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Interview vom 9. Juni 2022



Lutz Krüger hat mit THE MUSIC BLEND eine fantastische Band am Start, mit der er gerade das erste Album veröffentlicht hat. Lutz hat seine Wurzeln im Ostrock, spielte zusammen mit Dieter "Maschine" Birr bei den LUNICS, war einige Zeit bei SCIROCCO aktiv und wäre fast als Nachfolger von Klaus Scharfschwerdt als Drummer bei PRINZIP gelandet. Viele von Euch kennen ihn aber als Schlagzeuger der Gruppe TRANSIT, bei der er in den 80ern und nach der Reunion im Jahre 2009 in der Besetzung war. Lutz war eigentlich schon runter von der Bühne, nachdem er 2011 bei TRANSIT ausstieg und ist nun schon seit einiger Zeit wieder dick dabei. Zusammen mit Frank "Franky" Nicolovius (ehemals BAJAZZO, STERN-COMBO), Michael Schiemann (früher LIFT) und anderen ist er nun mit besagter Gruppe THE MUSIC BLEND aktiv. Über sie, seine Laufbahn und seinen Freund Egon Linde sprach unser Kollege Christian vor ein paar Tagen mit dem in Berlin wohnenden Musikanten ...

 


 

Seit wann gibt es Deine Band THE MUSIC BLEND?
Seit ungefähr fünf Jahren. Ich entdeckte unseren Sänger Robert Mietzner auf der Bühne, als er als Alleinunterhalter ein Weihnachts-Swing-Programm spielte. Ich fragte ihn einfach, ob er nicht Lust hätte, so etwas in einer Band zu machen. Er sagte, "Na klar, natürlich", und war sofort Feuer und Flamme. Wir jammten ein paar Titel gemeinsam und waren uns einig: "Der ist es."


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The Music Blend


Jetzt sind neben ihm auch noch Leute wie FRANK NICOLOVIUS und MICHAEL SCHIEMANN dabei. Die wurden auch schon bei Deiner Gruppe SONNY & FRIENDS auffällig. Kann es sein, dass diese Herren Deine "Allzweckwaffen" beim Musikmachen sind?
Das ist richtig. Mein Konzept lautet: "Eine Band, zwei Solisten".

Und dann gibt es noch HAGEN KUBASCH, er spielt Saxophon ...
Ja, HAGEN ersetzte ACHIM SCHMAUCH, der leider krank geworden ist. Ich bin gut mit ihm befreundet, wir besuchen uns regelmäßig und HAGEN hat zwischenzeitlich einen festen Stand in der Band gewonnen.

Kommt ACHIM denn noch mal wieder zurück oder sieht es eher nicht danach aus?
Nein, das schafft er kräftemäßig nicht mehr. ACHIM ist wirklich richtig dolle krank, kann auch nur noch schlecht gehen und laufen. Wenn seine Blutwerte stimmen, wartet in diesem Zusammenhang auch noch eine Operation auf ihn. Ich versprach ihm aber für den Fall, dass wir wieder hier in Berlin spielen und er unten dabei sein kann, dass ich ihn für zwei oder drei Titel nach oben auf die Bühne holen werde. Er kennt sie ja alle. Ich hole ihn dann nach oben und wir spielen mit zwei Saxophonen.

Wie seid Ihr auf HAGEN gekommen, war das eine Empfehlung von ACHIM?
Das war recht schwierig. Es gibt hier in Berlin eine ganze Menge guter Bläser, angefangen bei Herrn BICKING, den bekam ich aber nicht (lacht ...). Wie gesagt, es gibt viele gute Bläser, aber die sind alle von Montag bis Freitag in Musikschulen unterwegs. Das ist zwar bei HAGEN auch der Fall, die Frage ist nur, wie der Kollege abkömmlich ist. Die Veranstaltungen laufen bei mir hauptsächlich Freitag, Samstag, Sonntag, manchmal ist aber auch ein Mittwoch oder Donnerstag dabei. Da muss man dann wirklich ganz genau gucken. Ich telefonierte also herum, es gab Empfehlungen und dann stieß ich auf HAGEN. Der bat mich gleich um eine gemeinsame Probe. Das passte sofort und er meinte, er könne das schon irgendwie anpassen, da er auch immer mal wieder als Aushilfe in anderen Bands spielte. Er ist absolut blattsicher und hat so viel Musik im Kopf, der Bursche ... (lacht). Er sagte dann: "Ich bremse das alles aus, bin jetzt fest bei Dir mit drin und fertig."

Und dann gibt es noch einen gewissen LUTZ KRÜGER, der auch noch dazu gehört ...
Richtig! (lacht ...


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Lutz Krüger bei der Arbeit


Du hast ja vor Jahren bei TRANSIT aufgehört, um Dich zur Ruhe zu setzen. Wie kommt es denn dazu, dass Du nun plötzlich doch wieder auf der Bühne stehst?
Na ja, 2009 bekam ich die TRANSIT-Band in der fast Original-Besetzung wieder zusammen. Den Bassisten gibt es leider nicht mehr und wir hatten einen der beiden Hecht-Brüder, MANFRED HECHT, dabei. Da gab es dann ein paar Querelen, MANFRED wollte seinen Bruder mit dabei haben und unser Keyboarder SIGGI SCHOLZ sagte irgendwann: "Ich wohne oben in Born und das ist immer sehr beschwerlich mit dem Hin- und Herfahren." So warf ich dann das Handtuch, machte zwar noch Verträge weiter, hörte in der Band aber erst mal auf. Da sprach mich damals SONNY an, die ich von den fünf Jahren, in denen ich gleich ab 1990 mit meinem Orchester auf den drei deutschen Kreuzfahrtschiffen "Berlin", "Deutschland" und "Arkona" zur See gefahren bin, als Allround-Sängerin im Rock-Pop-Tanzmusik-Bereich kannte. Sie fragte mich, ob wir nicht irgendwie leichten Swing oder Jazz miteinander machen wollen. Das kam mir total entgegen, weil mein Papa als Pianist früher die Dinger alle mal gespielt hatte. Ich hatte diese Musik also noch im Ohr. Mit SONNY und zwei weiteren Kollegen gründete ich dann SONNY & FRIENDS und wir arbeiteten uns in dieser Formation langsam nach oben. Irgendwann später stieß dann ROBERT dazu und so entwickelte sich - wie gerade schon erzählt - ein völlig anderes Programm.

Ihr brachtet jetzt einen Live-Mitschnitt als CD auf den Markt. Das ist eine super Idee, Ihr bedient nämlich Sachen, die man so im Original leider nicht mehr live sehen kann: MANFRED KRUG, ROGER CICERO, FRANK SINATRA - alle schon verstorben. Ihr lasst sie wieder leben. Man kann ja eine Band aufziehen, die eigene Sachen macht, aber man kann auch so etwas auf die Beine stellen. Wie kam es dazu?
Also eigene Sachen zu machen, wäre möglich gewesen, weil ROBERT MIETZNER so etwas ja in seinem Solo-Projekt KLAKA BOSKO macht. Er macht dort zwar Pop-Musik, aber eben keine Swing-Pop-Musik. Ich kam darauf, weil wir einen CICERO-Titel in der Probe hatten und ich fand, dass er diesen Song sehr gut bedienen konnte. Ich sehe u.a. auch, was zum Beispiel TOM GAEBEL macht. Das ist auch Swing-Pop. Ich sah ihn schon mit großem Orchester oder auch mit einer Band. Uns ist daran gelegen, unsere musikalische Richtung - diese Swing-Jazz-Pop-Schiene - möglichst mit deutschen Texten zu versehen, damit die Leute es auch verstehen. Man kann in den Titeln so viel Message an die Leute rüberbringen, was ROBERT auch sehr gut macht. Uns macht das einen riesigen Spaß und das bekommen die Leute auch mit, denke ich. Ja, ich denke, diese Richtung ist genau gut und es ist richtig so, wie wir das machen ..

Es gibt auch einen Videoclip im Netz, in dem das Publikum zu sehen ist wie es von Eurem Vortrag ziemlich angetan ist. Werdet Ihr direkt als Band für Mugen gebucht, für die das Publikum extra kommt, oder seid Ihr eher ein Unterhaltungsprogramm bei Stadt- oder Hafenfesten, wo die Leute am Bierstand das abfeiern, was gerade auf der Bühne steht?
Das ganze Booking mache ich ja und ich habe mittlerweile gute Veranstalter, die in jedem Jahr anfragen, ob wir dann und dann noch frei sind und ob wir etwas machen können. Das mache ich dann schon. Neuerdings gibt es auch ein paar Agenturen, die sich dafür interessieren. Wir sind zum Beispiel demnächst beim Jazzfest in Ahrenshoop. Das geht über eine Berliner Agentur. Die Kurverwaltungen machen das nicht mehr, es ist wahrscheinlich zu viel Arbeit. Dort machen wir am Freitag den Opener auf der großen Bühne und freuen uns schon riesig. Das ist natürlich ein Highlight. Oder auch das Elbhang-Festival in Dresden ist ein riesengroßes Event, zu dem auch viele Leute kommen. Auch das lief über eine Agentur, aber ich brachte mich natürlich mit ein und bemühte mich auch darum.


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Das aktuelle Album von The Music Blend. Rezension HIER


Wir sprachen gerade darüber, dass Ihr Sachen anderer Künstler spielt und Du sagtest, es gäbe auch die Möglichkeit, eigene Lieder zu machen. Ist es denn geplant, dass Ihr mit dieser Band auch eigene Lieder macht und in dieses Repertoire einbaut, oder wollt Ihr quasi eine Revival- oder Tribute-Band bleiben?
"Tribute" ist richtig, das ist klar. ROBERT hatte schon einige Eigenkompositionen vorgestellt, von denen wir sagten, dass sie zu uns passen würden. Das müsste natürlich noch entsprechend bearbeitet werden. Wir fassen zum Beispiel auch andere Dinge ins Auge: Ich hatte eine Idee und bat die Jungs, sich mal Gedanken über Sachen, die aus den 30er bis 40er Jahren stammen, zu machen. Oder Pop und Rock neueren Datums wie Andreas Bourani oder Lieder wie "Haus am See" - auch solche Dinge könnte man umarrangieren und es in unserer Swing-Jazz-Pop-Form spielen. Das wäre also eine Idee, mit der wir auch jüngeres Publikum erreichen könnten und für uns wäre es ein großer Reiz, das Ding mal umzubauen und einfach mal was anderes zu machen. SASHA zum Beispiel ist ja auch ein Allround-Sänger, der schon ein Programm hatte, in dem seine eigenen Songs ganz anders gespielt wurden. Auch bei diesen "Tausch-Konzerten" im TV erlebte ich ihn schon ganz anders. Eine sehr interessante Sache, weil er sich auch nicht festnageln lässt und wenn man erst sein Publikum hat, kann man ihm auch verschiedene Dinge anbieten ...

Du bist ja eigentlich ein TRANSIT-Musiker und gehörtest schon vor dem 2009er Comeback zu ihrer Geschichte. Wann warst Du bei TRANSIT und wie kamst Du damals dazu?
Von 1974 bis 1978 machte ich an der Friedrichshainer Musikschule in Berlin meinen Abschluss und spielte bis 1980 bei SCIROCCO. Der Manager von TRANSIT kannte mich wohl von SCIROCCO und nervte mich, so nach dem Motto: "Mensch, komm' doch mal zu uns rüber." 1980 konnte er mich dann überzeugen, TRANSIT hatte größere Sachen mit Eigenkompositionen vor und es gab Gespräche in Richtung Schallplatten-Produktion usw. Ich hatte gerade noch mit den SCIROCCO-Leuten "Mexican Girl" und "Oh Carol" von SMOKIE nachproduzieren dürfen, was eine schöne Aufgabe war, und dann kam ich 1980 zu TRANSIT. Von da an ging es eigentlich richtig steil nach oben und wir machten unheimlich viele Lieder ...

Es ist ja immer wieder die Rede davon, dass Ihr die beliebteste LINDENBERG-Coverband gewesen sein sollt, obwohl Ihr gar keine Coverband wart ...
Gar nicht, in keinster Weise. Als ich 1980 einstieg, hatten wir sogar noch "The Dark Side Of The Moon" vom PINK FLOYD im Programm und spielten die Hälfte dieser Scheibe im Live-Konzert. Das wandelte sich als EGON LINDE sagte, "Nein, wir sind Deutsche und wir machen deutsche Musik." Der UDO LINDENBERG gefiel uns allen gut, also wollten wir in diese Richtung gehen. Die Titel, die SIGGI schrieb, waren alle in Deutsch, "Ich fahr an die Küste", "Der Junge sitzt am Ufer" und diese Sachen. Das waren bzw. sind alles schöne Lieder und so beerdigten wir "The Dark Side Of The Moon", und bewegten uns in die Richtung Deutsch-Rock bzw. Deutsch-Pop.

Wie hast Du die Zeit bei TRANSIT erlebt? Wie wart Ihr medial und live im Land unterwegs? Gibt es irgendwelche Geschichten, die Du heute noch im Kopf hast, von denen Du sagst "Ja, das war's damals ..."?
Eine ganz lustige Geschichte war, als wir ein Foto machten, welches in der Jugendzeitschrift "neues leben" erschien.

Das berühmt-berüchtigte Herbert Schulze -Foto mit dem Barkas?
Ja, genau. Das Foto entstand an einer Autobahn, das Auto vor dem wir standen, war schmutzig und so "rutschten" zwei Buchstaben beim Länderzeichen weg. Am Ende hieß es plötzlich, "Es ist ein Kennzeichen ‚D' und keines der ‚DDR'." Der erste Eindruck in der Zeitung war tatsächlich so. Dann gab es erst mal einen Stopp. Wir mussten antreten, ob wir das absichtlich gemacht hätten. Wir konnten aber anhand des Fotos belegen, dass das Zeichen wirklich nur verschmutzt war. Aber es gab Ärger damit und es war letztlich eine lustige Sache ...


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Gruppe TRANSIT - Das "Skandalfoto"


Wie ergab sich das ganze Musikalische? Warst Du in den kreativen Prozess eingebunden oder gab es ein festes Kompositions- und Texter-Team bei Euch?
Daran waren wir alle beteiligt. Zum Beispiel hatten wir 1983 die "Störtebeker-Suite" im Kopf. EGON kam an mit dieser Idee, SIGGI war derjenige, der für die Texte zuständig war. Dann schlossen wir uns 14 Tage in der Langhansstraße ein und nach diesen 14 Tagen war die Suite fertig. Jeder trug etwas dazu bei, der Bassist und ich kümmerten uns um die Rhythmik dieser Lieder. Wir hörten hin, was gespielt wurde und sagten, "Dazu machen wir dies" oder "Dazu machen wir das." Es sollte letztlich ja auch eine runde Sache mit Prolog und Epilog sein und das Leben von Klaus Störtebeker liedhaft und rockig dokumentieren. Wir beiden saßen also manchmal ganz allein, bastelten an Rhythmen, dann kamen die anderen beiden wieder dazu und schon war wieder ein Lied fertig. So kam es, dass innerhalb von 14 Tagen acht Lieder fertig waren ...

War das pauschal so oder nur bei diesem Album?
Das war eigentlich immer so. Wenn wir Proben hatten, hatte jeder seine Sachen vorbereitet, anschließend gingen wir wieder nach Hause und schliefen noch mal drüber. Vielleicht so, wie es auch die BEATLES gemacht haben, würde ich mal sagen (lacht ...). Zumindest das letzte Album "Get Back". Dieses Album entstand ja in ähnlicher Weise. Zu Hause überlegten wir alle, wie man es angehen könnte, und am nächsten Tag wurde das Ganze rund gemacht. Diese Kreativität machte damals richtig viel Spaß ...

Ich hatte Dich ja auch gerade nach besonderen Momenten gefragt: Ihr habt viel live gespielt, wart kreuz und quer durch die DDR unterwegs ...
Von Kirchturm zu Kirchturm, kann man sagen ...

Ging es denn auch mal raus aus dem Land?
Nein, waren wir nicht. Wir reisten innerhalb der DDR umher. Von dem damaligen Management gab es auch keine Anregungen, sich vielleicht mal an einem polnischen Festival oder ähnlichem zu beteiligen. Nein, das war nicht der Fall. Die FDJ und die "Oberen" hatten damals andere Ideen und als das mit dem "Sonderzug nach Pankow" kam und wir nicht gewillt waren, deshalb bestimmte UDO LINDENBERG-Titel nicht mehr zu spielen, gab es den Daumen nach unten.

Genau, es gab ja diese Geschichte mit dem "Sonderzug nach Pankow" von UDO LINDENBERG. Damit fiel er komplett in Ungnade bei den DDR-Obrigen und Ihr als Band, die LINDENBERG-Titel spielten, gleich mit. So steht es zumindest in Eurer Biographie. Ihr hattet ja gar keinen Einfluss darauf, was LINDENBERG machte, aber Ihr wart quasi mitgehangen mitgefangen ...
Das kann man so sagen. Es wurde an uns herangetragen, bei bestimmten Konzerten die LINDENBERG-Titel wegzulassen. Nun hatten wir ein 90-minütiges Programm, welches wir geteilt hatten: Wir begannen mit ausgesuchten LINDENBERG-Titeln, die gut spielbar waren und den Leuten von den Texten her auch gefielen. Der zweite Teil war dann ein reines TRANSIT-Programm. Den ersten Teil sollten wir also möglichst weglassen und das gefiel EGON gar nicht. Und da er ein Küstenmensch ist, ging er mit dem Kopf ein wenig durch die Wand. Es hieß ja auch, es hätte eine zweite Langspielplatte folgen können, das klappte dann natürlich auch nicht mehr, obwohl wir genügend Material gehabt hätten. Es ging dann nicht mehr weiter und wir merkten auch, dass die über die Konzert- und Gastspieldirektionen sowie die Künstleragentur der DDR organisierten Veranstaltungen immer weniger werden. Es gab kaum noch Aufträge ...

War das auch ein Grund für Dich, zu sagen: "Bis hier her und nicht weiter"?
Es war mit ein Grund. Der Bassist stieg vor mir aus, um eine eigene Sache zu machen, was allerdings nicht so klappte, wie er es sich vorstellte. Ich spielte dann noch mit einem anderen Bassisten bei TRANSIT, aber die Gemeinschaft war plötzlich einfach weg. Diese vielen Jahre, die wir gemeinsam in Hotelzimmern verbrachten, die wir reisten, die langen Autofahrten, das schweißt zusammen. Genau das war auf einmal weg und der Bassist konnte das nicht auffangen. Logisch. Das fehlte auch mir sehr.


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Gruppe TRANSIT - Autogrammkarte aus den frühen 80ern


Dabei hattest Du ja aber mit dieser Fluktuation, die Musiker betrifft, bei TRANSIT überhaupt nicht so viel zu tun. Das war bei SCIROCCO völlig anders, da kam ja morgens ein Musiker, der am Abend schon wieder weg war ...
Richtig (lacht ...). Also bei SCIROCCO hatten wir einen festen Stamm von drei Berliner Musikern und während meiner zwei Jahre war es recht stabil, aber danach ging es - wie vorher auch - wieder holterdiepolter.

Wann hast Du TRANSIT verlassen?
Zu Silvester 1980 stieg ich ein und Ende 1986 stieg ich bei TRANSIT wieder aus. Ich spielte dann ein Jahr in einer Pop-Band gemeinsam mit LIPPI, TINA und GERD CHRISTIAN. Dann gab es die "GERD CHRISTIAN-Show", es war Pop-Musik, die bis zum Schlager runter ging.

Hatte diese Band einen Namen?
"Die BALLHAUS-KINGS" ... (lacht)

Das war also die Begleitband von LIPPI?
Ja, so in etwa. Mit den BALLHAUS-KINGS machte ich dann weiter und ich hatte das große Glück, dass noch zwei Musiker von FRITZENS DAMPFERBAND zu mir kamen. Wir waren eine Sieben-Mann-Band: eine Sängerin, ein Sänger und fünf Musike, und mit dieser Band waren wir auch von Kirchturm zu Kirchturm unterwegs. Aber das waren dann eher so die Schlager-Pop-Sachen. Natürlich machten wir auch Programmbegleitungen und waren mit allen möglichen Leuten gemeinsam unterwegs. Das ging bis knapp zur Wende heran und dann war Ruhe, weil niemand mehr Musik haben wollte. Ich tourte dann ein halbes Jahr durch die "Wessi-Länder", kam mit einem vollen Kalender zurück und hatte keine Band (lacht ...). Von 1990 bis 1995 waren wir dann als Kurorchester u.a. auch auf Kreuzfahrten, auf Sylt und natürlich auch bei Galas. Das war eine gute Schule, ich lernte viele Solisten wie zum Beispiel FRANK ZANDER kennen. Es stiegen immer wieder andere Leute zu, auch aus Amerika, und die begleiteten wir alle.

Mit wem spieltest Du denn da zusammen? Waren das bekannte Kollegen?
Nein, nicht unbedingt. Der Pianist ERWIN BÖHMANN spielte dort mit, mit dem ich vorher bei EXPRESS war. Und SONNY war dabei, mit der später dann SONNY & FRIENDS entstand. Die anderen Musikanten waren eigentlich nicht bekannt. Übrigens: Wenn ERWIN Musik von Franz Liszt spielte, waren wir mucksmäuschenstill. Aber das war meistens immer nur eine Zugabe nach Feierabend ...


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Lutz trommelt


Da kamst Du ja weit in der Welt herum ...
Ja, in diesen fünf Jahren ging es um den halben Erdball. Von der Karibik, über Mexiko bis nach Brasilien runter und das Mittelmeer sowieso. Aber dennoch: Noch mal machen würde ich es nicht wollen, denn ich hatte immer Heimweh nach meiner Familie. 1995 ging ich dann runter vom Schiff, es gab zwei Ehescheidungen während der fünf Jahre und da sagte ich: "Das lohnt sich nicht mehr, das bringt es nicht." Und der Job wurde dann auch finanziell immer schlechter bezahlt. Die Polen waren wieder da, die Tschechen waren wieder da, und die machten das zu Dumping-Preisen. Deshalb sagte ich zu den Jungs: "Kinder, sucht Euch Jobs, wir machen das nebenbei!" Das ging nicht und zu dieser Zeit wurde ich auch noch alleinerziehender Papa und musste also meinem Töchterchen ein Zuhause bieten. Und so war ich dann 15 Jahre für die Industrie als Vertreter unterwegs, was übrigens auch sehr interessant war. Ich muss sagen, dass ich durch die Akquise sehr viel lernte. Also wenn ich nun klingle, will von Herrn Direktor eine Mugge haben und die Vorzimmerdame lässt mich nicht an den Direktor ran, dann weiß man schon, wie man das umgeht ... (lacht).

Womit hast Du denn gehandelt?
Ich war für BOSCH-SIEMENS in Sachen "Weiße Ware" unterwegs. Hier im Raum Brandenburg-Uckermark hatte ich meine Händler und betreute sie über die Jahre.

Jetzt hatte man über Jahre einen kreativen Job. Man hat Musik entstehen lassen, man hat Musik gespielt, man hat hier und dort auf der Bühne gestanden. Man war quasi sein eigener Chef und fängt plötzlich an, Waschmaschinen zu verkaufen. Ist man nach einem Wechsel bei solch einem Job mit Herzblut dabei oder macht man den einfach nur, um Geld zu verdienen?
Das ist eine gute Frage. Es gab eine zwingende Notwendigkeit, Geld zu verdienen, das ist Fakt. Die Musik hat mir immer gefehlt, das selbst Musikmachen fehlte mir. Neulich unterhielt ich mich auch mit meiner Tochter und ich sagte zu ihr: "Ich nahm mich einfach 15 Jahre zurück, in denen ich hätte weiter kreativ sein können." Das ist schwierig, es war eine Gratwanderung ...

Und dann kam die Geschichte mit der TRANSIT-Wiedervereinigung. Da gibt es diese lustige Geschichte, die wir im Interview mit EGON LINDE ein wenig mit anstießen: Man könne doch den "Ost"- und den "West-LINDENBERG" gemeinsam auf die Bühne bringen. Woran ist das eigentlich letztlich gescheitert, warum hat das nicht funktioniert? Wir hatten ja schon alles angerührt ...
(lacht ...) Es blieb in der Halbherzigkeit hängen. Der "West-LINDENBERG" war letztlich HANNES BAUER, der Gitarrist von UDO. Er hat ein Orchester, ein Trio. Nämlich das ORCHESTER GNADENLOS. Die wurden für ein Konzert auf der Bühne in Biesdorf eingekauft und dazu wurde auch TRANSIT geholt. Das war tatsächlich unsere allererste Mugge nach fast 20 Jahren oder noch länger. Das war wirklich ein Hammer. HANNES BAUER und sein Orchester waren da und sie waren tatsächlich die Vorband von uns, das glaubt man gar nicht ...

Aber die vorgesehene Zusammenkunft mit UDO LINDENBERG hat nicht geklappt ...
Nein, das fand nie statt. Wir kamen nie an sein Management heran. Ich schrieb damals, versendete CDs, aber von dieser Seite kam gar nichts. Nicht mal, dass es aus Termingründen nicht ginge oder UDO kein Interesse hätte. Es kam leider gar nichts. Außer, dass der Veranstalter von der Biesdorfer Bühne HANNES BAUER heran bekam. Mit ihm hatten wir auch danach noch ein freundschaftliches Verhältnis und wir waren dann noch beim dreitägigen "LINDENBERG-Treffen" in Eisenacher "Schlachthof" dabei. Da hoffte ich, dass er vielleicht käme. Die "Rockliner" belagerten Eisenach, die Stadt lebte nur von langen Mänteln, Hüten, Brillen und nuschelnden Menschen. Das war Wahnsinn. Die Veranstaltung war natürlich super. Eine der Bedingungen war, dass jede dort auftretende Band mindestens einen LINDENBERG-Titel spielen musste, das fiel TRANSIT nicht so schwer ... Eine wirklich schöne Veranstaltung. Dort lernten wir auch Eddy Kante kennen, zu diesem Zeitpunkt war er noch mit UDO liiert, der Streit zwischen ihnen kam erst später. Eddy erzählte dann, dass UDO grüßt und es wurde ein Film eingespielt, in welchem UDO seine "Rockliner"-Jungs grüßte und äußerte, dass er leider nicht könne, aber Eddy geschickt hätte ... (lacht)


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Egon Linde


Hattest Du eigentlich zwischen Deinem Ausstieg bei TRANSIT im Jahr 1986 und der Reunion im Jahr 2009 weiterhin Kontakt zu EGON LINDE oder war der abgebrochen?
Zu EGON hatte ich ständig Kontakt. Er war über viele Jahre einer meiner Freunde und er fragte mich auch immer mal wegen irgendwelcher Sachen, zum Beispiel, ob ich einen Drumcomputer programmieren könnte, weil er zu dieser Zeit auch noch Film- und Theatermusiken machte. Er war nach der TRANSIT-Zeit von der Musik noch nicht weg, erst im Jahr 2000 hörte er komplett auf.

Warst Du auch an der CD "Über's Meer" von TRANSIT im Jahre 2011 aktiv beteiligt oder warst Du da schon wieder weg?
Ich spielte fast alles ein, was damals aktuell war. Nachdem ich 2011 ausgestiegen war, blieb ich immer mit EGON in Kontakt, auch was das Management betraf. Rein musikalisch steuerte ich dann aber nichts mehr bei und sagte EGON immer: "Du hast eine Band, Du hast einen Drummer, Du hast einen Bassisten, EGGE SCHUMANN spielt die Keyboards - das ist eine gute Mannschaft! Macht doch mal etwas live oder auch im Studio!" Aber EGON war in seinem Wohnzimmerstudio und machte dort diese Sachen allein. Mit SIGGI SCHOLZ als sehr kreativem Musiker, der viele der Hits selbst schrieb und textete - die ich auch sehr gut fand - hätte ich sehr gerne nochmal gearbeitet. Als wir die Reunion starteten, sagte ich: "Kinder, lasst uns diese Titel, die die Leute hören wollen, lasst uns die richtig schön aufpeppen." So wie auch KARUSSELL teilweise ihre Songs nach vorne schoben und veränderten, das war mein Vorschlag. Aber damit drang ich leider nicht durch ...

Die beiden letzten TRANSIT-Studioalben "Durch's Leben" und "Der Weg" - zu dieser Zeit warst Du ja auch organisatorisch schon raus - waren ja inhaltlich gut, aber handwerklich wirklich schlecht. Das kann man nicht anders sagen.
Ja, das fand ich auch ...

Es hatte mit TRANSIT nicht mehr wirklich etwas zu tun. Hattest Du denn nicht versucht, auf EGON einzuwirken und zu sagen "Lass' das sein, hör' doch auf damit"?
Mehrfach. EGON war ja mit seinem Schiff mehrere Jahre als Skipper über das Mittelmeer in die Karibik unterwegs und führte dabei akribisch Logbuch. Dieses Logbuch schickte er mir und ich wollte ein Solo-Programm mit ihm machen. Ich hatte sogar schon einen Lektor zum Querlesen und und und ... Ein kleines Büchlein unter dem Motto "Ein Skipper erzählt - Musikalische Reise" Das war meine Idee, aber ich kam da einfach nicht weiter. Alle sagten "Mensch Egon, mach' das!", aber er meinte: "Nein, ich will meine Band ..." Das wäre so gut geworden, wir hätten mit Beamer seine tollen Fotos aus der Karibik zeigen können und er konnte so viel davon erzählen. Dieses Logbuch habe ich noch zu Hause, eigentlich müsste aus diesem tollen Material ein Buch entstehen.

Lässt sich das vielleicht nachträglich noch machen?
Dann müsste ich mit seinem Sohn Kai sprechen oder mit seinem jüngsten Sohn Egon. Dass er mir das damals einfach schickte, war in Ordnung, aber nun wäre es natürlich urheberrechtlich eine ganz andere Sache. Und ich müsste auch seine Frau Silvia fragen, ob sie das überhaupt möchte.

Die letzte Zeit von EGON hier auf Erden hast Du sehr nah erlebt. Das war sicher nicht so schön ...
Nein, das war nicht schön. Es ging ja immer weiter bergab, es gab dann auch keine Veranstaltungen mehr. Ich hatte noch jemanden gefunden, der das Organisieren von Muggen etwas übernommen hatte, aber eben auch alles sehr regional. "Zimmer 16" in Berlin und solche kleine Locations mit 20 oder 30 Leuten. Aber die spielte EGON auch, ums Geld ging es ihm nicht. Dann ging es allerdings immer weiter bergab und die Jungs erzählten mir: "Er kommt gar nicht mehr raus, geht mit seiner Klampfe auf die Bühne, spielt und verschwindet sofort wieder." Die Konzentration war einfach weg und es kam immer öfter zu gewissen Ausfällen. Texte und Tonarten wurden verwechselt, solche Dinge. Die Kollegen meinten dann zu mir: "Mach' da mal nichts mehr." Und so machten wir auch nichts mehr. Ich besuchte ihn oft in Schöneiche, nicht weit von mir. Er machte seine Spaziergänge, aß ganz schlecht und wurde immer dünner. Dann kamen die Ausfälle, dass er öfter stürzte. Mal war das Bein gebrochen, mal war der Kopf gestoßen. Es war seiner Schwäche geschuldet und die Demenz schritt langsam immer weiter voran. Bis es dann irgendwann so weit war, dass er niemanden mehr erkannte. Es tat mir so weh, wenn er ganz freundlich und höflich - EGON war kein aggressiver Typ - zum Abschied zu mir sagte: "Kommen Sie gut nach Hause, ich wünsche Ihnen eine gute Reise."


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Lutz Krüger


Er möge in Frieden ruhen, da wo er jetzt ist, soll es ihm besser gehen ...
Du, er ist jetzt vielleicht da oben mit allen zusammen, mit denen er zusammen sein wollte. Ich weiß es nicht, aber lassen wir ihn da oben spielen, das ist schon gut. Sein Leben war Rockmusik, EGON war ein introvertierter und sehr interessanter Mensch. Sozial vielleicht nicht so unbedingt, wie man es von anderen Kapellenleitern kennt.

Auf jeden Fall werden sich dort oben zwei getroffen haben, nämlich auch Euer größter Bewunderer und unser Freund "Kundi". Er war ja der größte TRANSIT-Fan, den ich kannte, die beiden werden da oben mit Sicherheit schon die eine oder andere Mugge zusammen erlebt haben ...
Das denke ich mal. Ich habe "Kundi" mehrmals bei unseren und auch bei anderen Konzerten getroffen, ich freute mich immer. Er war ein herzensguter Mensch, er war sozial, er war einfach ein Mensch. Die beiden können sich nun über vieles unterhalten, das ist in Ordnung.

Du hast inzwischen auch Deine Agentur "BAND LIVE präsentiert LiveBands" ...
Ja, aber es ist keine direkte Agentur in dem Sinne, mit der ich kostentüchtig abzocken könnte. Ich spreche lediglich Empfehlungen aus.

... und da ist das - ich sage mal - "größte Zugpferd" die MODERN SOUL BAND, die Du auch vermittelst ...
Wenn ich kann, ja. Ich biete sie immer an. Ich wollte MODERN SOUL und uns schon gemeinsam auf die Bühne bringen, aber das funktionierte finanziell leider nicht. Es hätte gut gepasst. Wir machen das in Deutsch und sie machen ihren Bluesrock mit Bläsern. HUGO LAARTZ ist ein Freund von mir und ich schätze ihn sehr.

Ich drücke Dir für alle Deine Projekte und alles, was Du da machst, die Daumen und dass es auch noch etwas weiter geht. Und vor allem wünsche ich mir, dass es noch eine neue CD von Deiner MUSIC BLEND-Geschichte geben wird, denn das erste Album hat wirklich Spaß gemacht!
Darüber sprachen wir schon. Die Frage ist noch, ob es eine Live- oder eine Studioproduktion wird. Material wäre vorhanden und wir könnten das im Herbst/Winter durchaus angehen. Mal sehen ...

Nur zu!
Alles klar ... (lacht)



Interview: Christian Reder
Übertragung: Mike Brettschneider
Fotos: Lutz Krüger privat, Music Blend PR, Gundolf Zimmermann, Herbert Schulze



   
   
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