Interview vom 28. Januar 2021/10. März 2021
Das Debüt-Album von Axel Prahl, "Blick auf's Mehr", feiert in diesem Jahr seinen 10. Geburtstag. Seitdem ist eine Menge passiert. War Prahl bis dahin ausschließlich auf der Leinwand und im Fernsehen zu sehen, bekam die deutsche Musikszene mit ihm einen weiteren bunten Farbtupfer, den viele Anhänger seiner Kunst heute nicht mehr missen möchten. Weit weg vom Einheitsbrei der Popmusik-Szene bekommt man bei ihm eine gewaltige Ladung Abwechslung auf jedem Gebiet. Folk, Rock, Jazz, Blues und sogar Polka finden sich in seinen von Liebe, Politik, Seemannsgarn und Beobachtungen in der Gesellschaft handelnden Liedern wieder, und all das präsentiert er live mit einer großen Band, in der neben Gitarre, Bass und Schlagzeug auch noch Streicher, Bläser und Tasten-Virtuosen für ein dicht gewebtes Klangkleid sorgen. Egal wo Prahl mit seinem Inselorchester heute das Instrumentarium auspackt und die Leute zu vergnüglichen zwei Stunden anlockt, sind die Säle bis auf den letzten Platz ausverkauft. Neben dem eingangs erwähnten Album gibt es mit "Mehr" inzwischen noch ein zweites Studio-Album, eine Live-LP und eine Platte mit Remix-Versionen seiner Lieder. Doch wie kam es zu diesem doch recht späten Start seiner musikalischen Solo-Karriere - immerhin war Axel Prahl schon 50 Jahre alt, als "Mehr in Sicht" erschien? Was hat er in dieser Richtung vorher schon gemacht und wie ist er als junger Mensch zur Musik gekommen? All das - und noch vieles mehr - verriet der musizierende Mime unserem Kollegen Christian vor ein paar Tagen in einem längeren und sehr ausführlichen Gespräch ...
Du hattest vor fast genau einem Jahr angekündigt, in diesem Jahr eine Auszeit nehmen zu wollen um mehr Zeit für Dich zu haben. Hättest Du damals auch nur in Ansätzen damit gerechnet, dass Dir ein lästiger kleiner Virus diese Entscheidung abnehmen würde?
Natürlich überhaupt nicht. Wir wurden richtig kalt erwischt und mussten ganz viele Konzerte auf 2021 verschieben. Wobei wir tatsächlich noch Glück hatten, denn unser letztes Konzert fand - unter strengen Corona Auflagen - am 3. Oktober, dem Tag der Deutschen Einheit, statt. Der Ministerpräsident hatte Jan Josef Liefers und mich nach Magdeburg eingeladen vor fünfhundert geladenen Gästen, die sich um die Bekämpfung des Corona-Virus verdient gemacht hatten, zu spielen. Das war ein großes Glück für meine Musiker, denn ansonsten sah es wirklich trübe aus im letzten Jahr. Wir hoffen nun sehr, dass die Konzerte, die wir für 2021 geplant haben, auch wirklich stattfinden können. Das sind zwölf Konzerte, die meisten davon Open Air-Veranstaltungen wie z.B. das Schleswig-Holstein-Musikfestival.
Im Internet habe ich vier Nachholtermine gefunden. Zum einen das Zeltfestival in Bochum, außerdem noch Senftenberg, Nürnberg und Leipzig. Wo findet man denn die anderen Termine?
Die wurden wahrscheinlich noch nicht offiziell kommuniziert, denn es ist immer ein riesiges Tohuwabohu, das mit meinen Drehterminen zu koordinieren. Es soll unter anderem noch einen Gig in Zweibrücken geben, sowie an zwei Tage am Stück auf Sylt, außerdem auch auf Föhr. Die Termine werden rechtzeitig im Internet bekannt gegeben.
Du sagtest eben, Ihr hattet am 3. Oktober die letzte Mugge. War Euch da schon bewusst, dass es für lange Zeit der letzte Auftritt gewesen sein würde?
Ja, definitiv. Wir hatten sowieso gestaunt, dass wir an dem Abend noch spielen konnten. Aber wie gesagt unter strengen Corona Auflagen.
Nun ist es ja so, dass sich bei vielen Bands die Musiker mittlerweile andere Beschäftigungen suchen müssen. Ist das in Deiner Band auch so?
Ja, das kommt leider immer wieder vor. Nicolai Ziel, mein Schlagzeuger, hat momentan auf Toningenieur für Podcasts "umgesattelt". Aber ohne Konzerte oder sonstige Auftritte sieht es auf die Dauer sehr, sehr schlecht aus.
Du hattest vor fast genau einem Jahr angekündigt, in diesem Jahr eine Auszeit nehmen zu wollen um mehr Zeit für Dich zu haben. Hättest Du damals auch nur in Ansätzen damit gerechnet, dass Dir ein lästiger kleiner Virus diese Entscheidung abnehmen würde?
Natürlich überhaupt nicht. Wir wurden richtig kalt erwischt und mussten ganz viele Konzerte auf 2021 verschieben. Wobei wir tatsächlich noch Glück hatten, denn unser letztes Konzert fand - unter strengen Corona Auflagen - am 3. Oktober, dem Tag der Deutschen Einheit, statt. Der Ministerpräsident hatte Jan Josef Liefers und mich nach Magdeburg eingeladen vor fünfhundert geladenen Gästen, die sich um die Bekämpfung des Corona-Virus verdient gemacht hatten, zu spielen. Das war ein großes Glück für meine Musiker, denn ansonsten sah es wirklich trübe aus im letzten Jahr. Wir hoffen nun sehr, dass die Konzerte, die wir für 2021 geplant haben, auch wirklich stattfinden können. Das sind zwölf Konzerte, die meisten davon Open Air-Veranstaltungen wie z.B. das Schleswig-Holstein-Musikfestival.
Im Internet habe ich vier Nachholtermine gefunden. Zum einen das Zeltfestival in Bochum, außerdem noch Senftenberg, Nürnberg und Leipzig. Wo findet man denn die anderen Termine?
Die wurden wahrscheinlich noch nicht offiziell kommuniziert, denn es ist immer ein riesiges Tohuwabohu, das mit meinen Drehterminen zu koordinieren. Es soll unter anderem noch einen Gig in Zweibrücken geben, sowie an zwei Tage am Stück auf Sylt, außerdem auch auf Föhr. Die Termine werden rechtzeitig im Internet bekannt gegeben.
Du sagtest eben, Ihr hattet am 3. Oktober die letzte Mugge. War Euch da schon bewusst, dass es für lange Zeit der letzte Auftritt gewesen sein würde?
Ja, definitiv. Wir hatten sowieso gestaunt, dass wir an dem Abend noch spielen konnten. Aber wie gesagt unter strengen Corona Auflagen.
Nun ist es ja so, dass sich bei vielen Bands die Musiker mittlerweile andere Beschäftigungen suchen müssen. Ist das in Deiner Band auch so?
Ja, das kommt leider immer wieder vor. Nicolai Ziel, mein Schlagzeuger, hat momentan auf Toningenieur für Podcasts "umgesattelt". Aber ohne Konzerte oder sonstige Auftritte sieht es auf die Dauer sehr, sehr schlecht aus.
Anm. d. Red.: Wir baten Axel, bei dem einen oder anderen Kollegen mal nachzufragen, wie es derzeit bei ihnen aussieht. Hier die Statements:
Danny Dziuk: "Ich hab das ziemlich unverschämte Glück, durch Corona bisher in keinerlei finanzielle oder gar existenzielle Schwierigkeiten geraten zu sein, was größtenteils daran liegt, dass ich in erster Linie vom Schreiben und Produzieren lebe und auf Live-Einkünfte nicht so angewiesen bin. Emotional fehlen mir die Konzerte und die Rumfahrerei aber schon." Jörg Mischke: "Glücklicherweise kamen wir als Inselorchester zu Beginn des Jahres 2020 mit ein paar schönen Konzerten relativ frühzeitig aus dem allgemeinen Wintertief und hatten schon ein paar schöne Eindrücke im Gepäck, als uns die Corona-Keule Mitte März traf. Natürlich hat es weh getan, all die Termine der Sommer-Open-Airs aus dem Kalender streichen zu müssen, die eigentlich sonst jedes Jahr zu den Highlights gehören. Andere Verabredungen, beispielsweise zwei Album-Produktionen mit der Sängerin Marie-Luise Gunst, kamen unter den besonderen Umständen des Lockdowns zustande und haben immerhin einen kleinen Kreis des Inselorchesters (Johannes, Nicolai und mich) zum Musikmachen zusammengebracht. Mein zweites Standbein, nämlich Vorlesungen zu Musik und Medien zu halten, wurde sofort in den digitalen Modus überführt und bot (wenigstens vor dem Bildschirm) immer wieder mal die Chance, mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen. Dadurch war sowohl ein minimales Einkommen gesichert als auch der ebenso wichtige Aspekt, etwas Sinnvolles zu tun zu haben. Die offiziellen Corona-Beihilfen für die Kultur kamen sehr spät, nämlich erst ab November, aber sie kamen in meinem Falle zumindest an. Ab jetzt liegt die große Hoffnung darauf, dass sich das Tempo der Impfungen endlich erhöht und damit auch wieder kulturelles und soziales Leben möglich wird - der erzwungene Verzicht darauf hat mir die Kostbarkeit dieser "Normalität" erst so richtig vor Augen geführt ..." Johannes Feige: "Zum Beginn der Lockdown-Periode war mein Kalender schon so weit mit anstehenden Konzerten gefüllt, dass ich mir finanziell keine Sorgen hätte machen müssen. bis auf wenige Ausnahmen sind nun all diese Konzerte ausgefallen. Persönlich habe ich mit findigen Mitstreitern, die neue Auftritts-Formate aufgetan und organisiert haben, und durch mein Studio, in dem ich aufnehme und produziere, noch ziemlich Glück gehabt. ich lebe in einer Partnerschaft mit Kind, und zusammen kommen wir, mit Erschwernis durch die coronabedingte Kita-Situation, durch diese besondere Zeit. Gleichzeitig fallen gerade eine Menge meiner Kollegen, hochausgebildete und lebensstüchtige Menschen, denen ohne angemessene Kompensation die Verdienstmöglichkeiten genommen wurden, auf Harz IV zurück. Ich bin sehr gespannt, mit wem von meinen Mitstreitern ich vor den Lockdowns das letzte Mal auf einer Bühne gestanden habe. Die Förderung, die ich vom Staat für das Jahr 2020 bekommen werde - die sogenannte Novemberhilfe -, deckt ziemlich genau die Kosten für meine Steuerberaterin und die Steuernachzahlung für 2019 ab. Sie ist bisher noch nicht überwiesen worden." Tom Baumgarte: "Aufgrund fehlender Auftritte habe ich eine Tätigkeit in einer Einrichtung für behinderte Menschen angenommen und arbeite dort im Pflegebereich. Das hält mich einigermaßen über Wasser, zahlt mir zumindest die Fixkosten. In 2020 blieben vor Steuern ca. 3.000,- Euro aus musikalischer Tätigkeit übrig . Auftritte gab es im Januar und Februar und September, Oktober. Für die Monate November und Dezember habe ich die Hilfe für Soloselbsständige erhalten, seit Januar gibt es da keine Angebote mehr. Ich lebe also momentan von der Substanz und ich habe nicht das Gefühl, dass da noch was seitens der Regierung geplant ist. Aber eigentlich will ich das ja auch gar nicht, ich will wieder als Musiker arbeiten können! Perspektivisch sehe ich da kaum Möglichkeiten vor dem Sommer. Da auch viele Kollegen ihre musikalische Tätigkeiten in andere Bereiche verlegen mussten, weiß ich noch gar nicht, welche Bands oder Musikprojekte am Ende noch übrig bleiben und wer in die prekäre Musiker-Situation zurück kommen will und wird. Ich kann mir vorstellen (und hoffe), dass es ab Sommer kurzfristig kleine Konzerte und Veranstaltungen geben wird, die nicht viel Planungsaufwand erfordern. Wäre schön und zumindest was. Ist so ein bisschen Back-to-the-roots: Kontrabass, Banjo, Gitarre und Fiddle auf Gartenpartys. Konzerte im Internet vor virtuellem Publikum kann ich kaum ertragen. Hab mal einen Konzert-Link von Johannes bekommen, wie er mit Jessica Gall bei den Leverkusener Jazztagen vor Null Publikum spielt. Die Vorstellung, da hinfahren zu müssen, mindestens 2 Tage unterwegs, die meiste Zeit davon im Auto um dann vor NIEMANDEM zu spielen, finde ich schrecklich. Wenn ich alte Konzerte sehe mit Publikum und der Begeisterung, der Atmosphäre und Allem, was dazu gehört, fange ich an zu heulen. Ich übe und spiele zu Hause um fit zu bleiben, habe mir 2 Lapsteels (Open D mit Düsenberg-Multibendern und C6) und ein Mini E-Schlagzeug gekauft um den Frust ein wenig wegzuspielen (hab ja ein bisschen geerbt), aber konkret fehlende Perspektiven machen es nicht gerade einfach. Hier zu Hause sind wir zu fünft, die Zwillinge haben komplett Homeschooling, Yuki macht 10. Klasse Prüfungen im Präsenzunterricht, Valeska arbeitet meist im Homeoffice - das Kino ist ja ebenfalls geschlossen - also ist die Bude immer ganz schön voll und ab und zu geht man sich ganz schön auf die Nerven. Zum Glück haben wir ja noch einigermaßen Platz hier." |
Das ist alles äußerst unschön. Lass uns stattdessen mal über etwas Angenehmes sprechen, nämlich über Deine Musikkarriere. Nun weiß man ja, dass man nicht alles glauben soll, was man auf Wikipedia liest. Dort steht z.B. über Dich geschrieben, dass Du mit vierzehn Jahren einen Musikwettbewerb gewonnen hast, diesen Weg aus Angst, wie sich das alles entwickeln könnte, aber nicht weiterverfolgt haben sollst. Stimmt das so, wie es geschrieben wurde? Was war da los?
Also der zweite Teil ist natürlich Quatsch, das hatte die Presse dazu gedichtet. Fakt ist, ich habe einen Gesangswettbewerb in Neustadt/Holstein in der Strandhalle gewonnen. Das war ein regionaler Wettbewerb, der dann auf Landesebene weitergegangen wäre. Ich ging damals noch zur Schule und war in Neustadt bekannt wie ein bunter Hund. Deshalb war es wohl auch nicht allzu schwer, den ersten Platz zu belegen. Damals sang ich ein Lied mit einem Text von Wolfgang Lerche, einem Freund von mir, der bei der Arbeiterwohlfahrt gearbeitet hatte. Wolfgang spielte in einer Band namens DIABETES MELLITUS, die ziemlich skurrile Songs auf Lager hatte. Der Song, den ich zum Besten gab, hieß "Der Frauenmörder" und hatte folgenden Text:
Ich sitze in meiner Badewanne / lese Zeitung und höre Radio / Mit mir zusammen sitzt Marianne / die wäscht sich gerade ihren Po / Marianne war mein guter Stern / ich hatte sie zum Fressen gern / Sie schmeckte fast wie Fischfilet / und war auch überhaupt nicht zäh.
Unglaublich, der Text sitzt immer noch!
Ja, bemerkenswert! Du bist da also mit einem eigenen Lied angetreten?
Naja, mit einem Lied von Wolfgang Lerche. Aber bei allem Spaß, den ich daran hatte, war meine oberste Priorität, die Schule zu beenden. Alles in allem war mir das Ganze viel zu umständlich. Zum folgenden Ausscheid auf Landesebene hätte ich nach Kiel gemusst, das war mir zu viel.
Nun stellt man sich ja nicht mal einfach so von jetzt auf gleich auf die Bühne. Ich vermute, du wirst einen musikalischen Werdegang haben. Warst Du ein Musikschüler mit Unterricht oder hast Du eine Klampfe geschenkt gekriegt und hast Dir das alles als Autodidakt selbst beigebracht?
Sowohl als auch. Wir hatten eine sehr lobenswerte, hoch engagierte Kantorin namens Ilse-Dore Boblenz. Und meine Mutter steckte mich schon mit acht Jahren in den Kirchenchor, was mir auch sehr gut getan hat. Dort haben wir unter anderem sehr viel Gehörbildung gemacht. Wenn man in einem Chor ist, muss man sich ja immer erstmal warm singen, z. B. die Tonleiter rauf- und runter trällern. Ilse-Dore Boblenz schaffte es dann eines Tages tatsächlich, von der Musikhochschule Lübeck einen Gitarrenlehrer namens Wolfgang Weigel zu engagieren. Der gab zunächst Gruppenunterricht, aber er hatte einen guten Blick und stellte schnell fest, dass ich mich in der Gruppe langweilte. Die anderen kamen irgendwie nicht hinterher, hatten möglicherweise auch nicht so fleißig geübt wie ich. Dadurch bekam ich schon bald Einzelunterricht auf der Gitarre. Mit vierzehn, fünfzehn Jahren ging es dann los mit den Feiern am Lagerfeuer. Man saß da rum und spielte Lieder von Bob Dylan und Pete Seger, von Leonard Cohen und vor allem von Neil Young und Cat Stevens. Da sich der Gruppenunterricht in der Musikschule eines Tages mehr oder weniger auflöste und Wolfgang Weigel nicht mehr nach Neustadt kam, musste ich ein halbes Jahr lang zu ihm nach Lübeck und bekam dort meinen Unterricht. Ich bin meinen Eltern sehr dankbar, dass sie mich jedes Mal nach Lübeck fuhren. Die waren, nachdem sie mich abgesetzt hatten, immer eine Stunde irgendwo in der Nähe spazieren oder einkaufen und holten mich hinterher wieder ab. Das war sicher nicht ganz unanstrengend.
Das muss so Mitte der Siebziger gewesen sein. Waren die Herren Musiker, die Du eben genannt hast, auch gleichzeitig Deine musikalischen Idole?
Auf jeden Fall. Vor allem Cat Stevens. Der Mann macht so zeitlose Musik… Die Lieder sind so dermaßen abwechslungsreich, genauso wie die von Simon & Garfunkel. Das waren alles Lieder, die man dann am Abend gerne mal am Lagerfeuer sang. Ich habe mir diese Songs damals Ton für Ton "erarbeitet" und anschließend meine eigenen Bearbeitungen daraus gemacht.
Du sprachst eben von Deinen Vorbildern, kommst aber selber aus der klassischen Musik. Wie kommt man denn als gebürtiger Eutiner zu einem Musikstil wie Irish Folk, den Du ja auch eine Zeitlang gespielt hast?
Lustigerweise hatte sich damals in Neustadt eine solche Gruppe zusammengefunden. Ich war da schon etwas älter, so ungefähr sechszehn. Da hatte ich meine erste Mandola erworben, von einem Instrumentenbauer namens Sobell, der in der Folk-Szene damals sehr angesagt war. Ich glaube mein damaliger Freund Andi Wellm war seinerzeit der Initiator unserer kleinen Folk-Truppe, aber wie es nun genau dazu kam, weiß ich gar nicht mehr. Wir waren eine Hand voll interessierte Leute: Andi Wellm spielte Mandoline, Friederike Tonn Tin Wistle und diverse andere Flöten, Marlies Haase Geige, Jörg Wagner, genannt Django, war am Banjo - ach ja und Jens-Peter Krahn, der spielte - glaube ich - auch Gitarre. Wir trafen uns regelmäßig, suchten uns ein paar Stücke raus und spielten die dann. Wobei lustigerweise Songs der DUBLINERS verpönt waren. Heute, mit dem dazugehörigen Abstand, kann ich nicht mehr wirklich nachvollziehen, warum das so war. Vermutlich, weil die als eine der wenigen Folk-Bands damals schon damit Geld verdienten. Das war dann kommerziell und verpönt. Angesagt waren stattdessen Bands wie THE BOTHY BAND; CLANNAD und STOCKTON'S WING, letztere haben sagenhafte Jigs hingelegt - mit Dudelsack und Saxophon. Die nahmen unglaublich Fahrt auf. Es gab dann noch ein paar Leute in Lenste, was in der Nähe von Grömitz liegt, die ebenfalls Irish Folk machten. Lustigerweise trafen wir uns alle in Kiel wieder, als ich anfing Mathe und Musik zu studieren - auf Lehramt. Ich wohnte damals in einer 6-Personen-WG, in der wir wieder gemeinsam Irish Folk spielten. Mit mir wohnte da noch Akki Schmidt, der Mandoline spielte - ich spielte Gitarre und Mandola - Bernd Unstädt war an der Geige. Dann gab es noch Klaus Janke und Michael Lempelius, die übrigens heute noch zusammen Musik machen und gerade wieder als TWEii unterwegs sind.
Stimmt es eigentlich, dass Du später als Straßenmusiker in Spanien unterwegs gewesen bist?
Ja, das stimmt definitiv. Das war eine sehr lustige Geschichte. Mein Freund Rainer Niemuth und ich wollten eigentlich nur ein bisschen ins Warme, hatten jeder 500 DM eingesteckt und die Absicht, von Neustadt aus in den Süden zu trampen. Allerdings kamen wir nur bis Lübeck! Da standen wir ungefähr zwei Stunden am Autobahnzubringer und waren dann so genervt, dass wir uns für 270 DM eine Fahrkarte nach Südfrankreich kauften, womit schon mal etwas über die Hälfte der Kohle weg war. Wir fuhren zunächst bis Nancy, blieben dort einige Tage, aber es war einfach noch viel zu kalt in Frankreich. Also kauften wir für das restliche Geld eine Bahnfahrkarte bis kurz hinter die Grenze nach Spanien, schliefen erschöpft im Zug ein und erwachten in Granada. Wir waren nun also mittellos in Granada und ließen uns einfach treiben. Wir spielten damals auf der Westerngitarre irgendwelche Pickings, von Werner Lämmerhirt und Leo Kottke aber eben auch Songs von Bob Dylan oder Cat Stevens. Interessanterweise war diese Form von Gitarrenmusik in Spanien anscheinend nicht so geläufig. Jedenfalls konnten wir einigermaßen gut davon leben. Na, sagen wir besser: Überleben! Insgesamt war es aber wirklich eine sehr schöne und auch sehr prägende Zeit, die mir auch ein wenig die Angst vor der Zukunft nahm. Es geht immer irgendwie weiter!
Das klingt ein bisschen nach Aussteiger und Abenteuer.
Aussteiger wäre wohl etwas zu hoch gegriffen, es waren ja nur etwas über drei Monate. Rückwirkend betrachtet war das eine ganz tolle Erfahrung für uns. Du denkst immer, wie soll es jetzt bloß weitergehen, aber es kommt immer irgendwo eine helfende Hand. Wir wurden zum Beispiel einmal von einem Radiosender in Almeria eingeladen. Die holten uns in ihr Studio, wo wir dann live gespielt haben. In Nancy konnten wir auf einem kleinen Festival mitspielen, wir wurden auch manchmal von Leuten zum Essen eingeladen. Es ergab sich also immer etwas. Insgesamt war es eine tolle Zeit. Wir machten auch in Granada Straßenmusik, wobei das damals nicht so ganz einfach war, denn die Guardia Civil mochte uns Straßenmusiker nicht besonders. Man hätte eigentlich vorher bei der Stadtverwaltung eine Genehmigung einholen müssen, so wie es ja jetzt auch in Berlin der Fall ist. Du kriegst dann einen bestimmten Platz zugewiesen und all so einen Quatsch. Darauf hatten wir natürlich überhaupt keine Lust. Wir stellten uns einfach hin, wo es uns gefiel und immer, wenn die Guardia Civil zu sehen war, packten wir unsere Koffer und sind abgehauen. Die ganze Geschichte endete dann aber doch leider etwas traurig, denn ich musste meine Gitarre verkaufen, damit wir die Bahnfahrt nach Hause bezahlen konnten. Aber so ist es halt manchmal, Dinge kommen und Dinge gehen.
Trotzdem bist Du der Musik treu geblieben. Wie wurdest Du denn zu dieser Zeit Mitglied bei der Gruppe OUGENWEIDE und wie lange hast Du da mitgespielt?
Das ist auch alles ein bisschen falsch kolportiert worden. Die Gruppe OUGENWEIDE hatte sich seinerzeit aufgelöst und deren Schlagzeuger, Olaf Casalich, war gut befreundet mit Thomas Werner, der bei uns in der Band das Keyboard spielte. Wir gründeten eines Tages eine neue Gruppe mit Namen ImPuls. In Hamburg steht auf der Zufahrtstrasse zur Autobahn, in Richtung der Elbbrücken, ein Hochhaus mit einem riesigen Mercedes-Stern obendrauf. Und im obersten Stockwerk dieses Hochhauses hatten OUGENWEIDE ihr Studio. Da durften wir mit ImPuls proben. Ich war zu der Zeit aber schon beim Theater. Unser erster gemeinsamer Job, zu dem wir insgesamt zwölf oder dreizehn Lieder komponiert hatten, war für den NDR. "Ein Abend für junge Hörer" mit Dethardt Fissen. Für dieses Konzert gab es damals eintausend D-Mark Gage, allerdings für vier Leute!!! Allein die Spritkosten, für die Fahrten nach Hamburg zur Probe beliefen sich auf knapp 300 DM. Mein monatliches Salär am Kieler Theater, als sogenannter Schauspiel-Eleve, betrug ebenfalls 1000,-DM, und ich bin ungefähr drei mal die Woche von Kiel, wo ich am Theater engagiert war, nach der Vorstellung rüber nach Hamburg gefahren ins Studio von OUGENWEIDE, wo wir bis morgens um drei Uhr probten. Von da aus ging es wieder zurück auf die Autobahn Richtung Kiel. Irgendwo unterwegs machte ich ein kurzes Schläfchen und um 9:00 Uhr begannen dann auch schon wieder die Proben am Theater. Natürlich hält man das nicht lange durch. Nach dem besagten Konzert bei Dethardt Fissen sagte ich dann: "Freunde, ich schaffe das nicht mehr, ich muss aussteigen".
Was war das in Hamburg für eine Veranstaltung?
Die Reihe hieß "Ein Abend für junge Hörer" und wurde auf NDR 2 ausgestrahlt. Dethardt Fissen moderierte den Abend und Rolf Becker hat Gedichte gelesen. Das Ganze war eine Live Veranstaltung und fand im Unfallkrankenhaus Boberg statt. Das Thema des Abends war "Die Zeit, die uns bleibt", wozu wir eben diese zwölf Lieder komponiert hatten. Wir hatten auch die Hoffnung, die Songs mal irgendwann auf Schallplatte rauszubringen, doch dazu kam es durch meinen Ausstieg nicht mehr. Übrigens ist Dethardt Fissen traurigerweise drei Monate nach dem "Die Zeit, die uns bleibt" abends auf der Autobahn von einem LKW erfasst worden und war tot.
Du hattest also die Gruppe ImPuls mitgegründet. Mit welchen Zielen bist Du da rangegangen? Hattest Du vielleicht den Hintergedanken, das Ganze professionell weiterzuführen oder war das eher so eine "Just for fun"-Geschichte?
Sowohl als auch. Ich sagte ja gerade, dass wir möglicherweise die für dieses Konzert entstandenen Titel mal auf eine LP pressen wollten. Dazu kam es ja nicht mehr. Aber diese Aufnahme gibt es beim NDR immer noch. Ich muss jedoch sagen, dass unsere Musik auch einigermaßen skurril war, weil wir einfach alle ganz unterschiedliche Typen waren. Jürgen Koch war unser Bassist, obwohl er von Hause aus sowohl Rockgitarre als auch Flamenco-Gitarre spielte. Thomas Werner, damals ein großer Phillp Glass-Fan, saß an den Keyboards, Olaf Casalich bediente das Schlagzeug und ich spielte Gitarre. Wir haben zugegebenermaßen viel experimentiert, haben beispielsweise ein Ringelnatz-Gedicht vertont:
War einmal ein Bumerang / War ein weniges zu lang / Bumerang flog ein Stück / Kam aber nicht mehr zurück / Publikum noch stundenlang / wartete auf Bumerang.
Dieses Stück haben wir so komponiert, dass wir live auf der Bühne einen Plattensprung gespielt haben: Kam aber nicht me… Kam aber nicht me… Kam aber nicht me… Kam aber nicht mehr zurück. Das war durchaus eine lustige Angelegenheit. So wie wir überhaupt immer versucht hatten, einen kleinen Witz einzubauen.
Du hast dann aber irgendwann auch einen anderen Weg eingeschlagen, Du hast die Musik sein lassen und bist komplett zur Schauspielerei übergegangen. Wann fiel die Entscheidung, den Fokus auf die Schauspielerei zu richten?
Ich hatte es vorhin schon mal kurz angedeutet - es war schlicht und einfach der schnöde Mammon, der mich zu dieser Entscheidung zwang. Ich war ja bereits am Kieler Theater engagiert, war aber nebenbei noch im dritten Jahr an der Schauspielschule beschäftigt. Beim Theater verdiente ich monatlich Eintausend D-Mark. Da dann kurze Zeit später auch noch die Vaterschaft auf mich zukam, war ich gezwungen, Geld zu verdienen. So kam es, dass ich mich für die Schauspielerei entschied. So ein regelmäßiges monatliches Geld ist nicht zu verachten.
Ich will noch einmal Wikipedia als Quelle für meine Recherche ins Spiel bringen. Da steht in Deiner Filmografie an erster Stelle der Film "Go Trabi go". Ich kann mich ehrlich gesagt gar nicht erinnern, Dich da gesehen zu haben.
Ich auch nicht. Das ist ein völliger Unsinn, der da geschrieben steht. Meine erste filmische Arbeit war ein Film von Max Färberböck. Der Film hieß "Schlafende Hunde". Ich glaube, das war für das ZDF. Für Max Färberböck, der eigentlich vom Theater kommt, war das die erste Regiearbeit. Max wiederum war ein Bekannter von Rainer Bock, einem Schauspielkollegen aus Kiel. Und jener Rainer Bock hatte mich für den Film empfohlen. Ich fuhr dann an einem Abend zu Herrn Färberbock nach Hause, stellte mich dort kurz vor und wurde daraufhin für eine Rolle als Chauffeur in dem Film "Schlafende Hunde" engagiert.
Zumindest von der Öffentlichkeit wahrgenommen hattest Du für viele Jahre mit der Musik gar nichts mehr zu tun. Mir bist Du erstmals wieder aufgefallen, als Du 2007 den Roy Black-Klassiker "Du bist nicht allein" als Soundtrack zu dem gleichnamigen Film neu aufgenommen hast. Fand man zufällig heraus, dass Du auch ein guter Sänger bist oder hast Du Dich selber darum beworben, etwas zum Soundtrack beizusteuern?
Das war folgendermaßen: Man hatte die Idee, gemeinsam mit Jakob Ilja, der die Arrangements für den Soundtrack geschrieben hatte, den Song nochmals neu aufzunehmen. So kam es dann auch. Privat habe ich natürlich immer Musik gemacht. Der ausschlaggebende Faktor, der mich als Musiker in die "Öffentlichkeit" gebracht hat, war aber eigentlich ein Gundermann-Gedenkkonzert. Petra Kelling, die Schauspielerin, und der Verlag Buschfunk hatten das Ganze organisiert. Man hatte Leute gesucht, die an diesem Abend Gundermann-Lieder singen. Zuerst wollte man die Veranstaltung in der WABE stattfinden lassen. Nachdem man aber immer mehr und mehr Karten verkauft hatte, entschied man sich für die deutlich größere Columbiahalle als Location. Da waren letztlich dreitausend Zuschauer dabei. Und an diesem Abend habe ich zur Gitarre gegriffen und lieferte zu dem Gundermann-Song "Vater" eine etwas anspruchsvollere Gitarrenbegleitung ab. Unter den Zuschauern war auch Dr. Klaus Koch von Buschfunk. Als er mich fragte, ob ich nicht eine Platte aufnehmen wolle, sagte ich ihm, dass ich keine Lust habe, Lieder von Brecht oder Eisler neu zu interpretieren. Ich hätte da aber noch unzählige eigene Lieder in der Schublade. Ohnehin war es ein langgehegter Traum von mir, eines Tages mal eine Vinylplatte mit meinen selbstgeschriebenen Liedern herauszubringen. Wobei die Betonung auf Vinyl liegt. Dr. Koch nannte mir zwei Musiker, mit denen ich zusammenarbeiten könnte, die zu mir passen würden. Einer von ihnen war Danny Dziuk. Danny kannte ich schon, weil er in der Vergangenheit bereits Filmmusiken für unseren "Tatort" gemacht hatte. Und zwar für die Tatorte unter der Regie von Manfred Stelzer. Stelzer wiederum war gut befreundet mit Lutz Kerschowski, der in der Band von Rio Reiser mitgespielt hatte und mit Danny zusammen diese "Tatort"-Musiken machte. Manfred Stelzer sagte mir, dass von den beiden Danny Dziuk der verspieltere und ideenreichere wäre. Dass er immer sehr phantasievolle Arrangements abgeliefert hat. Das passt sehr gut, da ich ja immer noch ein kleines Faible für klassische Musik habe und Danny ebenfalls ein großer Bach-Verehrer ist. Von daher passte es halt hervorragend.
Also kann man sagen, dieser Gundermann-Gedenkabend war der Auslöser für Deine Solokarriere.
Auf jeden Fall war das die Initialzündung für das Aufleben meiner musikalischen Karriere, ja.
Von diesem Konzert abgesehen, gab es denn zwischen 1985 und 2007 irgendwelche Berührungen mit der Musik und Kollegen aus dem Bereich oder gab es da überhaupt nichts?
Natürlich. Ich habe auf Festivals gespielt und beim Schleswig-Holsteinischen Landestheater habe ich in diesen Jahren zahlreiche Musicals hoch- und runtergespielt. Da spielte ich beispielsweise auch das Stück "Linie 1", das war 1987, zwei Jahre vor dem Mauerfall. 1986 wurde das Stück am Berliner Grips-Theater uraufgeführt und am Schleswig-Holsteinischen Landestheater fand 1987 die erste westdeutsche Uraufführung statt. Das Grips-Theater führt dafür immer Stuttgart an, obwohl unsere Aufführung vierzehn Tage früher stattfand. In dem Musical habe ich, neben einigen anderen Rollen, den "Kleister" gespielt und die Rolle eines Straßenmusikers, der mit seiner Gitarre vor dem Imbisswagen der Buletten-Trude steht und ein Liedchen trällert. Für diesen Song hatte ich eine eigene Begleitmelodie komponiert, die schlussendlich für meine Besetzung als "Kleister" entscheidungsgebend war. Da "Linie 1" in Schleswig-Holstein ein so riesiger Erfolg war, haben sie gleich ein Musical nach dem anderen hinterher geschoben. Das nächste war die "Rocky Horror Picture Show", da habe ich den Riff Raff gegeben. Und bei diesen Gelegenheiten hatte ich natürlich auch immer wieder mit tollen Musikern zu tun. Ich hatte übrigens auch mal ein Vorsprechen zur "Black Rider"-Show und kam sogar in die engere Wahl, aber leider hat es am Ende nicht geklappt. Die Musik für die "Black Rider"-Show schrieb Tom Waits und es wäre schon ein Traum gewesen ihn einmal kennenzulernen, doch Dominique Horwitz bekam den Job.
Wann hast Du Andreas Dresen kennengelernt. Ich glaube, es war 1999 anlässlich einer filmischen Zusammenarbeit, oder?
Andreas war schon etwas früher mal im Grips-Theater. Ich denke, es war 1997 oder 1998. Da lief gerade ein Stück namens "Café Mitte", wo ich drei verschiedene Rollen spielte. Meine Darstellungen der unterschiedlichen Typen haben ihm wohl gut gefallen, denn daraufhin engagierte er mich für den Film "Nachtgestalten". Das war im Übrigen Andis erste Regiearbeit, in der er Improvisationen vor der Kamera versucht hat. Dominique Horwitz, den ich bei der Gelegenheit endlich mal kennenlernte, und Meriam Abbas spielen in dem Film ein Penner-Pärchen, welches in der U-Bahn ohne Fahrschein erwischt wurde. Diese Szene haben wir zunächst dreimal nach der Vorlage vom Blatt gespielt und danach improvisierten wir das mal. Andi animierte uns, wir sollten die vorgefertigten Dialoge vergessen, nur die wesentlichen Eckdaten im Kopf haben und dann einfach mal drauflos spielen. Das wurde so unterhaltsam und toll, dass bei Andi der Entschluss reifte, einmal einen ganzen Film auf rein improvisatorischer Basis drehen zu wollen. So entstand der Film "Halbe Treppe".
Wann habt Ihr beiden denn bemerkt, dass Ihr Spaß an der Musik habt und wann habt ihr angefangen, zusammen Musik zu machen?
Das passierte schon während der Arbeiten zu "Nachtgestalten". Im Hotel hatten wir abends immer eine Gitarre dabei und sangen gerne mal ein paar Lieder. So verlief witzigerweise auch meine erste Begegnung mit Jan Josef Liefers. Wir kannten uns vorher nicht. Er kam mit Gitarre an, ich hatte eine Gitarre dabei und sofort war uns klar, das kann nur gut werden.
Wir beide kommen ja aus dem Westen. Du aus Eutin, ich aus dem Ruhrgebiet. Dadurch hatten wir ja auch nie etwas mit Gerhard Gundermann zu tun. Der kam aus einer ganz anderen Ecke und war eigentlich auch nur regional erfolgreich ...
Nein, das kann ich so nicht bestätigen. Gundermann nahm seine erste Scheibe 1988 auf. Und wir waren in dem Jahr in der DDR zu einigen Gastspielen mit einem Stück namens "Elvis" unterwegs. Unter anderem gastierten wir auch in Stralsund. Dort lernte ich einen Techniker kennen, der zufällig gerade Gundermann-Songs hörte. Als ich das hörte, fragte ich ihn spontan: "Eh, wer ist das denn? Das klingt ja krass, das sind geile Texte!" So lernte ich die Musik von Gundermann kennen. Andreas Dresen ist ja ebenfalls riesiger Gundermann-Fan, was uns natürlich auch verbunden hat, wenn ich das noch kurz einfügen darf.
Was machen denn die Lieder von Gundermann für Dich so besonders?
In erster Linie natürlich die wahnsinnig tollen Texte. Das ist Lyrik vom Allerfeinsten.
Nun hat ja Andreas Dresen den Gundermann-Film gemacht, in dem Du ja auch mitspielst. Wie empfandest Du denn die Leistung von Alexander Scheer, der ja die Figur des Gerhard Gundermann fast 1:1 perfekt rübergebracht hat?
Sensationell! Also da muss ich wirklich den Hut ziehen. Das hat er großartig hinbekommen. Stellenweise hatte man ja das Gefühl, in einem Dokumentarfilm über Gundermann zu sitzen. Die Mimik, die Gestik sind so unglaublich dicht dran am Original, da hat Alexander ganze Arbeit geleistet.
Zurück zur Musik. Du hast es gerade angerissen, dass Du eine Schublade voller eigener Lieder hattest. Mittlerweile ist es zehn Jahre her, dass Du Dein erstes Album mit dem Titel "Blick aufs Mehr" veröffentlicht hast. Die Kompositionen und Texte stammen alle aus Deiner Feder, und Danny Dziuk komponierte die Stück dann aus. Wie sind diese Lieder entstanden und in welchem Zeitraum?
Ich bin eigentlich permanent am Schreiben. Irgendwas habe ich immer am Wickel. Zum Teil sind da persönliche Dinge verarbeitet worden, wenn ich nur an die eine oder andere Trennungsgeschichte in den Liedern denke. Die Entstehung der einzelnen Lieder ist an sich ganz unterschiedlich. "Polonaise internacional" habe ich zum Beispiel in einem Rutsch durchgeschrieben. Der Text war relativ schnell fertig und ich überlegte dann hin und her, welche Art Musik dazu passen könnte. Da fiel mir die Polka ein. Meistens ist es aber genau andersherum. Da habe ich schon eine Melodie fertig und ich muss mir nur noch einen passenden Text ausdenken.
Nun steht man ja nicht am Morgen auf, sieht den schönen blauen Himmel und fängt an, darüber ein Lied zu schreiben, sondern Du beleuchtest ganz spezielle Themen in Deinen Songs. Diese Themen fliegen einem ja nicht so einfach zu. Mir fällt da "Bla Bla Bla" ein. Da könnte ich mir vorstellen, Du hast vor dem Fernseher gesessen, Nachrichten gesehen und bist zu dem Entschluss gekommen, dazu musst Du etwas sagen.
(lacht) Ja, teilweise ist es so. Manchmal fallen mir aber auch nur lustige Formulierungen ein. Ich habe einen ganzen Skizzenblock voller Zitate, wobei aus dem einen oder anderen Fragment bestimmt irgendwann mal ein Lied entsteht.
Es ist ja nicht nur das Album, das plötzlich da war, sondern auch das dazugehörige Ensemble, mit dem Du dann auch auf Tour gegangen bist. Wie entstand denn das Inselorchester? War es Dein Freund und Arrangeur Danny Dziuk, der das Orchester zusammengestellt hat? Oder sind auch Musiker dabei, die Du schon vorher kanntest und die Du unbedingt dabei haben wolltest?
An erster Stelle ist da mein Geiger Rainer Korf zu nennen, der wiederum bekannt war mit Christiane Silber (Bratsche) und Sylvia Eulitz (Cello). Mein inzwischen leider Verstorbener Freund, der Multiinstrumentalist Michael Götz, war von Anfang an dabei, für ihn ist mein Freund vom Grips Theater, Tom Keller (Saxophon, Akkordeon, Querflöte…), zu uns gestoßen. Andi Dresen stellte mir Nicolai Ziel (Schlagzeug) vor und der brachte Johannes Feige (Gitarre) mit. Jörg Mischke (Keyboard) stieß über Klaus Koch dazu. Tom Baumgarte, der Bassist, kam über Danny in die Band. Und von Anfang an war es eine super Stimmung, wir waren sofort ein harmonisches Orchester. Eins unserer ersten Konzerte war übrigens in Babelsberg, im Nicolaisaal, gemeinsam mit dem Babelsberger Filmorchester. Nach diesem Konzert waren wir alle regelrecht beseelt, wie gut das ankam. Es ist wirklich ein ungeheures Glücksgefühl, wenn man vor ausverkauftem Haus spielt und dann auch noch mit Standing Ovations belohnt wird.
Wieso heißt Deine Band Inselorchester, was steckt dahinter?
Unser allererstes Konzert fand in Marienwerder statt. Da gab es das Musikfestival mit Namen "Inselleuchten" und dort fand 2011 unsere Generalprobe in Form eines ersten Konzerts statt. Da wir noch einen Namen für das Orchester brauchten, nannten wir uns einfach Axel Prahl & sein Inselorchester.
Du nimmst Dir bei jedem, Konzert richtig viel Zeit, um jeden einzelnen Musiker vorzustellen. Damit zeigst Du ja auch, dass es schon eine besondere Band ist, die mit Dir im Studio und auf der Bühne zugange ist. Was sind für Dich die besonderen Merkmale und Stärken dieser Truppe?
Das sind einfach allesamt großartige, handverlesene Musiker und wirklich geniale Instrumentalisten. Vor allem aber, und das finde ich noch weitaus wichtiger, sind es tolle Menschen. Es macht irren Spaß mit den Jungs und Mädels, und ich bin ihnen auf ewig dankbar, dass die mein Zeug so spielen, wie sie es spielen.
Ich stelle mir das als einen riesigen logistischen Aufwand vor. Du hast eine riesige Band auf der Bühne, was natürlich eine Menge Geld kostet. Habt Ihr in der Anfangszeit mit dem spitzen Bleistift gerechnet, ob das alles funktioniert? Und wie ist es überhaupt dazu gekommen, dass Ihr das alles so gewuppt habt? Ich nehme mal nicht an, dass Ihr von jetzt auf gleich überall in Deutschland volle Häuser hattet um das Geld dafür zu haben?
Erstaunlicherweise fing es relativ gut an. Natürlich war es ein bisschen das Know How von Dr. Koch, der solche Dinge ganz gut vorab kalkulieren konnte. Trotzdem wollten anfangs immer erstmal alle Leute gucken, was dieser "Tatort"-Kommissar da wohl macht, wie er sich anstellt. Deshalb spielte ich auf meinen ersten Konzerten immer erstmal Stücke, die die Leute schon kannten. Angefangen habe ich meistens mit "Summertime" alleine zur Gitarre, damit die Leute sehen und hören konnten, dass ich das hier nicht nur so nebenbei mache, sondern dass ich mein Fach tatsächlich beherrsche. Zum zweiten Song kam das Orchester mit auf die Bühne und wir spielten "With a little help from my friends". Ein bisschen Comedy gab es auch noch zu erleben. Das kannst Du alles auf meiner Live-Scheibe nacherleben, wie meine Anfänge mit dem Inselorchester waren. Mittlerweile ist es zum Glück so, dass die Leute wegen der Musik kommen.
Also hattest Du Glück, dass das Publikum Dich so angenommen hat und Du dadurch dieses Ensemble auch unterhalten konntest.
Richtig. Heutzutage sind unsere Konzerte eigentlich so gut wie immer ausverkauft.
Das habe ich ja in Recklinghausen und im letzten Jahr noch in Schwerte live miterleben können, denn speziell in Schwerte wurden die Stühle sogar direkt bis vor die Bühne geschoben, weil der Saal so voll war.
Das ist doch toll, ein echtes Geschenk!
Deinem Studioalbum folgte die eben von Dir erwähnte Live-Platte und im Jahr 2016 ein Album mit dem Titel "Assel ?", auf welchem sich Cover-Versionen Deiner Lieder befinden. Darauf spielen andere Musiker die Songs Deines ersten Albums, unter anderem die Mitglieder der Gruppe FEHLFARBEN. Wie kam es zu diesem Album und wer hatte die Idee dazu?
Das war lustigerweise eine Idee meines Freundes Aydo Abay. Der ist der Sänger von BLACKMAIL. Aydo hat ein unglaubliches Netzwerk zu unzähligen Musikern. Als wir uns nun mal dachten, es wäre bestimmt witzig, ein Remix-Album unserer Songs rauszubringen, fragte Aydo in seinem Netzwerk nach Interessenten. Da bringst Du mich auf die Idee, dass ich dasselbe ja mit meinem zweiten Album auch nochmal starten könnte (lacht). Aber zurück zum Thema. Sehr, sehr viel habe ich dabei ohne Zweifel Danny Dziuk zu verdanken, denn Danny hat fortwährend die verschiedenen Spuren für die Mixe kreuz und quer durch Deutschland geschickt, damit die Musiker damit arbeiten konnten.
Wie fühlt es sich an, wenn man seine eigenen Ideen von anderen Menschen umgesetzt sieht? Ist man bei jedem Stück begeistert und happy oder gibt es auch Momente, wo man sich wünscht, der eine oder andere Musiker hätte lieber die Finger davon gelassen?
Ich bin wirklich glücklich und mit allen Resultaten sehr zufrieden. Manche Ausführungen sind etwas sperrig, aber gerade die finde ich bemerkenswert. Hört man sich die öfter an, erkennt man, dass da doch eine echt clevere Struktur hintersteckt.
Ebenfalls 2016 kam es zu einer Zusammenarbeit mit den Herren von KNORKATOR. Das allein kann man durchaus als ziemlich skurril bezeichnen. Du singst deren Song "Setz dich hin", bist auch in dem dazugehörigen Video zu sehen. Wie ist es denn dazu gekommen? Und bist Du jemand, der vielleicht sogar gerne KNORKATOR hört?
Klar, die höre ich wirklich gerne. Ich sage nur: "Zähne putzen, pullern und ab ins Bett!" Wie kam es zur Zusammenarbeit? Ich habe Stumpen mal auf einer Demokratie-Veranstaltung kennengelernt. Wir waren beide als Gäste geladen und haben uns quasi auf den ersten Blick ineinander verliebt. Irgendwann rief Stumpen mich an und fragte, ob ich nicht Lust hätte, mal was mit der Band zusammen zu machen. Ich war sofort Feuer und Flamme und wir haben das dann auch prima über die Bühne gebracht. Es hat echt Spaß gemacht, es war ein schöner Nachmittag am See.
Kurz vorher gab es auch schon eine Zusammenarbeit mit WIR SIND HELDEN, allerdings nur auf filmischer Ebene.
Ja, auch das ist wieder eine lustige Anekdote. Ich habe Judith Holofernes, die Sängerin der Band, mit ihren Musikern, in einem Kostümfundus in Potsdam-Babelsberg kennengelernt. Die haben sich da gerade irgendwelche klassischen Kostüme rausgesucht. Bei der Gelegenheit erzählte ich Judith, dass ich ein großer Fan ihrer Musik bin. Daraufhin meinte Judith, vielleicht ergibt sich ja mal etwas. Und so kam es, als das Video zu "Wenn es passiert" produziert werden sollte, dass irgendwer keine Zeit hatte. Judith rief dann bei mir an und fragte mich, ob ich den Part übernehmen möchte. Als man mir das Drehbuch für das Video vorlegte, habe ich aber erstmal ein wenig gezuckt. Ich dachte mir, ein Handelsvertreter, der davon träumt, ein Leben wie ein Indianer zu führen, das kann auch ganz schnell ziemlich albern rüberkommen. Ich schlug vor, dass in der Handlung etwas Existentielles vorkommen müsste, wie zum Beispiel, dass sich der Vertreter wenigstens vor laufender Kamera den Kopf rasiert und einen Irokesenschnitt zulegt. Gesagt, getan, wir zogen das durch und es machte Riesenspaß. Leider hatte ich aber vergessen, dass ich kurz darauf einen "Tatort"-Dreh hatte. So mussten wir also den Beginn des "Tatortes" etwas umbauen, was aber glücklicherweise für den Regisseur kein Problem darstellte. Ich schlug vor, dass ich als St. Pauli-Fan eine Wette verloren hätte und mir als Wetteinsatz einen Irokesenschnitt zulegen musste, wie ihn auch der St. Pauli-Torwart hatte. Das klappte auch ganz gut.
2018 kam dann mit "Mehr" das zweite Album auf den Markt und Du hast den Beweis geliefert, dass die hohe Qualität des ersten Albums kein Zufall war. Einen wesentlich größeren Anteil als an dem ersten Werk hat anscheinend Danny Dziuk, dessen Aufgabenspektrum diesmal breiter angelegt war. Sehe ich das richtig?
Das ist absolut richtig. Wir haben beim zweiten Album einen deutlich größeren orchestralen Anteil im Bereich der Arrangements, dessen Kompostions-Erfordernisse komplett von Danny übernommen wurden. Wir hatten zu dem Zeitpunkt das große Glück, dass unsere Bratschistin Christiane Silber den Kontakt zu den Brandenburger Symphonikern hatte, die die Platte in den legendären Teldec-Studios mit eingespielt haben. Das war ein wirkliches Fest für die Ohren! Ich hatte Danny vorher gebeten, wie schon bei der ersten Platte auch, diesmal wieder eine Ouvertüre zu schreiben. Ich finde sowas einfach schön. Es war am Ende dann gar nicht so einfach, die Lieder in die richtige Reihenfolge zu sortieren. Es geht los mit einem Sauflied, gefolgt von einem bitterernsten Song, den ich aber nach dem Tod meines Vaters im März 2019 nicht mehr live spielen konnte. Ich schaffte es einfach nicht mehr, es schnürte mir beim Singen die Kehle zu.
Die Rede ist vom Stück "Zuhause" …
Genau!
Auch hier interessiert mich natürlich, wie und wann zwischen 2011 und 2018 die Lieder für das Album "Mehr" entstanden sind. Kamen Dir einige der Ideen vielleicht "on the road", als Du mit der Band auf Tour warst oder sind die in stiller Stunde allein bei Dir zu Hause entstanden?
Das war eigentlich so wie immer bei mir. Es geht oftmals los mit einer dieser vielen notierten Zitate und Textzeilen, die ich auf meinem Skizzenblock immer dabei habe. Oder es ist auch mal ein Melodiefetzen vorhanden. Das ist wirklich ganz unterschiedlich. Im Moment bin ich gerade dabei, ein plattdeutsches Lied zu machen. Ich hatte eine Picking-Melodie im Kopf und kam auf die Idee, ein plattdeutsches Lied zu dieser Melodie wäre doch mal schön und etwas anderes.
Also entsteht so etwas meistens spontan bei Dir.
Genau. Die Muse hat eben keine Stunde. Eine Idee überfällt Dich plötzlich und dann musst Du sie schnell irgendwohin niederschreiben, damit sie nicht verloren geht.
Du hast es zwar schon fast beantwortet, ich frage aber trotzdem nochmal: Gab es zwischen den beiden Alben irgendwelche Unterschiede in den einzelnen Abläufen? Mal abgesehen davon, dass Danny Dziuk beim zweiten Album deutlich mehr eingegriffen hat als beim Vorgänger?
Ja, es gab einen entscheidenden Unterschied. Ich hatte nämlich weniger Zeit. Damals hatte ich gerade jede Menge Dreharbeiten zu erledigen, so dass Danny leider manchmal etwas allein gelassen wurde. So werden wir auch nicht nochmal arbeiten. Bei der nächsten Platte wurschteln wir wieder gemeinsam rum.
In der Schauspielszene bist Du ja nun weiß Gott nicht der einzige musizierende Darsteller. Guckst Du vor einem Dreh schon mal nach, was Dein Schauspielerkollege vielleicht in musikalischer Hinsicht bereits geleistet hat? Interessiert Dich so etwas?
Na klar. Gestern beispielsweise habe ich Miroslav Nemec getroffen, der ja auch mit seiner Band schwer aktiv ist. Miroslav hat sogar, was ich vorher nicht wusste, in Wien am dortigen Konservatorium Musik studiert. Mit Jan Josef tausche ich mich ohnehin immer wieder mal über die eine oder andere Neuigkeit aus.
Apropos Jan Josef Liefers: er ist ja Dein bekanntester Bühnenpartner. Seit etwa zwanzig Jahren spielt Ihr ja zusammen im "Tatort". Hast Du in dieser ganzen Zeit sein Wirken von OBLIVION bis hin zu RADIO DORIA mitverfolgt oder sogar hilfreiche Tipps gegeben?
Na ja… Unsere Musikstile sind doch schon sehr unterschiedlich. Jan Josef ist mit seinem Ohr immer am Puls der Zeit, was mich hingegen in musikalischer Hinsicht eher weniger interessiert. Deshalb führe ich wohl auch ein musikalisches Nischendasein. Für mich ist das aber völlig okay, denn ich mache das, was ich machen möchte. Aber natürlich höre ich mir immer gerne Jans Stücke an.
Du hast vor ein paar Jahren mal gesagt, dass Musik nur Dein Hobby sei und Du in erster Linie Schauspieler bist. Wenn man sich Deine Platten anhört und Deine Liveauftritte ansieht, bewegst Du Dich allerdings in einem Bereich, der mit Hobby nichts mehr zu tun hat, denn Du arbeitest wirklich auf einem qualitativ sehr hohen Niveau. Stapelst Du heute immer noch so tief wie vor ein paar Jahren oder siehst Du mittlerweile die Sache mit der Musik anders?
Hmmm… Ja natürlich hat es sich mit der Zeit verändert. Man entwickelt sich selber ja auch weiter. Es ist schwer zu beschreiben… Nur ein reines Hobby ist die Musik natürlich nicht mehr, sondern es ist durchaus zu einem zweiten, ernst zu nehmenden Beruf geworden. Aber ich versuche das Ganze mit derselben Leichtigkeit zu nehmen, mit der ich auch die Schauspielerei betreibe. Ich will mich selber nicht allzu ernst nehmen.
Nun sagst Du ja selber, Deine Musik ist nicht unbedingt am Zeitgeist orientiert. Du machst Musik für Erwachsene, womit man ja auch durchaus alt werden kann. Planst Du das über die Rente hinaus?
Mit Sicherheit. Ich bin hundertprozentig davon überzeugt, dass ich so lange Musik machen werde, wie es mir möglich ist.
Bist Du einer von den Künstlern, die gerne auf der Bühne sterben würden?
Darüber denke ich nicht so gerne nach. Aber es sollte auf jeden Fall schnell gehen.
Wir hatten ja vorhin über Deine Zusammenarbeit mit KNORKATOR gesprochen. Gibt es denn weitere Kollegen aus dem Musikgeschäft, mit denen Du gerne mal etwas machen möchtest?
Aber natürlich gibt es unzählige Musiker mit denen ich gerne mal auf der Bühne stehen würde, Bei Udo Lindenberg hatte ich ja schon einmal das Vergnügen im Leipziger Stadion und auf Bühne der Waldbühne rumzuspringen, was ein schönes Erlebnis war. (siehe Foto links, Anm. d. Red.) Wobei das ja gleichzeitig ein absurdes Gefühl war. Man steht auf einer Riesenbühne, sieht diesen gigantischen Apparat, den Udo da bewegt und man fühlt sich so, als sei man unter sich. Du siehst die Leute vor der Bühne kaum, erkennst quasi das Publikum nicht, hast überhaupt keinen Kontakt. Das fand ich dann doch etwas befremdlich. Mir wäre das alles eine Nummer zu groß, zu viel, zu heftig.
So wirklich klein ist es bei Deinen Shows ja auch nicht mehr.
Na gut, aber das Größte, was ich jemals hatte, waren zweitausend Zuschauer. Da ist die Lindenberg-Tour schon eine andere Hausnummer. Wenn Du das mal im Stadion erlebt hast… Puh!
Dann konkretisiere ich meine Frage ein wenig: mit wem würdest Du denn mal so auf kleiner bis mittlerer Flamme etwas zusammen machen wollen?
Ich bin beispielsweise ein großer Fan von Klaus Hoffmann. Der war eine Art Jugendidol für mich. Seine erste Platte damals war echt großartig! Ich würde auch sehr gerne mal mit Hannes Wader, Reinhard May oder Achim Reichel was machen. Natürlich wäre es auch toll mal zusammen mit Tom Waits, Neil Young, Cat Stevens… ach, da gibt es so viele mit denen ich auch gern mal Musik machen würde. Das ist ein weites Feld.
Gibt es bei Dir schon Pläne für die Zeit nach der Pandemie? Auf die Konzerte haben wir ja schon hingewiesen, aber was liegt sonst noch bei Dir an?
2021 ist eigentlich schon ziemlich weit verplant. 2020 war quasi ein Jahr Auszeit, da gibt es also in diesem Jahr eine Menge nachzuholen. Zwei "Tatort"-Filme sind ja in jedem Jahr fest eingeplant. Dann haben wir für das ZDF einen Nachfolger des sehr gut gelaufenen Films "Extraklasse" abgedreht, der jetzt irgendwann ausgestrahlt wird. Das ZDF möchte davon am liebsten sogar noch einen dritten und vierten Teil machen.
Das klingt doch gut. Du hast vorhin außerdem angedeutet, dass Du auch als Synchronsprecher arbeitest? Stimmt das Gerücht, dass Du sogar mal für "Miami Vice" im Studio warst?
Das waren meine Anfänge als Synchronsprecher. Es gibt da einen großartigen Synchronregisseur und Elvis-Imitator, und zwar ist das Peter Kirchberger. Der spielte damals den Elvis bei uns am Schleswig-Holsteinischen Landestheater und der nahm mich einfach mal mit nach Hamburg ins Studio. Das war irgendwann in den Achtzigern.
Wenigstens diese Behauptung von Wikipedia stimmt also. Axel, ich danke Dir für Deine Zeit, für die vielen Antworten und für Deine Geduld. Möchtest Du unseren Lesern noch ein paar abschließende Worte mit auf den Weg geben?
Ja, ganz wichtig: Bleibt schön gesund, verliert nie euren Humor und achtet darauf, dass Ihr immer gute Musik auf die Ohren kriegt!
Also der zweite Teil ist natürlich Quatsch, das hatte die Presse dazu gedichtet. Fakt ist, ich habe einen Gesangswettbewerb in Neustadt/Holstein in der Strandhalle gewonnen. Das war ein regionaler Wettbewerb, der dann auf Landesebene weitergegangen wäre. Ich ging damals noch zur Schule und war in Neustadt bekannt wie ein bunter Hund. Deshalb war es wohl auch nicht allzu schwer, den ersten Platz zu belegen. Damals sang ich ein Lied mit einem Text von Wolfgang Lerche, einem Freund von mir, der bei der Arbeiterwohlfahrt gearbeitet hatte. Wolfgang spielte in einer Band namens DIABETES MELLITUS, die ziemlich skurrile Songs auf Lager hatte. Der Song, den ich zum Besten gab, hieß "Der Frauenmörder" und hatte folgenden Text:
Ich sitze in meiner Badewanne / lese Zeitung und höre Radio / Mit mir zusammen sitzt Marianne / die wäscht sich gerade ihren Po / Marianne war mein guter Stern / ich hatte sie zum Fressen gern / Sie schmeckte fast wie Fischfilet / und war auch überhaupt nicht zäh.
Unglaublich, der Text sitzt immer noch!
Ja, bemerkenswert! Du bist da also mit einem eigenen Lied angetreten?
Naja, mit einem Lied von Wolfgang Lerche. Aber bei allem Spaß, den ich daran hatte, war meine oberste Priorität, die Schule zu beenden. Alles in allem war mir das Ganze viel zu umständlich. Zum folgenden Ausscheid auf Landesebene hätte ich nach Kiel gemusst, das war mir zu viel.
Nun stellt man sich ja nicht mal einfach so von jetzt auf gleich auf die Bühne. Ich vermute, du wirst einen musikalischen Werdegang haben. Warst Du ein Musikschüler mit Unterricht oder hast Du eine Klampfe geschenkt gekriegt und hast Dir das alles als Autodidakt selbst beigebracht?
Sowohl als auch. Wir hatten eine sehr lobenswerte, hoch engagierte Kantorin namens Ilse-Dore Boblenz. Und meine Mutter steckte mich schon mit acht Jahren in den Kirchenchor, was mir auch sehr gut getan hat. Dort haben wir unter anderem sehr viel Gehörbildung gemacht. Wenn man in einem Chor ist, muss man sich ja immer erstmal warm singen, z. B. die Tonleiter rauf- und runter trällern. Ilse-Dore Boblenz schaffte es dann eines Tages tatsächlich, von der Musikhochschule Lübeck einen Gitarrenlehrer namens Wolfgang Weigel zu engagieren. Der gab zunächst Gruppenunterricht, aber er hatte einen guten Blick und stellte schnell fest, dass ich mich in der Gruppe langweilte. Die anderen kamen irgendwie nicht hinterher, hatten möglicherweise auch nicht so fleißig geübt wie ich. Dadurch bekam ich schon bald Einzelunterricht auf der Gitarre. Mit vierzehn, fünfzehn Jahren ging es dann los mit den Feiern am Lagerfeuer. Man saß da rum und spielte Lieder von Bob Dylan und Pete Seger, von Leonard Cohen und vor allem von Neil Young und Cat Stevens. Da sich der Gruppenunterricht in der Musikschule eines Tages mehr oder weniger auflöste und Wolfgang Weigel nicht mehr nach Neustadt kam, musste ich ein halbes Jahr lang zu ihm nach Lübeck und bekam dort meinen Unterricht. Ich bin meinen Eltern sehr dankbar, dass sie mich jedes Mal nach Lübeck fuhren. Die waren, nachdem sie mich abgesetzt hatten, immer eine Stunde irgendwo in der Nähe spazieren oder einkaufen und holten mich hinterher wieder ab. Das war sicher nicht ganz unanstrengend.
Das muss so Mitte der Siebziger gewesen sein. Waren die Herren Musiker, die Du eben genannt hast, auch gleichzeitig Deine musikalischen Idole?
Auf jeden Fall. Vor allem Cat Stevens. Der Mann macht so zeitlose Musik… Die Lieder sind so dermaßen abwechslungsreich, genauso wie die von Simon & Garfunkel. Das waren alles Lieder, die man dann am Abend gerne mal am Lagerfeuer sang. Ich habe mir diese Songs damals Ton für Ton "erarbeitet" und anschließend meine eigenen Bearbeitungen daraus gemacht.
Du sprachst eben von Deinen Vorbildern, kommst aber selber aus der klassischen Musik. Wie kommt man denn als gebürtiger Eutiner zu einem Musikstil wie Irish Folk, den Du ja auch eine Zeitlang gespielt hast?
Lustigerweise hatte sich damals in Neustadt eine solche Gruppe zusammengefunden. Ich war da schon etwas älter, so ungefähr sechszehn. Da hatte ich meine erste Mandola erworben, von einem Instrumentenbauer namens Sobell, der in der Folk-Szene damals sehr angesagt war. Ich glaube mein damaliger Freund Andi Wellm war seinerzeit der Initiator unserer kleinen Folk-Truppe, aber wie es nun genau dazu kam, weiß ich gar nicht mehr. Wir waren eine Hand voll interessierte Leute: Andi Wellm spielte Mandoline, Friederike Tonn Tin Wistle und diverse andere Flöten, Marlies Haase Geige, Jörg Wagner, genannt Django, war am Banjo - ach ja und Jens-Peter Krahn, der spielte - glaube ich - auch Gitarre. Wir trafen uns regelmäßig, suchten uns ein paar Stücke raus und spielten die dann. Wobei lustigerweise Songs der DUBLINERS verpönt waren. Heute, mit dem dazugehörigen Abstand, kann ich nicht mehr wirklich nachvollziehen, warum das so war. Vermutlich, weil die als eine der wenigen Folk-Bands damals schon damit Geld verdienten. Das war dann kommerziell und verpönt. Angesagt waren stattdessen Bands wie THE BOTHY BAND; CLANNAD und STOCKTON'S WING, letztere haben sagenhafte Jigs hingelegt - mit Dudelsack und Saxophon. Die nahmen unglaublich Fahrt auf. Es gab dann noch ein paar Leute in Lenste, was in der Nähe von Grömitz liegt, die ebenfalls Irish Folk machten. Lustigerweise trafen wir uns alle in Kiel wieder, als ich anfing Mathe und Musik zu studieren - auf Lehramt. Ich wohnte damals in einer 6-Personen-WG, in der wir wieder gemeinsam Irish Folk spielten. Mit mir wohnte da noch Akki Schmidt, der Mandoline spielte - ich spielte Gitarre und Mandola - Bernd Unstädt war an der Geige. Dann gab es noch Klaus Janke und Michael Lempelius, die übrigens heute noch zusammen Musik machen und gerade wieder als TWEii unterwegs sind.
Stimmt es eigentlich, dass Du später als Straßenmusiker in Spanien unterwegs gewesen bist?
Ja, das stimmt definitiv. Das war eine sehr lustige Geschichte. Mein Freund Rainer Niemuth und ich wollten eigentlich nur ein bisschen ins Warme, hatten jeder 500 DM eingesteckt und die Absicht, von Neustadt aus in den Süden zu trampen. Allerdings kamen wir nur bis Lübeck! Da standen wir ungefähr zwei Stunden am Autobahnzubringer und waren dann so genervt, dass wir uns für 270 DM eine Fahrkarte nach Südfrankreich kauften, womit schon mal etwas über die Hälfte der Kohle weg war. Wir fuhren zunächst bis Nancy, blieben dort einige Tage, aber es war einfach noch viel zu kalt in Frankreich. Also kauften wir für das restliche Geld eine Bahnfahrkarte bis kurz hinter die Grenze nach Spanien, schliefen erschöpft im Zug ein und erwachten in Granada. Wir waren nun also mittellos in Granada und ließen uns einfach treiben. Wir spielten damals auf der Westerngitarre irgendwelche Pickings, von Werner Lämmerhirt und Leo Kottke aber eben auch Songs von Bob Dylan oder Cat Stevens. Interessanterweise war diese Form von Gitarrenmusik in Spanien anscheinend nicht so geläufig. Jedenfalls konnten wir einigermaßen gut davon leben. Na, sagen wir besser: Überleben! Insgesamt war es aber wirklich eine sehr schöne und auch sehr prägende Zeit, die mir auch ein wenig die Angst vor der Zukunft nahm. Es geht immer irgendwie weiter!
Das klingt ein bisschen nach Aussteiger und Abenteuer.
Aussteiger wäre wohl etwas zu hoch gegriffen, es waren ja nur etwas über drei Monate. Rückwirkend betrachtet war das eine ganz tolle Erfahrung für uns. Du denkst immer, wie soll es jetzt bloß weitergehen, aber es kommt immer irgendwo eine helfende Hand. Wir wurden zum Beispiel einmal von einem Radiosender in Almeria eingeladen. Die holten uns in ihr Studio, wo wir dann live gespielt haben. In Nancy konnten wir auf einem kleinen Festival mitspielen, wir wurden auch manchmal von Leuten zum Essen eingeladen. Es ergab sich also immer etwas. Insgesamt war es eine tolle Zeit. Wir machten auch in Granada Straßenmusik, wobei das damals nicht so ganz einfach war, denn die Guardia Civil mochte uns Straßenmusiker nicht besonders. Man hätte eigentlich vorher bei der Stadtverwaltung eine Genehmigung einholen müssen, so wie es ja jetzt auch in Berlin der Fall ist. Du kriegst dann einen bestimmten Platz zugewiesen und all so einen Quatsch. Darauf hatten wir natürlich überhaupt keine Lust. Wir stellten uns einfach hin, wo es uns gefiel und immer, wenn die Guardia Civil zu sehen war, packten wir unsere Koffer und sind abgehauen. Die ganze Geschichte endete dann aber doch leider etwas traurig, denn ich musste meine Gitarre verkaufen, damit wir die Bahnfahrt nach Hause bezahlen konnten. Aber so ist es halt manchmal, Dinge kommen und Dinge gehen.
Trotzdem bist Du der Musik treu geblieben. Wie wurdest Du denn zu dieser Zeit Mitglied bei der Gruppe OUGENWEIDE und wie lange hast Du da mitgespielt?
Das ist auch alles ein bisschen falsch kolportiert worden. Die Gruppe OUGENWEIDE hatte sich seinerzeit aufgelöst und deren Schlagzeuger, Olaf Casalich, war gut befreundet mit Thomas Werner, der bei uns in der Band das Keyboard spielte. Wir gründeten eines Tages eine neue Gruppe mit Namen ImPuls. In Hamburg steht auf der Zufahrtstrasse zur Autobahn, in Richtung der Elbbrücken, ein Hochhaus mit einem riesigen Mercedes-Stern obendrauf. Und im obersten Stockwerk dieses Hochhauses hatten OUGENWEIDE ihr Studio. Da durften wir mit ImPuls proben. Ich war zu der Zeit aber schon beim Theater. Unser erster gemeinsamer Job, zu dem wir insgesamt zwölf oder dreizehn Lieder komponiert hatten, war für den NDR. "Ein Abend für junge Hörer" mit Dethardt Fissen. Für dieses Konzert gab es damals eintausend D-Mark Gage, allerdings für vier Leute!!! Allein die Spritkosten, für die Fahrten nach Hamburg zur Probe beliefen sich auf knapp 300 DM. Mein monatliches Salär am Kieler Theater, als sogenannter Schauspiel-Eleve, betrug ebenfalls 1000,-DM, und ich bin ungefähr drei mal die Woche von Kiel, wo ich am Theater engagiert war, nach der Vorstellung rüber nach Hamburg gefahren ins Studio von OUGENWEIDE, wo wir bis morgens um drei Uhr probten. Von da aus ging es wieder zurück auf die Autobahn Richtung Kiel. Irgendwo unterwegs machte ich ein kurzes Schläfchen und um 9:00 Uhr begannen dann auch schon wieder die Proben am Theater. Natürlich hält man das nicht lange durch. Nach dem besagten Konzert bei Dethardt Fissen sagte ich dann: "Freunde, ich schaffe das nicht mehr, ich muss aussteigen".
Was war das in Hamburg für eine Veranstaltung?
Die Reihe hieß "Ein Abend für junge Hörer" und wurde auf NDR 2 ausgestrahlt. Dethardt Fissen moderierte den Abend und Rolf Becker hat Gedichte gelesen. Das Ganze war eine Live Veranstaltung und fand im Unfallkrankenhaus Boberg statt. Das Thema des Abends war "Die Zeit, die uns bleibt", wozu wir eben diese zwölf Lieder komponiert hatten. Wir hatten auch die Hoffnung, die Songs mal irgendwann auf Schallplatte rauszubringen, doch dazu kam es durch meinen Ausstieg nicht mehr. Übrigens ist Dethardt Fissen traurigerweise drei Monate nach dem "Die Zeit, die uns bleibt" abends auf der Autobahn von einem LKW erfasst worden und war tot.
Du hattest also die Gruppe ImPuls mitgegründet. Mit welchen Zielen bist Du da rangegangen? Hattest Du vielleicht den Hintergedanken, das Ganze professionell weiterzuführen oder war das eher so eine "Just for fun"-Geschichte?
Sowohl als auch. Ich sagte ja gerade, dass wir möglicherweise die für dieses Konzert entstandenen Titel mal auf eine LP pressen wollten. Dazu kam es ja nicht mehr. Aber diese Aufnahme gibt es beim NDR immer noch. Ich muss jedoch sagen, dass unsere Musik auch einigermaßen skurril war, weil wir einfach alle ganz unterschiedliche Typen waren. Jürgen Koch war unser Bassist, obwohl er von Hause aus sowohl Rockgitarre als auch Flamenco-Gitarre spielte. Thomas Werner, damals ein großer Phillp Glass-Fan, saß an den Keyboards, Olaf Casalich bediente das Schlagzeug und ich spielte Gitarre. Wir haben zugegebenermaßen viel experimentiert, haben beispielsweise ein Ringelnatz-Gedicht vertont:
War einmal ein Bumerang / War ein weniges zu lang / Bumerang flog ein Stück / Kam aber nicht mehr zurück / Publikum noch stundenlang / wartete auf Bumerang.
Dieses Stück haben wir so komponiert, dass wir live auf der Bühne einen Plattensprung gespielt haben: Kam aber nicht me… Kam aber nicht me… Kam aber nicht me… Kam aber nicht mehr zurück. Das war durchaus eine lustige Angelegenheit. So wie wir überhaupt immer versucht hatten, einen kleinen Witz einzubauen.
Du hast dann aber irgendwann auch einen anderen Weg eingeschlagen, Du hast die Musik sein lassen und bist komplett zur Schauspielerei übergegangen. Wann fiel die Entscheidung, den Fokus auf die Schauspielerei zu richten?
Ich hatte es vorhin schon mal kurz angedeutet - es war schlicht und einfach der schnöde Mammon, der mich zu dieser Entscheidung zwang. Ich war ja bereits am Kieler Theater engagiert, war aber nebenbei noch im dritten Jahr an der Schauspielschule beschäftigt. Beim Theater verdiente ich monatlich Eintausend D-Mark. Da dann kurze Zeit später auch noch die Vaterschaft auf mich zukam, war ich gezwungen, Geld zu verdienen. So kam es, dass ich mich für die Schauspielerei entschied. So ein regelmäßiges monatliches Geld ist nicht zu verachten.
Ich will noch einmal Wikipedia als Quelle für meine Recherche ins Spiel bringen. Da steht in Deiner Filmografie an erster Stelle der Film "Go Trabi go". Ich kann mich ehrlich gesagt gar nicht erinnern, Dich da gesehen zu haben.
Ich auch nicht. Das ist ein völliger Unsinn, der da geschrieben steht. Meine erste filmische Arbeit war ein Film von Max Färberböck. Der Film hieß "Schlafende Hunde". Ich glaube, das war für das ZDF. Für Max Färberböck, der eigentlich vom Theater kommt, war das die erste Regiearbeit. Max wiederum war ein Bekannter von Rainer Bock, einem Schauspielkollegen aus Kiel. Und jener Rainer Bock hatte mich für den Film empfohlen. Ich fuhr dann an einem Abend zu Herrn Färberbock nach Hause, stellte mich dort kurz vor und wurde daraufhin für eine Rolle als Chauffeur in dem Film "Schlafende Hunde" engagiert.
Zumindest von der Öffentlichkeit wahrgenommen hattest Du für viele Jahre mit der Musik gar nichts mehr zu tun. Mir bist Du erstmals wieder aufgefallen, als Du 2007 den Roy Black-Klassiker "Du bist nicht allein" als Soundtrack zu dem gleichnamigen Film neu aufgenommen hast. Fand man zufällig heraus, dass Du auch ein guter Sänger bist oder hast Du Dich selber darum beworben, etwas zum Soundtrack beizusteuern?
Das war folgendermaßen: Man hatte die Idee, gemeinsam mit Jakob Ilja, der die Arrangements für den Soundtrack geschrieben hatte, den Song nochmals neu aufzunehmen. So kam es dann auch. Privat habe ich natürlich immer Musik gemacht. Der ausschlaggebende Faktor, der mich als Musiker in die "Öffentlichkeit" gebracht hat, war aber eigentlich ein Gundermann-Gedenkkonzert. Petra Kelling, die Schauspielerin, und der Verlag Buschfunk hatten das Ganze organisiert. Man hatte Leute gesucht, die an diesem Abend Gundermann-Lieder singen. Zuerst wollte man die Veranstaltung in der WABE stattfinden lassen. Nachdem man aber immer mehr und mehr Karten verkauft hatte, entschied man sich für die deutlich größere Columbiahalle als Location. Da waren letztlich dreitausend Zuschauer dabei. Und an diesem Abend habe ich zur Gitarre gegriffen und lieferte zu dem Gundermann-Song "Vater" eine etwas anspruchsvollere Gitarrenbegleitung ab. Unter den Zuschauern war auch Dr. Klaus Koch von Buschfunk. Als er mich fragte, ob ich nicht eine Platte aufnehmen wolle, sagte ich ihm, dass ich keine Lust habe, Lieder von Brecht oder Eisler neu zu interpretieren. Ich hätte da aber noch unzählige eigene Lieder in der Schublade. Ohnehin war es ein langgehegter Traum von mir, eines Tages mal eine Vinylplatte mit meinen selbstgeschriebenen Liedern herauszubringen. Wobei die Betonung auf Vinyl liegt. Dr. Koch nannte mir zwei Musiker, mit denen ich zusammenarbeiten könnte, die zu mir passen würden. Einer von ihnen war Danny Dziuk. Danny kannte ich schon, weil er in der Vergangenheit bereits Filmmusiken für unseren "Tatort" gemacht hatte. Und zwar für die Tatorte unter der Regie von Manfred Stelzer. Stelzer wiederum war gut befreundet mit Lutz Kerschowski, der in der Band von Rio Reiser mitgespielt hatte und mit Danny zusammen diese "Tatort"-Musiken machte. Manfred Stelzer sagte mir, dass von den beiden Danny Dziuk der verspieltere und ideenreichere wäre. Dass er immer sehr phantasievolle Arrangements abgeliefert hat. Das passt sehr gut, da ich ja immer noch ein kleines Faible für klassische Musik habe und Danny ebenfalls ein großer Bach-Verehrer ist. Von daher passte es halt hervorragend.
Also kann man sagen, dieser Gundermann-Gedenkabend war der Auslöser für Deine Solokarriere.
Auf jeden Fall war das die Initialzündung für das Aufleben meiner musikalischen Karriere, ja.
Von diesem Konzert abgesehen, gab es denn zwischen 1985 und 2007 irgendwelche Berührungen mit der Musik und Kollegen aus dem Bereich oder gab es da überhaupt nichts?
Natürlich. Ich habe auf Festivals gespielt und beim Schleswig-Holsteinischen Landestheater habe ich in diesen Jahren zahlreiche Musicals hoch- und runtergespielt. Da spielte ich beispielsweise auch das Stück "Linie 1", das war 1987, zwei Jahre vor dem Mauerfall. 1986 wurde das Stück am Berliner Grips-Theater uraufgeführt und am Schleswig-Holsteinischen Landestheater fand 1987 die erste westdeutsche Uraufführung statt. Das Grips-Theater führt dafür immer Stuttgart an, obwohl unsere Aufführung vierzehn Tage früher stattfand. In dem Musical habe ich, neben einigen anderen Rollen, den "Kleister" gespielt und die Rolle eines Straßenmusikers, der mit seiner Gitarre vor dem Imbisswagen der Buletten-Trude steht und ein Liedchen trällert. Für diesen Song hatte ich eine eigene Begleitmelodie komponiert, die schlussendlich für meine Besetzung als "Kleister" entscheidungsgebend war. Da "Linie 1" in Schleswig-Holstein ein so riesiger Erfolg war, haben sie gleich ein Musical nach dem anderen hinterher geschoben. Das nächste war die "Rocky Horror Picture Show", da habe ich den Riff Raff gegeben. Und bei diesen Gelegenheiten hatte ich natürlich auch immer wieder mit tollen Musikern zu tun. Ich hatte übrigens auch mal ein Vorsprechen zur "Black Rider"-Show und kam sogar in die engere Wahl, aber leider hat es am Ende nicht geklappt. Die Musik für die "Black Rider"-Show schrieb Tom Waits und es wäre schon ein Traum gewesen ihn einmal kennenzulernen, doch Dominique Horwitz bekam den Job.
Wann hast Du Andreas Dresen kennengelernt. Ich glaube, es war 1999 anlässlich einer filmischen Zusammenarbeit, oder?
Andreas war schon etwas früher mal im Grips-Theater. Ich denke, es war 1997 oder 1998. Da lief gerade ein Stück namens "Café Mitte", wo ich drei verschiedene Rollen spielte. Meine Darstellungen der unterschiedlichen Typen haben ihm wohl gut gefallen, denn daraufhin engagierte er mich für den Film "Nachtgestalten". Das war im Übrigen Andis erste Regiearbeit, in der er Improvisationen vor der Kamera versucht hat. Dominique Horwitz, den ich bei der Gelegenheit endlich mal kennenlernte, und Meriam Abbas spielen in dem Film ein Penner-Pärchen, welches in der U-Bahn ohne Fahrschein erwischt wurde. Diese Szene haben wir zunächst dreimal nach der Vorlage vom Blatt gespielt und danach improvisierten wir das mal. Andi animierte uns, wir sollten die vorgefertigten Dialoge vergessen, nur die wesentlichen Eckdaten im Kopf haben und dann einfach mal drauflos spielen. Das wurde so unterhaltsam und toll, dass bei Andi der Entschluss reifte, einmal einen ganzen Film auf rein improvisatorischer Basis drehen zu wollen. So entstand der Film "Halbe Treppe".
Wann habt Ihr beiden denn bemerkt, dass Ihr Spaß an der Musik habt und wann habt ihr angefangen, zusammen Musik zu machen?
Das passierte schon während der Arbeiten zu "Nachtgestalten". Im Hotel hatten wir abends immer eine Gitarre dabei und sangen gerne mal ein paar Lieder. So verlief witzigerweise auch meine erste Begegnung mit Jan Josef Liefers. Wir kannten uns vorher nicht. Er kam mit Gitarre an, ich hatte eine Gitarre dabei und sofort war uns klar, das kann nur gut werden.
Wir beide kommen ja aus dem Westen. Du aus Eutin, ich aus dem Ruhrgebiet. Dadurch hatten wir ja auch nie etwas mit Gerhard Gundermann zu tun. Der kam aus einer ganz anderen Ecke und war eigentlich auch nur regional erfolgreich ...
Nein, das kann ich so nicht bestätigen. Gundermann nahm seine erste Scheibe 1988 auf. Und wir waren in dem Jahr in der DDR zu einigen Gastspielen mit einem Stück namens "Elvis" unterwegs. Unter anderem gastierten wir auch in Stralsund. Dort lernte ich einen Techniker kennen, der zufällig gerade Gundermann-Songs hörte. Als ich das hörte, fragte ich ihn spontan: "Eh, wer ist das denn? Das klingt ja krass, das sind geile Texte!" So lernte ich die Musik von Gundermann kennen. Andreas Dresen ist ja ebenfalls riesiger Gundermann-Fan, was uns natürlich auch verbunden hat, wenn ich das noch kurz einfügen darf.
Was machen denn die Lieder von Gundermann für Dich so besonders?
In erster Linie natürlich die wahnsinnig tollen Texte. Das ist Lyrik vom Allerfeinsten.
Nun hat ja Andreas Dresen den Gundermann-Film gemacht, in dem Du ja auch mitspielst. Wie empfandest Du denn die Leistung von Alexander Scheer, der ja die Figur des Gerhard Gundermann fast 1:1 perfekt rübergebracht hat?
Sensationell! Also da muss ich wirklich den Hut ziehen. Das hat er großartig hinbekommen. Stellenweise hatte man ja das Gefühl, in einem Dokumentarfilm über Gundermann zu sitzen. Die Mimik, die Gestik sind so unglaublich dicht dran am Original, da hat Alexander ganze Arbeit geleistet.
Zurück zur Musik. Du hast es gerade angerissen, dass Du eine Schublade voller eigener Lieder hattest. Mittlerweile ist es zehn Jahre her, dass Du Dein erstes Album mit dem Titel "Blick aufs Mehr" veröffentlicht hast. Die Kompositionen und Texte stammen alle aus Deiner Feder, und Danny Dziuk komponierte die Stück dann aus. Wie sind diese Lieder entstanden und in welchem Zeitraum?
Ich bin eigentlich permanent am Schreiben. Irgendwas habe ich immer am Wickel. Zum Teil sind da persönliche Dinge verarbeitet worden, wenn ich nur an die eine oder andere Trennungsgeschichte in den Liedern denke. Die Entstehung der einzelnen Lieder ist an sich ganz unterschiedlich. "Polonaise internacional" habe ich zum Beispiel in einem Rutsch durchgeschrieben. Der Text war relativ schnell fertig und ich überlegte dann hin und her, welche Art Musik dazu passen könnte. Da fiel mir die Polka ein. Meistens ist es aber genau andersherum. Da habe ich schon eine Melodie fertig und ich muss mir nur noch einen passenden Text ausdenken.
Nun steht man ja nicht am Morgen auf, sieht den schönen blauen Himmel und fängt an, darüber ein Lied zu schreiben, sondern Du beleuchtest ganz spezielle Themen in Deinen Songs. Diese Themen fliegen einem ja nicht so einfach zu. Mir fällt da "Bla Bla Bla" ein. Da könnte ich mir vorstellen, Du hast vor dem Fernseher gesessen, Nachrichten gesehen und bist zu dem Entschluss gekommen, dazu musst Du etwas sagen.
(lacht) Ja, teilweise ist es so. Manchmal fallen mir aber auch nur lustige Formulierungen ein. Ich habe einen ganzen Skizzenblock voller Zitate, wobei aus dem einen oder anderen Fragment bestimmt irgendwann mal ein Lied entsteht.
Es ist ja nicht nur das Album, das plötzlich da war, sondern auch das dazugehörige Ensemble, mit dem Du dann auch auf Tour gegangen bist. Wie entstand denn das Inselorchester? War es Dein Freund und Arrangeur Danny Dziuk, der das Orchester zusammengestellt hat? Oder sind auch Musiker dabei, die Du schon vorher kanntest und die Du unbedingt dabei haben wolltest?
An erster Stelle ist da mein Geiger Rainer Korf zu nennen, der wiederum bekannt war mit Christiane Silber (Bratsche) und Sylvia Eulitz (Cello). Mein inzwischen leider Verstorbener Freund, der Multiinstrumentalist Michael Götz, war von Anfang an dabei, für ihn ist mein Freund vom Grips Theater, Tom Keller (Saxophon, Akkordeon, Querflöte…), zu uns gestoßen. Andi Dresen stellte mir Nicolai Ziel (Schlagzeug) vor und der brachte Johannes Feige (Gitarre) mit. Jörg Mischke (Keyboard) stieß über Klaus Koch dazu. Tom Baumgarte, der Bassist, kam über Danny in die Band. Und von Anfang an war es eine super Stimmung, wir waren sofort ein harmonisches Orchester. Eins unserer ersten Konzerte war übrigens in Babelsberg, im Nicolaisaal, gemeinsam mit dem Babelsberger Filmorchester. Nach diesem Konzert waren wir alle regelrecht beseelt, wie gut das ankam. Es ist wirklich ein ungeheures Glücksgefühl, wenn man vor ausverkauftem Haus spielt und dann auch noch mit Standing Ovations belohnt wird.
Wieso heißt Deine Band Inselorchester, was steckt dahinter?
Unser allererstes Konzert fand in Marienwerder statt. Da gab es das Musikfestival mit Namen "Inselleuchten" und dort fand 2011 unsere Generalprobe in Form eines ersten Konzerts statt. Da wir noch einen Namen für das Orchester brauchten, nannten wir uns einfach Axel Prahl & sein Inselorchester.
Du nimmst Dir bei jedem, Konzert richtig viel Zeit, um jeden einzelnen Musiker vorzustellen. Damit zeigst Du ja auch, dass es schon eine besondere Band ist, die mit Dir im Studio und auf der Bühne zugange ist. Was sind für Dich die besonderen Merkmale und Stärken dieser Truppe?
Das sind einfach allesamt großartige, handverlesene Musiker und wirklich geniale Instrumentalisten. Vor allem aber, und das finde ich noch weitaus wichtiger, sind es tolle Menschen. Es macht irren Spaß mit den Jungs und Mädels, und ich bin ihnen auf ewig dankbar, dass die mein Zeug so spielen, wie sie es spielen.
Ich stelle mir das als einen riesigen logistischen Aufwand vor. Du hast eine riesige Band auf der Bühne, was natürlich eine Menge Geld kostet. Habt Ihr in der Anfangszeit mit dem spitzen Bleistift gerechnet, ob das alles funktioniert? Und wie ist es überhaupt dazu gekommen, dass Ihr das alles so gewuppt habt? Ich nehme mal nicht an, dass Ihr von jetzt auf gleich überall in Deutschland volle Häuser hattet um das Geld dafür zu haben?
Erstaunlicherweise fing es relativ gut an. Natürlich war es ein bisschen das Know How von Dr. Koch, der solche Dinge ganz gut vorab kalkulieren konnte. Trotzdem wollten anfangs immer erstmal alle Leute gucken, was dieser "Tatort"-Kommissar da wohl macht, wie er sich anstellt. Deshalb spielte ich auf meinen ersten Konzerten immer erstmal Stücke, die die Leute schon kannten. Angefangen habe ich meistens mit "Summertime" alleine zur Gitarre, damit die Leute sehen und hören konnten, dass ich das hier nicht nur so nebenbei mache, sondern dass ich mein Fach tatsächlich beherrsche. Zum zweiten Song kam das Orchester mit auf die Bühne und wir spielten "With a little help from my friends". Ein bisschen Comedy gab es auch noch zu erleben. Das kannst Du alles auf meiner Live-Scheibe nacherleben, wie meine Anfänge mit dem Inselorchester waren. Mittlerweile ist es zum Glück so, dass die Leute wegen der Musik kommen.
Also hattest Du Glück, dass das Publikum Dich so angenommen hat und Du dadurch dieses Ensemble auch unterhalten konntest.
Richtig. Heutzutage sind unsere Konzerte eigentlich so gut wie immer ausverkauft.
Das habe ich ja in Recklinghausen und im letzten Jahr noch in Schwerte live miterleben können, denn speziell in Schwerte wurden die Stühle sogar direkt bis vor die Bühne geschoben, weil der Saal so voll war.
Das ist doch toll, ein echtes Geschenk!
Deinem Studioalbum folgte die eben von Dir erwähnte Live-Platte und im Jahr 2016 ein Album mit dem Titel "Assel ?", auf welchem sich Cover-Versionen Deiner Lieder befinden. Darauf spielen andere Musiker die Songs Deines ersten Albums, unter anderem die Mitglieder der Gruppe FEHLFARBEN. Wie kam es zu diesem Album und wer hatte die Idee dazu?
Das war lustigerweise eine Idee meines Freundes Aydo Abay. Der ist der Sänger von BLACKMAIL. Aydo hat ein unglaubliches Netzwerk zu unzähligen Musikern. Als wir uns nun mal dachten, es wäre bestimmt witzig, ein Remix-Album unserer Songs rauszubringen, fragte Aydo in seinem Netzwerk nach Interessenten. Da bringst Du mich auf die Idee, dass ich dasselbe ja mit meinem zweiten Album auch nochmal starten könnte (lacht). Aber zurück zum Thema. Sehr, sehr viel habe ich dabei ohne Zweifel Danny Dziuk zu verdanken, denn Danny hat fortwährend die verschiedenen Spuren für die Mixe kreuz und quer durch Deutschland geschickt, damit die Musiker damit arbeiten konnten.
Wie fühlt es sich an, wenn man seine eigenen Ideen von anderen Menschen umgesetzt sieht? Ist man bei jedem Stück begeistert und happy oder gibt es auch Momente, wo man sich wünscht, der eine oder andere Musiker hätte lieber die Finger davon gelassen?
Ich bin wirklich glücklich und mit allen Resultaten sehr zufrieden. Manche Ausführungen sind etwas sperrig, aber gerade die finde ich bemerkenswert. Hört man sich die öfter an, erkennt man, dass da doch eine echt clevere Struktur hintersteckt.
Ebenfalls 2016 kam es zu einer Zusammenarbeit mit den Herren von KNORKATOR. Das allein kann man durchaus als ziemlich skurril bezeichnen. Du singst deren Song "Setz dich hin", bist auch in dem dazugehörigen Video zu sehen. Wie ist es denn dazu gekommen? Und bist Du jemand, der vielleicht sogar gerne KNORKATOR hört?
Klar, die höre ich wirklich gerne. Ich sage nur: "Zähne putzen, pullern und ab ins Bett!" Wie kam es zur Zusammenarbeit? Ich habe Stumpen mal auf einer Demokratie-Veranstaltung kennengelernt. Wir waren beide als Gäste geladen und haben uns quasi auf den ersten Blick ineinander verliebt. Irgendwann rief Stumpen mich an und fragte, ob ich nicht Lust hätte, mal was mit der Band zusammen zu machen. Ich war sofort Feuer und Flamme und wir haben das dann auch prima über die Bühne gebracht. Es hat echt Spaß gemacht, es war ein schöner Nachmittag am See.
Kurz vorher gab es auch schon eine Zusammenarbeit mit WIR SIND HELDEN, allerdings nur auf filmischer Ebene.
Ja, auch das ist wieder eine lustige Anekdote. Ich habe Judith Holofernes, die Sängerin der Band, mit ihren Musikern, in einem Kostümfundus in Potsdam-Babelsberg kennengelernt. Die haben sich da gerade irgendwelche klassischen Kostüme rausgesucht. Bei der Gelegenheit erzählte ich Judith, dass ich ein großer Fan ihrer Musik bin. Daraufhin meinte Judith, vielleicht ergibt sich ja mal etwas. Und so kam es, als das Video zu "Wenn es passiert" produziert werden sollte, dass irgendwer keine Zeit hatte. Judith rief dann bei mir an und fragte mich, ob ich den Part übernehmen möchte. Als man mir das Drehbuch für das Video vorlegte, habe ich aber erstmal ein wenig gezuckt. Ich dachte mir, ein Handelsvertreter, der davon träumt, ein Leben wie ein Indianer zu führen, das kann auch ganz schnell ziemlich albern rüberkommen. Ich schlug vor, dass in der Handlung etwas Existentielles vorkommen müsste, wie zum Beispiel, dass sich der Vertreter wenigstens vor laufender Kamera den Kopf rasiert und einen Irokesenschnitt zulegt. Gesagt, getan, wir zogen das durch und es machte Riesenspaß. Leider hatte ich aber vergessen, dass ich kurz darauf einen "Tatort"-Dreh hatte. So mussten wir also den Beginn des "Tatortes" etwas umbauen, was aber glücklicherweise für den Regisseur kein Problem darstellte. Ich schlug vor, dass ich als St. Pauli-Fan eine Wette verloren hätte und mir als Wetteinsatz einen Irokesenschnitt zulegen musste, wie ihn auch der St. Pauli-Torwart hatte. Das klappte auch ganz gut.
2018 kam dann mit "Mehr" das zweite Album auf den Markt und Du hast den Beweis geliefert, dass die hohe Qualität des ersten Albums kein Zufall war. Einen wesentlich größeren Anteil als an dem ersten Werk hat anscheinend Danny Dziuk, dessen Aufgabenspektrum diesmal breiter angelegt war. Sehe ich das richtig?
Das ist absolut richtig. Wir haben beim zweiten Album einen deutlich größeren orchestralen Anteil im Bereich der Arrangements, dessen Kompostions-Erfordernisse komplett von Danny übernommen wurden. Wir hatten zu dem Zeitpunkt das große Glück, dass unsere Bratschistin Christiane Silber den Kontakt zu den Brandenburger Symphonikern hatte, die die Platte in den legendären Teldec-Studios mit eingespielt haben. Das war ein wirkliches Fest für die Ohren! Ich hatte Danny vorher gebeten, wie schon bei der ersten Platte auch, diesmal wieder eine Ouvertüre zu schreiben. Ich finde sowas einfach schön. Es war am Ende dann gar nicht so einfach, die Lieder in die richtige Reihenfolge zu sortieren. Es geht los mit einem Sauflied, gefolgt von einem bitterernsten Song, den ich aber nach dem Tod meines Vaters im März 2019 nicht mehr live spielen konnte. Ich schaffte es einfach nicht mehr, es schnürte mir beim Singen die Kehle zu.
Die Rede ist vom Stück "Zuhause" …
Genau!
Auch hier interessiert mich natürlich, wie und wann zwischen 2011 und 2018 die Lieder für das Album "Mehr" entstanden sind. Kamen Dir einige der Ideen vielleicht "on the road", als Du mit der Band auf Tour warst oder sind die in stiller Stunde allein bei Dir zu Hause entstanden?
Das war eigentlich so wie immer bei mir. Es geht oftmals los mit einer dieser vielen notierten Zitate und Textzeilen, die ich auf meinem Skizzenblock immer dabei habe. Oder es ist auch mal ein Melodiefetzen vorhanden. Das ist wirklich ganz unterschiedlich. Im Moment bin ich gerade dabei, ein plattdeutsches Lied zu machen. Ich hatte eine Picking-Melodie im Kopf und kam auf die Idee, ein plattdeutsches Lied zu dieser Melodie wäre doch mal schön und etwas anderes.
Also entsteht so etwas meistens spontan bei Dir.
Genau. Die Muse hat eben keine Stunde. Eine Idee überfällt Dich plötzlich und dann musst Du sie schnell irgendwohin niederschreiben, damit sie nicht verloren geht.
Du hast es zwar schon fast beantwortet, ich frage aber trotzdem nochmal: Gab es zwischen den beiden Alben irgendwelche Unterschiede in den einzelnen Abläufen? Mal abgesehen davon, dass Danny Dziuk beim zweiten Album deutlich mehr eingegriffen hat als beim Vorgänger?
Ja, es gab einen entscheidenden Unterschied. Ich hatte nämlich weniger Zeit. Damals hatte ich gerade jede Menge Dreharbeiten zu erledigen, so dass Danny leider manchmal etwas allein gelassen wurde. So werden wir auch nicht nochmal arbeiten. Bei der nächsten Platte wurschteln wir wieder gemeinsam rum.
In der Schauspielszene bist Du ja nun weiß Gott nicht der einzige musizierende Darsteller. Guckst Du vor einem Dreh schon mal nach, was Dein Schauspielerkollege vielleicht in musikalischer Hinsicht bereits geleistet hat? Interessiert Dich so etwas?
Na klar. Gestern beispielsweise habe ich Miroslav Nemec getroffen, der ja auch mit seiner Band schwer aktiv ist. Miroslav hat sogar, was ich vorher nicht wusste, in Wien am dortigen Konservatorium Musik studiert. Mit Jan Josef tausche ich mich ohnehin immer wieder mal über die eine oder andere Neuigkeit aus.
Apropos Jan Josef Liefers: er ist ja Dein bekanntester Bühnenpartner. Seit etwa zwanzig Jahren spielt Ihr ja zusammen im "Tatort". Hast Du in dieser ganzen Zeit sein Wirken von OBLIVION bis hin zu RADIO DORIA mitverfolgt oder sogar hilfreiche Tipps gegeben?
Na ja… Unsere Musikstile sind doch schon sehr unterschiedlich. Jan Josef ist mit seinem Ohr immer am Puls der Zeit, was mich hingegen in musikalischer Hinsicht eher weniger interessiert. Deshalb führe ich wohl auch ein musikalisches Nischendasein. Für mich ist das aber völlig okay, denn ich mache das, was ich machen möchte. Aber natürlich höre ich mir immer gerne Jans Stücke an.
Du hast vor ein paar Jahren mal gesagt, dass Musik nur Dein Hobby sei und Du in erster Linie Schauspieler bist. Wenn man sich Deine Platten anhört und Deine Liveauftritte ansieht, bewegst Du Dich allerdings in einem Bereich, der mit Hobby nichts mehr zu tun hat, denn Du arbeitest wirklich auf einem qualitativ sehr hohen Niveau. Stapelst Du heute immer noch so tief wie vor ein paar Jahren oder siehst Du mittlerweile die Sache mit der Musik anders?
Hmmm… Ja natürlich hat es sich mit der Zeit verändert. Man entwickelt sich selber ja auch weiter. Es ist schwer zu beschreiben… Nur ein reines Hobby ist die Musik natürlich nicht mehr, sondern es ist durchaus zu einem zweiten, ernst zu nehmenden Beruf geworden. Aber ich versuche das Ganze mit derselben Leichtigkeit zu nehmen, mit der ich auch die Schauspielerei betreibe. Ich will mich selber nicht allzu ernst nehmen.
Nun sagst Du ja selber, Deine Musik ist nicht unbedingt am Zeitgeist orientiert. Du machst Musik für Erwachsene, womit man ja auch durchaus alt werden kann. Planst Du das über die Rente hinaus?
Mit Sicherheit. Ich bin hundertprozentig davon überzeugt, dass ich so lange Musik machen werde, wie es mir möglich ist.
Bist Du einer von den Künstlern, die gerne auf der Bühne sterben würden?
Darüber denke ich nicht so gerne nach. Aber es sollte auf jeden Fall schnell gehen.
Wir hatten ja vorhin über Deine Zusammenarbeit mit KNORKATOR gesprochen. Gibt es denn weitere Kollegen aus dem Musikgeschäft, mit denen Du gerne mal etwas machen möchtest?
Aber natürlich gibt es unzählige Musiker mit denen ich gerne mal auf der Bühne stehen würde, Bei Udo Lindenberg hatte ich ja schon einmal das Vergnügen im Leipziger Stadion und auf Bühne der Waldbühne rumzuspringen, was ein schönes Erlebnis war. (siehe Foto links, Anm. d. Red.) Wobei das ja gleichzeitig ein absurdes Gefühl war. Man steht auf einer Riesenbühne, sieht diesen gigantischen Apparat, den Udo da bewegt und man fühlt sich so, als sei man unter sich. Du siehst die Leute vor der Bühne kaum, erkennst quasi das Publikum nicht, hast überhaupt keinen Kontakt. Das fand ich dann doch etwas befremdlich. Mir wäre das alles eine Nummer zu groß, zu viel, zu heftig.
So wirklich klein ist es bei Deinen Shows ja auch nicht mehr.
Na gut, aber das Größte, was ich jemals hatte, waren zweitausend Zuschauer. Da ist die Lindenberg-Tour schon eine andere Hausnummer. Wenn Du das mal im Stadion erlebt hast… Puh!
Dann konkretisiere ich meine Frage ein wenig: mit wem würdest Du denn mal so auf kleiner bis mittlerer Flamme etwas zusammen machen wollen?
Ich bin beispielsweise ein großer Fan von Klaus Hoffmann. Der war eine Art Jugendidol für mich. Seine erste Platte damals war echt großartig! Ich würde auch sehr gerne mal mit Hannes Wader, Reinhard May oder Achim Reichel was machen. Natürlich wäre es auch toll mal zusammen mit Tom Waits, Neil Young, Cat Stevens… ach, da gibt es so viele mit denen ich auch gern mal Musik machen würde. Das ist ein weites Feld.
Gibt es bei Dir schon Pläne für die Zeit nach der Pandemie? Auf die Konzerte haben wir ja schon hingewiesen, aber was liegt sonst noch bei Dir an?
2021 ist eigentlich schon ziemlich weit verplant. 2020 war quasi ein Jahr Auszeit, da gibt es also in diesem Jahr eine Menge nachzuholen. Zwei "Tatort"-Filme sind ja in jedem Jahr fest eingeplant. Dann haben wir für das ZDF einen Nachfolger des sehr gut gelaufenen Films "Extraklasse" abgedreht, der jetzt irgendwann ausgestrahlt wird. Das ZDF möchte davon am liebsten sogar noch einen dritten und vierten Teil machen.
Das klingt doch gut. Du hast vorhin außerdem angedeutet, dass Du auch als Synchronsprecher arbeitest? Stimmt das Gerücht, dass Du sogar mal für "Miami Vice" im Studio warst?
Das waren meine Anfänge als Synchronsprecher. Es gibt da einen großartigen Synchronregisseur und Elvis-Imitator, und zwar ist das Peter Kirchberger. Der spielte damals den Elvis bei uns am Schleswig-Holsteinischen Landestheater und der nahm mich einfach mal mit nach Hamburg ins Studio. Das war irgendwann in den Achtzigern.
Wenigstens diese Behauptung von Wikipedia stimmt also. Axel, ich danke Dir für Deine Zeit, für die vielen Antworten und für Deine Geduld. Möchtest Du unseren Lesern noch ein paar abschließende Worte mit auf den Weg geben?
Ja, ganz wichtig: Bleibt schön gesund, verliert nie euren Humor und achtet darauf, dass Ihr immer gute Musik auf die Ohren kriegt!
Interview: Christian Reder
Bearbeitung: tormey
Fotos: Tine Acke, Stephanie Neumann, Kai Schäfer, Redaktion DM, Axel privat
Bearbeitung: tormey
Fotos: Tine Acke, Stephanie Neumann, Kai Schäfer, Redaktion DM, Axel privat