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Interview vom 11. Märt 2022



Er ist die eine Hälfte der seit ein paar Jahren nur noch als Duo auftretenden Gruppe MTS. Seit dem Ausstieg von Mike Schafmeier im Jahre 2015 bildet Frank Sültemeyer dieses Zweiergespann zusammen mit Thomas Schmitt und beide sind mitten in den Planungen für das 50-jährige Jubiläum des Lied-Kabarett-Ensembles im kommenden Jahr. Doch vorher hat Frank seinem alten Kumpel und einstigen Band-Kollegen Mike posthum einen Herzenswunsch erfüllt. Mike wollte immer ein eigenes Album mit den von ihm in seiner Karriere gesungenen Liedern haben. Zu Lebzeiten Mikes hat das nicht mehr geklappt, seit Anfang März, also zwei Jahre nach seinem Tod, ist es nun im Handel erhältlich (CD Vorstellung siehe HIER).001 20220316 1353175489 Dies war eins der Themen, die unser Kollege Christian in einem Gespräch mit Frank Sültemeyer in der vergangenen Woche besprochen hat. Aber auch woher Frank damals zu MTS kam, was er davor und nebenher noch so gemacht hat und wie weit die Planungen zum Fuffzichsten der MTS-Kapelle schon sind, wurde besprochen ...

 


 

Du hast auf Deinem eigenen Label als Schirmherr eine neue CD veröffentlicht. Die Scheibe heißt "Der wahre letzte Kunde" und enthält von Mike Schafmeier gesungene Lieder. Wie kam es denn dazu?
Das ist eine ziemlich lange Geschichte, die ich auch im Booklet der CD niedergeschrieben habe. Mike war ja lange Zeit bei SILLY. Ich lernte ihn kennen, noch bevor er zu MTS kam. Und nach der Wende habe ich dann mit ihm zusammen bei MTS gespielt. Wie wir ja wissen, hat Mike auch gesungen. Die Lieder wurden immer extra für ihn geschrieben, quasi auf ihn und seine Art zu singen zugeschnitten. Wann Mike seine Lieder live machen konnte, hing immer davon ab, wie MTS gerade aufgestellt war. Eines Tages kam Mike auf mich zu und meinte, er wolle seine Lieder mal etwas schicker machen. Also mit Musik drumherum, mit gutem Sound, es sollte einfach klangvoller klingen. Mike hatte jede Menge Ideen, steuerte auch die Texte dazu bei und wollte noch weitere neue Songs machen. Da ich zu der Zeit ein eigenes Tonstudio hatte, fragte er mich halt, ob wir das zusammen machen könnten. Ich stimmte zu und so entstand die Idee, dass wir uns zunächst die MTS-Titel vornehmen, dann aber auch neue Titel schreiben. Es kam leider nur zu dem einen Song "Die Kneipe" und dann ging leider nichts mehr. Das Ganze zog sich vorher ohnehin schon über mehrere Jahre hin. Mike ließ sich immer wieder Zeit, da er ja auch nicht mehr sonderlich belastbar war.

Du sagst, auf der CD sind u.a. die Lieder, die er auch bei MTS gesungen hat. Die findet man aber nur auf dieser CD, oder wurden die vorher schon in den Versionen auf den MTS-Alben veröffentlicht?
"Die Spinne" wurde 1:1 übernommen von der MTS-Maxi CD "Die Vierfalt" aus dem Jahr 1994. "Wettermän" ist ebenfalls übernommen worden, und zwar von der 1998er CD "Radio MTS". Zwei weitere Nummern stammen vom Album "Stammtisch". Und den Rest kennt man von MTS-Live-Alben, aber eben nur von Gitarre begleitet. Mike wollte diese Songs jedoch als Studioaufnahmen haben, so dass wir sie neu produzierten. Eine Ausnahme bildet lediglich "Die Kneipe", der vorher nirgendwo erschienen ist. Ich habe die Nummer geschrieben, der Text stammt von Werner Karma.

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Und Ihr habt diese ganzen Songs zu zweit gemacht? Also Mike hat gesungen und du hast die Instrumente eingespielt?
Kurz und knapp: Ja. Da Mike nicht mehr genug Kraft hatte, selber Schlagzeug zu spielen, haben wir gemeinsam die Schlagzeugparts programmiert und die jeweiligen Sounds so festgelegt, wie Mike sich das vorstellte. Das Einspielen der Gitarren und des Pianos ist alles manuell erfolgt. Bei den Gesängen war Thomas Schmitt noch als Backgroundsänger dabei, weil wir manche Songs zwei- oder gar dreistimmig haben wollten. Bei "Die Kneipe" waren unsere Freunde von der Band HASENSCHEISSE aus Potsdam dabei, und zwar haben sie beim Refrain mitgesungen, damit das Ganze etwas voller klingt.

Wie Du eben schon erwähnt hast, zog sich das alles ein bisschen in die Länge. Wann habt Ihr denn ungefähr angefangen mit den Neuaufnahmen?
Na ja, "Die Kneipe" ist bereits 2013 fertig gewesen. Und der Rest zog sich über die nächsten vier, fünf Jahre hin. Zum Teil ruhte es ein Dreivierteljahr, bis es weiterging, weil… Mike war einfach nicht dazu in der Lage. Er war nicht mehr gesund, war manchmal nur schwer zu motivieren weiterzumachen. Manchmal gelang es mir, ihn wieder für ein Stückchen Arbeit an den Songs zu gewinnen, aber es war schon echt schwierig. Eigentlich wollten wir das Projekt auch schon aufgeben, aber trotzdem hatten wir es bis zu seinem Tod fertig und haben es jetzt in seinem Sinne zu Ende produziert, gemixt und letztendlich veröffentlicht.

Gab es einen besonderen Grund, warum die CD ausgerechnet jetzt, am 1. März, erschienen ist?
Das ist auch wieder eine besondere Geschichte. Wir hatten die CD eigentlich schon zu seinem 70. Geburtstag fertig. Das war am 5. Dezember 2019. Zu diesem Anlass brachten wir Mike eine Art Update des Albums mit und wollten es auch gleich rausbringen, aber da funkte uns dann Corona dazwischen. Alles lag flach, wir konnten mit MTS nicht mehr auftreten und die Platte entsprechend promoten. Also haben wir den Zeitpunkt der Veröffentlichung verschoben. Außerdem hat sich auch manches andere hingezogen, zum Beispiel die Sache mit dem Grafiker und dem Booklet. Grundsätzlich aber war geplant, die CD zu Mikes 70. auf den Markt zu werfen.

Du hast schon mehrfach erwähnt, dass Mike zum Schluss gesundheitlich mächtig angeschlagen und nicht mehr wirklich belastbar war. Das war ja auch der Grund, weshalb er bei MTS ausgestiegen ist. War sein Rückzug von der Bühne vielleicht auch mit ein Grund dafür, dass es danach so schnell bergab ging mit ihm?
Ich will es mal so sagen: ich konnte ihn noch überreden, seine Abschiedstour 2015 mitzumachen, zumal da auch ein neues MTS-Album erschien. Denn eigentlich sagte er mir bereits im Sommer 2014, dass er nicht mehr will. Mike bekam selber mit, dass etwas nicht stimmte, dass er sich keine Texte mehr merken konnte usw. Dennoch konnte ich ihn wie gesagt überreden, die Tour 2015 noch mitzuspielen, was ein Wahnsinn war, denn da hatten wir von Januar bis März 30 Auftritte. Direkt danach, nämlich gleich am 1.April, stieg er dann bei MTS aus. Ob er danach nun tatsächlich so abgebaut hatte oder ob die Krankheit auch vorher schon so weit fortgeschritten war, kann ich nicht sagen.

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Wir reden hier von Demenz, richtig?
Ja, das stimmt, aber es kamen bei Mike noch einige andere Krankheitsbilder dazu, die man nicht haben will oder muss, ohne dass ich jetzt an dieser Stelle näher darauf eingehen will. Auf jeden Fall hatte er nach seinem Ausstieg 2015 bis zu seinem Tod 2020 kaum noch Lust auf irgendetwas. Er wollte ursprünglich noch ein wenig schreiben und auch immer noch etwas Musik machen, aber er war nach und nach immer weniger fähig dazu und auch nicht mehr motiviert. Thomas und ich besuchten ihn auch nach seinem Ausstieg ganz oft, und ich habe bei MTS-Gastspielen in Dresden immer bei ihm und seiner Frau geschlafen. Aber es war sehr schwer mitanzusehen, wie er nach und nach immer mehr abbaute und die Krankheit an ihm nagte. Dazu kam natürlich das Nichtstun und die fehlende Bewegung für den Geist. Seine Frau Martha hat zu jeder Zeit alles für Mike getan, aber gegen diese Krankheiten bist Du machtlos. Am Ende war es sicherlich, so blöde es klingen mag, für alle Seiten das Beste, dass er gegangen ist.

008 20220316 1718315731Umso schöner ist es, dass jemand sein Werk zusammengetragen und diese CD herausgebracht hat. Dafür muss man Dir wirklich Danke sagen, auch in Mikes Namen. Aber nun kommen wir mal zu Dir. Du bist unseren Lesern ja als dritter bzw. jetzt als zweiter Mann bei MTS bekannt. Wie bist denn Du zu MTS gekommen? Ich erinnere mich, als damals der Herbert Treichel starb, kamst Du plötzlich relativ geräuschlos in die Band und warst einfach da.
So geräuschlos war das alles gar nicht. Dass ich bei MTS gelandet bin, hat nämlich direkt mit Herbert Treichel zu tun. Jetzt muss ich aber etwas weiter aushalten und auch ins Private reingehen, um die Frage beantworten zu können. Ich selber stamme aus Lutherstadt Wittenberg. Und in der DDR gab es ja damals die sogenannte FDJ-Singebewegung mit den Singeklubs und den Singeklub-Werkstätten. Nun gehörte Wittenberg zum Bezirk Halle, wo es wiederum einen Singeklub aus Roßlau gab. Und in Roßlau verliebte ich mich in ein hübsches Mädchen, was ich dann aus den Augen verlor, aber kurz darauf wieder traf. Sie meinte, sie wäre jetzt mit einem Mann zusammen, den ich nicht kannte, über den ich dann jedoch herausfand, dass er der Gitarrist von MTS war. Damals tourten die gerade mit ihrem ersten Album quer durch die DDR. Zwischenzeitlich war ich bei der Armee, studierte anschließend Musik an der Hanns-Eisler-Musikhochschule in Berlin, wo im Sommer 1983 irgendwo in der Rigaer Straße plötzlich ein Polski Fiat mit quietschenden Reifen vor mir hielt und diese Frau aus dem Auto sprang. Auf dem Fahrersitz saß Herbert Treichel von MTS. Herbert sah mich an, ich sah Herbert an und in dem Moment blitzte es zwischen uns. Ich sagte ihm, ich sei gerade dabei, für das Musikfestival "Goldenen Rathausmann" in Dresden zwei Titel für Anke Schenker zu schreiben. Nun konnte ich zwar ganz gut komponieren, aber das Texte schreiben lag mir nicht so. Also fragte ich Herbert, ob er jemanden kennen würde, der den Part des Texters übernehmen könnte. Herbert meinte, ich solle am Abend einfach mal rumkommen zu Rot-Weiß, was bedeutete, es gab Spaghetti mit Tomatensoße und Weißwein. Wir trafen uns also, machten ein bisschen Party und teilten uns die Arbeit auf. Herbert textete, ich machte die Musik, damals natürlich noch ganz ohne Computer, sondern einfach so am Tisch. So entstand die Freundschaft zwischen Herbert und mir. Dass Anke Schenker mit dem Titel auch noch den "Goldenen Rathausmann" gewann, war eine angenehme Nebensache. Herbert wusste also, ich kann Lieder schreiben, ich kann Gitarre und Klavier spielen. Nun fiel 1984 der dritte Mann bei MTS aus, das war Frank Engelhardt. Der musste als Reservist zur NVA. Herbert schlug mich dann für diese drei Monate als Ersatzmann vor. So lernte ich MTS kennen und tourte mit der Band auch durch die Lande, obwohl ich eigentlich noch studierte. Dann passierte folgendes: AMIGA wollte mit mir und Anke eine Platte machen. Wie das damals so war, mussten wir zunächst mal vorspielen. Und AMIGA wollte plötzlich ein paar Dinge an unserer Musik und den Texten ändern, womit wir natürlich nicht einverstanden waren und nicht mitmachten. Daraufhin sagte man mir, ich werde mit dieser Einstellung in diesem Land keine Platte machen. Und tatsächlich bekam ich in der DDR musikalisch gesehen keinen Fuß mehr auf die Erde, was dazu führte, dass ich bald einen Ausreiseantrag stellte. Es dauerte ein bisschen, aber irgendwann kam ich raus aus dem Land. 1989 kam die Wende. Herbert war ja inzwischen ebenfalls in Westberlin, wir hatten auch immer Kontakt miteinander. Eines Tages, das war 1992, tauchte Thomas Schmitt wieder auf und meinte zu Herbert, ob man nicht MTS wieder zum Leben erwecken wolle. Man hatte zwar mit MTS noch bis 1990 gespielt, aber dann tat sich natürlich erstmal nichts und die Band löste sich auf. Thomas wollte unbedingt Mike wieder dabei haben und Herbert bestand darauf, dass ich ebenfalls dazugehören solle. So geschah es, dass MTS als Vierer-Truppe wieder aktiv wurde. Und ich blieb dann von 1993 bis 2000 in der Band. Allerdings hatte ich dann das tiefe Gefühl in mir, ich müsste nochmal Rockmusik machen, was ich ohnehin schon immer machen wollte. Als Arrangeur, als Produzent, eben alles, was so dazugehört. MTS war in musikalischer Hinsicht nun nicht die unbedingt größte Herausforderung für mich, zumal zur damaligen Zeit Thomas und Mike die tragenden Figuren der Band waren. Für mich stand fest, ich muss in meinem Leben nochmal etwas anderes wagen und bin deshalb 2000 bei MTS ausgestiegen.

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Und bist Du dann Rock'n'Roller geworden?
Leider habe ich es nur bis zum Mitwirken in einer Coverband gebracht, mit der ich auf Stadtfesten usw. spielte. Das war also wirklich nicht das, was ich mir vorgestellt hatte. MTS tourte währenddessen zu dritt weiter. Kurz vor seinem 50. Geburtstag erhielt Herbert dann die Krebs-Diagnose, was dazu führte, dass ich jetzt wieder ganz oft bei MTS aushalf, wenn Herbert seine Krankenhausaufenthalte hatte. Das war für alle Seiten die beste Lösung, denn einerseits war ich Gitarrist, andererseits war ich neben Herbert der Einzige in der Band, der Autofahren konnte. Die Verbindung zwischen uns brach also nie ab. Ich schrieb auch weiterhin Songs für MTS, obwohl ich gerade kein festes Bandmitglied war. Es kam in der Folge immer häufiger dazu, dass ich aushelfen musste, denn auch Mike fiel in der ersten Dekade der 2000er Jahre des Öfteren aus. Und so passierte es, dass ich auch mal mit Thomas allein auf der Bühne stand oder Herbert und Thomas mal alleine spielen mussten. Als Herbert dann 2011 leider verstarb, nachdem er acht Jahre durchgehalten halte, war es nur logisch, dass man mich fragte, ob ich wieder richtig einsteigen will.

Man stellt sich bei dem Namen MTS immer vor, dass es bei Euerm Lied-Kabarett immer lustig zugeht, immer gute Laune herrscht, aber wenn man Deine Erzählungen über all diese Krankheiten usw. hört, dann scheint es ja doch nicht immer so lustig gewesen zu sein. Wie hast Du denn deine bisherige Zeit bei MTS erlebt. Erst wart Ihr ein Quartett, dann habt Ihr als Trio gespielt und jetzt seid Ihr nur noch zu zweit.
Ich möchte betonen, dass diese Krankheiten niemals ein Thema bei uns waren. Als Herbert krank war, gehörte ich ja nicht zur Band, da habe ich höchstens mal ausgeholfen, wenn Herbert ins Krankenhaus musste. Aber selbst, wenn wir uns mal im Studio oder zu Proben trafen, wenn wir privat zusammen waren, und selbst auf Tour, es wurde nie über Krankheiten gesprochen. Es war zu jeder Zeit lustig, wir haben immer gelacht. Selbst Mike, der ja auch eine lange Reha hinter sich hatte und deshalb lange Zeit ausfiel, sprach nie über seine Krankheit. Aber Du wolltest wissen, was MTS mir persönlich gegeben hat. Als ich damals als Student und dann ab 1993 eingestiegen bin, hatte ich es ja schon mit geschulten Profis zu tun. Es waren Komödianten, die überall Faxen gemacht haben, die sich ständig gegenseitig veralbert haben. Ich habe das anfangs überhaupt nicht verstanden, aber es war eine gute Schule für mich. Die haben mich auf der Bühne ohne Ende hops genommen, so dass ich schnell lernen musste, reaktionsfähig zu werden, um bei diesen Ulknudeln nicht unterzugehen. Natürlich musste ich auch aufpassen, was ich sage, ich musste lernen, nicht gleich beleidigt zu sein, wenn ich veralbert wurde, sondern der Lernprozess bestand für mich darin, darauf zu reagieren und meine eigenen Gags und Jokes einzubringen. Schon im Auto während der Fahrt zu den Auftritten wurden aus Verkehrsschildern Wortspielereien gemacht. Das war für mich alles Neuland, das kannte ich nicht. Man kann sich nicht vorstellen, was da abging. Mike sagte immer, wer in dieser Kapelle spielt, ist nicht alleine auf der Welt. Wer also bei MTS spielen und bestehen will, sollte über ein gewisses Fabel und Verständnis für Komik verfügen. Für mich war das eine echt gute Schule. Alles das, was ich heute mit Thomas allein auf der Bühne abziehe, habe ich über die Jahre gelernt durch das ständige spontane Reagieren auf der Bühne zu den Gags der Kollegen. Da passieren live so viele Dinge, die vorher nicht abgesprochen waren, das muss man schon vertragen. Ich selber bin ja ein Künstlerkind, da meine Eltern beide am Theater waren, und ich stehe seit meinem fünften Lebensjahr auf der Bühne. Aber was MTS betraf, das war nochmal eine ganz andere Nummer. Dass ich heute völlig hemmungslos auf der Bühne Witze erzähle und Sätze sage, die ich mich vorher niemals getraut hätte zu sagen, das ist eine Schule, die ich den Jungs zu verdanken habe. Als ich zu Herbert in die Dreierbesetzung kam, waren die Ansprüche an mich schon höher, da erwartete man schon, dass ich mich beteilige und selber etwas auf der Bühne sage, obwohl natürlich die anderen beiden die tragenden Figuren waren. An Mike kam ohnehin niemand heran, den kannst Du einfach nicht ersetzen. Das ist ein Typ, der kommt auf die Bühne, setzt sich hin und das Volk lacht los. Dieses Karma habe ich nicht, das hat auch Thomas nicht. Aber die Entwicklung ging ja nun dahin, dass wir seit 2015 nur noch zu zweit agieren. Es dauerte zwei Monate, in denen die Leute nach Mike fragten und dann war das vorbei. Wir und auch das Publikum merkten, dass jetzt die Verantwortung mehr und mehr auf mich überging. Es stand also nicht Thomas Schmitt und sein Begleitmusiker auf der Bühne, sondern wir waren und sind gleichberechtigt und gleichbedeutend. Es ist wie ein Zwiegespräch. Wir werfen uns gegenseitig etwas an den Kopf, wir singen gemeinsam, wir reden im Duo, wir erzählen zu zweit Witze. Das hat sich für mich dahingehend entwickelt, dass ich heute sagen kann, wir sind zwei Kabarettisten.

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Das wäre auch meine nächste Frage gewesen. Ihr seid also im Duo unterwegs und wollt das auch nicht mehr ändern. Ihr bleibt zu zweit, oder?
Genau. Das hat sich mit der Zeit so gut eingespielt, dass da kein Dritter mehr reinpasst. Ich finde es unglaublich schön, dass ich eben nicht nur Thomas' musikalischer Begleiter bin, sondern dass ich vollwertig mit eingebunden bin in die Abläufe auf der Bühne. Wir singen nicht nur gemeinsam, sondern erzählen gegenseitig Witze und Geschichten, werfen uns die Limericks und Worte zu, machen gemeinsam Gags und Jokes und die Leute finden das toll.

Das war ja zu den Zeiten, als Mike noch dabei war, etwas anders. Da warst Du eher der stille Vertreter in dieser Besetzung. War das eine Rolle, die Du gespielt hast, oder bist Du von Natur aus eher ein ruhiger Mensch?
Das weiß ich nicht… Nein, ich bin eigentlich kein ruhiger Vertreter. Dafür bin ich aber jemand, der sehr gerne, sehr viel und sehr schnell lacht. Auf jeden Fall erkenne ich an, wenn andere auf manchen Gebieten eben einfach besser sind als ich. Was ich aber bei MTS reingebracht habe, ist die musikalische Vielfalt. So arbeiten wir seit meiner Rückkehr in die Band auch mit einem Klavier, was vorher nicht der Fall war. Generell wird mir nachgesagt, dass sich durch mich die musikalische Qualität erhöht hat. Als wir noch ein Trio waren, habe ich durchaus auch mal den einen oder anderen Satz fallen lassen, was natürlich auf meine ruhigere Art geschah.006 20220316 1968302176 Trotzdem fanden die Leute das auch witzig. Fakt ist, Mike und Thomas waren halt die tragenden Figuren auf der Bühne und da wollte ich mich nicht reindrängen, denn das hat mit den beiden wirklich gepasst. Seit Mike nicht mehr da ist, haben sich die Gewichtungen anders verteilt. Die Leute kapieren, dass wir Mike nicht ersetzen können und dass "Der letzte Kunde" nicht mehr gesungen wird. Das war Mikes Lied, damit ist er zu uns gekommen, damit ist er von uns gegangen und es würde Thomas nicht im Traum einfallen, dieses Lied an Mikes Stelle zu singen. Ganz egal, wer sich an dem Lied versuchen würde, es wäre nicht annähernd dasselbe. Mike war "Der letzte Kunde" und wird es immer bleiben und deshalb habe ich auch die CD so genannt.

Habt Ihr denn mitbekommen, dass SILLY auf ihrer letzten Tournee den Titel für ein oder zwei Konzerte mit ins Programm genommen haben und dass Ritchie den gesungen hat?
Ja, dass weiß ich, aber das war nun nicht der Grund, weshalb ich der CD den Namen "Der wahre letzte Kunde" gegeben habe. Thomas Schmitt war sogar bei SILLY im Gespräch, dieses Lied zu singen, aber Thomas hat das abgelehnt. Es gab auch einige andere Sänger, deren Namen ich jetzt nicht nennen möchte, die sich an dem Song versucht haben. Aber letztlich ist tatsächlich nur Mike "Der wahre letzte Kunde". Ich habe es ja selber immer wieder erlebt: egal, in welchem Kaff wir gerade waren, egal, in welcher Kneipe wir saßen, man hat Mike sofort erkannt und er musste dieses Lied singen. Wirklich jeder kannte das, es war und ist unglaublich.

Wie wird es denn mit MTS weitergehen? Ihr habt ja wahrscheinlich jeder andere Musiker auch diese Saure-Gurken-Zeit hinter Euch mit ewig langer konzertfreier Zeit und Corona hier, Corona da. Habt Ihr schon was auf dem Zettel, gibt es feste Termine?
Wir hatten in diesem Jahr immerhin schon zwei Konzerte. Eins im Februar und letzte Woche eins in Ueckermünde. Ansonsten sieht es dünn aus. Diese beiden Konzerte, die wir spielen konnten, waren phantastisch. Die Leute waren einfach nur glücklich, dass sie mal wieder lachen und abschalten durften nach zwei Jahren Corona. Sie haben sich bei uns bedankt, weil wir sie zum Lachen gebracht haben. Und wir waren ebenso happy. Also auf beiden Seiten nur Zufriedenheit und Glücksmomente. Letzte Woche in Ueckermünde hatten wir allerdings ein paar Bedenken, denn inzwischen gibt es den Ukraine-Konflikt, noch dazu haben wir ja unser Lied "Tamara" im Programm. Aber alle Sorgen waren unbegründet. Der Laden war voll und die Leute waren glücklich. Nun haben wir aber auch keine 30-jährigen und 20-jährigen im Publikum, sondern fast ausschließlich ältere Leute. Und die haben uns von Beginn an getragen, haben mit uns gefeiert und dadurch wirst Du auf der Bühne natürlich auch lockerer. Selbst bei "Tamara" hat man uns Mut gemacht, das zu singen. Einer fragte, was hat denn "Tamara" mit dem jetzigen Krieg zu tun? Und die Zukunft von MTS sieht so aus, dass wir jetzt eigentlich in die volle Planung für das nächste Jahr gehen wollten, denn da heißt es "50 Jahre MTS". Aber wie sollte es anders sein, die Planung klemmt im Moment, denn keiner will mit Dir Verträge für Veranstaltungen abschließen, weil niemand weiß, was bis dahin kommt und passiert. Es ist frustrierend. Für das laufende Jahr sieht unser Tourkalender auch noch recht übersichtlich aus. Wir haben ein Konzert im April, drei im Mai, zwei im September und zwei im Oktober. Kein Vergleich mit der Zeit vor Corona, da waren wir nämlich richtig gut unterwegs. Da hatten wir zwischen 40 und 60 Konzerte im Jahr. Trotz alledem arbeiten wir gerade an einem neuen Album, welches noch in diesem Jahr erscheinen soll. Und medienmäßig… Da muss ich mal gucken, ob ich jemanden finde, der in dieser Richtung einen Zugang hat, denn in Sachen Medien sitzen wir völlig im Dunkeln. Wir werden weder im Radio gespielt noch sind wir im Fernsehen präsent. Dem Fernsehpublikum sind wir inzwischen völlig entglitten. Die Redakteure der für uns wichtigen Regionalsender rbb und MDR kennen uns zum Teil überhaupt nicht. Deshalb muss ich da unbedingt jemanden finden, der für uns die nötigen Kontakte herstellt.

Vielleicht schreibt ja der eine oder andere Leser jetzt mal eine Mail an seinen Sender … Aber weil Du gerade Euer Lied "Tamara" erwähnt hast… Ist Euch das in den vergangenen Jahren öfter passiert, dass Ihr Euer Programm aufgrund von Krisen oder aktuellen Geschehnissen ändern musstet? Hattet Ihr bei der einen oder anderen Nummer im Programm mal Gewissensbisse?
Nein. Überhaupt nicht. Es kommt nur immer wieder vor, dass man im Publikum Leute aus der alten Bundesrepublik zu sitzen hat, zum Beispiel, wenn wir an der Ostsee spielen. Diese Leute können natürlich mit den Ost-Themen, die wir besingen, nichts anfangen. Die verstehen und wissen nicht, warum der Zuschauer sich über "Tamara" freut. Oder wenn sich das "Trabi-Lied" oder "Ein Pferd wie du und ich" gewünscht wird, das können die nicht verstehen. Ansonsten hatten und haben wir null Probleme. Natürlich wollen die Leute auf den Konzerten überwiegend die ganz alten Nummern hören, aber es gibt auch durchaus ein paar tolle Nummern von den aktuelleren CDs, die gewünscht werden und die wir dann auch sehr gerne spielen. Wir mussten uns jedenfalls nie an irgendetwas anpassen oder unser Programm umstellen.

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Ich meinte das auch eher in Bezug auf solche Sachen wie jetzt die Ukraine-Krise. Wenn es am Nachmittag irgendwo in der Welt rummst und man muss Abends auftreten, dann hat man vielleicht doch schon mal Bauchschmerzen, weil es in der Welt brennt, man sich selber aber auf die Schenkel haut und auf lustig macht.
Nein, das gab es gar nicht. Ich wüsste auch nicht, welches Thema uns da auf die Füße fallen sollte. Einzig das in den letzten zwei Jahren dauerpräsente Thema Corona hätte vielleicht etwas hergegeben, aber wir haben uns vorgenommen, nicht über Corona zu singen. Wir sind kein politisches Kabarett, sondern wir singen über und für den kleinen Mann von der Straße. Außerdem glaube ich auch nicht, dass die Leute das Thema Corona lustig finden, deshalb haben wir es komplett weggelassen. Wir sind also nirgendwo angeeckt oder haben etwas Anstößiges gemacht.

Frank, ich danke Dir für dieses Interview und drücke Dir ganz fest die Daumen für die neue MTS-CD und auch für das Album mit den Songs von Mike. Außerdem wünsche ich Euch, dass Ihr bald wieder regelmäßig auf der Bühne stehen könnt. Darf ich abschließend noch fragen, ob Ihr für das 50-jährige Bühnenjubiläum schon etwas geplant habt? Existieren da schon ein paar Ideen, wird es was Besonderes geben?
In meinem Hinterkopf schwebt die Erinnerung an unser Jubiläumskonzert zu 40 "Jahre MTS", als wir die "Komödie" in Dresden mit 640 Leuten ausverkauft hatten. Für unser aktuelles Jubiläum schwebt uns nun eine Tour vor, zu der wir uns ein bisschen musikalische Verstärkung auf die Bühne holen. Das soll bewirken, dass wir in musikalischer Hinsicht etwas unterstützt werden und nicht nur immer ich an der Gitarre oder ich am Klavier zu hören bin. Ich denke da an zwei Multiinstrumentalisten, die vielleicht Kontrabass, Mundharmonika, Akkordeon oder so etwas in der Art spielen können. Die Tour soll in vier, fünf größeren Häusern stattfinden und es sollen ein paar Gäste dabei sein. Natürlich nicht so unendlich viele wie bei unserem 40., aber die Gäste, die wir einladen, müssten dann auch mit uns zusammen auf Tour gehen. Das muss aber erstmal alles in Angriff genommen und organisiert werden. So viele Häuser in der von uns gewünschten Größenordnung wird es wohl auch nicht geben. Jedenfalls schwebt uns das neben unseren ganz normalen Auftritten vor, die wir weiterhin machen wollen. Hoffentlich klappt das auch alles, denn wir mussten leider feststellen, dass es von unseren geplanten Auftrittsorten einige schon gar nicht mehr gibt.
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Ich könnte mir vorstellen, dass Ihr vielleicht mit dem Gedanken spielt, den einen oder anderen ehemaligen MTS-Mitstreiter einzuladen, oder?
Ja, daran haben wir auch schon gedacht, aber von all den Ehemaligen existiert nur noch einer, den man ansprechen kann, das ist Frank Engelhardt. Der gehörte in den ersten zehn sehr erfolgreichen Jahren zur Band. Aber ich glaube, Frank will da nicht so richtig ran. Schon vor zehn Jahren war er nicht zu bewegen, mit uns auf die Bühne zu gehen. Ach ja, es gibt ja noch das Gründungsmitglied Bruno Melzer. Aber der hat sich nach seinem Ausstieg bei MTS komplett aus der Musikszene zurückgezogen. Ich glaube nicht, dass der Lust darauf hat, nochmal auf die Bühne zu gehen.

Also nochmals danke für das Gespräch und alles Gute für die Zukunft.
Herzlichen Dank.



Interview: Christian Reder
Übertragung/Bearbeitung: Torsten Meyer
Fotos: Frank Sültemeyer privat, Pressematerial MTS




   
   
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