Interview vom 12. März 2021
Vor etwas über einer Woche (12. März 2021) erschien mit "Liebe Macht Monster" das neue EISBRECHER-Album. Es ist nach "Schicksalsmelodien" das zweite neue Werk innerhalb von nur einem halben Jahr, und damit zeigen sich Alexander "Alexx" Wesselsky und Noel Pix mit ihren Mitstreitern von EISBRECHER so kreativ und fleißig wie noch nie zuvor. Mit diesen beiden Scheiben im Gepäck gab es mehr als genug Gesprächsstoff, um sich mit Frontmann und Gründer "Alexx" auf ein Interview zu treffen. Der gebürtige Augsburger ist unseren Lesern vielleicht auch noch als Frontmann der Gruppe MEGAHERZ bekannt, die er 1993 gründete und bei der er bis 2003 aktiv war. Auch unter dem Namen der "Checker" dürfte er einigen von Euch noch in guter Erinnerung sein. Als solcher suchte er in mehreren TV-Sendungen gebrauchte Autos für seine Zuschauer. Seit nunmehr 18 Jahren ist er Kopf und einer der kreativen Säulen der Gruppe EISBRECHER. Auch dies lieferte noch reichlich Stoff für interessante Fragen, die unser Kollege Christian am Tag des Erscheinens von "Liebe Macht Monster" stellen konnte ...
Eigentlich können wir ja gleich über zwei Alben reden, denn das Vorgängeralbum "Schicksalsmelodien" ist ja auch noch nicht so alt. Aber zunächst einmal möchte ich dir zu einem weiteren, sehr gelungenen Album gratulieren.
Herzlichen Dank dafür. "Schicksalsmelodien" ist zwar nicht mehr ganz so frisch, aber immer noch frisch genug. Es stimmt schon, in der kurzen Zeit hat man früher keine zwei Alben auf den Markt gebracht. Wir hatten eben einen tollen Plan. Dann mussten wir diesen Plan leider ändern. Zumindest haben wir die Reihenfolge geändert.
Ist das schon die Unruhe des Alters, dass ihr so schnell neue Songs und Alben raushaut oder war Corona schuld an dieser bemerkenswerten Schaffenskraft?
Nein. Wir hatten vor, genau in diesem Rhythmus zwei Platten zu machen. Nur hätte "Liebe Macht Monster" eigentlich schon im Oktober 2020 erscheinen sollen und natürlich sollte sich daran eine Tournee anschließen, denn zu einem neuen Studioalbum geht man auf Tour. So gehört sich das, nur zusammen macht das auch Sinn. Seine Bestätigung holt man sich live! Bei einer Cover-Platte wie "Schicksalsmelodien" ist eine Tour aber nicht zwingend notwendig. Deshalb war diese Scheibe auch erst für März 2021 geplant. Wir haben also die beiden Erscheinungstermine einfach nur umgedreht und ausgetauscht. Das Pensum hat jedenfalls nichts mit dem Alter zu tun, sondern wir fanden das Timing absolut okay. Die Aufnahmen zu "Liebe Macht Monster" waren jedenfalls schon im März 2020 fertig, also noch bevor dieser ganze Corona-Mist losging. Aber dann musst du ja auch noch abmischen, mastern und produzieren. Und in diese Zeit zwischen Mixing und Mastering haben wir dann "Schicksalsmelodien" reingepackt. Das war schon sportlich, denn wir wussten, dass Teil muss fertigwerden. Dafür blieben uns ganze zwei Monate Zeit. Das war ziemlich abartig. Aber drauf geschissen, denn wir hatten ja sonst nichts zu tun! (lacht)
Bleiben wir mal kurz bei den "Schicksalsmelodien". Der Titel des Albums verrät ja eigentlich schon, worum es geht. Auf der Platte befinden sich Lieder, die irgendwie mit euch zu tun und/oder euch beeinflusst haben. Stimmt das oder fiel die Auswahl der zu covernden Songs doch eher unter den Aspekt, dass man die selber viel besser als das Original umsetzen und an den Konsumenten herantragen könnte?
Hmmm… Es stimmt beides. Aber es gibt auch noch eine dritte Komponente, die du nicht genannt hast, die aber die ausschlaggebende für uns war: die Machbarkeit. Und da hat mein Produzent und musikalischer Partner Pix die Nase vorn, denn er weiß, was machbar ist, was in einem solch kurzen Zeitfenster geht und was nicht. Ich sagte zu Pix: "Mein Freund, ich frage dich: was können wir singen? Machen wir was auf Englisch oder lieber auf Deutsch? Machen wir was Internationales, zum Beispiel METALLICA? Oder IRON MAIDEN?" Pix meinte daraufhin, dass wir von englischsprachigen Nummern auf jeden Fall die Finger weglassen. Des Weiteren stellte sich die Frage, wenn keiner die Songs kennt, dann passiert dasselbe wie mit den anderen Songs der Interpreten, die wir neu interpretieren: die kennt keiner. Also brauchen wir ein paar Namen und Nummern, die schon mal weit vorne waren. Die Challenge lautete demzufolge: such dir die, die nicht zu berühmt und zu abgedroschen sind, die vielleicht schon etwas in Vergessenheit geraten sind. Aber auf keinen Fall verhebe dich an Mega-Acts! Und versuche nichts zu machen, wo du niemals herankommst, wo du immer scheitern musst, weil der Mythos dahinter einfach zu groß ist. Als Beispiel dafür sei KRAFTWERK genannt. Nun haben wir uns also von der Kommerz-Schiene "Out oft he dark" von FALCO und "Skandal im Sperrbezirk" von der SPIDER MURPHY HANG geschnappt. Die restlichen Songs auf der Platte stammen eher aus der zweiten Reihe.
Na ja, JOACHIM WITT würde ich jetzt nicht unbedingt in die zweite Reihe stellen wollen.
Ja klar, da hast du Recht. Das Ganze ist schon so lange her, dann rutscht so etwas schon mal durch. "Skandal im Sperrbezirk" war für uns als Bayern eine besondere Herausforderung und Freude, denn so wie ein Bayer niemals Bundeskanzler wird, wird eigentlich auch ein bayerisches Lied niemals ein bundesweiter Hit. Bei "Out of the dark" hat Pix und mich komischerweise schon immer der Strophenteil gestört, aber das Ding ist einfach eine große Rockhymne. Unser Ziel war am Ende, einerseits diese Songs zu ehren, indem wir sie wieder ans Tageslicht holen. Andererseits wollten wir die Nummern "vereisbrechern", sie also in unseren Kosmos holen. Wir wollten es halt einfach mal ausprobieren. Die Plattenfirma sah das natürlich noch von einer anderen Warte und meinte, das wäre doch eine gute Gelegenheit, nochmal Kohle zu verdienen. Wir hatten jedenfalls selber richtig Bock darauf. Ein Mann wie WITT… Wir haben schon so oft miteinander auf der Bühne gestanden. Und ja, natürlich sind es auch Songs, die uns über die Jahrzehnte geprägt haben. Du hast also mit deiner eingangs geäußerten Vermutung vollkommen Recht. Neben der erwähnten Machbarkeit ging es hier allerdings auch eine gewisse Demut, denn wir wollten die Nummern nicht verballhornen, sondern wollten der Sache gerecht werden. Und ich muss auch immer wieder die Plattenfirma ins Spiel bringen, die selbstredend erwartete, dass wir mit dem Album ein dickes Ei legen. Mittlerweile sind wir alle happy, das Teil verkauft sich erstaunlich gut. Das überrascht uns durchaus ein bisschen. Genauso überrascht sind wir aber auch von den Idioten, die rummosern, da wäre ja gar kein eigener Song drauf. Die haben halt bis heute nicht verstanden, dass wir ein Coveralbum gemacht haben. Na ja ... Für uns ist wichtig, dass unsere Idee aufging. Von den Bands, die wir uns auf "Schicksalsmelodien" vorgeknöpft haben, kamen zum Glück auch keine Morddrohungen. Ganz im Gegenteil, DORO und WITT haben uns sehr gelobt, also können wir nicht allzu viel falsch gemacht haben. Ich fürchte, da wird es irgendwann wohl noch eine zweite Auflage geben.
Du hast ja FALCO schon als Beispiel genannt. Dabei fällt mir ein, dass du ja bereits zu MEGAHERZ-Zeiten einen FALCO-Song gecovert hast. Spielt FALCO eine größere Rolle in deinem Leben?
Unbedingt. Ohne FALCO würde ich keine deutschen Texte machen. Ohne FALCO wäre das immer noch die Sprache von Rudolf Schock, Hans Albers oder Maria Hellwig. FALCO hat die deutsche Sprache sexy und international gemacht. Er war eine Art DAVID BOWIE der Neuen Deutschen Welle. Die NDW war ja sehr schnell im Klamauk gelandet. Ich hingegen war immer schon Fan von EXTRABREIT, die ja nicht so recht ins NDW-Korsett passten. FALCOs Verdienst wird hingegen immer sein, dass er den Spießer-Muff, das Teutonische aus der deutschen Sprache rausgehauen hat. Ohne ihn würde es die Lässigkeit in unserer Sprache und auch die Rapperei nicht geben. Er wird auf ewig ein großer Künstler sein, der über Grenzen ging. Ich habe ihn 1985 in der Alabama-Halle in München anlässlich der "FALCO 3"-Tournee sogar mal live gesehen. Da war ich allerdings gar nicht so begeistert. Bei mir war zugegebenermaßen nach dem vierten Album "Wiener Blut" Schluss, aber das reicht ja auch. Und wie der Zufall so spielt, haben wir an seinem Todestag mit MEGAHERZ in dem von ihm oft besungenen U4 in Wien gespielt. Auf der Heimfahrt vom Konzert hörten wir dann, dass FALCO gestorben war und wir beschlossen sofort, als nächstes "Rock me Amadeus" zu covern. Das war uns ein wirkliches Anliegen. Die Plattenfirma sagt bei so etwas niemals Nein, denn die witterten den schnellen Dollar, während es dem Musiker wirklich um die Sache geht.
Apropos MEGAHERZ. Die Band ist mit dem Song "Freiflug" auch auf dieser CD vertreten. Was hat dich daran gereizt, den Titel nach über zwanzig Jahren noch einmal neu aufzunehmen und ihn auf ein EISBRECHER-Album zu packen?
Wir brauchten noch eine Nummer. Als Pix und ich noch bei MEGAHERZ spielten, war "Freiflug" die erste Single, zu der wir ein Video gemacht haben. Das lief sogar bei VIVA, allerdings nur in der "Fuck you"-Rotation und nicht in der "I like you very much"-Rotation, denn dafür hatten wir nicht genug Schmiere, wenn du verstehst, was ich meine. Im Klartext: auf VIVA und MTV bist du damals nur gelaufen, wenn du genügend Taschengeld mitgebracht hattest. Aber im Ernst: es ist ein geiler Song, eine richtig gute Power-Ballade. Und da uns noch ein Titel auf dem Album fehlte, wollten wir genau den machen. Es war schon erstaunlich, wie das Feeling beim Einsingen sofort wieder da war. Ich hatte "Freiflug" ja auch schon viele Jahre nicht mehr geträllert. Das waren echte Magic Moments, eine Art Coming Home. Da kam also ein MEGAHERZ-Song zu EISBRECHER nach Hause. 2012 bei "Miststück" war es ja ähnlich. Diese beiden Nummern haben wir halt damals geschrieben, egal ob sie nun zu EISBRECHER oder MEGAHERZ gehören. Man hört ja auch schon bei den alten MEGAHERZ-Songs eine gewisse EISBRECHER-Komponente heraus und umgekehrt genauso. Das hat eben eine gewisse Tradition. Die DNA von Pix und mir steckt halt in allen Songs drin, die wir für diese beiden Bands geschrieben haben. Und Pix hat schon Recht, wenn er sagt, dass wir bei MEGAHERZ jetzt nicht die totale Erfolglosigkeit gehabt hätten, sondern wir haben da unsere Spuren hinterlassen und eine Menge Zeichen gesetzt. Also warum soll man sich nicht auch mal selber covern?
Nach der Nr. 1-Platte "Sturmfahrt" kam "Schicksalsmelodien" bis auf Platz 4 der deutschen Charts. Sind diese statistischen Details und Platzierungen für euch überhaupt noch interessant? Oder verlasst ihr euch da lieber auf eure eigenen Beobachtungen im Fanlager, um zu wissen, dass ihr ein heißer Act seid?
Im Fanlager bist du immer die Nummer 1, die beklatschen alles. Dem Fan fehlt nämlich oftmals ein bisschen die Objektivität und er wird dich auch dann nicht fallen lassen, wenn er die Platte nicht so toll findet. Deswegen hole ich mir im Fanlager auch nichts weiter ab. Das wäre sonst so, also würde ein CDU-Politiker zu seinen Fans ins Bierzelt gehen und sagen: "Hey, meine leiben Wähler, hier bin ich!" Wenn du aber herausfinden willst, ob das, was du machst, draußen gut oder eher nicht so gut ankommt, dann brauchst du nicht zu deinen Fans gehen, sondern musst sehen, was du an der Kasse bewegst und wie viel Tickets du verkauft hast. Oder du musst gucken, was der Musikjournalist so schreibt. Ich lese übrigens keine Rezensionen mehr. Interviews dagegen ja, die lese ich. Und sei es nur, um zu erfahren, ob das, was ich im Interview gesagt habe, vernünftig wiedergegeben wurde. Aber Rezensionen brauche ich nicht. Ich weiß doch selber am besten, was ich gemacht und aufgenommen habe. Diese Rezensionen sind für die anderen da, für die, die sich ein Bild machen sollen von uns und unserer Musik. Für uns ist entscheidend, was wir umsetzen, was wir verkaufen, wie lange und wie gut die Platte performed, wenn ich es mal so ausdrücken darf. Denn nur das entscheidet über deinen Verbleib im Business. Bist du nicht mehr geil und angesagt, verlierst du deinen Plattendeal. Hast du keinen Plattendeal mehr, fehlt dir die Kohle, um fette Produktionen zu machen. Man kann uns mögen oder nicht, aber EISBRECHER stehen immer und zu jeder Zeit für richtig saubere und fette Produktionen. Das sind teuer produzierte Platten, für die uns die nötige Zeit nehmen. Wir lassen uns das also richtig was kosten, damit es nicht nach 1-2-3-Garage-ist-doch-scheißegal klingt. Wir nehmen es sportlich. Die Eins hatten wir schon mal und das war schön. Man kann also sagen, wir sind eine echte Nr. 1 - Band. Wenn wir irgendwo am Start sind, dann wollen wir auch so erfolgreich wie möglich sein, denn wir gehen nicht ins Rennen, um auf dem letzten Platz zu landen, sondern wollen nach Möglichkeit immer wieder auf Platz 1 kommen. Aber dazu gehören natürlich ganz viele Faktoren: wann, wer noch… Klar, wir haben keine Chance gegen HELENE FISCHER, wir haben auch keine Chance gegen AC/DC oder BRUCE SPRINGSTEEN. Oder FREI.WILD oder die ONKELZ. Selbst gegen die meisten Rapper sind wir chancenlos, wenn die zeitgleich mit uns was Neues rausbringen. Wenn die alle aber gerade kein aktuelles Konkurrenzprodukt auf dem Markt haben, dann schaffen wir es schon auf die Eins. Und wenn es nicht klappt, weil eben gerade jemand fünftausend Platten mehr verkauft, fange ich auch nicht an zu heulen. Ich möchte aber auf keinen Fall feststellen, dass wir plötzlich 150.000 Scheiben weniger verkaufen als beim letzten Mal, denn dann heißt das, wir werden für irgendetwas abgestraft. Letztlich wäre ich schon froh, wenn ich mal wieder eine Goldene Schallplatte kriegen würde. In meiner Wohnung hängt schon eine und immer, wenn ich reinkomme, sehe ich die. Das ist schon ein geiles Gefühl.
Du sagtest schon, dass die Platten fertig waren, bevor der Corona-Mist losging. Wie lange habt ihr denn speziell am "Liebe Macht Monster"-Album gearbeitet?
Zwei Jahre. Die scharfe Phase dauerte ungefähr eineinhalb Jahre. So lange brauchen wir eben und wir bilden ja dann auch immer ungefähr zwei Jahre Zeitgeschichte mit dem Album ab.
Vermischte sich das mit der "Schicksalsmelodie" oder lief das getrennt voneinander ab?
Nein, das lief völlig unabhängig voneinander. Wie vorhin erzählt, haben wir bis März 2020 die Aufnahmen für "Liebe Macht Monster" fertiggestellt. Es folgte ein kurzer Stopp, in diesen zwei bis drei Wochen hat sich Pix ordentlich den Kopf freigeblasen. Als wäre nichts gewesen, sind wir dann sofort und komplett in die Produktion der "Schicksalsmelodie" eingestiegen. Pix hatte also im Jahr 2020 definitiv keine Langeweile.
Beim Titel des Albums "Liebe Macht Monster" ist jedes Wort großgeschrieben, was den Interpretationen natürlich Tür und Tor öffnet. Stehen diese drei Worte für euch in direktem Zusammenhang, oder macht Liebe aus manchem Menschen tatsächlich ein Monster?
Gute Frage, die du dir gerne selbst beantworten darfst. Unser Ziel war es, diesen Interpretationen alle Kellertüren, alle Schlosstüren aufzumachen. So etwas lieben wir. Die Leute können und sollen sich bei ihrer Interpretation dessen ungehindert austoben. Wir sind jedenfalls der Meinung, dass diese drei Begriffe sehr viel mit dem Zustand unserer Gesellschaft zu tun haben. Man könnte also auch sagen: Die Liebe. Die Macht. Das Monster. Inklusive der damit verbundenen Wechselwirkungen. Aber da will ich gar nicht tiefer einsteigen in diese Materie. Sonst müsste ich mich fragen, ist Professor Frankenstein derjenige, der das Monster schafft? Vielleicht aus Liebe, vielleicht aus Gefallsucht? Gibt es die Erbsünde? Wird aus jedem Neugeborenen automatisch ein Scheißkerl? Sind wir alle scheiße? Oder nur die, die Macht haben? Ich weiß es nicht. Aber wir sollten auf jeden Fall mal wieder vermehrt über solche Dinge nachdenken, anstatt immer nur rumzubrüllen. Das würde ich gerne unserer Gesellschaft mit auf den Weg geben.
Das Album startet mit dem Song "Es lohnt sich nicht, ein Mensch zu sein". Welche Idee steckt hinter dieser Nummer und warum packt ihr sie gleich vorne auf die CD?
Das ist die Antwort auf einen uralten Song aus längst vergessenen Zeiten. Mit MEGAHERZ hatten wir seinerzeit auf dem ersten Album einen Titel namens "Es ist nicht leicht, ein Gott zu sein". Dadurch kamen wir auf die Idee zu dem Song.
Der Song "FAKK", den es ja bereits vorab als Single gab, bezieht deutlich Stellung. Hier gibt es musikalisch wie inhaltlich voll eins auf die Zwölf. In welchem Gemütszustand muss man sich befinden bzw. was muss einem begegnet sein, um einen solchen Song zu schreiben?
Da muss einem zum Beispiel das "Rock for People"-Festival in Hradec Králové passiert sein. Da saßen wir nämlich bei sehr vielen Pils-Bieren zusammen, als Pix sagte: "Wenn du wirklich mal einen internationalen Hit haben willst, wenn du mal einen Slogan haben willst, den alle verstehen von Russland bis sonst wohin, dann kann das nur "FAKK" sein." Wenn ich mir den Zeh stoße, sage ich "FAKK", wenn ich mir die Bierflasche über den Schädel ziehe, sage ich "FAKK". Jeder sagt immer und überall "FAKK". Das ist die Botschaft des Liedes. Deshalb beschlossen wir, sofort diesen Song zu schreiben. Einfacher und primitiver geht's nicht, voll auf die Nuss! Dann begannen aber erst die Qualen, denn nun finde mal eine Antwort auf die Frage, wer der Adressat eines solchen Liedes sein soll. Wie können wir es gestalten, dass es nicht aussieht, als würden wir auf eine bestimmte Gruppe eindreschen. Wir müssen es möglichst so cool hinbekommen wie RAGE AGAINST THE MACHINE: "Fuck you, I won`t do what you tell me". Wer ist denn "you"? Am besten alle inklusive wir. Du kannst mir glauben, diese Nummer war die härteste Nuss auf dem ganzen Album. Um diesen Text hinzukriegen, haben wir uns echt gequält. Die Musik war schnell da, aber immer, wenn du denkst, es geht schnell weiter, dann geht es eher schief. Zum Schluss einigten wir uns darauf, dass wir mit dem Song jene meinen, die es auch verdient haben. Zum Beispiel Hedgefond-Manager, aufgeblasene Idioten, die jeden Tag dafür sorgen, dass es der Welt noch ein bisschen schlechter geht. Bei denen geht das "FAKK" schon in die richtige Richtung.
Und so ganz nebenbei habt ihr dieses Wort auch gleich eingedeutscht.
Ja, denn nachdem es nun schon solange sein Unwesen in unserer Sprache treibt, muss man konsequent sein und sagen: So und nicht anders steht das bei uns im phonetischen Alphabet! Außerdem dachten wir uns, dass wir damit in Amerika ganz charmant die Zensur umgehen, aber weit gefehlt, der Song wird in Amerika nicht gespielt. Ist es nicht lustig, so etwas passiert im Mutterland des FUCK! Die kriegen die Krise, wenn ein deutscher Rockmusiker "FAKK" singt. Bei uns hingegen steht jeder Rockstar aus Amerika on stage und labert was von "Motherfucker". Wie auch immer. Auf jeden Fall ist es ein lustiges Wort, welches es mal verdient hat, von einer deutschen Band missbraucht zu werden.
Brauchen wir eigentlich mehr "Systemsprenger"? Und bist du ein solcher?
Ich wäre es gern. Mit dem, was ich tue, bin ich es ja ein Stück weit, denn schon ganz lange darf ich mit den Konsequenzen meines Schaffens leben. Ich habe mich ja von einem klassischen bürgerlichen Leben diametral abgesetzt. Wie man sieht, funktioniert das auch. Ich würde mir jedenfalls wünschen, dass künftig immer weniger Kinder mit vier Jahren schon wissen, dass sie später mal Hedgefond-Manager werden wollen oder Jurist, weil der Papa sowas auch macht. Kinder sollen bis zehn oder gar fünfzehn Jahren überhaupt nicht darüber nachdenken müssen, welche scheiß Karriere sie später machen wollen. Damit zeigst du dem System geschmeidig den Stinkefinger, denn dieses System ist eins, welches uns schon ab der Geburt oder spätestens ab dem Kindergarten zu Funktionsmaschinen degradiert. Da bleiben Phantasie und Freiraum definitiv auf der Strecke, denn man soll ja lieber Karriere machen. Und diese Karriere sieht so aus, dass du zur Polizei gehst, oder du sollst Ingenieur werden. Aber warum? Weshalb kann man nicht auch Schauspieler, Drehbuchautor oder einfach Lebenskünstler werden? Das ist mir alles zu unbunt geworden. Ich gebe zu, ich trage am liebsten komplett schwarz. Aber dazu trage ich auch sehr gerne eine bescheuerte Brille, einen Hut und Schuhe. Es geht mir nicht ums Auffallen, sondern ich möchte den Leuten zeigen, man kann auch mit Hut aus dem Haus gehen. Man darf sich also wieder mehr trauen. Warum auch nicht?! Ich bin halt gegen diese Gleichmacherei, das ist einfach nicht mein Ding, das mag ich nicht. Ich will nicht enden wie Charlie Chaplin in "Modern times". Eingesogen von der Maschine, die man selber gebaut hat. Ja, wir müssen mehr "System sprengen". Gerne jeder für sich im Kleinen.
Also bist du ein Systemsprenger?
Ja, wahrscheinlich. Aber ich habe es mir nicht vorgenommen, sondern ich habe einfach meine Mutter vermisst. Wir alle müssen wieder mehr irgendwelche Dinge vermissen. Vermissen braucht aber auch Leidenschaft. Am Ende sagst du dann nämlich: "Wenn alle da lang trampeln, gehe ich mal in die andere Richtung".
Ich möchte auch noch den Song "Kontrollverlust" erwähnen. Dass bei vielen Menschen inzwischen die Zündschnur ziemlich kurz ist, ist ja kein Geheimnis. Musstest Du mit solchen Situationen auch schon Erfahrungen machen?
Na klar. Fahr mal mit mir eine Runde im Auto, dann weißt du, was ich meine. Ich glaube, die Autoscheiben wurden nur erfunden, damit man nicht hören kann, was der Autofahrer vor sich hin flucht. Ich würde die Autofahrt bis zum Ortsausgang mit mir selber nicht überleben. Ich bin wirklich der klassische Maulheld im Auto. Ein bayrischer Grantler, immer am Meckern und Maulen. Die Häuser sind zu hässlich, die Leute zu scheiße angezogen, der ist zu dick, der ist zu dünn ... Aber zum Glück darf man alles denken, bevor es dann zum Wort weitergeht. Und wenn das Wort beginnt, sollte man idealerweise nicht alles sagen, was man vorher gedacht hat. Im Großen und Ganzen wage ich zu behaupten, ich habe zwar meine Momente, habe mich aber trotzdem gut im Griff. Jeder kennt diese Situationen, wenn man kurz davor ist, den roten Knopf zu drücken, deshalb war es mir wichtig, dieses Lied zu schreiben.
Die Musik auf dem Album "Liebe Macht Monster" klingt überwiegend wütend und rüttelt ordentlich am Gemüt des Hörers. Über die Inhalte haben wir eben schon gesprochen und wissen, die sind weit weg von Harmonie und heiler Welt. Lässt sich trotzdem eine Portion Optimismus aus der Platte saugen und kann man das Licht am Ende des Tunnels trotzdem noch erkennen?
Das fragst du bitte nicht mich, sondern das fragst du lieber die Hörer! Du kannst mich nun wirklich nicht fragen, ob man aus der Platte Optimismus saugen kann!
Dann stelle ich die Frage anders: SOLL man aus der Platte Optimismus saugen?
Ich habe diese Texte geschrieben und deshalb sage ich dir klipp und klar: Nein, das soll man nicht. Eine gute Rockplatte macht etwas mit dir: du wirst stinksauer, es triggert deine Wut, es gibt dir ein Ventil. Und es gibt dir das Gefühl, du bist nicht allein mit deinem Scheiß. Musik steuert immer direkt deine Emotionen an. Wenn du jetzt noch einen passenden Text dazu packst, gehst du los und könntest die Welt in Stücke reißen. Oder eine Revolution starten. Oder eine Frau ins Bett ziehen. Wie auch immer. Die Platte soll dir Kraft geben, sie soll Bock machen, sie soll dir die Möglichkeit geben, ordentlich Dampf abzulassen. Im Wohnzimmer stehen und voll abgehen, Luftgitarre spielen, wild umher schreien und hinterher völlig erschöpft in der Ecke liegen und nach Luft japsend stammeln: "Was für eine geile Scheibe, ich drehe durch!" - das ist Sinn und Zweck von geilen Rockplatten. Und es ist der richtige Weg zum Licht am Ende des Tunnels. Ich möchte den Leuten außerdem das Gefühl geben, dass ich eine Art Stellvertreter für sie bin, denn ich fühle mich auch durch die Leute vertreten. Oder anders gesagt, ich stehe nicht nur auf der Bühne, sondern bin gleichzeitig auch selber Konzertgänger. Wenn ich auf der Bühne stehe, passiert mit mir dasselbe wie mit den Leuten vor der Bühne, nur eben umgekehrt. Die Menschen da vorne und die Energie, die sich durch sie aufbaut, das ist für mich das Licht am Ende des Tunnels. Nun passiert ja live dank Corona gerade nicht viel, aber ich habe mal einen Satz erfunden, den ich mir bestimmt noch patentieren lasse: Wir schicken die Songs schon mal los und kommen später hinterher. Ich denke, dieser Satz nimmt den ganzen Mist ein bisschen die Schwere.
Das Live-Feeling fehlt dir mächtig…
Na klar. Live ist eben unsere Belohnung. Natürlich nur, wenn wir gut sind und die Songs live funktionieren. Da bekomme ich das zurück, was ich den Leuten mit meiner Platte vorab gegeben habe. Die gegenseitige Energie, die dadurch frei wird, sorgt für eine ausgeglichene Waage und erdet mich ungemein. Ohnehin ist diese Wechselwirkung ein überlebenswichtiges Ding. Ich weiß nämlich nicht, wie lange man als Musiker Platten machen kann, ohne damit live auf die Bühne zu gehen. Für mich ist jedenfalls der Austausch mit den Leuten extrem notwendig, ansonsten drifte ich irgendwann zu sehr ins Negative ab.
Hast du unter den Liedern auf dem Album denn für dich einen Favoriten ausmachen können?
Das wechselt immer mal. Es ist so, dass ich die Platte nicht mehr wirklich höre. Ich habe sie noch nicht mal in echt gesehen, geschweige denn in der Hand gehabt. Aber um auf die Frage zurückzukommen: man hat so seine Momente für bestimmte Songs. Das Album entsteht und man findet, Song 3 ist der beste. Zwei Tage später wechselt das auf Song 5 usw. Man erlebt durchaus komische Gefühle als Musiker und diese Gefühle ändern sich regelmäßig. Stand heute und jetzt lege ich mich fest auf "Himmel". Beim Anhören der Nummer muss ich fast heulen. Der triggert irgendetwas in mir an. "Wer bin ich" ist ebenfalls toll geworden. Das ist mein Lied, die ewige Suche nach dem Wer-Wie-Was-Warum. Willkommen in der Sesamstraße. Klar, die beiden Singles sind auch geil, aber meine persönlichen Favoriten sind eigentlich immer die versteckten Songs. Deshalb fahre ich persönlich auch sehr auf "Dagegen" ab. Und das nicht nur, weil es ein Duett mit Dero von OOMPH ist. Weißt du übrigens, wer der Impulsgeber des Textes für "Kontrollverlust" war? Das war ein Gründungsmitglied von DEICHKIND! Es lebe Hamburg. Hier kennt jeder jeden und komischerweise arbeiten hier auch alle zusammen. Da wo ich herkomme, also aus Bayern, Münchener Umland, Augsburg, da kennt man auch viele Musiker, aber glaubst du ernsthaft, da würde mal irgendjemand mit jemand anderem was zusammen machen? Da gönnt einer nicht dem anderen die Butter auf dem Brot. Vielleicht überspitze ich das ein wenig, aber es gibt halt keine Szene im klassischen Sinne, die etwas Gemeinsames auf die Beine stellt. Und der Rupert ruft einfach ein paar Leute an, die dann kommen und mitmachen. Das ist unglaublich. Somit habe ich das Problem mit dem Text von "Kontrollverlust" mit Malte von DEICHKIND geknackt. Und was Dero angeht… Es gab eigentlich keinen passenden Song, keine Musik. Bei uns ist aber immer zuerst die Musik da. Nur leider fällt einem eben manchmal partout nichts ein, dann muss man schon mal ein gutes Playback wegschmeißen. Bei "Dagegen" gab es anfangs nur die rhythmisierte Strophe, die Dero in einem Stück runtergerasselt hatte. Ich habe darin sofort RAGE AGAINST THE MACHINE mit "Fuck you, I won't do what you tell me" gehört. Das ist unser "Killing in the name", das ist genau mein Thema, das wollte ich schon immer mal machen. Dieses ganz Große! Ihr könnt laut sein, ihr könnt sonst was sein, die Tagesschau hat immer Recht und wenn ein Politiker spricht, haben alle das Maul zu halten. Blablabla… Ich sage immer: Macht, der man nicht auf die Finger schaut, wird schnell zur Ohnmacht. Und wer in der Freiheit pennt, wacht in der Diktatur auf. Misstrauen war halt schon immer mein Genmaterial. Vielleicht habe ich auch nur zu lange Politik und Geschichte studiert, was weiß denn ich. Aber wer sich in Geschichte auskennt, der weiß, dass der Mensch von Anfang an ein Lügner, ein Betrüger und ein Scheißkerl war. Das ist nun mal so. Und nun komme ich wieder auf RAGE AGAINST THE MACHINE zurück. Wie geil ist auf ihrem Debütalbum dieses Cover mit dem brennenden Mönch geworden! Die Lügen des Vietnam-Krieges, der brennende Mönch in Saigon, sensationell. Jetzt war es an der Zeit, dass ich auch mal so ein Statement raushauen wollte. Und dann kam Dero mit diesem Text. Aber wir hatten keinen Chorus, keine Musik, keine Idee, wir hatten gar nichts. Wir saßen da und versuchten verzweifelt, eine Melodie zu finden. Rupert schraubte dann irgendetwas zusammen, was nach und nach immer geiler wurde. Zum Schluss ging Pix auch nochmal drüber. Mir kam schließlich noch die Idee mit dieser Bridge: "Ihr glaubt nur, was ihr glauben wollt, ganz egal, wie laut ihr seid. Ich denke, also bin ich dagegen." Dankeschön, auf Wiedersehen, Schleife drum und Tschüss. Das passiert bei EISBRECHER praktisch nie, dass aus einem Text ein Song wird und wir das Ding vom Wort her hochgezogen haben. Deswegen bin ich auf das Lied wahnsinnig stolz. Ich wollte die Nummer unbedingt auf der Platte haben und ich wollte es unbedingt zusammen mit Dero machen. Erst sah es so aus, als würde Dero den Song selber machen wollen, dann sah es aus, als wollte OOMPH! den Song haben, irgendwann dachten wir, dass keiner mehr den Song machen wollte. Am Schluss hat Pix sich nochmal drüber gemacht und der Nummer den letzten Schliff gegeben. Es war also eine lange Reise, bis dieses Lied "Dagegen" am Ziel war. "FAKK" war für uns der größte Text-Fucker aller Zeiten. Ich stand kurz vor dem Suizid und hatte Zustände, die mich fast in die Klapse gebracht haben. Aber bei "Dagegen" sieht man, wie doch manchmal ein Rädchen ins andere greift. Und trotzdem hätte der Song für uns in die Hose gehen können. Dero ist ja immerhin der Sänger von OOMPH! und wenn die gesagt hätten, den Song nehmen wir und nicht EISBRECHER, wäre alles für den Arsch gewesen. Gut, mir hätte etwas GEMA-Kohle zugestanden, aber der Song wäre für uns weg gewesen, da hätte nicht EISBRECHER draufgestanden. Deshalb war ich heilfroh, als das Baby bei uns im Korb lag. Ich wiederhole mich gern: auf den Song bin ich stolz, den kann man sich schon mal anhören. Es hat durchaus was mit Resistance, also Widerstand zu tun. Man muss ja nicht immer gleich Weltrevolution machen und man muss nicht alles berufsmäßig in Frage stellen. Aber man darf ruhig mal misstrauisch werden, wenn der Chef sagt: "Keiner hier bekommt mehr als du. Und von 1.200 Euro kann man in München doch hervorragend leben". Und wenn ein Söder sagt, wir brauchen mehr Sozialwohnungen, und dieser Mann hat aber vor drei Jahren alle Sozialwohnungen, die im bayerischen Staatsbesitz waren, für einen Appel und ein Ei an eine Immobilien-Heuschrecke verkauft, deren Börsenkurs im Anschluss um 1800 Prozent nach oben geschossen ist, dann kann ich nur sagen, ihr seid Verbrecher, ihr seid Betrüger! Wenn ihr von sozial redet, handelt ihr asozial. Aber ich soll euch alles glauben, was ihr sagt? Deshalb schadet es überhaupt nicht, lieber etwas misstrauisch zu sein als einmal ohne Fallschirm aus dem Flugzeug zu springen. Übrigens sehe ich immer, wenn ich diesen Song höre, Dero vor mir, wie er seinen Part einsingt. Der Typ hat ja eine unglaubliche Energie, der hat uns regelrecht überfahren. So ungefähr muss es sich anfühlen, wenn eine komplette Militärparade über dich drüber marschiert. Dero hat die Energie von drei Kernkraftwerken, einfach klasse. Danke nochmal, Dero!
Die Live-Präsentation der Platte wird ja leider noch etwas auf sich warten lassen. Habt ihr schon einen Fahrplan, wann und wie es mit EISBRECHER auf den Bühnen weitergehen wird?
Natürlich haben wir einen Fahrplan. Und zwar spielen wir am 15. September unser "Volle Kraft voraus"-Festival mit vielen Freunden. Und im November geht es hoffentlich genauso weiter, wie es überall geschrieben steht. Wir haben jedenfalls vor, diesen Fahrplan einzuhalten. Wir hoffen das Beste und rechnen mit dem Schlimmsten. Wenn wir ganz großes Schwein haben, können wir die Termine halten, weil wir mit der Tour ja erst am Jahresende dran sind. Am Ende des Tages sagen wir aber auch ganz klar und deutlich: wenn die Konzepte, die bis dahin erdacht werden, so absurd und unsinnig sind, dass es niemandem mehr Spaß macht, ein Konzert zu besuchen oder zu bespielen, dann lassen wir es halt. Diese Entscheidung behalten wir uns vor. Wir spielen nicht vor Mülltonnen, wir spielen nicht vor Autos, wir spielen nicht vor Plexiglasscheiben. Wenn es also nicht so möglich ist, wie ich es gewohnt bin und wofür ich Musiker geworden bin, dann lassen wir das. Dann muss ich eben Autowäscher werden. Oder ich werde Politiker, das soll ein echt geiler Job sein. Oder Pharma-Lobbyist. Irgendsowas. Oder ich fange im Silicon Valley an. Von der Arbeit habe ich zwar keine Ahnung, aber ich kann wahnsinnig viel quatschen. Das sollte auf jeden Fall für eine Führungsposition reichen. Also wir versuchen unser Möglichstes, aber sehen das nach dieser ganzen Zeit relativ entspannt. Wenn ich sehe, wie oft manche schon ihre Touren verschoben haben. HÄMATOM zum Beispiel mussten die Termine schon dreimal verschieben und haben die Tour jetzt endgültig abgesagt, weil das Timing nicht mehr passt. Aber wie sagte schon Bertold Brecht so treffend: "Sicher ist, dass nichts sicher ist"
. Ich drücke euch ganz fest die Daumen, dass es im Herbst klappt mit der Tour und dem Festival.
Danke, das brauchen wir auch. Ich als Fan muss auf Konzerte gehen, ich brauche diese Energie. Und ich muss auch wieder selber auf die Bühne. Deshalb wünsche ich uns, dass es bald wieder losgeht.
Als der Termin für unser Interview feststand, haben mich gleich zwei Kollegen gefragt: "Wenn du mit dem Alex sprichst, dann frage ihn bitte mal, warum das damals mit MEGAHERZ auseinandergeflogen ist". Das mache ich gerne und frage dich hiermit ganz offiziell danach.
Oh, das ist wieder ein typischer Fall, aus einer kurzen Frage eine ganz lange Antwort zu stricken. Das ist meine Kernkompetenz, das kann ich am besten. Ich versuche es hier aber mal genau umgekehrt anzugehen, also kurz und knackig zu antworten. Man muss wissen, dass ich MEGAHERZ 1993 gegründet habe. Die Sache wuchs systematisch, wir nahmen Platten auf, es kam eine große Plattenfirma und wir wurden ein sogenannter Major-Act. Übrigens sind wir heute noch mit EISBRECHER bei derselben Plattenfirma wie seinerzeit mit MEGAHERZ. Früher hießen sie BMG Ariola, heute ist es Sony Music. Unser Ansprechpartner bei der BMG war damals Thomas Stein, der beliebte Fernseh-Musikspezialist. Es plätscherte alles so vor sich hin, wir wurden allerdings bei dem Majorlabel nicht gerade gut behandelt. Es ging nicht wirklich vorwärts mit der Band. Stell dir vor, wir sind bei einem Majorlabel unter Vertrag und die drehen nicht mal ein Video mit uns. Dann waren wir drei Wochen auf Tour, kamen nach Hause und stellten fest, wir haben nichts verdient! Ganz im Gegenteil, ich musste dann noch ein bisschen Messebau machen, damit ich meine Miete zahlen konnte. Andererseits musst du aber anderen nach der Tour Geld auf den Tisch legen und sie bezahlen. Also den Booker, den Manager usw. Eines Tages machte ich dann den Mund auf und gab klar zu verstehen, dass ich damit nicht mehr einverstanden war. Wenn andere mit uns Geld verdienen, verdienen wir auch Geld. Also entweder verdient keiner etwas, oder wir bekommen alle etwas vom Kuchen ab. Ich kann doch nicht auf Tour gehen und jedes Mal Geld mitnehmen! Andere bekommen die ganzen Einnahmen und wir als Band machen am Ende sogar noch Minus? Da knallte es dann eines Tages richtig. Meine Bandkollegen waren eher die gutmütigen Typen, die meinten, sie machen das doch eher wegen der Kunst und nicht wegen des Geldes. Ich stellte klar, dass ich es durchaus wegen des Geldes mache und nicht mehr einsehe, die Kohle zum Fenster rauszuschmeißen. Dadurch kriegten wir uns mächtig in die Haare. Ich versuchte trotzdem, im Sinne der Band mit dem Management zu verhandeln, bekam aber nur die Antwort, ich solle mir meinen Vertrag durchlesen und wenn ich damit ein Problem habe, solle ich mir eine neue Band suchen. Meine Kollegen eierten nur rum, aber ich ging sofort nach Hause und fixierte meinen Ausstieg aus der Band schriftlich, damit ich ja keinen Rückzieher mehr mache. In der Folge rutschte ich finanziell echt in die Katastrophe rein. Das Dumme war halt, MEGAHERZ war ja als Band nicht so ganz erfolglos, aber wir machen als Team nicht stark genug, gegen diesen miesen Vertrag anzukämpfen. Ich war laut und fordernd, die anderen dagegen eher ruhig und wollten jedem Ärger ausweichen. Also war ich konsequent und stieg aus, aber ich muss ehrlich sagen, das hat mächtig weh getan. Das war schon die ganze Story. Zum Glück ging es dann relativ bald mit EISBRECHER weiter.
Hast du denn damals damit rechnen können, dass du mit dem Nachfolgeprojekt EISBRECHER so lange so erfolgreich sein würdest?
"So lange erfolgreich"… Das war jetzt deine erste nicht ganz treffende Formulierung. Wir waren nämlich anfangs eine einzige Geschichte des Misserfolges. EISBRECHER startete als totales Scheitern. Wir bekamen bei unserer einstigen Plattenfirma ZYX einen Vertrag, was dazu führte, dass die dachten, wir machen einen auf MEGAHERZ Nr. 2. Die Erwartungshaltung bei den Herren von ZYX war jedenfalls ziemlich hoch. Das EISBRECHER-Debütalbum kam dann aber recht elektronisch um die Kurve und wir haben echt wenig davon verkauft. Daraufhin hat uns ZYX direkt und ohne Umschweife den Vertrag gekündigt. Tschüss, auf Wiedersehen.
Bei ZYX rauszufliegen ist aber auch eine Kunst, das schaffen nicht viele.
Das stimmt. Aber eigentlich war es so, die haben uns ein dermaßen gutes Angebot gemacht, dass wir von alleine gegangen sind (lacht). Als dann bei EISBRECHER die guten Platzierungen kamen, sahen die ZYX-Leute ein, dass sie uns nicht gleich hätten gehen lassen dürfen. Erstmal ging es also mit EISBRECHER überhaupt nicht los, dann kam "Schwarze Witwe", dann kam die Gothic Szene, von der wir eigentlich gar keine Ahnung hatten. Von da an ging die Post ab. Ich war plötzlich DJ in einem Club in München und fing an, mir komische Uniformen und andere seltsame Sachen anzuziehen. So kamen wir in die schwarze Szene wie die Jungfrau zum Kind. Dann passierte der glückliche Umstand, dass uns Sandra Eichner zu AFM Records holte. Bis dahin waren wir total am Arsch. Wir haben uns überall beworben, aber keiner wollte uns haben. Ich habe alle Absagen gesammelt und aufgehoben. Lange Rede, kurzer Sinn: Sandra hatte uns damals den Arsch gerettet. Wir arbeiten bis zum heutigen Tag zusammen, ohne sie und AFM wären wir vor die Hunde gegangen. Der Erfolg von EISBRECHER begann dann 2008/2009. Gegründet haben wir die Band aber schon 2002. Und erst mit unserem vierten Album "Eiszeit", das war 2010, konnten wir uns selber unsere erste Gage zahlen. Bis dahin haben wir alles Geld nur zur Finanzierung der Band genutzt, haben nur draufgezahlt. Die Anlaufstrecke für EISBRECHER dauerte also acht lange Jahre. Das wollte ich nur mal gesagt haben. Hinterher klingt immer alles nach einer einzigen Erfolgsstory. Klar, nach oben haben wir immer noch Luft. Aber wir haben inzwischen auch jede Menge Luft nach unten.
Aber nun seid ihr ja nicht die einzige Band, die vier Alben Vorlauf braucht, bis es zündet. In den 70er und 80er Jahren war das ja Gang und Gäbe.
Da hast du vollkommen Recht, man braucht schon einen langen Atem. Nur machen wir uns nichts vor, diejenigen, die ganz schnell dick und groß wurden und vierzig Jahre lang die Rockmusik dominiert haben, die waren mit zwanzig Jahren schon ganz oben. Manchmal passierte es natürlich, dass die zwei ganz schnelle Alben brachten, dann aber an der eigenen Hybris zerbrachen. Wir waren also wirklich nicht die Einzigen, die einen langen Weg zurücklegen mussten. Aber immerhin kann ich mit meinen 52 Jahren auch nicht mehr dem Club der 27 angehören. Also wenn man bereit ist, diesen langen Atem aufzubringen und wenn man merkt, man wird nicht die ganze Zeit über nur beschissen und ausgenutzt, dann kann man das durchaus schaffen. Bei MEGAHERZ war für mich halt irgendwann die Luft raus. Weißt du, du kämpfst und kämpfst, aber andere zocken am Ende die Kohle ab und sagen dir als Bandgründer noch: "Hey, nun habe dich mal nicht so, du Egomane", dann muss ich mir das nicht geben, sondern fange lieber nochmal von vorne an. Dann ist es auch sehr genussvoll, wenn man diesen langen Weg gegangen ist und es immer stetig nach oben ging. Pix und ich schauen heute gerne mal zurück und finden, es war nichts falsch an diesem Weg. Na gut, irgendwann musst du dir dann auch mal deine Goldene Schallplatte abholen. Am besten, bevor du 80 bist. Das Schöne ist ja auch, wenn der Erfolg kommt, kriegst du eines Tages Post von deinen einstigen Feinden bzw. den Leuten, mit denen, du dich mal überworfen hattest. Die zollen dir plötzlich Respekt und gratulieren dir zum Erfolg. Somit kann man dann auch diesen Sack zubinden. Ja, es ist auch heute nicht immer einfach, denn auch Pix und ich sind wie Feuer und Wasser. Aber unser Ziel stimmt. Wir werden uns immer irgendwie einig. Aber wenn du stattdessen Mitstreiter hast, die immer nur rumeiern, keine klare Kante zeigen und kein klares Ziel vor Augen haben, dann geht das auf Dauer nicht gut. Wichtig ist, dass du es schaffst, dir selber immer wieder Feuer unter den Hintern zu machen. Bleibst du nur einmal liegen, ist es vorbei. Natürlich hätte ich damals auch mit MEGAHERZ weitermachen können. Aber da war ich noch zwanzig Jahre jünger und hatte einen furchtbaren Dickschädel. Heute würde ich dem Typen, der ich damals war, links und rechts eine runterhauen. Mit EISBRECHER sind wir heute Diplomaten im Musikbusiness geworden. Das war ich bei MEGAHERZ nie. Bis ich begriffen habe, dass man auch mal die Fresse halten kann… Ich musste früher jeden einzelnen Fehler teuer bezahlen. Das ist wie beim Autorennen: hast du die falschen Reifen drauf, fliegst du bei Regen aus der Kurve. Life is a lesson, you'll learn it when you're through - viele Grüße von Fred Durst / LIMP BIZKIT.
Du hast mir gerade ein gutes Stichwort gegeben: Auto. Ich möchte mir als nächstes einen Oldtimer kaufen. Und zwar hätte ich gerne einen Baby-Benz. Kann ich mir Hoffnung machen, dass mir da ein Experte hilft? Oder anders gefragt: Checkt der Checker noch?
Der Checker checkt nichts mehr. Ob er jemals etwas gecheckt hat, überlasse ich den Zuschauern und den Fans. Aber mit einem Baby-Benz kannst du nichts falsch machen. Das sind stabile Autos. Wenn du einen unfallfreien aus Rentnerhand ergatterst, wird er dich dein Leben lang beglücken. Anspruchslose Technik, top Motoren, kein Rost, alles easy. Also ich mache schon noch in Autos, aber ich mache keine Checkerei mehr.
Aber du bist noch vor der Kamera mit Autos tätig?
Ja. Ich mache Oldtimer-Rallyes, ich mache Schönheits-Autosalons, ich mache viel mit Oldtimern, aber ich habe keine eigene Show mehr. Ich mache auch nicht mehr dieses Ich-fahr-rum-und-kaufe-Autos. Die Checker-Geschichte ist also wirklich Geschichte. Aber ich habe mit "evo 7" in München einen Partner. Und wenn die mal eine Labertasche brauchen, darf ich hin und wieder einen Porsche Jubiläum fahren. Also ja, immer mal wieder gerne, denn ich kriege dieses Auto-Ding auch nicht aus meinem Kopf.
Ich danke dir für diese unterhaltsamen neunzig Minuten und wünsche dir und deinen EISBRECHER-Kollegen alles Gute für das neue Album und hoffe für euch, dass ihr bald wieder auf die Bühne kommt.
Vielen Dank, es hat mir großen Spaß gemacht.
Eigentlich können wir ja gleich über zwei Alben reden, denn das Vorgängeralbum "Schicksalsmelodien" ist ja auch noch nicht so alt. Aber zunächst einmal möchte ich dir zu einem weiteren, sehr gelungenen Album gratulieren.
Herzlichen Dank dafür. "Schicksalsmelodien" ist zwar nicht mehr ganz so frisch, aber immer noch frisch genug. Es stimmt schon, in der kurzen Zeit hat man früher keine zwei Alben auf den Markt gebracht. Wir hatten eben einen tollen Plan. Dann mussten wir diesen Plan leider ändern. Zumindest haben wir die Reihenfolge geändert.
Ist das schon die Unruhe des Alters, dass ihr so schnell neue Songs und Alben raushaut oder war Corona schuld an dieser bemerkenswerten Schaffenskraft?
Nein. Wir hatten vor, genau in diesem Rhythmus zwei Platten zu machen. Nur hätte "Liebe Macht Monster" eigentlich schon im Oktober 2020 erscheinen sollen und natürlich sollte sich daran eine Tournee anschließen, denn zu einem neuen Studioalbum geht man auf Tour. So gehört sich das, nur zusammen macht das auch Sinn. Seine Bestätigung holt man sich live! Bei einer Cover-Platte wie "Schicksalsmelodien" ist eine Tour aber nicht zwingend notwendig. Deshalb war diese Scheibe auch erst für März 2021 geplant. Wir haben also die beiden Erscheinungstermine einfach nur umgedreht und ausgetauscht. Das Pensum hat jedenfalls nichts mit dem Alter zu tun, sondern wir fanden das Timing absolut okay. Die Aufnahmen zu "Liebe Macht Monster" waren jedenfalls schon im März 2020 fertig, also noch bevor dieser ganze Corona-Mist losging. Aber dann musst du ja auch noch abmischen, mastern und produzieren. Und in diese Zeit zwischen Mixing und Mastering haben wir dann "Schicksalsmelodien" reingepackt. Das war schon sportlich, denn wir wussten, dass Teil muss fertigwerden. Dafür blieben uns ganze zwei Monate Zeit. Das war ziemlich abartig. Aber drauf geschissen, denn wir hatten ja sonst nichts zu tun! (lacht)
Bleiben wir mal kurz bei den "Schicksalsmelodien". Der Titel des Albums verrät ja eigentlich schon, worum es geht. Auf der Platte befinden sich Lieder, die irgendwie mit euch zu tun und/oder euch beeinflusst haben. Stimmt das oder fiel die Auswahl der zu covernden Songs doch eher unter den Aspekt, dass man die selber viel besser als das Original umsetzen und an den Konsumenten herantragen könnte?
Hmmm… Es stimmt beides. Aber es gibt auch noch eine dritte Komponente, die du nicht genannt hast, die aber die ausschlaggebende für uns war: die Machbarkeit. Und da hat mein Produzent und musikalischer Partner Pix die Nase vorn, denn er weiß, was machbar ist, was in einem solch kurzen Zeitfenster geht und was nicht. Ich sagte zu Pix: "Mein Freund, ich frage dich: was können wir singen? Machen wir was auf Englisch oder lieber auf Deutsch? Machen wir was Internationales, zum Beispiel METALLICA? Oder IRON MAIDEN?" Pix meinte daraufhin, dass wir von englischsprachigen Nummern auf jeden Fall die Finger weglassen. Des Weiteren stellte sich die Frage, wenn keiner die Songs kennt, dann passiert dasselbe wie mit den anderen Songs der Interpreten, die wir neu interpretieren: die kennt keiner. Also brauchen wir ein paar Namen und Nummern, die schon mal weit vorne waren. Die Challenge lautete demzufolge: such dir die, die nicht zu berühmt und zu abgedroschen sind, die vielleicht schon etwas in Vergessenheit geraten sind. Aber auf keinen Fall verhebe dich an Mega-Acts! Und versuche nichts zu machen, wo du niemals herankommst, wo du immer scheitern musst, weil der Mythos dahinter einfach zu groß ist. Als Beispiel dafür sei KRAFTWERK genannt. Nun haben wir uns also von der Kommerz-Schiene "Out oft he dark" von FALCO und "Skandal im Sperrbezirk" von der SPIDER MURPHY HANG geschnappt. Die restlichen Songs auf der Platte stammen eher aus der zweiten Reihe.
Na ja, JOACHIM WITT würde ich jetzt nicht unbedingt in die zweite Reihe stellen wollen.
Ja klar, da hast du Recht. Das Ganze ist schon so lange her, dann rutscht so etwas schon mal durch. "Skandal im Sperrbezirk" war für uns als Bayern eine besondere Herausforderung und Freude, denn so wie ein Bayer niemals Bundeskanzler wird, wird eigentlich auch ein bayerisches Lied niemals ein bundesweiter Hit. Bei "Out of the dark" hat Pix und mich komischerweise schon immer der Strophenteil gestört, aber das Ding ist einfach eine große Rockhymne. Unser Ziel war am Ende, einerseits diese Songs zu ehren, indem wir sie wieder ans Tageslicht holen. Andererseits wollten wir die Nummern "vereisbrechern", sie also in unseren Kosmos holen. Wir wollten es halt einfach mal ausprobieren. Die Plattenfirma sah das natürlich noch von einer anderen Warte und meinte, das wäre doch eine gute Gelegenheit, nochmal Kohle zu verdienen. Wir hatten jedenfalls selber richtig Bock darauf. Ein Mann wie WITT… Wir haben schon so oft miteinander auf der Bühne gestanden. Und ja, natürlich sind es auch Songs, die uns über die Jahrzehnte geprägt haben. Du hast also mit deiner eingangs geäußerten Vermutung vollkommen Recht. Neben der erwähnten Machbarkeit ging es hier allerdings auch eine gewisse Demut, denn wir wollten die Nummern nicht verballhornen, sondern wollten der Sache gerecht werden. Und ich muss auch immer wieder die Plattenfirma ins Spiel bringen, die selbstredend erwartete, dass wir mit dem Album ein dickes Ei legen. Mittlerweile sind wir alle happy, das Teil verkauft sich erstaunlich gut. Das überrascht uns durchaus ein bisschen. Genauso überrascht sind wir aber auch von den Idioten, die rummosern, da wäre ja gar kein eigener Song drauf. Die haben halt bis heute nicht verstanden, dass wir ein Coveralbum gemacht haben. Na ja ... Für uns ist wichtig, dass unsere Idee aufging. Von den Bands, die wir uns auf "Schicksalsmelodien" vorgeknöpft haben, kamen zum Glück auch keine Morddrohungen. Ganz im Gegenteil, DORO und WITT haben uns sehr gelobt, also können wir nicht allzu viel falsch gemacht haben. Ich fürchte, da wird es irgendwann wohl noch eine zweite Auflage geben.
Du hast ja FALCO schon als Beispiel genannt. Dabei fällt mir ein, dass du ja bereits zu MEGAHERZ-Zeiten einen FALCO-Song gecovert hast. Spielt FALCO eine größere Rolle in deinem Leben?
Unbedingt. Ohne FALCO würde ich keine deutschen Texte machen. Ohne FALCO wäre das immer noch die Sprache von Rudolf Schock, Hans Albers oder Maria Hellwig. FALCO hat die deutsche Sprache sexy und international gemacht. Er war eine Art DAVID BOWIE der Neuen Deutschen Welle. Die NDW war ja sehr schnell im Klamauk gelandet. Ich hingegen war immer schon Fan von EXTRABREIT, die ja nicht so recht ins NDW-Korsett passten. FALCOs Verdienst wird hingegen immer sein, dass er den Spießer-Muff, das Teutonische aus der deutschen Sprache rausgehauen hat. Ohne ihn würde es die Lässigkeit in unserer Sprache und auch die Rapperei nicht geben. Er wird auf ewig ein großer Künstler sein, der über Grenzen ging. Ich habe ihn 1985 in der Alabama-Halle in München anlässlich der "FALCO 3"-Tournee sogar mal live gesehen. Da war ich allerdings gar nicht so begeistert. Bei mir war zugegebenermaßen nach dem vierten Album "Wiener Blut" Schluss, aber das reicht ja auch. Und wie der Zufall so spielt, haben wir an seinem Todestag mit MEGAHERZ in dem von ihm oft besungenen U4 in Wien gespielt. Auf der Heimfahrt vom Konzert hörten wir dann, dass FALCO gestorben war und wir beschlossen sofort, als nächstes "Rock me Amadeus" zu covern. Das war uns ein wirkliches Anliegen. Die Plattenfirma sagt bei so etwas niemals Nein, denn die witterten den schnellen Dollar, während es dem Musiker wirklich um die Sache geht.
Apropos MEGAHERZ. Die Band ist mit dem Song "Freiflug" auch auf dieser CD vertreten. Was hat dich daran gereizt, den Titel nach über zwanzig Jahren noch einmal neu aufzunehmen und ihn auf ein EISBRECHER-Album zu packen?
Wir brauchten noch eine Nummer. Als Pix und ich noch bei MEGAHERZ spielten, war "Freiflug" die erste Single, zu der wir ein Video gemacht haben. Das lief sogar bei VIVA, allerdings nur in der "Fuck you"-Rotation und nicht in der "I like you very much"-Rotation, denn dafür hatten wir nicht genug Schmiere, wenn du verstehst, was ich meine. Im Klartext: auf VIVA und MTV bist du damals nur gelaufen, wenn du genügend Taschengeld mitgebracht hattest. Aber im Ernst: es ist ein geiler Song, eine richtig gute Power-Ballade. Und da uns noch ein Titel auf dem Album fehlte, wollten wir genau den machen. Es war schon erstaunlich, wie das Feeling beim Einsingen sofort wieder da war. Ich hatte "Freiflug" ja auch schon viele Jahre nicht mehr geträllert. Das waren echte Magic Moments, eine Art Coming Home. Da kam also ein MEGAHERZ-Song zu EISBRECHER nach Hause. 2012 bei "Miststück" war es ja ähnlich. Diese beiden Nummern haben wir halt damals geschrieben, egal ob sie nun zu EISBRECHER oder MEGAHERZ gehören. Man hört ja auch schon bei den alten MEGAHERZ-Songs eine gewisse EISBRECHER-Komponente heraus und umgekehrt genauso. Das hat eben eine gewisse Tradition. Die DNA von Pix und mir steckt halt in allen Songs drin, die wir für diese beiden Bands geschrieben haben. Und Pix hat schon Recht, wenn er sagt, dass wir bei MEGAHERZ jetzt nicht die totale Erfolglosigkeit gehabt hätten, sondern wir haben da unsere Spuren hinterlassen und eine Menge Zeichen gesetzt. Also warum soll man sich nicht auch mal selber covern?
Nach der Nr. 1-Platte "Sturmfahrt" kam "Schicksalsmelodien" bis auf Platz 4 der deutschen Charts. Sind diese statistischen Details und Platzierungen für euch überhaupt noch interessant? Oder verlasst ihr euch da lieber auf eure eigenen Beobachtungen im Fanlager, um zu wissen, dass ihr ein heißer Act seid?
Im Fanlager bist du immer die Nummer 1, die beklatschen alles. Dem Fan fehlt nämlich oftmals ein bisschen die Objektivität und er wird dich auch dann nicht fallen lassen, wenn er die Platte nicht so toll findet. Deswegen hole ich mir im Fanlager auch nichts weiter ab. Das wäre sonst so, also würde ein CDU-Politiker zu seinen Fans ins Bierzelt gehen und sagen: "Hey, meine leiben Wähler, hier bin ich!" Wenn du aber herausfinden willst, ob das, was du machst, draußen gut oder eher nicht so gut ankommt, dann brauchst du nicht zu deinen Fans gehen, sondern musst sehen, was du an der Kasse bewegst und wie viel Tickets du verkauft hast. Oder du musst gucken, was der Musikjournalist so schreibt. Ich lese übrigens keine Rezensionen mehr. Interviews dagegen ja, die lese ich. Und sei es nur, um zu erfahren, ob das, was ich im Interview gesagt habe, vernünftig wiedergegeben wurde. Aber Rezensionen brauche ich nicht. Ich weiß doch selber am besten, was ich gemacht und aufgenommen habe. Diese Rezensionen sind für die anderen da, für die, die sich ein Bild machen sollen von uns und unserer Musik. Für uns ist entscheidend, was wir umsetzen, was wir verkaufen, wie lange und wie gut die Platte performed, wenn ich es mal so ausdrücken darf. Denn nur das entscheidet über deinen Verbleib im Business. Bist du nicht mehr geil und angesagt, verlierst du deinen Plattendeal. Hast du keinen Plattendeal mehr, fehlt dir die Kohle, um fette Produktionen zu machen. Man kann uns mögen oder nicht, aber EISBRECHER stehen immer und zu jeder Zeit für richtig saubere und fette Produktionen. Das sind teuer produzierte Platten, für die uns die nötige Zeit nehmen. Wir lassen uns das also richtig was kosten, damit es nicht nach 1-2-3-Garage-ist-doch-scheißegal klingt. Wir nehmen es sportlich. Die Eins hatten wir schon mal und das war schön. Man kann also sagen, wir sind eine echte Nr. 1 - Band. Wenn wir irgendwo am Start sind, dann wollen wir auch so erfolgreich wie möglich sein, denn wir gehen nicht ins Rennen, um auf dem letzten Platz zu landen, sondern wollen nach Möglichkeit immer wieder auf Platz 1 kommen. Aber dazu gehören natürlich ganz viele Faktoren: wann, wer noch… Klar, wir haben keine Chance gegen HELENE FISCHER, wir haben auch keine Chance gegen AC/DC oder BRUCE SPRINGSTEEN. Oder FREI.WILD oder die ONKELZ. Selbst gegen die meisten Rapper sind wir chancenlos, wenn die zeitgleich mit uns was Neues rausbringen. Wenn die alle aber gerade kein aktuelles Konkurrenzprodukt auf dem Markt haben, dann schaffen wir es schon auf die Eins. Und wenn es nicht klappt, weil eben gerade jemand fünftausend Platten mehr verkauft, fange ich auch nicht an zu heulen. Ich möchte aber auf keinen Fall feststellen, dass wir plötzlich 150.000 Scheiben weniger verkaufen als beim letzten Mal, denn dann heißt das, wir werden für irgendetwas abgestraft. Letztlich wäre ich schon froh, wenn ich mal wieder eine Goldene Schallplatte kriegen würde. In meiner Wohnung hängt schon eine und immer, wenn ich reinkomme, sehe ich die. Das ist schon ein geiles Gefühl.
Du sagtest schon, dass die Platten fertig waren, bevor der Corona-Mist losging. Wie lange habt ihr denn speziell am "Liebe Macht Monster"-Album gearbeitet?
Zwei Jahre. Die scharfe Phase dauerte ungefähr eineinhalb Jahre. So lange brauchen wir eben und wir bilden ja dann auch immer ungefähr zwei Jahre Zeitgeschichte mit dem Album ab.
Vermischte sich das mit der "Schicksalsmelodie" oder lief das getrennt voneinander ab?
Nein, das lief völlig unabhängig voneinander. Wie vorhin erzählt, haben wir bis März 2020 die Aufnahmen für "Liebe Macht Monster" fertiggestellt. Es folgte ein kurzer Stopp, in diesen zwei bis drei Wochen hat sich Pix ordentlich den Kopf freigeblasen. Als wäre nichts gewesen, sind wir dann sofort und komplett in die Produktion der "Schicksalsmelodie" eingestiegen. Pix hatte also im Jahr 2020 definitiv keine Langeweile.
Beim Titel des Albums "Liebe Macht Monster" ist jedes Wort großgeschrieben, was den Interpretationen natürlich Tür und Tor öffnet. Stehen diese drei Worte für euch in direktem Zusammenhang, oder macht Liebe aus manchem Menschen tatsächlich ein Monster?
Gute Frage, die du dir gerne selbst beantworten darfst. Unser Ziel war es, diesen Interpretationen alle Kellertüren, alle Schlosstüren aufzumachen. So etwas lieben wir. Die Leute können und sollen sich bei ihrer Interpretation dessen ungehindert austoben. Wir sind jedenfalls der Meinung, dass diese drei Begriffe sehr viel mit dem Zustand unserer Gesellschaft zu tun haben. Man könnte also auch sagen: Die Liebe. Die Macht. Das Monster. Inklusive der damit verbundenen Wechselwirkungen. Aber da will ich gar nicht tiefer einsteigen in diese Materie. Sonst müsste ich mich fragen, ist Professor Frankenstein derjenige, der das Monster schafft? Vielleicht aus Liebe, vielleicht aus Gefallsucht? Gibt es die Erbsünde? Wird aus jedem Neugeborenen automatisch ein Scheißkerl? Sind wir alle scheiße? Oder nur die, die Macht haben? Ich weiß es nicht. Aber wir sollten auf jeden Fall mal wieder vermehrt über solche Dinge nachdenken, anstatt immer nur rumzubrüllen. Das würde ich gerne unserer Gesellschaft mit auf den Weg geben.
Das Album startet mit dem Song "Es lohnt sich nicht, ein Mensch zu sein". Welche Idee steckt hinter dieser Nummer und warum packt ihr sie gleich vorne auf die CD?
Das ist die Antwort auf einen uralten Song aus längst vergessenen Zeiten. Mit MEGAHERZ hatten wir seinerzeit auf dem ersten Album einen Titel namens "Es ist nicht leicht, ein Gott zu sein". Dadurch kamen wir auf die Idee zu dem Song.
Der Song "FAKK", den es ja bereits vorab als Single gab, bezieht deutlich Stellung. Hier gibt es musikalisch wie inhaltlich voll eins auf die Zwölf. In welchem Gemütszustand muss man sich befinden bzw. was muss einem begegnet sein, um einen solchen Song zu schreiben?
Da muss einem zum Beispiel das "Rock for People"-Festival in Hradec Králové passiert sein. Da saßen wir nämlich bei sehr vielen Pils-Bieren zusammen, als Pix sagte: "Wenn du wirklich mal einen internationalen Hit haben willst, wenn du mal einen Slogan haben willst, den alle verstehen von Russland bis sonst wohin, dann kann das nur "FAKK" sein." Wenn ich mir den Zeh stoße, sage ich "FAKK", wenn ich mir die Bierflasche über den Schädel ziehe, sage ich "FAKK". Jeder sagt immer und überall "FAKK". Das ist die Botschaft des Liedes. Deshalb beschlossen wir, sofort diesen Song zu schreiben. Einfacher und primitiver geht's nicht, voll auf die Nuss! Dann begannen aber erst die Qualen, denn nun finde mal eine Antwort auf die Frage, wer der Adressat eines solchen Liedes sein soll. Wie können wir es gestalten, dass es nicht aussieht, als würden wir auf eine bestimmte Gruppe eindreschen. Wir müssen es möglichst so cool hinbekommen wie RAGE AGAINST THE MACHINE: "Fuck you, I won`t do what you tell me". Wer ist denn "you"? Am besten alle inklusive wir. Du kannst mir glauben, diese Nummer war die härteste Nuss auf dem ganzen Album. Um diesen Text hinzukriegen, haben wir uns echt gequält. Die Musik war schnell da, aber immer, wenn du denkst, es geht schnell weiter, dann geht es eher schief. Zum Schluss einigten wir uns darauf, dass wir mit dem Song jene meinen, die es auch verdient haben. Zum Beispiel Hedgefond-Manager, aufgeblasene Idioten, die jeden Tag dafür sorgen, dass es der Welt noch ein bisschen schlechter geht. Bei denen geht das "FAKK" schon in die richtige Richtung.
Und so ganz nebenbei habt ihr dieses Wort auch gleich eingedeutscht.
Ja, denn nachdem es nun schon solange sein Unwesen in unserer Sprache treibt, muss man konsequent sein und sagen: So und nicht anders steht das bei uns im phonetischen Alphabet! Außerdem dachten wir uns, dass wir damit in Amerika ganz charmant die Zensur umgehen, aber weit gefehlt, der Song wird in Amerika nicht gespielt. Ist es nicht lustig, so etwas passiert im Mutterland des FUCK! Die kriegen die Krise, wenn ein deutscher Rockmusiker "FAKK" singt. Bei uns hingegen steht jeder Rockstar aus Amerika on stage und labert was von "Motherfucker". Wie auch immer. Auf jeden Fall ist es ein lustiges Wort, welches es mal verdient hat, von einer deutschen Band missbraucht zu werden.
Brauchen wir eigentlich mehr "Systemsprenger"? Und bist du ein solcher?
Ich wäre es gern. Mit dem, was ich tue, bin ich es ja ein Stück weit, denn schon ganz lange darf ich mit den Konsequenzen meines Schaffens leben. Ich habe mich ja von einem klassischen bürgerlichen Leben diametral abgesetzt. Wie man sieht, funktioniert das auch. Ich würde mir jedenfalls wünschen, dass künftig immer weniger Kinder mit vier Jahren schon wissen, dass sie später mal Hedgefond-Manager werden wollen oder Jurist, weil der Papa sowas auch macht. Kinder sollen bis zehn oder gar fünfzehn Jahren überhaupt nicht darüber nachdenken müssen, welche scheiß Karriere sie später machen wollen. Damit zeigst du dem System geschmeidig den Stinkefinger, denn dieses System ist eins, welches uns schon ab der Geburt oder spätestens ab dem Kindergarten zu Funktionsmaschinen degradiert. Da bleiben Phantasie und Freiraum definitiv auf der Strecke, denn man soll ja lieber Karriere machen. Und diese Karriere sieht so aus, dass du zur Polizei gehst, oder du sollst Ingenieur werden. Aber warum? Weshalb kann man nicht auch Schauspieler, Drehbuchautor oder einfach Lebenskünstler werden? Das ist mir alles zu unbunt geworden. Ich gebe zu, ich trage am liebsten komplett schwarz. Aber dazu trage ich auch sehr gerne eine bescheuerte Brille, einen Hut und Schuhe. Es geht mir nicht ums Auffallen, sondern ich möchte den Leuten zeigen, man kann auch mit Hut aus dem Haus gehen. Man darf sich also wieder mehr trauen. Warum auch nicht?! Ich bin halt gegen diese Gleichmacherei, das ist einfach nicht mein Ding, das mag ich nicht. Ich will nicht enden wie Charlie Chaplin in "Modern times". Eingesogen von der Maschine, die man selber gebaut hat. Ja, wir müssen mehr "System sprengen". Gerne jeder für sich im Kleinen.
Also bist du ein Systemsprenger?
Ja, wahrscheinlich. Aber ich habe es mir nicht vorgenommen, sondern ich habe einfach meine Mutter vermisst. Wir alle müssen wieder mehr irgendwelche Dinge vermissen. Vermissen braucht aber auch Leidenschaft. Am Ende sagst du dann nämlich: "Wenn alle da lang trampeln, gehe ich mal in die andere Richtung".
Ich möchte auch noch den Song "Kontrollverlust" erwähnen. Dass bei vielen Menschen inzwischen die Zündschnur ziemlich kurz ist, ist ja kein Geheimnis. Musstest Du mit solchen Situationen auch schon Erfahrungen machen?
Na klar. Fahr mal mit mir eine Runde im Auto, dann weißt du, was ich meine. Ich glaube, die Autoscheiben wurden nur erfunden, damit man nicht hören kann, was der Autofahrer vor sich hin flucht. Ich würde die Autofahrt bis zum Ortsausgang mit mir selber nicht überleben. Ich bin wirklich der klassische Maulheld im Auto. Ein bayrischer Grantler, immer am Meckern und Maulen. Die Häuser sind zu hässlich, die Leute zu scheiße angezogen, der ist zu dick, der ist zu dünn ... Aber zum Glück darf man alles denken, bevor es dann zum Wort weitergeht. Und wenn das Wort beginnt, sollte man idealerweise nicht alles sagen, was man vorher gedacht hat. Im Großen und Ganzen wage ich zu behaupten, ich habe zwar meine Momente, habe mich aber trotzdem gut im Griff. Jeder kennt diese Situationen, wenn man kurz davor ist, den roten Knopf zu drücken, deshalb war es mir wichtig, dieses Lied zu schreiben.
Die Musik auf dem Album "Liebe Macht Monster" klingt überwiegend wütend und rüttelt ordentlich am Gemüt des Hörers. Über die Inhalte haben wir eben schon gesprochen und wissen, die sind weit weg von Harmonie und heiler Welt. Lässt sich trotzdem eine Portion Optimismus aus der Platte saugen und kann man das Licht am Ende des Tunnels trotzdem noch erkennen?
Das fragst du bitte nicht mich, sondern das fragst du lieber die Hörer! Du kannst mich nun wirklich nicht fragen, ob man aus der Platte Optimismus saugen kann!
Dann stelle ich die Frage anders: SOLL man aus der Platte Optimismus saugen?
Ich habe diese Texte geschrieben und deshalb sage ich dir klipp und klar: Nein, das soll man nicht. Eine gute Rockplatte macht etwas mit dir: du wirst stinksauer, es triggert deine Wut, es gibt dir ein Ventil. Und es gibt dir das Gefühl, du bist nicht allein mit deinem Scheiß. Musik steuert immer direkt deine Emotionen an. Wenn du jetzt noch einen passenden Text dazu packst, gehst du los und könntest die Welt in Stücke reißen. Oder eine Revolution starten. Oder eine Frau ins Bett ziehen. Wie auch immer. Die Platte soll dir Kraft geben, sie soll Bock machen, sie soll dir die Möglichkeit geben, ordentlich Dampf abzulassen. Im Wohnzimmer stehen und voll abgehen, Luftgitarre spielen, wild umher schreien und hinterher völlig erschöpft in der Ecke liegen und nach Luft japsend stammeln: "Was für eine geile Scheibe, ich drehe durch!" - das ist Sinn und Zweck von geilen Rockplatten. Und es ist der richtige Weg zum Licht am Ende des Tunnels. Ich möchte den Leuten außerdem das Gefühl geben, dass ich eine Art Stellvertreter für sie bin, denn ich fühle mich auch durch die Leute vertreten. Oder anders gesagt, ich stehe nicht nur auf der Bühne, sondern bin gleichzeitig auch selber Konzertgänger. Wenn ich auf der Bühne stehe, passiert mit mir dasselbe wie mit den Leuten vor der Bühne, nur eben umgekehrt. Die Menschen da vorne und die Energie, die sich durch sie aufbaut, das ist für mich das Licht am Ende des Tunnels. Nun passiert ja live dank Corona gerade nicht viel, aber ich habe mal einen Satz erfunden, den ich mir bestimmt noch patentieren lasse: Wir schicken die Songs schon mal los und kommen später hinterher. Ich denke, dieser Satz nimmt den ganzen Mist ein bisschen die Schwere.
Das Live-Feeling fehlt dir mächtig…
Na klar. Live ist eben unsere Belohnung. Natürlich nur, wenn wir gut sind und die Songs live funktionieren. Da bekomme ich das zurück, was ich den Leuten mit meiner Platte vorab gegeben habe. Die gegenseitige Energie, die dadurch frei wird, sorgt für eine ausgeglichene Waage und erdet mich ungemein. Ohnehin ist diese Wechselwirkung ein überlebenswichtiges Ding. Ich weiß nämlich nicht, wie lange man als Musiker Platten machen kann, ohne damit live auf die Bühne zu gehen. Für mich ist jedenfalls der Austausch mit den Leuten extrem notwendig, ansonsten drifte ich irgendwann zu sehr ins Negative ab.
Hast du unter den Liedern auf dem Album denn für dich einen Favoriten ausmachen können?
Das wechselt immer mal. Es ist so, dass ich die Platte nicht mehr wirklich höre. Ich habe sie noch nicht mal in echt gesehen, geschweige denn in der Hand gehabt. Aber um auf die Frage zurückzukommen: man hat so seine Momente für bestimmte Songs. Das Album entsteht und man findet, Song 3 ist der beste. Zwei Tage später wechselt das auf Song 5 usw. Man erlebt durchaus komische Gefühle als Musiker und diese Gefühle ändern sich regelmäßig. Stand heute und jetzt lege ich mich fest auf "Himmel". Beim Anhören der Nummer muss ich fast heulen. Der triggert irgendetwas in mir an. "Wer bin ich" ist ebenfalls toll geworden. Das ist mein Lied, die ewige Suche nach dem Wer-Wie-Was-Warum. Willkommen in der Sesamstraße. Klar, die beiden Singles sind auch geil, aber meine persönlichen Favoriten sind eigentlich immer die versteckten Songs. Deshalb fahre ich persönlich auch sehr auf "Dagegen" ab. Und das nicht nur, weil es ein Duett mit Dero von OOMPH ist. Weißt du übrigens, wer der Impulsgeber des Textes für "Kontrollverlust" war? Das war ein Gründungsmitglied von DEICHKIND! Es lebe Hamburg. Hier kennt jeder jeden und komischerweise arbeiten hier auch alle zusammen. Da wo ich herkomme, also aus Bayern, Münchener Umland, Augsburg, da kennt man auch viele Musiker, aber glaubst du ernsthaft, da würde mal irgendjemand mit jemand anderem was zusammen machen? Da gönnt einer nicht dem anderen die Butter auf dem Brot. Vielleicht überspitze ich das ein wenig, aber es gibt halt keine Szene im klassischen Sinne, die etwas Gemeinsames auf die Beine stellt. Und der Rupert ruft einfach ein paar Leute an, die dann kommen und mitmachen. Das ist unglaublich. Somit habe ich das Problem mit dem Text von "Kontrollverlust" mit Malte von DEICHKIND geknackt. Und was Dero angeht… Es gab eigentlich keinen passenden Song, keine Musik. Bei uns ist aber immer zuerst die Musik da. Nur leider fällt einem eben manchmal partout nichts ein, dann muss man schon mal ein gutes Playback wegschmeißen. Bei "Dagegen" gab es anfangs nur die rhythmisierte Strophe, die Dero in einem Stück runtergerasselt hatte. Ich habe darin sofort RAGE AGAINST THE MACHINE mit "Fuck you, I won't do what you tell me" gehört. Das ist unser "Killing in the name", das ist genau mein Thema, das wollte ich schon immer mal machen. Dieses ganz Große! Ihr könnt laut sein, ihr könnt sonst was sein, die Tagesschau hat immer Recht und wenn ein Politiker spricht, haben alle das Maul zu halten. Blablabla… Ich sage immer: Macht, der man nicht auf die Finger schaut, wird schnell zur Ohnmacht. Und wer in der Freiheit pennt, wacht in der Diktatur auf. Misstrauen war halt schon immer mein Genmaterial. Vielleicht habe ich auch nur zu lange Politik und Geschichte studiert, was weiß denn ich. Aber wer sich in Geschichte auskennt, der weiß, dass der Mensch von Anfang an ein Lügner, ein Betrüger und ein Scheißkerl war. Das ist nun mal so. Und nun komme ich wieder auf RAGE AGAINST THE MACHINE zurück. Wie geil ist auf ihrem Debütalbum dieses Cover mit dem brennenden Mönch geworden! Die Lügen des Vietnam-Krieges, der brennende Mönch in Saigon, sensationell. Jetzt war es an der Zeit, dass ich auch mal so ein Statement raushauen wollte. Und dann kam Dero mit diesem Text. Aber wir hatten keinen Chorus, keine Musik, keine Idee, wir hatten gar nichts. Wir saßen da und versuchten verzweifelt, eine Melodie zu finden. Rupert schraubte dann irgendetwas zusammen, was nach und nach immer geiler wurde. Zum Schluss ging Pix auch nochmal drüber. Mir kam schließlich noch die Idee mit dieser Bridge: "Ihr glaubt nur, was ihr glauben wollt, ganz egal, wie laut ihr seid. Ich denke, also bin ich dagegen." Dankeschön, auf Wiedersehen, Schleife drum und Tschüss. Das passiert bei EISBRECHER praktisch nie, dass aus einem Text ein Song wird und wir das Ding vom Wort her hochgezogen haben. Deswegen bin ich auf das Lied wahnsinnig stolz. Ich wollte die Nummer unbedingt auf der Platte haben und ich wollte es unbedingt zusammen mit Dero machen. Erst sah es so aus, als würde Dero den Song selber machen wollen, dann sah es aus, als wollte OOMPH! den Song haben, irgendwann dachten wir, dass keiner mehr den Song machen wollte. Am Schluss hat Pix sich nochmal drüber gemacht und der Nummer den letzten Schliff gegeben. Es war also eine lange Reise, bis dieses Lied "Dagegen" am Ziel war. "FAKK" war für uns der größte Text-Fucker aller Zeiten. Ich stand kurz vor dem Suizid und hatte Zustände, die mich fast in die Klapse gebracht haben. Aber bei "Dagegen" sieht man, wie doch manchmal ein Rädchen ins andere greift. Und trotzdem hätte der Song für uns in die Hose gehen können. Dero ist ja immerhin der Sänger von OOMPH! und wenn die gesagt hätten, den Song nehmen wir und nicht EISBRECHER, wäre alles für den Arsch gewesen. Gut, mir hätte etwas GEMA-Kohle zugestanden, aber der Song wäre für uns weg gewesen, da hätte nicht EISBRECHER draufgestanden. Deshalb war ich heilfroh, als das Baby bei uns im Korb lag. Ich wiederhole mich gern: auf den Song bin ich stolz, den kann man sich schon mal anhören. Es hat durchaus was mit Resistance, also Widerstand zu tun. Man muss ja nicht immer gleich Weltrevolution machen und man muss nicht alles berufsmäßig in Frage stellen. Aber man darf ruhig mal misstrauisch werden, wenn der Chef sagt: "Keiner hier bekommt mehr als du. Und von 1.200 Euro kann man in München doch hervorragend leben". Und wenn ein Söder sagt, wir brauchen mehr Sozialwohnungen, und dieser Mann hat aber vor drei Jahren alle Sozialwohnungen, die im bayerischen Staatsbesitz waren, für einen Appel und ein Ei an eine Immobilien-Heuschrecke verkauft, deren Börsenkurs im Anschluss um 1800 Prozent nach oben geschossen ist, dann kann ich nur sagen, ihr seid Verbrecher, ihr seid Betrüger! Wenn ihr von sozial redet, handelt ihr asozial. Aber ich soll euch alles glauben, was ihr sagt? Deshalb schadet es überhaupt nicht, lieber etwas misstrauisch zu sein als einmal ohne Fallschirm aus dem Flugzeug zu springen. Übrigens sehe ich immer, wenn ich diesen Song höre, Dero vor mir, wie er seinen Part einsingt. Der Typ hat ja eine unglaubliche Energie, der hat uns regelrecht überfahren. So ungefähr muss es sich anfühlen, wenn eine komplette Militärparade über dich drüber marschiert. Dero hat die Energie von drei Kernkraftwerken, einfach klasse. Danke nochmal, Dero!
Die Live-Präsentation der Platte wird ja leider noch etwas auf sich warten lassen. Habt ihr schon einen Fahrplan, wann und wie es mit EISBRECHER auf den Bühnen weitergehen wird?
Natürlich haben wir einen Fahrplan. Und zwar spielen wir am 15. September unser "Volle Kraft voraus"-Festival mit vielen Freunden. Und im November geht es hoffentlich genauso weiter, wie es überall geschrieben steht. Wir haben jedenfalls vor, diesen Fahrplan einzuhalten. Wir hoffen das Beste und rechnen mit dem Schlimmsten. Wenn wir ganz großes Schwein haben, können wir die Termine halten, weil wir mit der Tour ja erst am Jahresende dran sind. Am Ende des Tages sagen wir aber auch ganz klar und deutlich: wenn die Konzepte, die bis dahin erdacht werden, so absurd und unsinnig sind, dass es niemandem mehr Spaß macht, ein Konzert zu besuchen oder zu bespielen, dann lassen wir es halt. Diese Entscheidung behalten wir uns vor. Wir spielen nicht vor Mülltonnen, wir spielen nicht vor Autos, wir spielen nicht vor Plexiglasscheiben. Wenn es also nicht so möglich ist, wie ich es gewohnt bin und wofür ich Musiker geworden bin, dann lassen wir das. Dann muss ich eben Autowäscher werden. Oder ich werde Politiker, das soll ein echt geiler Job sein. Oder Pharma-Lobbyist. Irgendsowas. Oder ich fange im Silicon Valley an. Von der Arbeit habe ich zwar keine Ahnung, aber ich kann wahnsinnig viel quatschen. Das sollte auf jeden Fall für eine Führungsposition reichen. Also wir versuchen unser Möglichstes, aber sehen das nach dieser ganzen Zeit relativ entspannt. Wenn ich sehe, wie oft manche schon ihre Touren verschoben haben. HÄMATOM zum Beispiel mussten die Termine schon dreimal verschieben und haben die Tour jetzt endgültig abgesagt, weil das Timing nicht mehr passt. Aber wie sagte schon Bertold Brecht so treffend: "Sicher ist, dass nichts sicher ist"
. Ich drücke euch ganz fest die Daumen, dass es im Herbst klappt mit der Tour und dem Festival.
Danke, das brauchen wir auch. Ich als Fan muss auf Konzerte gehen, ich brauche diese Energie. Und ich muss auch wieder selber auf die Bühne. Deshalb wünsche ich uns, dass es bald wieder losgeht.
Als der Termin für unser Interview feststand, haben mich gleich zwei Kollegen gefragt: "Wenn du mit dem Alex sprichst, dann frage ihn bitte mal, warum das damals mit MEGAHERZ auseinandergeflogen ist". Das mache ich gerne und frage dich hiermit ganz offiziell danach.
Oh, das ist wieder ein typischer Fall, aus einer kurzen Frage eine ganz lange Antwort zu stricken. Das ist meine Kernkompetenz, das kann ich am besten. Ich versuche es hier aber mal genau umgekehrt anzugehen, also kurz und knackig zu antworten. Man muss wissen, dass ich MEGAHERZ 1993 gegründet habe. Die Sache wuchs systematisch, wir nahmen Platten auf, es kam eine große Plattenfirma und wir wurden ein sogenannter Major-Act. Übrigens sind wir heute noch mit EISBRECHER bei derselben Plattenfirma wie seinerzeit mit MEGAHERZ. Früher hießen sie BMG Ariola, heute ist es Sony Music. Unser Ansprechpartner bei der BMG war damals Thomas Stein, der beliebte Fernseh-Musikspezialist. Es plätscherte alles so vor sich hin, wir wurden allerdings bei dem Majorlabel nicht gerade gut behandelt. Es ging nicht wirklich vorwärts mit der Band. Stell dir vor, wir sind bei einem Majorlabel unter Vertrag und die drehen nicht mal ein Video mit uns. Dann waren wir drei Wochen auf Tour, kamen nach Hause und stellten fest, wir haben nichts verdient! Ganz im Gegenteil, ich musste dann noch ein bisschen Messebau machen, damit ich meine Miete zahlen konnte. Andererseits musst du aber anderen nach der Tour Geld auf den Tisch legen und sie bezahlen. Also den Booker, den Manager usw. Eines Tages machte ich dann den Mund auf und gab klar zu verstehen, dass ich damit nicht mehr einverstanden war. Wenn andere mit uns Geld verdienen, verdienen wir auch Geld. Also entweder verdient keiner etwas, oder wir bekommen alle etwas vom Kuchen ab. Ich kann doch nicht auf Tour gehen und jedes Mal Geld mitnehmen! Andere bekommen die ganzen Einnahmen und wir als Band machen am Ende sogar noch Minus? Da knallte es dann eines Tages richtig. Meine Bandkollegen waren eher die gutmütigen Typen, die meinten, sie machen das doch eher wegen der Kunst und nicht wegen des Geldes. Ich stellte klar, dass ich es durchaus wegen des Geldes mache und nicht mehr einsehe, die Kohle zum Fenster rauszuschmeißen. Dadurch kriegten wir uns mächtig in die Haare. Ich versuchte trotzdem, im Sinne der Band mit dem Management zu verhandeln, bekam aber nur die Antwort, ich solle mir meinen Vertrag durchlesen und wenn ich damit ein Problem habe, solle ich mir eine neue Band suchen. Meine Kollegen eierten nur rum, aber ich ging sofort nach Hause und fixierte meinen Ausstieg aus der Band schriftlich, damit ich ja keinen Rückzieher mehr mache. In der Folge rutschte ich finanziell echt in die Katastrophe rein. Das Dumme war halt, MEGAHERZ war ja als Band nicht so ganz erfolglos, aber wir machen als Team nicht stark genug, gegen diesen miesen Vertrag anzukämpfen. Ich war laut und fordernd, die anderen dagegen eher ruhig und wollten jedem Ärger ausweichen. Also war ich konsequent und stieg aus, aber ich muss ehrlich sagen, das hat mächtig weh getan. Das war schon die ganze Story. Zum Glück ging es dann relativ bald mit EISBRECHER weiter.
Hast du denn damals damit rechnen können, dass du mit dem Nachfolgeprojekt EISBRECHER so lange so erfolgreich sein würdest?
"So lange erfolgreich"… Das war jetzt deine erste nicht ganz treffende Formulierung. Wir waren nämlich anfangs eine einzige Geschichte des Misserfolges. EISBRECHER startete als totales Scheitern. Wir bekamen bei unserer einstigen Plattenfirma ZYX einen Vertrag, was dazu führte, dass die dachten, wir machen einen auf MEGAHERZ Nr. 2. Die Erwartungshaltung bei den Herren von ZYX war jedenfalls ziemlich hoch. Das EISBRECHER-Debütalbum kam dann aber recht elektronisch um die Kurve und wir haben echt wenig davon verkauft. Daraufhin hat uns ZYX direkt und ohne Umschweife den Vertrag gekündigt. Tschüss, auf Wiedersehen.
Bei ZYX rauszufliegen ist aber auch eine Kunst, das schaffen nicht viele.
Das stimmt. Aber eigentlich war es so, die haben uns ein dermaßen gutes Angebot gemacht, dass wir von alleine gegangen sind (lacht). Als dann bei EISBRECHER die guten Platzierungen kamen, sahen die ZYX-Leute ein, dass sie uns nicht gleich hätten gehen lassen dürfen. Erstmal ging es also mit EISBRECHER überhaupt nicht los, dann kam "Schwarze Witwe", dann kam die Gothic Szene, von der wir eigentlich gar keine Ahnung hatten. Von da an ging die Post ab. Ich war plötzlich DJ in einem Club in München und fing an, mir komische Uniformen und andere seltsame Sachen anzuziehen. So kamen wir in die schwarze Szene wie die Jungfrau zum Kind. Dann passierte der glückliche Umstand, dass uns Sandra Eichner zu AFM Records holte. Bis dahin waren wir total am Arsch. Wir haben uns überall beworben, aber keiner wollte uns haben. Ich habe alle Absagen gesammelt und aufgehoben. Lange Rede, kurzer Sinn: Sandra hatte uns damals den Arsch gerettet. Wir arbeiten bis zum heutigen Tag zusammen, ohne sie und AFM wären wir vor die Hunde gegangen. Der Erfolg von EISBRECHER begann dann 2008/2009. Gegründet haben wir die Band aber schon 2002. Und erst mit unserem vierten Album "Eiszeit", das war 2010, konnten wir uns selber unsere erste Gage zahlen. Bis dahin haben wir alles Geld nur zur Finanzierung der Band genutzt, haben nur draufgezahlt. Die Anlaufstrecke für EISBRECHER dauerte also acht lange Jahre. Das wollte ich nur mal gesagt haben. Hinterher klingt immer alles nach einer einzigen Erfolgsstory. Klar, nach oben haben wir immer noch Luft. Aber wir haben inzwischen auch jede Menge Luft nach unten.
Aber nun seid ihr ja nicht die einzige Band, die vier Alben Vorlauf braucht, bis es zündet. In den 70er und 80er Jahren war das ja Gang und Gäbe.
Da hast du vollkommen Recht, man braucht schon einen langen Atem. Nur machen wir uns nichts vor, diejenigen, die ganz schnell dick und groß wurden und vierzig Jahre lang die Rockmusik dominiert haben, die waren mit zwanzig Jahren schon ganz oben. Manchmal passierte es natürlich, dass die zwei ganz schnelle Alben brachten, dann aber an der eigenen Hybris zerbrachen. Wir waren also wirklich nicht die Einzigen, die einen langen Weg zurücklegen mussten. Aber immerhin kann ich mit meinen 52 Jahren auch nicht mehr dem Club der 27 angehören. Also wenn man bereit ist, diesen langen Atem aufzubringen und wenn man merkt, man wird nicht die ganze Zeit über nur beschissen und ausgenutzt, dann kann man das durchaus schaffen. Bei MEGAHERZ war für mich halt irgendwann die Luft raus. Weißt du, du kämpfst und kämpfst, aber andere zocken am Ende die Kohle ab und sagen dir als Bandgründer noch: "Hey, nun habe dich mal nicht so, du Egomane", dann muss ich mir das nicht geben, sondern fange lieber nochmal von vorne an. Dann ist es auch sehr genussvoll, wenn man diesen langen Weg gegangen ist und es immer stetig nach oben ging. Pix und ich schauen heute gerne mal zurück und finden, es war nichts falsch an diesem Weg. Na gut, irgendwann musst du dir dann auch mal deine Goldene Schallplatte abholen. Am besten, bevor du 80 bist. Das Schöne ist ja auch, wenn der Erfolg kommt, kriegst du eines Tages Post von deinen einstigen Feinden bzw. den Leuten, mit denen, du dich mal überworfen hattest. Die zollen dir plötzlich Respekt und gratulieren dir zum Erfolg. Somit kann man dann auch diesen Sack zubinden. Ja, es ist auch heute nicht immer einfach, denn auch Pix und ich sind wie Feuer und Wasser. Aber unser Ziel stimmt. Wir werden uns immer irgendwie einig. Aber wenn du stattdessen Mitstreiter hast, die immer nur rumeiern, keine klare Kante zeigen und kein klares Ziel vor Augen haben, dann geht das auf Dauer nicht gut. Wichtig ist, dass du es schaffst, dir selber immer wieder Feuer unter den Hintern zu machen. Bleibst du nur einmal liegen, ist es vorbei. Natürlich hätte ich damals auch mit MEGAHERZ weitermachen können. Aber da war ich noch zwanzig Jahre jünger und hatte einen furchtbaren Dickschädel. Heute würde ich dem Typen, der ich damals war, links und rechts eine runterhauen. Mit EISBRECHER sind wir heute Diplomaten im Musikbusiness geworden. Das war ich bei MEGAHERZ nie. Bis ich begriffen habe, dass man auch mal die Fresse halten kann… Ich musste früher jeden einzelnen Fehler teuer bezahlen. Das ist wie beim Autorennen: hast du die falschen Reifen drauf, fliegst du bei Regen aus der Kurve. Life is a lesson, you'll learn it when you're through - viele Grüße von Fred Durst / LIMP BIZKIT.
Du hast mir gerade ein gutes Stichwort gegeben: Auto. Ich möchte mir als nächstes einen Oldtimer kaufen. Und zwar hätte ich gerne einen Baby-Benz. Kann ich mir Hoffnung machen, dass mir da ein Experte hilft? Oder anders gefragt: Checkt der Checker noch?
Der Checker checkt nichts mehr. Ob er jemals etwas gecheckt hat, überlasse ich den Zuschauern und den Fans. Aber mit einem Baby-Benz kannst du nichts falsch machen. Das sind stabile Autos. Wenn du einen unfallfreien aus Rentnerhand ergatterst, wird er dich dein Leben lang beglücken. Anspruchslose Technik, top Motoren, kein Rost, alles easy. Also ich mache schon noch in Autos, aber ich mache keine Checkerei mehr.
Aber du bist noch vor der Kamera mit Autos tätig?
Ja. Ich mache Oldtimer-Rallyes, ich mache Schönheits-Autosalons, ich mache viel mit Oldtimern, aber ich habe keine eigene Show mehr. Ich mache auch nicht mehr dieses Ich-fahr-rum-und-kaufe-Autos. Die Checker-Geschichte ist also wirklich Geschichte. Aber ich habe mit "evo 7" in München einen Partner. Und wenn die mal eine Labertasche brauchen, darf ich hin und wieder einen Porsche Jubiläum fahren. Also ja, immer mal wieder gerne, denn ich kriege dieses Auto-Ding auch nicht aus meinem Kopf.
Ich danke dir für diese unterhaltsamen neunzig Minuten und wünsche dir und deinen EISBRECHER-Kollegen alles Gute für das neue Album und hoffe für euch, dass ihr bald wieder auf die Bühne kommt.
Vielen Dank, es hat mir großen Spaß gemacht.
Interview: Christian Reder
Bearbeitung: tormey
Fotos: älteres (SONY) und aktuelles Pressematerial (Holger Fichtner), Band
Bearbeitung: tormey
Fotos: älteres (SONY) und aktuelles Pressematerial (Holger Fichtner), Band