Euch? Auch bei einer Partie im Bowlingcenter? ;-)
Nein. Detlef Dudziak spielte auch in diversen Berliner Coverbands und wurde, soweit ich mich erinnere, von Wolfgang Densky ins Spiel gebracht. Irgendwie war Detlef plötzlich da und er passte sehr gut zu uns. Allerdings hatte Detlef eine sehr spezielle Art zu spielen. Er war Linkshänder und hatte seinen Bass völlig umgedreht. Also die tiefe E-Saite lag bei ihm unten und er spielte die Läufe alle von unten nach oben. Nun war Detlef zwar ein sehr musikalischer Typ, nur war es für ihn echtes Problem, einen Lehrer zu finden. Irgendwann fand er aber zum Glück doch noch jemanden, der ihn unterrichtete und letztlich konnte er an der Musikschule auch seine Berufspappe machen.
FORMEL 1 mit Andrej Horvath (hinten in der Mitte)
Und wo kam Andrej Horvath her?
Der kam ebenfalls über Norbert und Wolfgang zu uns, aber wie die sich nun im Detail kennengelernt hatten, weiß ich nicht. Wir waren jedenfalls auf der Suche nach einem zweiten Gitarristen. Andrej spielte bei uns vor und integrierte sich schnell in unser Gefüge. Im Übrigen waren wir ein bisschen geschmeichelt, dass ein so exzellenter Gitarrist wie Andrej, der im Prinzip alles auf der Gitarre beherrschte, sich für uns entschieden hatte. Er brachte uns verschiedene Dinge für das Zusammenspiel von zwei Gitarren bei, so dass wir dann auch wirklich zweistimmig aufnehmen konnten.
Wie kann ich mir die Anfangszeit bei FORMEL 1 vorstellen? Du sagst ja, Ihr habt erst einmal diverse Platten abgehört, um Euch ein bisschen zu orientieren. Und selbst dann habt Ihr ja nicht im Hau-Ruck-Verfahren den Heavy Metal in der DDR eingeführt, sondern Ihr habt ja anfangs auch immer noch gecovert, richtig?
Das stimmt, in erster Linie haben wir zu unserer Anfangszeit gecovert und dabei die Songs gespielt, die wir von unseren Vorgänger-Bands schon kannten und spielen konnten. Zusätzlich bauten wir aber nach und nach immer mehr von den Metal-Songs ins Programm ein, die uns gefielen. Vor allem die zweistimmigen Sachen, die JUDAS PRIEST ablieferten, verlangten immens viel Probenarbeit von uns, aber das machte uns Spaß und dadurch konnten wir unser Programm nach und nach erweitern. Im Hinterkopf hatten wir aber immer den Plan, eigene Songs zu schreiben, denn keiner von uns wollte sein Leben lang nur covern. Und auch ich selber hatte niemals das Ziel, ständig nur fremde Songs originalgetreu nachzuspielen. Ich denke nämlich, als Musiker sollte man sich seine eigene Identität bewahren und hinter dem stehen, was man sich selber ausdenkt. Nun muss ich aber auch sagen, dass ich mich nicht als unbedingter Heavy Metal-Musiker bezeichne, sondern ich war und bin in erster Linie ein Musiker, der eigene Songs spielen will und der stolz darauf ist, dass das auch funktioniert hat. Dabei ist es egal, in welchem Genre das ist. Es hat nur eben beim Heavy Metal am besten geklappt. Also wir wollten mit FORMEL 1 hin zu eigenen Titeln und damit versuchen, in die Nähe des britischen Heavy Metal zu kommen. Wobei natürlich die ersten Songs, die von FORMEL 1 veröffentlicht wurden, noch nicht unbedingt als Heavy Metal bezeichnet werden konnten. Aber es entwickelte sich schnell dahin, was auch mit unserer Besetzung zu tun hatte. Als zum Beispiel Andrej Horvath nicht mehr bei uns spielte, veränderte sich auch unser Stil.
Weißt Du noch, wann und wo Ihr das erste Konzert mit FORMEL 1 gegeben habt?
Das weiß ich nicht mehr. Fakt ist, wir waren ganz viel unterwegs, auch außerhalb von Berlin.
Lass uns kurz auf Andrej Horvath zurückkommen. Der spielte, wie schon erwähnt, in der großen tschechischen Band COLLEGIUM MUSICUM und kam dann in die DDR zu einer Amateurformation. Das liest sich auf dem Papier so, als hätte er sich damals vertan. Er war dann wohl auch nicht mal ein Jahr lang bei Euch und ging dann wieder. Lag das daran, dass er sich etwas anderes vorgestellt hat, als er zu Euch kam?
Nein, er hat sich nicht vertan. Nach seiner Zeit bei COLLEGIUM MUSICUM wechselte er in die Tanzmusik und spielte mit einer Band, die aus tschechischen und slowakischen Musikern bestand, in westdeutschen Hotels. Damals war das so üblich, dass Bands aus dem sozialistischen Lager durchaus im Westen auftraten und dort ihren Lebensunterhalt verdienten. Andrej spielte auch mal in Ostberlin und lernte bei dieser Gelegenheit eine Frau kennen, bei der er dann auch blieb. Als die Geschichte mit der Tanzmusik zu Ende war, bemühte er sich, hier etwas Neues zu finden. Auf irgendwelchen Wegen landete er dann bei uns. Da wir zur damaligen Zeit bereits eigene Gigs hatten und viel unterwegs waren, konnte er also auch davon leben. Somit blieb Andrej bei uns. Er war übrigens auch schon Berufsmusiker, als er zu uns stieß. Getrennt haben wir uns nicht aus musikalischen Gründen, sondern weil ein paar Dinge vorgefallen waren, die dazu führten, dass es zwischen Andrej und uns nicht mehr passte. Deswegen trennten wir uns. Im Nachhinein muss ich sogar sagen, dass diese Trennung für unsere weitere musikalische Entwicklung nicht die falscheste Entscheidung war.
Gewinner (Foto. Herbert Schulze)
Hast Du später mitbekommen, wie Andrej Horvath ums Leben kam? Oder hattet Ihr da schon keinen Kontakt mehr?
Wir hatten keinen Kontakt mehr, aber ich kenne die Geschichte, die zu seinem Tod geführt hat. Andrej ging nach seinem Ausscheiden bei uns zurück in die Unterhaltungsbranche. Er ging mit anderen Musikern auf die Kanarischen Inseln und verdiente dort sein Geld bis zu dem Zeitpunkt, als er krank wurde. Eine Bekannte holte ihn dann nach Deutschland zurück, wo er auch starb und beerdigt wurde.
Für Andrej Horvath habt Ihr Bodo Kommnick in die Band geholt. Wo habt Ihr Bodo entdeckt und warum fiel die Wahl ausgerechnet auf ihn, denn er war damals ja noch ziemlich jung.
Wolfgang hatte Kontakte nach Neubrandenburg, wo eine Art Edelfan von uns wohnte. Auf diesem Weg lernten wir die Gruppe PORTO kennen, in welcher Bodo Kommnick spielte. Bodo war für die damalige Zeit schon ein sehr guter Gitarrist mit Ambitionen, die uns gefallen haben. Also hat Wolfgang ihn überredet, zu uns zu kommen. Allerdings wurde er bei FORMEL 1 nicht so richtig glücklich, da unsere Musik wohl nicht wirklich seine war. Wie sich herausstellte, war Bodo mehr ein SAGA-Fan und schon bald merkten wir, dass es mit uns nicht passte. Wir sind dann aber sehr freundschaftlich auseinandergegangen und haben auch heute noch Kontakt.
In dieser Zeit seid Ihr auch in den Profistatus aufgestiegen. Wie vollzog sich das und wie veränderte das Euer Leben?
Zunächst einmal brauchten wir einen Ersatz für Bodo an der Gitarre und würden fündig in Reinhold "Chris" Heß, über den wir ja eingangs schon gesprochen haben. Chris war ebenso ambitioniert wie Bodo. Er kam aus Magdeburg und spielte eine Zeit lang aushilfsweise bei der Gruppe ELEFANT, die durch Ute Freudenberg bekannt wurde. Chris spielte bei uns vor, hatte aber überhaupt keine Beziehung zu dieser Art Musik. Aber es interessierte ihn sehr, einerseits mit Wolfgang zusammenzuspielen und andererseits auch diese gitarrenorientierten Songs spielen zu können. Somit hatten wir nun genau den Weg eingeschlagen, den wir vorhatten, nämlich einen PRIEST-MAIDEN-FORMEL 1-Sound zu entwickeln. Was Chris betrifft, so merkten wir ziemlich schnell, dass wir wunderbar zusammenpassen. Damit haben wir uns selber in dem Wunsch bestätigt, mit Haut und Haaren Profimusiker zu werden und dies auch zu bleiben. Chris hatte seine Profi-Pappe bereits, aber Detlef, Wolfgang und ich kümmerten uns nun verstärkt um unsere Ausbildung. Als wir dann endlich in die Sonderstufe aufrückten und damit den Zugang zur Musikhochschule geschafft hatten, bekamen wir automatisch die Genehmigung, professionell zu agieren.
Bedurfte es dazu einer neuen Einstufung?
Zuerst hast Du nur den Status erhalten. Eine extra Einstufung war nicht nötig, da die Band FORMEL 1 ja schon existierte. Auch gab es von uns bereits Rundfunkaufnahmen und Fernsehauftritte. Somit genügte es, dass wir die schriftliche Genehmigung bekamen, als Profiband aufzutreten und vor allem auch entsprechend zu verhandeln, was die Gagen betraf. Gleichzeit bekamen wir eine Förderung des Komitees für Unterhaltungskunst, was bedeutete, dass wir plötzlich einen Mentor an unserer Seite hatten.
1982 konntet Ihr Eure ersten eigenen Lieder im Studio von Gunter Wosylus produzieren. Weißt Du noch, welche Songs das waren und wie das Ganze zustande kam?
Zustande kam das mit Unterstützung des Komitees für Unterhaltungskunst. Da wir aber zu der Zeit noch nicht zu den Großen der Szene gehörten, sagte man uns, wir sollen sehen, dass wir irgendwo ein Studio finden, was wir dann bei Gunter Wosylus auch taten. Das Komitee bezahlte alles und wir konnten unsere ersten Songs produzieren. Das waren "Mensch Rosie" und "Willste nich uffstehen". Es war eine sehr angenehme Zusammenarbeit mit Gunter. Er gab uns eine Menge Tipps mit auf den Weg, wie wir gerade als Metal-Band bestehen können.
Wie entstanden denn generell die eigenen Songs bei FORMEL 1? Habt Ihr die Nummern in der Gruppe entstehen lassen oder gab es ein festes Autorenteam, wo einer komponierte und einer für die Texte zuständig war?
Was unseren ersten Song "Mensch Rosie" betrifft, so war das die Idee von Andrej Horvath. Der hatte den ganzen Titel schon komplett fertig, allerdings nicht so, wie er dann später aufgenommen wurde, denn wir mussten die recht komplizierten Strukturen des Titels etwas entschärfen, damit das Ganze eingängiger wird und auch ein paar Hooklines enthält. Aufgrund seiner besonderen Fähigkeiten und der Art Musik, die er mit seiner früheren Kapelle, dem COLLEGIUM MUSICUM, spielte, hatte Andrej den Song so sehr verfrickelt, dass uns gar nichts anderes übrigblieb als ihn im Kollektiv umzuarrangieren, denn so konnten wir ihn keinesfalls aufnehmen. Zum einen hätte das Publikum uns das nicht abgenommen und zum anderen wussten wir auch nicht, ob wir überhaupt in der Lage gewesen wären, "Mensch Rosie" nach seinen Vorstellungen zu spielen. Zum Glück sah Andrej das ein und wir setzten uns alle zusammen hin und entwickelten das Stück neu. Als wir ihn dann bei Gunter im Studio einspielten, merkten wir allerdings, der Song ist keinesfalls schlecht, doch irgendwie kommt er nicht richtig rüber. Unsere Vermutung war, dass es vielleicht an dem deutschen Text lag. Wir waren ja gezwungen, auf Deutsch zu singen, fühlten uns damit aber nicht wirklich wohl. Also suchten wir nach einem Ausweg und kamen auf die Idee, zu berlinern. Fortan sangen wir unsere Texte möglichst in der Berliner Mundart, worin uns Gunter Wosylus dann auch bestätigte. Wir mussten damals anfangs auf Weisung des Komitees für Unterhaltungskunst mit Katharina Koch zusammenarbeiten, deren Texte wir also ins Berlinische übersetzten und wir fanden, dass es recht gut klang und ankam.
Nachdem Ihr bei Gunter Wosylus wart, passierte es ja immer öfter, dass Ihr für Aufnahmen ins Studio gegangen seid und Eure Songs gingen in den Wertungssendungen des Rundfunks richtig ab. Wie hast Du damals den FORMEL 1-Aufstieg von einer Amateurband hoch in die 1.Liga erlebt?
Ich war richtig stolz, denn mein Ziel und mein Traum war immer gewesen, dass man mich im Radio hören kann. Ich erinnere mich noch, dass ich einmal mit meiner Familie im Riesengebirge im Urlaub war. Auf der Rückfahrt standen wir an der Grenze, die es ja seinerzeit noch gab, und plötzlich hörte ich von irgendwoher in einer Wertungssendung unser Titel "Mensch Rosie" lief. Und das auch noch auf einem der vorderen Plätze. Das war schon ein schöner und beeindruckender Moment, zumal wirklich keiner von uns damit gerechnet hatte.
Ist es denn auch vorgekommen, dass man Dich auf der Straße erkannt hat?
Später ja. Man hat mich nicht nur erkannt, sondern auch angesprochen. Selbst in Budapest, als ich mir im Hanky Panky-Laden ein paar Accesoires für die Bühne gekauft habe, kamen in einem Tunnel ein paar Leute auf mich zu, erkannten mich und riefen: "Eh Paule von FORMEL 1!" Das war eine coole Situation, muss ich ehrlich sagen.
Ihr hattet mit FORMEL 1 in der DDR auch Fernsehauftritte, was mit Sicherheit dazu beigetragen hatte, dass man Dich hier und da erkannt hat. Erstaunlicherweise passierte das, obwohl Ihr ja musikalisch gänzlich anderes drauf wart als z.B. die PUHDYS, KARAT oder Karussell. Gab es in dieser Zeit denn auch "Empfehlungen" von ganz oben, was Euer Auftreten und Euer Outfit betraf?
Ja, es gab Auflagen. Unseren ersten Fernsehauftritt hatten wir in der Sendung "Profil", was für "Programm und Film" stand, deshalb "Profil". Da wurden auch immer wieder Musiker eingeladen und so hatten wir dort die Chance bekommen, unseren Song "Willste nich uffstehn" zu spielen. Dieser Auftritt wurde mit uns richtig geprobt. Unser Mentor hatte den Saal im Kreiskulturhaus "Peter Edel" in Weißensee gemietet, wo wir das Lied dann playback aufnahmen. Lustig war, dass wir das regelrecht lernen mussten, denn wir hatten ja noch niemals vorher irgendwas playback performt. Uns wurde dann unter anderem erklärt, was für Sachen wir beim Auftritt zu tragen hatten. Wir waren ja zu dem Zeitpunkt noch keine reine Heavy Metal-Band und mussten deshalb buntere Klamotten anziehen. Ich hatte beispielsweise einen blau-weißen Pullover an, denn Sachen mit Nieten dran wurden nicht so gerne gesehen. Somit hatten wir den Bedürfnissen gewisser Leute Genüge getan und sind halt so aufgetreten, wie man es von uns verlangt hat. Als wir später dann zu einer echten Metal-Band wurden und unser wahres Outfit trugen, also Leder, Ketten und Nieten usw., was für uns und zu unserer Fangemeinde absolut dazu gehörte, da fing man natürlich an mit uns zu diskutieren, dass wir doch bitteschön dies und jenes weglassen oder nicht anziehen sollen. Das haben wir anfangs noch beherzigt. Aber irgendwann reichte es uns und wir bestanden darauf, dass wir so auftreten, wie wir es wollten. Beim Song "Edelrocker" war uns das dann auch tatsächlich gelungen, da hatten wir unsere volle Montur an. Bei der Generalprobe traten wir noch ganz züchtig in "normalen" Klamotten auf, aber als dann die eigentliche Aufnahme losging, haben wir uns einfach umgezogen und sind in unserer echten Bühnenkluft rausgegangen. Seltsamerweise sprach uns niemand darauf an, vielleicht ist das auch keinem wirklich aufgefallen. Hinterher wurden wir von den PUHDYS, die auch in der Sendung waren, gefragt worden, ob uns niemand wegen der Klamotten zurückgepfiffen hätte. Das konnten wir mit ruhigem Gewissen verneinen.
Eure erste Schallplatte konntet Ihr 1985 bei AMIGA veröffentlichen. Das war eine Single mit dem Titel "18 Jahre sein". Wann habt Ihr erfahren, dass nach einigen Nummern auf Samplern nun endlich eine eigene FORMEL 1-Scheibe gepresst werden sollte? Hat man Euch vorab darüber informiert oder hat die Plattenfirma AMIGA das einfach gemacht?
Wir haben immer versucht, unser "Vitamin B´", also unsere Beziehungen einzusetzen, um irgendwann mal eine eigene Platte machen zu können. Natürlich gingen unsere Wünsche in Richtung Langspielplatte, aber dann sagten wir uns, mit einer Single wären wir auch erstmal zufrieden. Plötzlich kam AMIGA um die Ecke und erfüllte uns unseren Wunsch, in dem sie uns eine Single zusagten. So entstand diese erste Single.
Dann dauerte es auch nicht mehr lange, bis Ihr Eure erste komplette LP aufnehmen konntet. Das war 1986 und fand im Stahlwerk Hennigsdorf statt. Also gleich ein Livealbum statt einer Studioproduktion, was ja doch ungewöhnlich war. Wie kam es dazu?
Eigentlich wollten wir die Platte im Studio aufnehmen, aber leider waren dafür gerade keine Kapazitäten frei. Da wir noch nicht zur ersten Garde gehörten, sagte man uns, dass der einzige Weg für eine LP eine Live-Platte wäre. Natürlich waren wir auch damit einverstanden. Wir sollten alles organisieren und AMIGA stößt dann zur Aufnahme dazu. Norbert kam auf die Idee, nach Hennigsdorf ins Walzwerk zu gehen. Ich muss sagen, es passte alles perfekt zusammen: die Location war toll, der Name der LP passte gut, auch die AMIGA-Leute konnte ihre Fahrzeuge und die Aufnahmetechnik gut unterbringen. Wir hatten zwar keine direkten Auflagen für die Platte, aber man bat uns seitens AMIGA, zwei Titel zu covern, und zwar von Bands, die musikalisch unser Markenzeichen waren. So kamen also die beiden Coversongs auf das Album. Zum einen war das "Breaking the law" von JUDAS PRIEST sowie "Hallowed be thy name" aus dem Fundus von IRON MAIDEN.
Ihr kriegt also die Mitteilung, dass Euer Konzert mitgeschnitten und auf Platte gepresst wird. Kannst Du nicht noch an diesen Moment erinnern? War das nicht Lampenfieber auslösend oder baute es nicht zumindest eine Menge Druck auf, zu wissen, dass die heutigen Aufnahmen auf einer Platte erscheinen werden und bei der Mugge deshalb alles passen muss?
Wir kannten ja den genauen Termin für die Aufnahme. Das war also nicht von heute auf morgen, sondern es lagen mehrere Wochen dazwischen. Wir konnten also richtig auf dieses Konzert hinarbeiten. Das heißt, wir sind in ein kleines Studio nach Buchholz gegangen, haben dort die ganzen Sets ausgearbeitet und geprobt. Wenn wir zwischendurch mal Liveauftritte hatten, haben wir natürlich diese Sets auch schon gespielt, die auf die Platte sollten. Zusätzlich haben wir noch bestimmte Choreografien entwickelt, da wir nicht wussten, ob nicht auch noch jemand eine Kamera draufhält. Auf jeden Fall wurden wir immer besser und vor allem ruhiger, je öfter wir das alles geprobt haben. Als es dann endlich soweit war, war das Ganze für uns ein völlig normales Konzert. Besonders faszinierend waren für uns die vielen Fans, die da waren. Man kann sich gar nicht vorstellen: vor dem Kulturhaus war ein kleiner Park, der war gerammelt voll mit hunderten von Menschen, die das Glück hatten, eine Karte bekommen zu haben. Viele mussten draußen bleiben, die konnten aber trotzdem sagen: Wir waren dabei! Insgesamt haben wir an zwei Tagen aufgenommen. Wir haben an beiden Tagen jeweils dasselbe Konzert gespielt, mit denselben Titeln in der genau gleichen Reihenfolge der Songs. Am ersten Tag waren der Beifall und die Leute an sich total frenetisch und authentisch, nur leider ist das Band von diesem Konzert verlorengegangen. Das verstehen wir bis heute nicht. Hinterher sagte man uns, irgendwer hätte dieses Band mit den tollen Aufnahmen überspielt, so dass wir lediglich die Atmosphäre des zweiten Tages zur Verfügung hatten. Fakt ist aber, diese beiden Tage waren ein ganz tolles Erlebnis, was wir für den Rest unseres Lebens nicht mehr vergessen werden. Wir haben aber erst so richtig verstanden, was an diesen beiden Tagen abging, als wir den Mitschnitt bearbeitet und das Endprodukt gehört haben.
Wie kommt denn eine Nummer wie "Breaking the law" mitten in den 80er Jahren und zu tiefsten DDR-Zeiten auf ein Album?
Stimmt, auch wir haben uns gefragt, warum man ausgerechnet diesen Song zugelassen hat. Wir haben es einfach probiert und es ist durchgewunken worden. Ohne jede Nachfrage.
Nun hattet Ihr das Album im Kasten, Ihr wart erleichtert und glücklich über das Ergebnis. Obendrauf kommt dann noch die Überschrift: "Das erste Heavy Metal-Album in der DDR". Schreibt man sich so etwas auf den Briefkopf oder nimmt man das eher nüchtern zur Kenntnis?
Uns war eigentlich gar nicht klar, dass wir in der DDR das erste Metal-Konzert auf Platte gepresst hatten. Wir waren einfach nur stolz, es geschafft zu haben, diese Platte machen zu können. Dafür sind wir aber niemandem in den Hintern gekrochen und wir haben uns auch an nichts und niemanden verkauft. Das war für uns die wichtigste Erkenntnis. Auch wenn hier und da bestimmte Dinge erzählt werden, die sich niemals so zugetragen haben. Wir hatten keinen Bonus, sondern wir haben nur versucht, unseren eigenen Weg zu gehen und wir haben nur Dinge getan, die wir selber auch tun wollten. Was andere von uns verlangt haben, war uns egal. Trotzdem ist es uns gelungen, die LP zu machen. Am Ende zählt, was wir in den Händen halten können und wir haben jeder anderen Band in der DDR ebenfalls gewünscht, dass sie Erfolg haben und auch Platten aufnehmen können. Dieser Nebeneffekt, im Plattenladen zu sitzen und auf seine eigene Platte Autogramme zu schreiben, ist natürlich auch nochmal toll.
Nun wart Ihr vielleicht die erste echte Heavy Metal-Band in der DDR, aber es gab ja noch viele andere neben Euch. Was viele gar nicht wissen: da gab es richtig aktive Szene im Land. Hast Du noch Erinnerungen, wie das so war? Kannte man sich untereinander, habt Ihr Euch ausgetauscht?
Es gab immer so einen kleinen Konkurrenzkampf. Es entstanden mit der Zeit diverse Stilrichtungen innerhalb des Metals, wie z.B. Trash Metal, Speed Metal, True Metal und wie das alles hieß. Dementsprechend bildeten sich auch die Geschmäcker der Metal-Fans in die eine oder andere Richtung aus, woraus dann eine Art Konkurrenzkampf wurde. Fans neigen ja dazu, ihre Favoriten gut zu finden und alles andere schlecht zu reden. Das ist ganz normales Fanverhalten. Auch die Musiker begannen nun, bei den anderen Bands reinzuhören und ihre eigenen Geschmäcker zu bilden. Das ging so in die Richtung, dass dem einen die Band X zu weich war, Band Y zu schnellen Metal spielte usw. Wir wollten jedenfalls etwas auf die Bühne bringen, was man in unserem Teil Deutschlands nicht so oft zu sehen und zu hören bekam, da in der DDR bekanntlich kaum internationale Bands auftraten. Deshalb fühlte man sich immer so ein bisschen verpflichtet, die Originale zu kopieren, was wir aber eigentlich nicht so wollten. Klar, wir haben versucht, uns an den großen Bands zu orientieren, aber wir wollten unbedingt unser eigenes Ding machen, während andere Bands komplett gecovert haben. Und wer Erfolg hatte, brauchte natürlich nicht lange auf die Neider zu warten. Im Großen und Ganzen verstanden wir uns untereinander aber recht gut. Und mit den bekannteren Metal-Bands wie MCB oder Biest pflegten wir ohnehin schon längere Bekanntschaften. Bei MCB zum Beispiel spielte damals Sebastian "Basti" Baur, mit dem wir zusammen auf der Schule waren. Oder nimm Mike Demnitz, den kannte ich aus der Zeit, als ich bei DRUDENFUSS war und wir mit REFORM zusammen auf Tour gingen. Also Du siehst, wir kannten uns alle irgendwie, zumal wir alle ein gemeinsames Ziel hatten, und das hieß Musik machen.
FORMEL 1 war keine Band, die in der BRD auftreten konnte. Und trotzdem tauchte dort das eine oder andere Lied von Euch auf. War Euch das bewusst und habt Ihr manchmal sogar Feedback von Metal-Fans aus der Bundesrepublik bekommen?
Als Berliner hast Du ja dicht an der Grenze gewohnt und hattest entsprechende Kontakte. Westberliner kamen ja jederzeit rüber in den Osten, die haben auch kulturelle Veranstaltungen besucht, Platten reingeschafft, aber auch welche mit rüber genommen. So weiß ich, dass einige unserer Songs im Westen gespielt wurden und unsere erste Single sogar in England in einer Wertungssendung lief und gar nicht mal so schlechte Plätze belegte. Selbst Fachzeitschriften wie der "Metal Hammer" und "Rock Hard" wurden auf uns aufmerksam und berichteten über uns. Wahrscheinlich galten wir als Exoten, denn eine Heavy Metal Band mit DDR-Wurzeln, die noch dazu deutsche Texte verwendete, gab es nicht allzu oft. Unsere Direktkontakte in den Westen konnten wir jedenfalls nicht so offen nutzen, denn das hätte unserer Karriere definitiv geschadet. Norbert beispielsweise hatte ja genau deshalb mit JOCO DEV bereits diverse Schwierigkeiten bekommen. Wie vielleicht bekannt ist, tauchte damals ein gewisser Lord Knud, der u.a. beim Radiosender RIAS Berlin die "Schlager der Woche" moderierte, bei JOCO DEV auf. Darüber wurde dann beim RIAS berichtet und das tat der Band nicht so gut. Wir haben daraus gelernt und nur das getan, was wir auch vertreten konnten. Norbert gab irgendwann mal ein Interview für ein Blatt namens "Spandauer Anzeiger", was gewissen Parteigenossen aber auch nicht unbedingt gefiel. Dabei hat Norbert nichts Schlimmes oder Falsches gesagt.
Nach der Veröffentlichung Eurer ersten LP habt Ihr eine stilistische Veränderung durchgemacht - die Musik wurde deutlich härter. Was war der Grund, diesen erfolgreichen Sound, der Euch Songproduktionen und Plattenveröffentlichungen eingebracht hat, plötzlich zu verändern?
Wir wollten uns verändern, weil sich der Heavy Metal an sich verändert hatte. Man muss eine Entwicklung bemerken, um das Publikum auch weiterhin erreichen zu können. Ich selber war immer ein Freund davon, schneller zu spielen. Ein schöner Groove ist in Ordnung, aber ein gewisses Tempo in den Liedern zu haben, ist noch viel besser. Jeder einzelne von uns hatte sich mit den Jahren spieltechnisch natürlich auch weiterentwickelt und war dadurch in der Lage, schnellere Passagen zu spielen. Somit passten wir unsere Spielweise und auch unsere Kompositionen entsprechend an. Wir bauten unsere Songs jetzt auf bestimmten Riffs auf, was bedeutet, dass Wolfgang mit einem Riff ankam und wir um dieses Riff herum den neuen Song entwickelten. Das war eine neue Qualität, die wir hatten und nutzten.
1987 war ein nicht ganz so schönes Jahr für die Band, denn einige von Euch hatten Ausreiseanträge gestellt, um die DDR in Richtung BRD zu verlassen. Gehörtest Du auch dazu und was waren die Gründe dafür?
Ja, ich war sogar einer der Ersten, die einen Ausreiseantrag stellten. Das hatte bei mir zwei Gründe. Einerseits spielten familiäre Dinge eine Rolle, denn ein Großteil meiner Verwandtschaft lebte in Westberlin und Amerika. Ich gehörte zu den wenigen von uns, die im Ostteil lebten. Meine Großeltern, bei denen ich aufgewachsen bin, gingen schon 1977 nach Westberlin. Mir persönlich war auch schon immer klar, dass es mit diesem Staat, der DDR, auf Dauer so nicht funktionieren kann. Außerdem stellte ich mir die Frage: Wird das, was Du hier machst, für immer Bestand haben? Mir war klar, dass wir als Band zwar bei den Fans beliebt sind, aber dafür bei den Verantwortlichen in der Kulturszene nicht wirklich einen Stein im Brett hatten. Eine große Karriere wäre also in der DDR nicht machbar gewesen, weshalb ich für mich die Entscheidung getroffen habe, zu gehen. Trotz unserer Erfolge, die wir als FORMEL 1 hatten, ließ man uns nicht reisen, obwohl wir genügend Einladungen vorweisen konnten. Wir hätten auf großen Festivals auftreten können, wir hätten überall im Ausland spielen können, aber man hat uns noch nicht einmal nach Ungarn oder Polen gelassen. Immer wieder warf man uns Knüppel zwischen die Beine. Das hat mich persönlich mächtig angegriffen und gestört. Und zwar so sehr, dass ich darüber krank wurde und eines Tages gesagt habe, ich schaffe das nicht mehr, ich kann das nicht mehr. In Folge dessen habe ich mit meiner Familie beschlossen, den Ausreiseantrag zu stellen.
Hat Dich das psychisch so sehr belastet?
Ja. Es ging mir richtig schlecht. Das ging so weit, dass ich eine Hautkrankheit bekam und in ständiger Behandlung war. Als ich dann die Entscheidung traf zu gehen und der Kampf mit den Behörden losging, dass ich wirklich ausreisen darf, von dem Zeitpunkt an ging auch die Krankheit wieder weg.
Wann durftest Du das Land verlassen?
1988.
Du hast erzählt, dass Du unter anderem auf einem POND-Album getrommelt hast. Passierte das öfter, dass Du als Gastmusiker bei anderen Bands und Künstlern mitgewirkt hast oder beschränkte sich Deine Arbeit tatsächlich nur auf Deine Band FORMEL 1?
In erster Linie war meine Tätigkeit als Musiker auf FORMEL 1 beschränkt. Dass ich bei POND auf dem Album "Planetenwind" bei einem Song dabei war, ist reiner Zufall gewesen. Paule Fuchs brauchte damals ein Schlagzeug, was er selber nicht mehr hatte, da er ja nur noch elektronische Musik machte. Ich stellte ihm dann mein Instrument zur Verfügung. Die anfallenden Schlagzeug-Parts haben wir zusammen eingespielt, wir haben also beide getrommelt. Das war der Grund für mein Mitwirken. Auf dem Plattencover steht mein Name aber nicht drauf. Warum, weiß ich nicht. Ich habe es auf jeden Fall gerne gemacht, aber für die Zukunft sollte das nicht mein Weg sein, Studiomusiker zu werden. Ich war schon immer Livemusiker mit Haut und Haaren.
Wer aus der Band wollte noch die DDR verlassen?
Norbert hatte einen Ausreiseantrag gestellt. Dem ging es so ähnlich wie mir. Und dann war da noch ein Techniker von uns, der raus wollte.
Das bedeutete ja dann das Ende von FORMEL 1. Wie ging es für Dich weiter, nachdem Du 1988 im Westen angekommen warst?
Ich hatte mit der Musik abgeschlossen. Man hörte ja ohnehin von vielen Künstlern, dass sie nach ihrer Ausreise in den Westen keine Karriere gemacht haben. Es war eben nicht einfach, als Ostmusiker in den erlauchten Kreis der Westmusiker einzutreten. Da gibt es nur ganz wenige Ausnahmen, die es geschafft haben. Warum das so war, erschließt sich mir bis heute nicht. Ich selber habe mal bei einer Westberliner Band vorgetrommelt, was mir aber nicht wirklich gefallen hat. Das war auch nicht mein eigentliches Ziel, denn ich hatte mir vorgenommen, wenn es mit der Ausreise klappt, versuche ich mein Glück irgendwo im Dienstleistungsgewerbe. Gegessen und getrunken wird immer, dachte ich mir, deshalb hoffte ich da einen Job zu finden, was ja dann auch in Erfüllung ging.
Was hast Du gemacht, was war das für eine Tätigkeit?
Ich habe bei einem internationalen Dienstleistungsunternehmen angefangen. Das war eine deutsche GmbH, in der ich 27 Jahre lang tätig war und mich bis zum Business Manager hochgearbeitet habe.
Also quasi als Quereinsteiger neu angefangen und Erfolg gehabt …
So kann man das sagen. Als Quereinsteiger angefangen und als Betriebswirt aufgehört.
Nichtsdestotrotz habt Ihr 1999 eine Reunion von FORMEL 1 angestrebt. Es gab eine Tour und das Vorhaben, die Band wiederaufleben zu lassen. Wer hatte die Idee dazu und wer gehörte damals zur Comeback-Besetzung?
Eigentlich war eine Reunion nie geplant. Wir haben uns nur getroffen, um mal wieder miteinander zu spielen. Einfach aus Spaß an der Freude. Wir hatten in Weißensee einen Probenraum und kamen zusammen in der letzten FORMEL 1-Besetzung. Das waren Michael Sündermann und Wolfgang Densky an den Gitarren, Norbert Schmidt am Mikrofon, Detlef Dudziak am Bass und ich. Wir trafen uns nach Lust und Laune einmal wöchentlich und haben drauflos gespielt. Wir spielten unser ganzes Programm von früher durch und kamen auf die Idee, gleich nebenan ein Konzert zu geben. Das war am zweiten Weihnachtsfeiertag. Bei dieser Gelegenheit entstand der Gedanke an eine kleine Tour und an eine Reunion der Band. Das Ganze war aber weder richtig vorbereitet noch durchgeplant, so dass wir gerade mal drei oder vier Gigs gemeinsam mit zwei anderen Bands spielten und dann war es wieder vorbei. Die Konzerte waren auf Grund der schlechten Vorbereitung und fehlenden Werbung ohnehin nur mäßig erfolgreich. Eine echte Reunion hätte man ganz anders angehen müssen.
Das war auch der Grund, weshalb es mit FORMEL 1 nicht weiterging?
Na ja, wir hatten auch gar keine Ambitionen weiterzumachen. Wir hatten im Hinterkopf, dass die Leute uns so in Erinnerung behalten sollten, wie wir in den 80er Jahren waren.
Aber eigentlich wurde die Gruppe FORMEL 1 ja nie richtig aufgelöst. Befindet Ihr Euch immer noch im Stand-by-Modus oder würdest Du sagen, die Band ist tot?
Schwere Frage. Aufgelöst haben wir uns tatsächlich noch nicht. Norbert wohnt nicht weit weg von mir und mit Norbert chatte ich öfter mal. Mit ihm und auch mit Peter Dudziak treffe ich mich sogar hin und wieder. Wir haben also immer mal Kontakt miteinander und passen auf, dass es den anderen gut geht oder wo wir uns möglicherweise unterstützen können. Nur musikalisch kommen wir nicht mehr zusammen. Die andere Seite ist die, dass in letzter Zeit immer mal ein paar Sachen von uns auf den Markt gekommen sind. Wir haben nach wie vor einen guten Draht zu unserem Produzenten Hendrik Rosenberg von German Democratic Recordings, reden miteinander und entwerfen den einen oder anderen Plan. Auf diesem Wege entstand auch anlässlich unseres 40-jährigen Bestehens die Doppel-CD, die nach wie vor sehr gut läuft und jetzt bereits in der zweiten Auflage erscheint. Aber wie gesagt, musikalisch… Ich hätte nichts dagegen, wenn wir nochmal was zusammen machen würden. Allerdings sind wir inzwischen in einem Alter, wo es schon mal zwickt. Mir geht es zwar gesundheitlich ganz gut, anderen dafür nicht ganz so gut. Auch haben manche von uns Verpflichtungen und dadurch wenig Zeit. Wenn uns danach sein sollte, setzen wir uns möglicherweise doch mal ins Studio und machen irgendwas, aber auf keinen Fall wird es die Fortsetzung unserer damaligen Erfolgsgeschichte werden. Im Übrigen bin ich immer wieder erstaunt, wie viele Leute uns auch heute noch für sich entdecken und zu neuen Fans werden. Somit haben wir also immer noch mit dem Thema Musik zu tun. Des Weiteren liefen ja kürzlich ein paar Nostalgie-Sendungen auf dem MDR, unter anderem zum Thema DDR-Heavy Metal. Da wurden auch nochmal viel Interesse und Euphorie geweckt.
Nicht zu vergessen auch die Vinyl-Ausgabe aus dem Jahr 2008, das sollte man nicht unterschlagen, denn diese Ausgabe war ein echt fettes Brett. Wer war denn dafür verantwortlich?
Das hat auch der Hendrik Rosenberg gemacht. Hendrik ist der eigentliche Motor, der unsere Band noch am Leben hält.
Das gilt aber nicht nur für FORMEL 1, sondern ohne Hendrik wäre die gesamte Ost-Metal-Szene wohl nicht mehr am Start. Sein Tun kann man gar nicht hoch genhg hängen!
Genau, er ist derjenige, der das alles hochhält. Davor muss man wirklich den Hut ziehen.
Also die Band FORMEL 1 ruht derzeit, aber Du bist in einer anderen Band aktiv, und zwar bei SILENT RUNNING. Das Album haben wir letztes Jahr auf deutsche-mugge.de vorgestellt. Seit wann bist Du dabei und wie bist Du in die Band gekommen?
Ich bin seit 2017 dabei. Ab 2005 habe ich wieder begonnen, Musik zu machen und auf die Bühnen zu gehen. Ich stand da zwar noch im Berufsleben, aber da ich inzwischen leitender Angestellter war, hatte ich die Möglichkeit, mir meinen Tagesablauf selbst zu steuern und fand dadurch immer mal Lücken, um mich wieder um die Musik zu kümmern. Mich erreichte damals eine Anfrage von Wolfgang Densky, ob ich nicht mal aushelfen könnte in seiner CCR-Coverband. Das habe ich natürlich gerne gemacht. Wie das manchmal so ist, hat sich daraus dann eine Fogerty-Coverband gebildet. Mitglieder waren zwei Musiker von BABYLON und zwei von FORMEL 1. Wir sind mehrere Jahre erfolgreich getourt, und das nicht nur in Deutschland, sondern wir waren auch in Österreich und der Schweiz unterwegs. Irgendwann haben wir dann aber aufgehört. Danach habe ich versucht, eine eigene Metal-Band auf die Beine zu stellen. Am Ende wurden es sogar zwei, und zwar hießen die SLEEPING BEAUTY und WAKING BEAUTY. SLEEPING BEAUTY war wieder eine reine Coverband. Wir haben genau dieselben Songs gespielt wie damals mit FORMEL 1, also vor allem Lieder von JUDAS PRIEST und IRON MAIDEN. Wir waren wirklich gut, aber es passte menschlich nicht mehr zueinander. Nach der Auflösung machten wir mit einem Teil der Musiker WAKING BEAUTY auf, diesmal mit einer Sängerin aus Schottland. Aber auch das passte eines Tages nicht mehr so richtig. An diesem Punkt hatte ich erst einmal genug und ich wollte keine Musik mehr machen. Und wenn ich doch noch mal irgendwo einsteigen sollte, dann sollte es eine Band zum "Abtrommeln" sein. Durch Zufall stieß ich auf eine Band, in der die Musiker in meinem Alter waren. Das war eine Amateurband aus Spandau. Ich erschien da zum Vorspielen und die waren begeistert. Denen ist auch nicht verborgen geblieben, dass ich nicht so ganz unbekannt bin. Jedenfalls merkte ich, dass da durchaus Potential vorhanden war und so blieb ich dabei. Zunächst spielten wir nur so vor uns hin, traten auch mal live auf, bis wir anfingen, eigene Songs zu schreiben. So ist dann SILENT RUNNING entstanden.
SILENT RUNNING o.c.p.r.
Als Du dazugestoßen bist, hießen die da schon so?
Ja. Eigentlich war das ein Unplugged-Projekt, aus dem aber eine richtige Band werden sollte. Die hießen tatsächlich schon SILENT RUNNING, ohne darauf zu achten, dass es bereits eine andere Band mit diesem Namen gab. Wir haben dann aus den Songs aus dem Unplugged-Projekt mit neuen Liedern kombiniert und die Sache mit der Band fest gemacht, aber immer so, dass es eine Spaßband bleibt. Wir haben es dann immerhin so weit gebracht, dass ein Album daraus entstanden ist.
Mein lieber Paule, wenn Du sagst, das war alles nur eine Amateur- und Spaßband, dann muss ich Dir sagen, dieses Album ist ein echter Klopper. Dahinter kann sich manche Profiband verstecken, denn das ist vom Sound und von der Spielart her ganz wunderbar gemacht. Wie kommt man zu so etwas? Muss man dazu einfach mal sein Dasein als Profimusiker beiseitelegen und sagen: Wir jazzen jetzt einfach mal ein bisschen rum?
Na ja, Profimusiker zu sein heißt ja in erster Linie, von der Musik leben zu müssen. Das haben wir uns abgeschminkt, denn jeder von uns geht entweder arbeiten oder bekommt wie ich Rente. Wir sind also alle nicht darauf angewiesen, von der Musik, die wir mit SILENT RUNNING machen, leben zu müssen. Deshalb bezeichne ich es als Spaßband. Wir haben bis jetzt noch keine Miesen gemacht, können unsere Kosten decken, aber reich werden wir davon natürlich nicht. Aber wenn wir das schon machen, dann wollen wir das auf jeden Fall vernünftig machen. Oder anders ausgedrückt: wenn ich etwas auf den Markt bringe, dann sollte das auch einen gewissen professionellen Anstrich haben. Wir sind ohnehin glücklich, dass wir musikalisch noch immer ein solch hohes Level halten können. Also zusammengefasst: wir wollen miteinander Spaß haben und lachen, wir fetzen uns natürlich auch mal konstruktiv, und wir wollen der Band und unserer Musik einen professionellen Touch verleihen.
Bleibt das in Zukunft auf dieser Spaßebene bestehen oder denkt Ihr vielleicht schon weiter? Mal angenommen, irgendjemand entdeckt das Album und es wird plötzlich ein Riesenhit. Man weiß ja: Nix ist unmöglich. Seid Ihr auf diese Eventualitäten vorbereitet?
Wir lassen es auf uns zukommen. Wenn es so passieren sollte, werden wir damit umgehen können. Aber das ist natürlich sehr schwierig, in dem großen Haifischbecken mitzuschwimmen. Wir rechnen auch nicht wirklich damit, dass wir auf unsere alten Tage noch einmal zu einer Erfolgsband werden. Ich mache ja unser Management und merke immer wieder, wie schwer es ist, überhaupt mal ein paar Gigs zu bekommen. Nach der Corona-Zeit hat sich sowieso alles total verändert, was mich sehr traurig macht. Leider haben sich auch die Konsumenten der Musik seitdem verändert. Es wird kaum noch anerkannt und honoriert, welchen Enthusiasmus und welche Arbeit wir in unsere Musik stecken, was wir alles auf die Beine stellen, um die Leute zu begeistern.
Das beobachte ich leider auch. Die lange Zeit zuhause hat viele Menschen dazu gebracht, sich Streamingdiensten anzuschließen und alles für einen Appel und ein Ei nach Hause gebeamt zu kriegen. Es war vorher schon schlimm, aber seit Corona hat sich das noch unendlich verstärkt. Der Weg zum Plattenladen ist überflüssig geworden.
Ja, das sehe ich genauso. Trotzdem wollen wir uns noch die Bürde auflasten, es auch weiterhin so zu machen, wie wir es kennen. Wir sind beispielsweise letztes Jahr im Dezember 600 Kilometer nach München gefahren, um dort einmal aufzutreten - mit mäßigem Erfolg. Das liegt daran, dass die Leute nicht mehr ins Konzert gehen, sondern erst kommen, wenn im Anschluss die Disco beginnt, weil es dann umsonst ist. Das tut weh. Wir werden trotzdem weitermachen und so lange wir noch krauchen können, geben wir nicht auf. Seit ein paar Tagen haben wir übrigens mit Stephan May einen neuen Bassgitarristen. Der bisherige hat zu viel mit seinem Klassik-Orchester zu tun gehabt. Stephan passt sowohl altersmäßig als auch mit seiner ganzen Art gut zu uns. Auch Stephan teilt unsere Meinung, dass wir weitermachen und wir freuen uns über jeden, der uns alte Säcke auf der Bühne sehen will und in unsere Konzerte kommt.
Habt Ihr dieses Jahr denn schon ordentlich Termine im Kalender?
Ein paar Termine haben wir schon, unter anderem auch in Berlin und Hamburg. Das erste Konzert des Jahres wird allerdings im Taunus stattfinden. Grundsätzlich fahren wir gerne im Land umher, solange wir damit unsere Kosten decken können. Wenn dann auch noch die Medien auf uns aufmerksam werden, ist es nochmal so schön.
Dafür drücke ich Euch die Daumen und wünsche Euch, dass es noch lange weitergeht mit Euch. Ich habe jedenfalls viel Spaß mit Eurer CD.
Das freut mich. Wir haben uns auch schon entschieden, noch eine zweite CD zu machen.
Bevor wir loslegen ... Leider ist in der Zeit, in der wir dieses Interview geplant und geführt haben, einer Deiner ehemaligen Kollegen von FORMEL 1 gestorben, nämlich Christoph Hess. Was ist denn da passiert?
Ich weiß eigentlich nur, dass er nach längerer Krankheit bei seiner Schwester zu Hause gestorben ist. Er ist eingeschlafen und nicht wieder wach geworden.
Hattet Ihr in den letzten Jahren noch Kontakt?
Nein, wir hatten alle keinen Kontakt mehr zu ihm. Wir sind damals bei FORMEL 1 nicht im Streit auseinander gegangen, aber als wir musikalisch etwas härter Musik gemacht haben, hatten wir einen anderen Gitarristen und er stieg aus. Nachdem wir uns bei FORMEL 1 von ihm getrennt hatten, haben wir uns aber trotzdem noch ab und zu noch getroffen, z.B. bei Weihnachtsfeiern. Aber seit 2010 haben wir ihn alle nicht mehr gesehen und wir wissen auch nicht, wo er dann abgeblieben ist, da der Kontakt gänzlich abgebrochen war.
Hat er denn noch Musik gemacht, weißt Du das?
Das Letzte, das ich weiß, ist, dass er kurzzeitig nochmal beim Rock'n Roll-Orchester in Magdeburg gespielt hat, als er bei FORMEL 1 ausgestiegen war. Mehr weiß ich auch nicht.
Das sind Nachrichten, die wirklich niemand braucht. Lass uns trotzdem mal das Thema wechseln und zu Dir kommen. Fangen wir mal vorn bei Deiner Jugendzeit an. Wo kommst Du her und wo und wann wurdest Du geboren?
Ich bin ein Ur-Berliner und wurde am 20. September 1951 in Berlin-Lichtenberg geboren.
Wie hast Du denn als junger Mensch zum Schlagzeug gefunden? Waren auch bei Dir Eimer, Töpfe und andere Behälter die ersten Klangkörper?
Nein, überhaupt nicht. Ich bin ohnehin erst ziemlich spät zur Musik gekommen. Mit 17 Jahren besuchte ich ein spezielles Schulsystem, das nannte sich "Berufliche Grundausbildung". Da begann man schon in der 9. und 10. Klasse, einen Beruf zu erlernen. Das Ganze fand in einer Ortslage von Berlin-Köpenick, dem Wendenschloss, statt. Und da ich in Lichtenberg wohnte, hielt ich mich sehr viel dort auf, denn dadurch waren die Wege kürzer. Das war auch die Zeit der Beatmusik, also die Zeit der BEATLES, ROLLING STONES, KINKS usw. Wir gründeten damals einfach mal eine Schülerband und stellten fest, dass niemand am Schlagzeug sitzen wollte, sondern alle nur Gitarrist sein wollten. Ich nahm mir daraufhin ein Tambourin und trommelte ein bisschen darauf rum. Wir hatten glücklicherweise die Möglichkeit, im Funkwerk zu proben. Dort gab es einige Instrumente, was dazu führte, dass ich nach und nach als Autodidakt Schlagzeug spielen lernte.
Das heißt also, dass Du bis zu Deinem 17. Lebensjahr mit Musik nichts am Hut hattest?
Das stimmt.
Aber Du hast Dich als Teenager durchaus für Musik interessiert, oder?
Klar, das schon. Als ich ungefähr 16 war, ging das ja los mit der Beatmusik und das habe ich mir natürlich auch angehört.
Jetzt bist Du also 17 Jahre alt und hast die Band, in der Du mitspielst. Wann hast Du denn gemerkt, dass in Dir mehr steckt als ein Bursche, der die Nachbarschaft mit Krach wachhalten kann? Wann wurde Dir klar, dass Du auch durchaus ein richtiger Musiker werden könntest?
Das bemerkte ich tatsächlich erst recht spät. Nach meiner Lehre musste ich zur Armee und versuchte dort auch ein bisschen zu trommeln, was aber nicht von Erfolg gekrönt war. Als ich von der Armee zurückkam, sprach man mich an, ob ich nicht mal bei einer Band aus Müggelheim vorspielen könnte. Die wussten nämlich, dass ich Schlagzeug spielte. Ich ging also hin, wir spielten ein bisschen in einem Ausflugslokal und ich merkte schnell, dass ich ziemlichen Spaß mit den Jungs hatte. Nachdem wir als Band dann unsere Einstufung erhielten und einige Auftritte hatten, war mir klar, dass man da mehr draus machen kann.
Wie hieß diese Band?
FREISCHÜTZ.
Also gab es vor JOCO DEV schon eine Band, in denen Du aktiv warst. Gab es denn außer FREISCHÜTZ noch weitere Bands?
Ja, und zwar spielte ich vorher bei den BLIZZARDS. Das war die Band, mit der ich im Funkwerk gespielt habe, danach kam dann FREISCHÜTZ. Nach einigen weiteren, kurzen Stationen bin ich dann bei JOCO DEV gelandet.
Wie bist Du denn in diese Beatband gekommen?
Der Grundstein dafür waren die Schule und das Funkwerk. Wir haben versucht, aus FREISCHÜTZ eine echte Band zu formen, um damit auch dauerhaft erfolgreiche Auftritte zu haben. Ich kümmerte mich fortan um das Management der Band. Nun war es damals so, dass man zum "Haus für Kulturarbeit" gehen und seine Einstufung vorlegen musste. Und die Leute in der Einrichtung haben dann versucht, Veranstaltungen für uns zu finden. So nach und nach wurden es dadurch immer mehr Auftritte innerhalb Berlins. Der größte Traum eines Berliner Musikers war, irgendwann mal im Eisenbahner-Kulturhaus in Berlin-Karlshorst aufzutreten. Da haben alle bekannten Bands aus der Hauptstadt gespielt, ob es nun RENFT, BABYLON oder noch ein paar andere waren, es gehörte einfach dazu, dort zu spielen. Nachdem wir mit FREISCHÜTZ also langsam bekannt wurden, sah ich eines Tages mal in Friedrichshagen einen Auftritt von JOCO DEV. Ich war so frech und habe den damaligen Sänger Norbert Schmidt gefragt, ob wir nicht mal eine Runde zusammenspielen könnten. Also seine Band und meine. Norbert lehnte das aber ab, denn er kannte mich ja überhaupt nicht, was mich aber ziemlich angetörnt hat. Ich sagte zu ihm: "Weißt du was? Irgendwann stehen wir beide zusammen auf der Bühne". Dass diese Worte tatsächlich später mal wahr werden sollten, daran habe ich natürlich in dem Moment nicht gedacht.
Hat er Dich denn angesprochen oder wie bist Du zu JOCO DEV gekommen?
Nein, das war eine ganz andere Geschichte. Es war eine Art Tauschgeschäft. Ich trommelte seinerzeit gerade bei der Band DRUDENFUSS und wechselte rüber zu JOCO DEV, weil der dortige Schlagzeuger rüberging zu DRUDENFUSS.
Außer Dir trommelten bei JOCO DEV ja noch weitere, zum Teil recht bekannte Musiker. Einer von denen war zum Beispiel Paule Fuchs, späterer Mastermind von POND. Jetzt habt Ihr beide mit "Paule" den gleichen Spitznamen. Ist das reiner Zufall oder gibt es da einen Zusammenhang?
Warum der andere Kollege ebenfalls Paule heißt, entzieht sich meiner Kenntnis. Vielleicht ist das bei ihm tatsächlich nur ein Spitzname, ich weiß es nicht. Mein kompletter Name ist jedenfalls Peter Herbert Paul, so dass der Paule bei mir ganz gut passt.
Du bist also keineswegs der Nachfolger von POND-Paule gewesen und hast den Nicknamen übernommen?
Nein, das eine hat mit dem anderen nichts zu tun gehabt. Wir kennen uns sehr gut und haben auch mal etwas zusammen gemacht, als ich auf einer POND-Platte getrommelt habe, aber ansonsten gab und gibt es musikalisch kaum Berührungspunkte.
In welchem Zustand hast Du damals die Band JOCO DEV vorgefunden? Ihre Geschichte ist ja ziemlich bewegt, wenn man allein nur auf die Sache mit dem Instrumentenschmuggel blickt. Beeinflussten diese Dinge auch noch Deine Zeit bei der Band?
Ich denke schon. JOCO DEV war ja in ihrer Anfangszeit eine ziemlich kreative Band. Sie gehörten auch zu den ersten Beat-Bands der DDR, die im Fernsehen auftreten durften und waren auch in der TV-Sendung "Notenbank" Anfang der 70er dabei. Außerdem hatten sie einen starken Einfluss auf die gesamte Entwicklung der Rockmusik in der DDR. Dann kam es leider zu diesen Vorfällen bei der Beschaffung der Instrumente, um es mal vorsichtig auszudrücken, was zur Folge hatte, dass JOCO DEV schlagartig aus sämtlichen Fördermaßnahmen rausflog. Damit war die Karriere natürlich beendet. Die Jungs mussten natürlich trotzdem irgendwie sehen, dass es weiterging, also wurde aus JOCO DEV eine reine Coverband. Wir spielten bei unseren Auftritten alles, was das Publikum hören wollte, ob nun DEEP Purple, URIAH HEEP, BARCLAY JAMES HARVEST oder sonst etwas.
Gab es während Deiner Zeit dort gar keine neuen Songs mehr?
Wir waren ja zunächst recht erfolgreich als Coverband unterwegs, haben dann aber doch mal zwei, drei eigene Songs gemacht, was uns aber kein bisschen vorangebracht hat. Wir waren jetzt halt eine Coverband und hatten uns damit auch abgefunden.
Welches Erlebnis aus dieser Zeit mit JOCO DEV ist Dir denn besonders in Erinnerung geblieben?
Was mir besonders wichtig war: ich habe sehr viel gelernt bei JOCO DEV. Eigentlich war ich ja das Küken, denn alle anderen waren schon etwas älter. Dazu kam, dass JOCO DEV eine Profiband war und die Musiker somit alle ausgebildete Berufsmusiker waren und entsprechende Erfahrungen vorweisen konnten. Ich konnte jedenfalls mein bisheriges Wissen und Können in dieser Band noch um einiges erweitern. Deshalb hatte ich für die Zukunft ein wirklich gutes Gefühl. Hier lief alles sehr professionell ab, nicht so chaotisch, was ich vorher so nicht kannte. Die Touren waren gut geplant, was hauptsächlich daran lag, dass der damalige Bandchef Detlev Lübke alles im Griff hatte. Auch die Probenarbeit hatte einen sehr professionellen Anstrich. Jeder war zu jeder Zeit gut vorbereit. Das ganze Zusammenspiel und das Miteinander waren ebenfalls exzellent und ich merkte sehr schnell, dass hier jeder wusste, was er tat.
In welchem Jahr bist Du bei JOCO DEV eingestiegen?
Das war 1976.
1981, also fünf Jahre später, haben der Sänger Norbert Schmidt, der Gitarrist Wolfgang Densky und Du die Band FORMEL 1 gegründet, nachdem sich JOCO DEV aufgelöst hatte. Offiziell seid Ihr mit FORMEL 1 am 1. Januar 1981 als Amateurband gestartet. Wer hatte die Idee dazu?
Das Ganze lief etwas anders ab, was aber nicht unbedingt bekannt ist. Ich hatte ja eben erzählt, dass ich bei der Band DRUDENFUSS gespielt hatte. Wir waren damals nicht ganz unbekannt und galten im Prinzip als eine PINK FLOYD-Coverband. Wir gingen sogar mit bekannten Bands wie REFORM auf Tour. Ich hatte dann mal wieder eine Einberufung zur Armee auf dem Tisch, diesmal als Reservist. Und als ich von diesem Einsatz zurückkam, schlug man mir den Wechsel mit dem damaligen Drummer von JOCO DEV vor. Ich hatte überhaupt nichts dagegen, denn ich sah darin eine große Chance für mich, Berufsmusiker werden zu können. Insgesamt war ich dann einige Jahre bei JOCO DEV, aber dann entwickelten sich ein paar Dinge, die weniger was mit der Band zu tun hatten, sondern eher mit mir. Ich hatte eine Familie gegründet, was manches etwas komplizierter machte. Also verließ ich JOCO DEV und spielte stattdessen bei einer Amateurband namens TROJA weiter. Der Kontakt zu den Musikern von JOCO DEV schlief dann zwangsläufig ein, auch wenn man sich hier und dort mal auf ein Bierchen traf oder sich in den Klubs über den Weg lief. Die musikalischen Gemeinsamkeiten hatten sich aber erledigt. Eines Tages traf ich dann zufällig in einem Bowlingcenter in Berlin Norbert Schmidt und Wolfgang Densky und erfuhr, dass sie was Neues machen wollen. Daraufhin sagte ich kurzentschlossen: "Wenn Ihr einen Schlagzeuger braucht, hätte ich Lust, mitzumachen". So entstand das alles. Die Übergangszeit vom Ende JOCO DEVs bis hin zur Gründung von FORMEL 1 war also nur kurz.
Ihr habt die Sache also in einem Bowlingcenter klargemacht. Welche Ziele hattet Ihr mit der Gründung von FORMEL 1, wo sollte die Reise hingehen?
Wir wollten uns erstmal treffen und ein bisschen Musik anhören, die Norbert und vor allem Wolfgang gefiel. Wir saßen dann bei Wolfgang zuhause und er stellte uns jede Menge aktuellen britischen Heavy Metal und New Wave vor. Also solche Bands wie DEF LEPPARD, JUDAS PRIEST usw. Mir persönlich gefiel vor allem IRON MAIDEN, aber auch JUDAS PRIEST. Wir waren uns dann schnell einig, dass wir damit unseren Stil gefunden hatten, den wir mit FORMEL 1 spielen wollten. Und uns sollte auch nichts und niemand davon abbringen, diesen Weg zu gehen.
Du hast eben gesagt, dass Du mit Deinem Wechsel von DRUDENFUSS zu JOCO DEV die Chance gesehen hast, Profimusiker zu werden. Nun war FORMEL 1 aber anfangs noch eine Amateurband. Wann bist Du denn nun eigentlich Profimusiker geworden?
Als ich zu JOCO DEV ging, nahm ich auch eine Ausbildung an der Musikschule Friedrichshain auf. Ich bin alle Klassen durchlaufen, was letztlich recht lange dauerte. Meinen eigentlichen Abschluss machte ich dann 1985.
Da warst Du also bereits bei FORMEL 1.
Ja, das war erst zu FORMEL 1-Zeiten. Wir haben als Amateurband angefangen, weil wir ja noch Amateure waren. Der Einzige, der bereits Profimusiker war, war Norbert Schmidt. Wir anderen hatten aber den festen Willen, ebenfalls schnellstmöglich den Status als Profimusiker zu erreichen.
Zu Euch dreien kamen zur Bandgründung von FORMEL 1 ja noch der Bassist Detlef Dudziak und als zweiter Gitarrist der Slowake Andrej Horvath dazu. Horvath spielte bis 1977 bei COLLEGIUM MUSICUM. Aber wo kam Detlef Dudziak her und wie fanden die beiden Musiker zu Euch? Auch bei einer Partie im Bowlingcenter? ;-)
Nein. Detlef Dudziak spielte auch in diversen Berliner Coverbands und wurde, soweit ich mich erinnere, von Wolfgang Densky ins Spiel gebracht. Irgendwie war Detlef plötzlich da und er passte sehr gut zu uns. Allerdings hatte Detlef eine sehr spezielle Art zu spielen. Er war Linkshänder und hatte seinen Bass völlig umgedreht. Also die tiefe E-Saite lag bei ihm unten und er spielte die Läufe alle von unten nach oben. Nun war Detlef zwar ein sehr musikalischer Typ, nur war es für ihn echtes Problem, einen Lehrer zu finden. Irgendwann fand er aber zum Glück doch noch jemanden, der ihn unterrichtete und letztlich konnte er an der Musikschule auch seine Berufspappe machen.
FORMEL 1 mit Andrej Horvath (hinten in der Mitte)
Und wo kam Andrej Horvath her?
Der kam ebenfalls über Norbert und Wolfgang zu uns, aber wie die sich nun im Detail kennengelernt hatten, weiß ich nicht. Wir waren jedenfalls auf der Suche nach einem zweiten Gitarristen. Andrej spielte bei uns vor und integrierte sich schnell in unser Gefüge. Im Übrigen waren wir ein bisschen geschmeichelt, dass ein so exzellenter Gitarrist wie Andrej, der im Prinzip alles auf der Gitarre beherrschte, sich für uns entschieden hatte. Er brachte uns verschiedene Dinge für das Zusammenspiel von zwei Gitarren bei, so dass wir dann auch wirklich zweistimmig aufnehmen konnten.
Wie kann ich mir die Anfangszeit bei FORMEL 1 vorstellen? Du sagst ja, Ihr habt erst einmal diverse Platten abgehört, um Euch ein bisschen zu orientieren. Und selbst dann habt Ihr ja nicht im Hau-Ruck-Verfahren den Heavy Metal in der DDR eingeführt, sondern Ihr habt ja anfangs auch immer noch gecovert, richtig?
Das stimmt, in erster Linie haben wir zu unserer Anfangszeit gecovert und dabei die Songs gespielt, die wir von unseren Vorgänger-Bands schon kannten und spielen konnten. Zusätzlich bauten wir aber nach und nach immer mehr von den Metal-Songs ins Programm ein, die uns gefielen. Vor allem die zweistimmigen Sachen, die JUDAS PRIEST ablieferten, verlangten immens viel Probenarbeit von uns, aber das machte uns Spaß und dadurch konnten wir unser Programm nach und nach erweitern. Im Hinterkopf hatten wir aber immer den Plan, eigene Songs zu schreiben, denn keiner von uns wollte sein Leben lang nur covern. Und auch ich selber hatte niemals das Ziel, ständig nur fremde Songs originalgetreu nachzuspielen. Ich denke nämlich, als Musiker sollte man sich seine eigene Identität bewahren und hinter dem stehen, was man sich selber ausdenkt. Nun muss ich aber auch sagen, dass ich mich nicht als unbedingter Heavy Metal-Musiker bezeichne, sondern ich war und bin in erster Linie ein Musiker, der eigene Songs spielen will und der stolz darauf ist, dass das auch funktioniert hat. Dabei ist es egal, in welchem Genre das ist. Es hat nur eben beim Heavy Metal am besten geklappt. Also wir wollten mit FORMEL 1 hin zu eigenen Titeln und damit versuchen, in die Nähe des britischen Heavy Metal zu kommen. Wobei natürlich die ersten Songs, die von FORMEL 1 veröffentlicht wurden, noch nicht unbedingt als Heavy Metal bezeichnet werden konnten. Aber es entwickelte sich schnell dahin, was auch mit unserer Besetzung zu tun hatte. Als zum Beispiel Andrej Horvath nicht mehr bei uns spielte, veränderte sich auch unser Stil.
Weißt Du noch, wann und wo Ihr das erste Konzert mit FORMEL 1 gegeben habt?
Das weiß ich nicht mehr. Fakt ist, wir waren ganz viel unterwegs, auch außerhalb von Berlin.
Lass uns kurz auf Andrej Horvath zurückkommen. Der spielte, wie schon erwähnt, in der großen tschechischen Band COLLEGIUM MUSICUM und kam dann in die DDR zu einer Amateurformation. Das liest sich auf dem Papier so, als hätte er sich damals vertan. Er war dann wohl auch nicht mal ein Jahr lang bei Euch und ging dann wieder. Lag das daran, dass er sich etwas anderes vorgestellt hat, als er zu Euch kam?
Nein, er hat sich nicht vertan. Nach seiner Zeit bei COLLEGIUM MUSICUM wechselte er in die Tanzmusik und spielte mit einer Band, die aus tschechischen und slowakischen Musikern bestand, in westdeutschen Hotels. Damals war das so üblich, dass Bands aus dem sozialistischen Lager durchaus im Westen auftraten und dort ihren Lebensunterhalt verdienten. Andrej spielte auch mal in Ostberlin und lernte bei dieser Gelegenheit eine Frau kennen, bei der er dann auch blieb. Als die Geschichte mit der Tanzmusik zu Ende war, bemühte er sich, hier etwas Neues zu finden. Auf irgendwelchen Wegen landete er dann bei uns. Da wir zur damaligen Zeit bereits eigene Gigs hatten und viel unterwegs waren, konnte er also auch davon leben. Somit blieb Andrej bei uns. Er war übrigens auch schon Berufsmusiker, als er zu uns stieß. Getrennt haben wir uns nicht aus musikalischen Gründen, sondern weil ein paar Dinge vorgefallen waren, die dazu führten, dass es zwischen Andrej und uns nicht mehr passte. Deswegen trennten wir uns. Im Nachhinein muss ich sogar sagen, dass diese Trennung für unsere weitere musikalische Entwicklung nicht die falscheste Entscheidung war.
Gewinner (Foto. Herbert Schulze)
Hast Du später mitbekommen, wie Andrej Horvath ums Leben kam? Oder hattet Ihr da schon keinen Kontakt mehr?
Wir hatten keinen Kontakt mehr, aber ich kenne die Geschichte, die zu seinem Tod geführt hat. Andrej ging nach seinem Ausscheiden bei uns zurück in die Unterhaltungsbranche. Er ging mit anderen Musikern auf die Kanarischen Inseln und verdiente dort sein Geld bis zu dem Zeitpunkt, als er krank wurde. Eine Bekannte holte ihn dann nach Deutschland zurück, wo er auch starb und beerdigt wurde.
Für Andrej Horvath habt Ihr Bodo Kommnick in die Band geholt. Wo habt Ihr Bodo entdeckt und warum fiel die Wahl ausgerechnet auf ihn, denn er war damals ja noch ziemlich jung.
Wolfgang hatte Kontakte nach Neubrandenburg, wo eine Art Edelfan von uns wohnte. Auf diesem Weg lernten wir die Gruppe PORTO kennen, in welcher Bodo Kommnick spielte. Bodo war für die damalige Zeit schon ein sehr guter Gitarrist mit Ambitionen, die uns gefallen haben. Also hat Wolfgang ihn überredet, zu uns zu kommen. Allerdings wurde er bei FORMEL 1 nicht so richtig glücklich, da unsere Musik wohl nicht wirklich seine war. Wie sich herausstellte, war Bodo mehr ein SAGA-Fan und schon bald merkten wir, dass es mit uns nicht passte. Wir sind dann aber sehr freundschaftlich auseinandergegangen und haben auch heute noch Kontakt.
In dieser Zeit seid Ihr auch in den Profistatus aufgestiegen. Wie vollzog sich das und wie veränderte das Euer Leben?
Zunächst einmal brauchten wir einen Ersatz für Bodo an der Gitarre und würden fündig in Reinhold "Chris" Heß, über den wir ja eingangs schon gesprochen haben. Chris war ebenso ambitioniert wie Bodo. Er kam aus Magdeburg und spielte eine Zeit lang aushilfsweise bei der Gruppe ELEFANT, die durch Ute Freudenberg bekannt wurde. Chris spielte bei uns vor, hatte aber überhaupt keine Beziehung zu dieser Art Musik. Aber es interessierte ihn sehr, einerseits mit Wolfgang zusammenzuspielen und andererseits auch diese gitarrenorientierten Songs spielen zu können. Somit hatten wir nun genau den Weg eingeschlagen, den wir vorhatten, nämlich einen PRIEST-MAIDEN-FORMEL 1-Sound zu entwickeln. Was Chris betrifft, so merkten wir ziemlich schnell, dass wir wunderbar zusammenpassen. Damit haben wir uns selber in dem Wunsch bestätigt, mit Haut und Haaren Profimusiker zu werden und dies auch zu bleiben. Chris hatte seine Profi-Pappe bereits, aber Detlef, Wolfgang und ich kümmerten uns nun verstärkt um unsere Ausbildung. Als wir dann endlich in die Sonderstufe aufrückten und damit den Zugang zur Musikhochschule geschafft hatten, bekamen wir automatisch die Genehmigung, professionell zu agieren.
Bedurfte es dazu einer neuen Einstufung?
Zuerst hast Du nur den Status erhalten. Eine extra Einstufung war nicht nötig, da die Band FORMEL 1 ja schon existierte. Auch gab es von uns bereits Rundfunkaufnahmen und Fernsehauftritte. Somit genügte es, dass wir die schriftliche Genehmigung bekamen, als Profiband aufzutreten und vor allem auch entsprechend zu verhandeln, was die Gagen betraf. Gleichzeit bekamen wir eine Förderung des Komitees für Unterhaltungskunst, was bedeutete, dass wir plötzlich einen Mentor an unserer Seite hatten.
1982 konntet Ihr Eure ersten eigenen Lieder im Studio von Gunter Wosylus produzieren. Weißt Du noch, welche Songs das waren und wie das Ganze zustande kam?
Zustande kam das mit Unterstützung des Komitees für Unterhaltungskunst. Da wir aber zu der Zeit noch nicht zu den Großen der Szene gehörten, sagte man uns, wir sollen sehen, dass wir irgendwo ein Studio finden, was wir dann bei Gunter Wosylus auch taten. Das Komitee bezahlte alles und wir konnten unsere ersten Songs produzieren. Das waren "Mensch Rosie" und "Willste nich uffstehen". Es war eine sehr angenehme Zusammenarbeit mit Gunter. Er gab uns eine Menge Tipps mit auf den Weg, wie wir gerade als Metal-Band bestehen können.
Wie entstanden denn generell die eigenen Songs bei FORMEL 1? Habt Ihr die Nummern in der Gruppe entstehen lassen oder gab es ein festes Autorenteam, wo einer komponierte und einer für die Texte zuständig war?
Was unseren ersten Song "Mensch Rosie" betrifft, so war das die Idee von Andrej Horvath. Der hatte den ganzen Titel schon komplett fertig, allerdings nicht so, wie er dann später aufgenommen wurde, denn wir mussten die recht komplizierten Strukturen des Titels etwas entschärfen, damit das Ganze eingängiger wird und auch ein paar Hooklines enthält. Aufgrund seiner besonderen Fähigkeiten und der Art Musik, die er mit seiner früheren Kapelle, dem COLLEGIUM MUSICUM, spielte, hatte Andrej den Song so sehr verfrickelt, dass uns gar nichts anderes übrigblieb als ihn im Kollektiv umzuarrangieren, denn so konnten wir ihn keinesfalls aufnehmen. Zum einen hätte das Publikum uns das nicht abgenommen und zum anderen wussten wir auch nicht, ob wir überhaupt in der Lage gewesen wären, "Mensch Rosie" nach seinen Vorstellungen zu spielen. Zum Glück sah Andrej das ein und wir setzten uns alle zusammen hin und entwickelten das Stück neu. Als wir ihn dann bei Gunter im Studio einspielten, merkten wir allerdings, der Song ist keinesfalls schlecht, doch irgendwie kommt er nicht richtig rüber. Unsere Vermutung war, dass es vielleicht an dem deutschen Text lag. Wir waren ja gezwungen, auf Deutsch zu singen, fühlten uns damit aber nicht wirklich wohl. Also suchten wir nach einem Ausweg und kamen auf die Idee, zu berlinern. Fortan sangen wir unsere Texte möglichst in der Berliner Mundart, worin uns Gunter Wosylus dann auch bestätigte. Wir mussten damals anfangs auf Weisung des Komitees für Unterhaltungskunst mit Katharina Koch zusammenarbeiten, deren Texte wir also ins Berlinische übersetzten und wir fanden, dass es recht gut klang und ankam.
Nachdem Ihr bei Gunter Wosylus wart, passierte es ja immer öfter, dass Ihr für Aufnahmen ins Studio gegangen seid und Eure Songs gingen in den Wertungssendungen des Rundfunks richtig ab. Wie hast Du damals den FORMEL 1-Aufstieg von einer Amateurband hoch in die 1.Liga erlebt?
Ich war richtig stolz, denn mein Ziel und mein Traum war immer gewesen, dass man mich im Radio hören kann. Ich erinnere mich noch, dass ich einmal mit meiner Familie im Riesengebirge im Urlaub war. Auf der Rückfahrt standen wir an der Grenze, die es ja seinerzeit noch gab, und plötzlich hörte ich von irgendwoher in einer Wertungssendung unser Titel "Mensch Rosie" lief. Und das auch noch auf einem der vorderen Plätze. Das war schon ein schöner und beeindruckender Moment, zumal wirklich keiner von uns damit gerechnet hatte.
Ist es denn auch vorgekommen, dass man Dich auf der Straße erkannt hat?
Später ja. Man hat mich nicht nur erkannt, sondern auch angesprochen. Selbst in Budapest, als ich mir im Hanky Panky-Laden ein paar Accesoires für die Bühne gekauft habe, kamen in einem Tunnel ein paar Leute auf mich zu, erkannten mich und riefen: "Eh Paule von FORMEL 1!" Das war eine coole Situation, muss ich ehrlich sagen.
Ihr hattet mit FORMEL 1 in der DDR auch Fernsehauftritte, was mit Sicherheit dazu beigetragen hatte, dass man Dich hier und da erkannt hat. Erstaunlicherweise passierte das, obwohl Ihr ja musikalisch gänzlich anderes drauf wart als z.B. die PUHDYS, KARAT oder Karussell. Gab es in dieser Zeit denn auch "Empfehlungen" von ganz oben, was Euer Auftreten und Euer Outfit betraf?
Ja, es gab Auflagen. Unseren ersten Fernsehauftritt hatten wir in der Sendung "Profil", was für "Programm und Film" stand, deshalb "Profil". Da wurden auch immer wieder Musiker eingeladen und so hatten wir dort die Chance bekommen, unseren Song "Willste nich uffstehn" zu spielen. Dieser Auftritt wurde mit uns richtig geprobt. Unser Mentor hatte den Saal im Kreiskulturhaus "Peter Edel" in Weißensee gemietet, wo wir das Lied dann playback aufnahmen. Lustig war, dass wir das regelrecht lernen mussten, denn wir hatten ja noch niemals vorher irgendwas playback performt. Uns wurde dann unter anderem erklärt, was für Sachen wir beim Auftritt zu tragen hatten. Wir waren ja zu dem Zeitpunkt noch keine reine Heavy Metal-Band und mussten deshalb buntere Klamotten anziehen. Ich hatte beispielsweise einen blau-weißen Pullover an, denn Sachen mit Nieten dran wurden nicht so gerne gesehen. Somit hatten wir den Bedürfnissen gewisser Leute Genüge getan und sind halt so aufgetreten, wie man es von uns verlangt hat. Als wir später dann zu einer echten Metal-Band wurden und unser wahres Outfit trugen, also Leder, Ketten und Nieten usw., was für uns und zu unserer Fangemeinde absolut dazu gehörte, da fing man natürlich an mit uns zu diskutieren, dass wir doch bitteschön dies und jenes weglassen oder nicht anziehen sollen. Das haben wir anfangs noch beherzigt. Aber irgendwann reichte es uns und wir bestanden darauf, dass wir so auftreten, wie wir es wollten. Beim Song "Edelrocker" war uns das dann auch tatsächlich gelungen, da hatten wir unsere volle Montur an. Bei der Generalprobe traten wir noch ganz züchtig in "normalen" Klamotten auf, aber als dann die eigentliche Aufnahme losging, haben wir uns einfach umgezogen und sind in unserer echten Bühnenkluft rausgegangen. Seltsamerweise sprach uns niemand darauf an, vielleicht ist das auch keinem wirklich aufgefallen. Hinterher wurden wir von den PUHDYS, die auch in der Sendung waren, gefragt worden, ob uns niemand wegen der Klamotten zurückgepfiffen hätte. Das konnten wir mit ruhigem Gewissen verneinen.
Eure erste Schallplatte konntet Ihr 1985 bei AMIGA veröffentlichen. Das war eine Single mit dem Titel "18 Jahre sein". Wann habt Ihr erfahren, dass nach einigen Nummern auf Samplern nun endlich eine eigene FORMEL 1-Scheibe gepresst werden sollte? Hat man Euch vorab darüber informiert oder hat die Plattenfirma AMIGA das einfach gemacht?
Wir haben immer versucht, unser "Vitamin B´", also unsere Beziehungen einzusetzen, um irgendwann mal eine eigene Platte machen zu können. Natürlich gingen unsere Wünsche in Richtung Langspielplatte, aber dann sagten wir uns, mit einer Single wären wir auch erstmal zufrieden. Plötzlich kam AMIGA um die Ecke und erfüllte uns unseren Wunsch, in dem sie uns eine Single zusagten. So entstand diese erste Single.
Dann dauerte es auch nicht mehr lange, bis Ihr Eure erste komplette LP aufnehmen konntet. Das war 1986 und fand im Stahlwerk Hennigsdorf statt. Also gleich ein Livealbum statt einer Studioproduktion, was ja doch ungewöhnlich war. Wie kam es dazu?
Eigentlich wollten wir die Platte im Studio aufnehmen, aber leider waren dafür gerade keine Kapazitäten frei. Da wir noch nicht zur ersten Garde gehörten, sagte man uns, dass der einzige Weg für eine LP eine Live-Platte wäre. Natürlich waren wir auch damit einverstanden. Wir sollten alles organisieren und AMIGA stößt dann zur Aufnahme dazu. Norbert kam auf die Idee, nach Hennigsdorf ins Walzwerk zu gehen. Ich muss sagen, es passte alles perfekt zusammen: die Location war toll, der Name der LP passte gut, auch die AMIGA-Leute konnte ihre Fahrzeuge und die Aufnahmetechnik gut unterbringen. Wir hatten zwar keine direkten Auflagen für die Platte, aber man bat uns seitens AMIGA, zwei Titel zu covern, und zwar von Bands, die musikalisch unser Markenzeichen waren. So kamen also die beiden Coversongs auf das Album. Zum einen war das "Breaking the law" von JUDAS PRIEST sowie "Hallowed be thy name" aus dem Fundus von IRON MAIDEN.
Ihr kriegt also die Mitteilung, dass Euer Konzert mitgeschnitten und auf Platte gepresst wird. Kannst Du nicht noch an diesen Moment erinnern? War das nicht Lampenfieber auslösend oder baute es nicht zumindest eine Menge Druck auf, zu wissen, dass die heutigen Aufnahmen auf einer Platte erscheinen werden und bei der Mugge deshalb alles passen muss?
Wir kannten ja den genauen Termin für die Aufnahme. Das war also nicht von heute auf morgen, sondern es lagen mehrere Wochen dazwischen. Wir konnten also richtig auf dieses Konzert hinarbeiten. Das heißt, wir sind in ein kleines Studio nach Buchholz gegangen, haben dort die ganzen Sets ausgearbeitet und geprobt. Wenn wir zwischendurch mal Liveauftritte hatten, haben wir natürlich diese Sets auch schon gespielt, die auf die Platte sollten. Zusätzlich haben wir noch bestimmte Choreografien entwickelt, da wir nicht wussten, ob nicht auch noch jemand eine Kamera draufhält. Auf jeden Fall wurden wir immer besser und vor allem ruhiger, je öfter wir das alles geprobt haben. Als es dann endlich soweit war, war das Ganze für uns ein völlig normales Konzert. Besonders faszinierend waren für uns die vielen Fans, die da waren. Man kann sich gar nicht vorstellen: vor dem Kulturhaus war ein kleiner Park, der war gerammelt voll mit hunderten von Menschen, die das Glück hatten, eine Karte bekommen zu haben. Viele mussten draußen bleiben, die konnten aber trotzdem sagen: Wir waren dabei! Insgesamt haben wir an zwei Tagen aufgenommen. Wir haben an beiden Tagen jeweils dasselbe Konzert gespielt, mit denselben Titeln in der genau gleichen Reihenfolge der Songs. Am ersten Tag waren der Beifall und die Leute an sich total frenetisch und authentisch, nur leider ist das Band von diesem Konzert verlorengegangen. Das verstehen wir bis heute nicht. Hinterher sagte man uns, irgendwer hätte dieses Band mit den tollen Aufnahmen überspielt, so dass wir lediglich die Atmosphäre des zweiten Tages zur Verfügung hatten. Fakt ist aber, diese beiden Tage waren ein ganz tolles Erlebnis, was wir für den Rest unseres Lebens nicht mehr vergessen werden. Wir haben aber erst so richtig verstanden, was an diesen beiden Tagen abging, als wir den Mitschnitt bearbeitet und das Endprodukt gehört haben.
Wie kommt denn eine Nummer wie "Breaking the law" mitten in den 80er Jahren und zu tiefsten DDR-Zeiten auf ein Album?
Stimmt, auch wir haben uns gefragt, warum man ausgerechnet diesen Song zugelassen hat. Wir haben es einfach probiert und es ist durchgewunken worden. Ohne jede Nachfrage.
Nun hattet Ihr das Album im Kasten, Ihr wart erleichtert und glücklich über das Ergebnis. Obendrauf kommt dann noch die Überschrift: "Das erste Heavy Metal-Album in der DDR". Schreibt man sich so etwas auf den Briefkopf oder nimmt man das eher nüchtern zur Kenntnis?
Uns war eigentlich gar nicht klar, dass wir in der DDR das erste Metal-Konzert auf Platte gepresst hatten. Wir waren einfach nur stolz, es geschafft zu haben, diese Platte machen zu können. Dafür sind wir aber niemandem in den Hintern gekrochen und wir haben uns auch an nichts und niemanden verkauft. Das war für uns die wichtigste Erkenntnis. Auch wenn hier und da bestimmte Dinge erzählt werden, die sich niemals so zugetragen haben. Wir hatten keinen Bonus, sondern wir haben nur versucht, unseren eigenen Weg zu gehen und wir haben nur Dinge getan, die wir selber auch tun wollten. Was andere von uns verlangt haben, war uns egal. Trotzdem ist es uns gelungen, die LP zu machen. Am Ende zählt, was wir in den Händen halten können und wir haben jeder anderen Band in der DDR ebenfalls gewünscht, dass sie Erfolg haben und auch Platten aufnehmen können. Dieser Nebeneffekt, im Plattenladen zu sitzen und auf seine eigene Platte Autogramme zu schreiben, ist natürlich auch nochmal toll.
Nun wart Ihr vielleicht die erste echte Heavy Metal-Band in der DDR, aber es gab ja noch viele andere neben Euch. Was viele gar nicht wissen: da gab es richtig aktive Szene im Land. Hast Du noch Erinnerungen, wie das so war? Kannte man sich untereinander, habt Ihr Euch ausgetauscht?
Es gab immer so einen kleinen Konkurrenzkampf. Es entstanden mit der Zeit diverse Stilrichtungen innerhalb des Metals, wie z.B. Trash Metal, Speed Metal, True Metal und wie das alles hieß. Dementsprechend bildeten sich auch die Geschmäcker der Metal-Fans in die eine oder andere Richtung aus, woraus dann eine Art Konkurrenzkampf wurde. Fans neigen ja dazu, ihre Favoriten gut zu finden und alles andere schlecht zu reden. Das ist ganz normales Fanverhalten. Auch die Musiker begannen nun, bei den anderen Bands reinzuhören und ihre eigenen Geschmäcker zu bilden. Das ging so in die Richtung, dass dem einen die Band X zu weich war, Band Y zu schnellen Metal spielte usw. Wir wollten jedenfalls etwas auf die Bühne bringen, was man in unserem Teil Deutschlands nicht so oft zu sehen und zu hören bekam, da in der DDR bekanntlich kaum internationale Bands auftraten. Deshalb fühlte man sich immer so ein bisschen verpflichtet, die Originale zu kopieren, was wir aber eigentlich nicht so wollten. Klar, wir haben versucht, uns an den großen Bands zu orientieren, aber wir wollten unbedingt unser eigenes Ding machen, während andere Bands komplett gecovert haben. Und wer Erfolg hatte, brauchte natürlich nicht lange auf die Neider zu warten. Im Großen und Ganzen verstanden wir uns untereinander aber recht gut. Und mit den bekannteren Metal-Bands wie MCB oder Biest pflegten wir ohnehin schon längere Bekanntschaften. Bei MCB zum Beispiel spielte damals Sebastian "Basti" Baur, mit dem wir zusammen auf der Schule waren. Oder nimm Mike Demnitz, den kannte ich aus der Zeit, als ich bei DRUDENFUSS war und wir mit REFORM zusammen auf Tour gingen. Also Du siehst, wir kannten uns alle irgendwie, zumal wir alle ein gemeinsames Ziel hatten, und das hieß Musik machen.
FORMEL 1 war keine Band, die in der BRD auftreten konnte. Und trotzdem tauchte dort das eine oder andere Lied von Euch auf. War Euch das bewusst und habt Ihr manchmal sogar Feedback von Metal-Fans aus der Bundesrepublik bekommen?
Als Berliner hast Du ja dicht an der Grenze gewohnt und hattest entsprechende Kontakte. Westberliner kamen ja jederzeit rüber in den Osten, die haben auch kulturelle Veranstaltungen besucht, Platten reingeschafft, aber auch welche mit rüber genommen. So weiß ich, dass einige unserer Songs im Westen gespielt wurden und unsere erste Single sogar in England in einer Wertungssendung lief und gar nicht mal so schlechte Plätze belegte. Selbst Fachzeitschriften wie der "Metal Hammer" und "Rock Hard" wurden auf uns aufmerksam und berichteten über uns. Wahrscheinlich galten wir als Exoten, denn eine Heavy Metal Band mit DDR-Wurzeln, die noch dazu deutsche Texte verwendete, gab es nicht allzu oft. Unsere Direktkontakte in den Westen konnten wir jedenfalls nicht so offen nutzen, denn das hätte unserer Karriere definitiv geschadet. Norbert beispielsweise hatte ja genau deshalb mit JOCO DEV bereits diverse Schwierigkeiten bekommen. Wie vielleicht bekannt ist, tauchte damals ein gewisser Lord Knud, der u.a. beim Radiosender RIAS Berlin die "Schlager der Woche" moderierte, bei JOCO DEV auf. Darüber wurde dann beim RIAS berichtet und das tat der Band nicht so gut. Wir haben daraus gelernt und nur das getan, was wir auch vertreten konnten. Norbert gab irgendwann mal ein Interview für ein Blatt namens "Spandauer Anzeiger", was gewissen Parteigenossen aber auch nicht unbedingt gefiel. Dabei hat Norbert nichts Schlimmes oder Falsches gesagt.
Nach der Veröffentlichung Eurer ersten LP habt Ihr eine stilistische Veränderung durchgemacht - die Musik wurde deutlich härter. Was war der Grund, diesen erfolgreichen Sound, der Euch Songproduktionen und Plattenveröffentlichungen eingebracht hat, plötzlich zu verändern?
Wir wollten uns verändern, weil sich der Heavy Metal an sich verändert hatte. Man muss eine Entwicklung bemerken, um das Publikum auch weiterhin erreichen zu können. Ich selber war immer ein Freund davon, schneller zu spielen. Ein schöner Groove ist in Ordnung, aber ein gewisses Tempo in den Liedern zu haben, ist noch viel besser. Jeder einzelne von uns hatte sich mit den Jahren spieltechnisch natürlich auch weiterentwickelt und war dadurch in der Lage, schnellere Passagen zu spielen. Somit passten wir unsere Spielweise und auch unsere Kompositionen entsprechend an. Wir bauten unsere Songs jetzt auf bestimmten Riffs auf, was bedeutet, dass Wolfgang mit einem Riff ankam und wir um dieses Riff herum den neuen Song entwickelten. Das war eine neue Qualität, die wir hatten und nutzten.
1987 war ein nicht ganz so schönes Jahr für die Band, denn einige von Euch hatten Ausreiseanträge gestellt, um die DDR in Richtung BRD zu verlassen. Gehörtest Du auch dazu und was waren die Gründe dafür?
Ja, ich war sogar einer der Ersten, die einen Ausreiseantrag stellten. Das hatte bei mir zwei Gründe. Einerseits spielten familiäre Dinge eine Rolle, denn ein Großteil meiner Verwandtschaft lebte in Westberlin und Amerika. Ich gehörte zu den wenigen von uns, die im Ostteil lebten. Meine Großeltern, bei denen ich aufgewachsen bin, gingen schon 1977 nach Westberlin. Mir persönlich war auch schon immer klar, dass es mit diesem Staat, der DDR, auf Dauer so nicht funktionieren kann. Außerdem stellte ich mir die Frage: Wird das, was Du hier machst, für immer Bestand haben? Mir war klar, dass wir als Band zwar bei den Fans beliebt sind, aber dafür bei den Verantwortlichen in der Kulturszene nicht wirklich einen Stein im Brett hatten. Eine große Karriere wäre also in der DDR nicht machbar gewesen, weshalb ich für mich die Entscheidung getroffen habe, zu gehen. Trotz unserer Erfolge, die wir als FORMEL 1 hatten, ließ man uns nicht reisen, obwohl wir genügend Einladungen vorweisen konnten. Wir hätten auf großen Festivals auftreten können, wir hätten überall im Ausland spielen können, aber man hat uns noch nicht einmal nach Ungarn oder Polen gelassen. Immer wieder warf man uns Knüppel zwischen die Beine. Das hat mich persönlich mächtig angegriffen und gestört. Und zwar so sehr, dass ich darüber krank wurde und eines Tages gesagt habe, ich schaffe das nicht mehr, ich kann das nicht mehr. In Folge dessen habe ich mit meiner Familie beschlossen, den Ausreiseantrag zu stellen.
Hat Dich das psychisch so sehr belastet?
Ja. Es ging mir richtig schlecht. Das ging so weit, dass ich eine Hautkrankheit bekam und in ständiger Behandlung war. Als ich dann die Entscheidung traf zu gehen und der Kampf mit den Behörden losging, dass ich wirklich ausreisen darf, von dem Zeitpunkt an ging auch die Krankheit wieder weg.
Wann durftest Du das Land verlassen?
1988.
Du hast erzählt, dass Du unter anderem auf einem POND-Album getrommelt hast. Passierte das öfter, dass Du als Gastmusiker bei anderen Bands und Künstlern mitgewirkt hast oder beschränkte sich Deine Arbeit tatsächlich nur auf Deine Band FORMEL 1?
In erster Linie war meine Tätigkeit als Musiker auf FORMEL 1 beschränkt. Dass ich bei POND auf dem Album "Planetenwind" bei einem Song dabei war, ist reiner Zufall gewesen. Paule Fuchs brauchte damals ein Schlagzeug, was er selber nicht mehr hatte, da er ja nur noch elektronische Musik machte. Ich stellte ihm dann mein Instrument zur Verfügung. Die anfallenden Schlagzeug-Parts haben wir zusammen eingespielt, wir haben also beide getrommelt. Das war der Grund für mein Mitwirken. Auf dem Plattencover steht mein Name aber nicht drauf. Warum, weiß ich nicht. Ich habe es auf jeden Fall gerne gemacht, aber für die Zukunft sollte das nicht mein Weg sein, Studiomusiker zu werden. Ich war schon immer Livemusiker mit Haut und Haaren.
Wer aus der Band wollte noch die DDR verlassen?
Norbert hatte einen Ausreiseantrag gestellt. Dem ging es so ähnlich wie mir. Und dann war da noch ein Techniker von uns, der raus wollte.
Das bedeutete ja dann das Ende von FORMEL 1. Wie ging es für Dich weiter, nachdem Du 1988 im Westen angekommen warst?
Ich hatte mit der Musik abgeschlossen. Man hörte ja ohnehin von vielen Künstlern, dass sie nach ihrer Ausreise in den Westen keine Karriere gemacht haben. Es war eben nicht einfach, als Ostmusiker in den erlauchten Kreis der Westmusiker einzutreten. Da gibt es nur ganz wenige Ausnahmen, die es geschafft haben. Warum das so war, erschließt sich mir bis heute nicht. Ich selber habe mal bei einer Westberliner Band vorgetrommelt, was mir aber nicht wirklich gefallen hat. Das war auch nicht mein eigentliches Ziel, denn ich hatte mir vorgenommen, wenn es mit der Ausreise klappt, versuche ich mein Glück irgendwo im Dienstleistungsgewerbe. Gegessen und getrunken wird immer, dachte ich mir, deshalb hoffte ich da einen Job zu finden, was ja dann auch in Erfüllung ging.
Was hast Du gemacht, was war das für eine Tätigkeit?
Ich habe bei einem internationalen Dienstleistungsunternehmen angefangen. Das war eine deutsche GmbH, in der ich 27 Jahre lang tätig war und mich bis zum Business Manager hochgearbeitet habe.
Also quasi als Quereinsteiger neu angefangen und Erfolg gehabt …
So kann man das sagen. Als Quereinsteiger angefangen und als Betriebswirt aufgehört.
Nichtsdestotrotz habt Ihr 1999 eine Reunion von FORMEL 1 angestrebt. Es gab eine Tour und das Vorhaben, die Band wiederaufleben zu lassen. Wer hatte die Idee dazu und wer gehörte damals zur Comeback-Besetzung?
Eigentlich war eine Reunion nie geplant. Wir haben uns nur getroffen, um mal wieder miteinander zu spielen. Einfach aus Spaß an der Freude. Wir hatten in Weißensee einen Probenraum und kamen zusammen in der letzten FORMEL 1-Besetzung. Das waren Michael Sündermann und Wolfgang Densky an den Gitarren, Norbert Schmidt am Mikrofon, Detlef Dudziak am Bass und ich. Wir trafen uns nach Lust und Laune einmal wöchentlich und haben drauflos gespielt. Wir spielten unser ganzes Programm von früher durch und kamen auf die Idee, gleich nebenan ein Konzert zu geben. Das war am zweiten Weihnachtsfeiertag. Bei dieser Gelegenheit entstand der Gedanke an eine kleine Tour und an eine Reunion der Band. Das Ganze war aber weder richtig vorbereitet noch durchgeplant, so dass wir gerade mal drei oder vier Gigs gemeinsam mit zwei anderen Bands spielten und dann war es wieder vorbei. Die Konzerte waren auf Grund der schlechten Vorbereitung und fehlenden Werbung ohnehin nur mäßig erfolgreich. Eine echte Reunion hätte man ganz anders angehen müssen.
Das war auch der Grund, weshalb es mit FORMEL 1 nicht weiterging?
Na ja, wir hatten auch gar keine Ambitionen weiterzumachen. Wir hatten im Hinterkopf, dass die Leute uns so in Erinnerung behalten sollten, wie wir in den 80er Jahren waren.
Aber eigentlich wurde die Gruppe FORMEL 1 ja nie richtig aufgelöst. Befindet Ihr Euch immer noch im Stand-by-Modus oder würdest Du sagen, die Band ist tot?
Schwere Frage. Aufgelöst haben wir uns tatsächlich noch nicht. Norbert wohnt nicht weit weg von mir und mit Norbert chatte ich öfter mal. Mit ihm und auch mit Peter Dudziak treffe ich mich sogar hin und wieder. Wir haben also immer mal Kontakt miteinander und passen auf, dass es den anderen gut geht oder wo wir uns möglicherweise unterstützen können. Nur musikalisch kommen wir nicht mehr zusammen. Die andere Seite ist die, dass in letzter Zeit immer mal ein paar Sachen von uns auf den Markt gekommen sind. Wir haben nach wie vor einen guten Draht zu unserem Produzenten Hendrik Rosenberg von German Democratic Recordings, reden miteinander und entwerfen den einen oder anderen Plan. Auf diesem Wege entstand auch anlässlich unseres 40-jährigen Bestehens die Doppel-CD, die nach wie vor sehr gut läuft und jetzt bereits in der zweiten Auflage erscheint. Aber wie gesagt, musikalisch… Ich hätte nichts dagegen, wenn wir nochmal was zusammen machen würden. Allerdings sind wir inzwischen in einem Alter, wo es schon mal zwickt. Mir geht es zwar gesundheitlich ganz gut, anderen dafür nicht ganz so gut. Auch haben manche von uns Verpflichtungen und dadurch wenig Zeit. Wenn uns danach sein sollte, setzen wir uns möglicherweise doch mal ins Studio und machen irgendwas, aber auf keinen Fall wird es die Fortsetzung unserer damaligen Erfolgsgeschichte werden. Im Übrigen bin ich immer wieder erstaunt, wie viele Leute uns auch heute noch für sich entdecken und zu neuen Fans werden. Somit haben wir also immer noch mit dem Thema Musik zu tun. Des Weiteren liefen ja kürzlich ein paar Nostalgie-Sendungen auf dem MDR, unter anderem zum Thema DDR-Heavy Metal. Da wurden auch nochmal viel Interesse und Euphorie geweckt.
Nicht zu vergessen auch die Vinyl-Ausgabe aus dem Jahr 2008, das sollte man nicht unterschlagen, denn diese Ausgabe war ein echt fettes Brett. Wer war denn dafür verantwortlich?
Das hat auch der Hendrik Rosenberg gemacht. Hendrik ist der eigentliche Motor, der unsere Band noch am Leben hält.
Das gilt aber nicht nur für FORMEL 1, sondern ohne Hendrik wäre die gesamte Ost-Metal-Szene wohl nicht mehr am Start. Sein Tun kann man gar nicht hoch genhg hängen!
Genau, er ist derjenige, der das alles hochhält. Davor muss man wirklich den Hut ziehen.
Also die Band FORMEL 1 ruht derzeit, aber Du bist in einer anderen Band aktiv, und zwar bei SILENT RUNNING. Das Album haben wir letztes Jahr auf deutsche-mugge.de vorgestellt. Seit wann bist Du dabei und wie bist Du in die Band gekommen?
Ich bin seit 2017 dabei. Ab 2005 habe ich wieder begonnen, Musik zu machen und auf die Bühnen zu gehen. Ich stand da zwar noch im Berufsleben, aber da ich inzwischen leitender Angestellter war, hatte ich die Möglichkeit, mir meinen Tagesablauf selbst zu steuern und fand dadurch immer mal Lücken, um mich wieder um die Musik zu kümmern. Mich erreichte damals eine Anfrage von Wolfgang Densky, ob ich nicht mal aushelfen könnte in seiner CCR-Coverband. Das habe ich natürlich gerne gemacht. Wie das manchmal so ist, hat sich daraus dann eine Fogerty-Coverband gebildet. Mitglieder waren zwei Musiker von BABYLON und zwei von FORMEL 1. Wir sind mehrere Jahre erfolgreich getourt, und das nicht nur in Deutschland, sondern wir waren auch in Österreich und der Schweiz unterwegs. Irgendwann haben wir dann aber aufgehört. Danach habe ich versucht, eine eigene Metal-Band auf die Beine zu stellen. Am Ende wurden es sogar zwei, und zwar hießen die SLEEPING BEAUTY und WAKING BEAUTY. SLEEPING BEAUTY war wieder eine reine Coverband. Wir haben genau dieselben Songs gespielt wie damals mit FORMEL 1, also vor allem Lieder von JUDAS PRIEST und IRON MAIDEN. Wir waren wirklich gut, aber es passte menschlich nicht mehr zueinander. Nach der Auflösung machten wir mit einem Teil der Musiker WAKING BEAUTY auf, diesmal mit einer Sängerin aus Schottland. Aber auch das passte eines Tages nicht mehr so richtig. An diesem Punkt hatte ich erst einmal genug und ich wollte keine Musik mehr machen. Und wenn ich doch noch mal irgendwo einsteigen sollte, dann sollte es eine Band zum "Abtrommeln" sein. Durch Zufall stieß ich auf eine Band, in der die Musiker in meinem Alter waren. Das war eine Amateurband aus Spandau. Ich erschien da zum Vorspielen und die waren begeistert. Denen ist auch nicht verborgen geblieben, dass ich nicht so ganz unbekannt bin. Jedenfalls merkte ich, dass da durchaus Potential vorhanden war und so blieb ich dabei. Zunächst spielten wir nur so vor uns hin, traten auch mal live auf, bis wir anfingen, eigene Songs zu schreiben. So ist dann SILENT RUNNING entstanden.
SILENT RUNNING o.c.p.r.
Als Du dazugestoßen bist, hießen die da schon so?
Ja. Eigentlich war das ein Unplugged-Projekt, aus dem aber eine richtige Band werden sollte. Die hießen tatsächlich schon SILENT RUNNING, ohne darauf zu achten, dass es bereits eine andere Band mit diesem Namen gab. Wir haben dann aus den Songs aus dem Unplugged-Projekt mit neuen Liedern kombiniert und die Sache mit der Band fest gemacht, aber immer so, dass es eine Spaßband bleibt. Wir haben es dann immerhin so weit gebracht, dass ein Album daraus entstanden ist.
Mein lieber Paule, wenn Du sagst, das war alles nur eine Amateur- und Spaßband, dann muss ich Dir sagen, dieses Album ist ein echter Klopper. Dahinter kann sich manche Profiband verstecken, denn das ist vom Sound und von der Spielart her ganz wunderbar gemacht. Wie kommt man zu so etwas? Muss man dazu einfach mal sein Dasein als Profimusiker beiseitelegen und sagen: Wir jazzen jetzt einfach mal ein bisschen rum?
Na ja, Profimusiker zu sein heißt ja in erster Linie, von der Musik leben zu müssen. Das haben wir uns abgeschminkt, denn jeder von uns geht entweder arbeiten oder bekommt wie ich Rente. Wir sind also alle nicht darauf angewiesen, von der Musik, die wir mit SILENT RUNNING machen, leben zu müssen. Deshalb bezeichne ich es als Spaßband. Wir haben bis jetzt noch keine Miesen gemacht, können unsere Kosten decken, aber reich werden wir davon natürlich nicht. Aber wenn wir das schon machen, dann wollen wir das auf jeden Fall vernünftig machen. Oder anders ausgedrückt: wenn ich etwas auf den Markt bringe, dann sollte das auch einen gewissen professionellen Anstrich haben. Wir sind ohnehin glücklich, dass wir musikalisch noch immer ein solch hohes Level halten können. Also zusammengefasst: wir wollen miteinander Spaß haben und lachen, wir fetzen uns natürlich auch mal konstruktiv, und wir wollen der Band und unserer Musik einen professionellen Touch verleihen.
Bleibt das in Zukunft auf dieser Spaßebene bestehen oder denkt Ihr vielleicht schon weiter? Mal angenommen, irgendjemand entdeckt das Album und es wird plötzlich ein Riesenhit. Man weiß ja: Nix ist unmöglich. Seid Ihr auf diese Eventualitäten vorbereitet?
Wir lassen es auf uns zukommen. Wenn es so passieren sollte, werden wir damit umgehen können. Aber das ist natürlich sehr schwierig, in dem großen Haifischbecken mitzuschwimmen. Wir rechnen auch nicht wirklich damit, dass wir auf unsere alten Tage noch einmal zu einer Erfolgsband werden. Ich mache ja unser Management und merke immer wieder, wie schwer es ist, überhaupt mal ein paar Gigs zu bekommen. Nach der Corona-Zeit hat sich sowieso alles total verändert, was mich sehr traurig macht. Leider haben sich auch die Konsumenten der Musik seitdem verändert. Es wird kaum noch anerkannt und honoriert, welchen Enthusiasmus und welche Arbeit wir in unsere Musik stecken, was wir alles auf die Beine stellen, um die Leute zu begeistern.
Das beobachte ich leider auch. Die lange Zeit zuhause hat viele Menschen dazu gebracht, sich Streamingdiensten anzuschließen und alles für einen Appel und ein Ei nach Hause gebeamt zu kriegen. Es war vorher schon schlimm, aber seit Corona hat sich das noch unendlich verstärkt. Der Weg zum Plattenladen ist überflüssig geworden.
Ja, das sehe ich genauso. Trotzdem wollen wir uns noch die Bürde auflasten, es auch weiterhin so zu machen, wie wir es kennen. Wir sind beispielsweise letztes Jahr im Dezember 600 Kilometer nach München gefahren, um dort einmal aufzutreten - mit mäßigem Erfolg. Das liegt daran, dass die Leute nicht mehr ins Konzert gehen, sondern erst kommen, wenn im Anschluss die Disco beginnt, weil es dann umsonst ist. Das tut weh. Wir werden trotzdem weitermachen und so lange wir noch krauchen können, geben wir nicht auf. Seit ein paar Tagen haben wir übrigens mit Stephan May einen neuen Bassgitarristen. Der bisherige hat zu viel mit seinem Klassik-Orchester zu tun gehabt. Stephan passt sowohl altersmäßig als auch mit seiner ganzen Art gut zu uns. Auch Stephan teilt unsere Meinung, dass wir weitermachen und wir freuen uns über jeden, der uns alte Säcke auf der Bühne sehen will und in unsere Konzerte kommt.
Habt Ihr dieses Jahr denn schon ordentlich Termine im Kalender?
Ein paar Termine haben wir schon, unter anderem auch in Berlin und Hamburg. Das erste Konzert des Jahres wird allerdings im Taunus stattfinden. Grundsätzlich fahren wir gerne im Land umher, solange wir damit unsere Kosten decken können. Wenn dann auch noch die Medien auf uns aufmerksam werden, ist es nochmal so schön.
Dafür drücke ich Euch die Daumen und wünsche Euch, dass es noch lange weitergeht mit Euch. Ich habe jedenfalls viel Spaß mit Eurer CD.
Das freut mich. Wir haben uns auch schon entschieden, noch eine zweite CD zu machen.
Interview: Christian Reder
Übertragung: Torsten Meyer
Fotos: Pressematerial Silent Running, Peter Paule Fincke privat, Herbert Schulze
Übertragung: Torsten Meyer
Fotos: Pressematerial Silent Running, Peter Paule Fincke privat, Herbert Schulze