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Interview vom 15. Dezember 2019



Judith Hildebrandt war in den 90ern Teil des Dance-Projekts Mr. PRESIDENT, das mit seiner Musik weltweit sehr erfolgreich und über Europa hinaus in Sachen Live-Shows unterwegs war. Auch wenn so mancher Song für das verwöhnte Ohr musikalisch und inhaltlich ziemlich schwach auf der Brust war, ist es der Sängerin doch gelungen, ihn durch ihre markante und angenehme Stimme deutlich aufzuwerten.001 20201218 1514611671 Ohne Übertreibung kann man wohl sagen, dass ihr ein großer Teil des Erfolges von Mr. PRESIDENT zuzuschreiben ist. Nach vier Studio-Alben, diversen Auszeichnungen (u.a. zwei Mal den Echo) und Auftritten in der ganzen Welt stieg Judith, die mit Künstlernamen T-SEVEN heißt, auf dem Höhepunkt des Erfolges bei Mr. PRESIDENT aus. Ihr Plan war es, als Solistin eigene Wege mit eigener Musik zu gehen. Diese neue Laufbahn wollte aber nicht so richtig zünden, so dass diese nach einer Hand voll Singles wieder beendet wurde. Judith ging schließlich zum Rundfunk, moderiert dort seit Jahren eigene Sendungen, und macht beruflich heute etwas völlig anderes. Trotzdem ist sie dem Gesang treu geblieben, liebt und lebt diesen aber abseits des großen Pop-Zirkus. Wir hatten nun Gelegenheit mal nachzufragen, wie es der Künstlerin so geht und was sie heute so macht ...




Ich hoffe, Du bist bisher gut durch diese Pandemie gekommen…
Ja, so einigermaßen. Wobei es natürlich blöd ist, wenn man nicht arbeiten kann, weil man quasi Arbeitsverbot hat. Das macht nicht wirklich Spaß.

Du heißt Judith mit Vornamen, Dein Künstlername ist aber T-Seven. Wo kommt der Name her und was bedeutet er?
Dieser Name T-Seven ist schon sehr alt. Früher hörte ich viel Techno und trug gerne 70er Jahre-Klamotten. Somit steht das "T" für Techno und "Seven" für die 70er Jahre.

70er Jahre-Klamotten? Also Schlaghosen und solches Zeug?
Genau! Das trage ich übrigens auch heute noch.

002 20201218 1447326756Du trägst den Nachnamen Hildebrandt, aber der ist offenbar auch nicht echt …
Richtig. Eigentlich dachten wir damals, dass ein Künstlername wie T-Seven reichen würde. Aber dann kamen die BRAVO und die BILD und wollten unbedingt unsere echten Namen erfahren. Nun ist meine Mutter Psychotherapeutin und mein Vater Zahnarzt. Natürlich hatten die beiden nicht unbedingt große Lust darauf, ihren Namen in der Zeitung zu lesen und möglicherweise wildgewordene Fans vor ihren Praxen warten zu sehen. Da sagte Danii zu mir: "Meine Musiklehrerin hieß Hildebrandt, das klingt doch fast so wie Dein richtiger Name". Die Entscheidung dafür fiel drei Minuten vor einem Interview. Wir teilten der Presse mit, dass das ein Pseudonym sei, was für sie aber völlig in Ordnung war.

Du hast ja als Kind schon sehr früh mit dem Tanzen begonnen. So warst Du bereits mit fünf Jahren an der Royal Dance Academy angemeldet. Wieviel Einfluss hatte Deine Mutter, die ja auch klassische Balletttänzerin war, auf diese Entscheidung?
Sehr viel. Ich sah ja zuhause, wie sie ständig geübt und trainiert hat und wollte das dann auch. Im Prinzip habe ich also meiner Mutter nachgeeifert.

Du bist schon als Jugendliche in die Musikszene gerutscht. Und zwar warst Du Teil des Projekts SATELLITE 1. Dahinter steckten die Produzenten Robin Masters und Kai Matthiesen. Wie wurden die beiden damals auf Dich aufmerksam? Oder anders gefragt: wie bist Du Teil dieses Projekts geworden?
Eigentlich lag das hauptsächlich an meiner besten Freundin, die schon da mitmachte. Anfangs ging es auch nur um eine Tänzerin, die gesucht wurde. Meine Freundin meinte zu den beiden, sie würde jemanden kennen, aber die ist erst vierzehn. Unser Manager Jens Neumann und Produzent Kai Matthiesen sagten dann, sie soll sich mal vorstellen. Ich bin also dorthin, hatte so eine quietsch-orange Wildleckerjacke und meine 70er Jahre-Klamotten an und sagte siegessicher: "So, hier bin ich"! Eine Woche später hatte ich dann meinen ersten Fernsehauftritt.

003 20201218 1692105675Du warst mit Deinen gerade mal vierzehn Jahren also sehr jung. Nun seid ihr damals in Discos aufgetreten, was in Bezug auf Dich und Dein Alter ja eigentlich gegen das Jugendschutzgesetz verstoßen hat. Wie habt ihr dieses Problem gelöst? Oder war das gar kein Problem?
Ganz einfach: ich war vier Jahre lang achtzehn (lacht). Obwohl ich sehr jung aussah, funktionierte das recht gut. Als wir bekannter wurden, war ich plötzlich siebzehn, was ich dann aber auch im realen Leben war. Und wenn Du erstmal bekannt geworden bist, ist das eh kein Thema mehr. Heute ist das sicher alles ein bisschen anders, aber zu meiner Zeit war das egal.

Auch habe ich gelesen, dass man eher durch Zufall Deine Gesangsqualitäten entdeckt hat. Du sollst nämlich bei einem Soundcheck Suzanne Vega gecovert haben. Stimmt das?
Zufall würde ich das nicht nennen. Ich habe irgendwann mal erwähnt, das nur tanzen ja ganz nett ist, aber eigentlich kann ich auch ganz gut singen. Die Idee kam gut an und so suchte ich mir einen Gesangslehrer und nahm erstmal Gesangsunterricht. Nach einem halben Jahr suchte ich mir dann einen Song aus, den ich gut a capella singen konnte. Der Song von Suzanne Vega gefiel mir und passte gut zu mir. Beim nächsten Soundcheck schnappte ich mir das Mikrofon und legte los. Dem von dir angesprochenen Zufall habe ich also selbst auf die Beine geholfen. Unser Rapper sagte daraufhin: "Super, das machst du heute Abend gleich auf der Bühne". Und so ging das ganz langsam los. Anfangs hatte ich nur diese eine Nummer, dann kam irgendwann eine zweite Nummer dazu und so weiter,

Das heißt also, zuerst war der Gesangsunterricht da und erst danach fand man heraus, dass du ganz gut singen kannst.
Richtig. Am Anfang war ich ja nur als Tänzerin für das Projekt tätig.

Wurde dein Gesangstalent denn von den Produzenten weiter gefördert oder hast du das eher auf deine Initiative hin weitergeführt?
Ich habe weiter an mir gearbeitet, nach wie vor Gesangsunterricht genommen und nach und nach immer mehr Songs gesungen.

004 20201218 1982664394Aus dem Projekt SATELLITE 1 wurde 1993 die Gruppe MR. PRESIDENT. Nun gab es ja als SATELLITE 1 durchaus schon ein paar kleinere Erfolge zu verzeichnen. Warum wurde das Ganze trotzdem umbenannt und umgestellt?
Wir hingen mehr oder weniger in der Techno-Schiene fest, aber einige Produzenten wollten lieber in den Dance-Bereich wechseln. So kam es zur Umbenennung der Gruppe.

Zuerst hattet ihr einen anderen Sänger, nämlich Sir Prophet, bevor dann Lazy Dee zu euch kam. Es heißt, es soll diesbezüglich interne Unstimmigkeiten gegeben haben. Was versteht man denn darunter?
Wir hatten anfangs sogar zwei Sänger. Zum einen Sir Prophet, mit echtem Namen George Jones, und dann gab es noch Mike, der aber schon früh wieder ausstieg. George und unser Manager hatten hier und da unterschiedliche Meinungen, was irgendwann nicht mehr zusammenpasste und George dazu bewog, eines Tages die Band zu verlassen. Ich fand das sehr schade, denn ich hatte ihn total lieb. Zu gerne würde ich übrigens wissen, was inzwischen aus ihm geworden ist, aber ich finde im Netz einfach keine Informationen zu seiner Person und weiß nicht, wie ich ihn wiederfinden kann.

Ohne dir jetzt Honig um den Bart schmieren zu wollen, aber dafür, dass du ja eine Zufallsentdeckung warst, hast du dich letztlich zur Stimme der Band entwickelt. Du warst das Wiedererkennungsmerkmal von MR. PRESIDENT schlechthin. War dir damals selber klar, dass außer dir alle anderen austauschbar waren?
Nein, überhaupt nicht. Aber ich war ja auch noch sehr jung und es ging alles so furchtbar schnell. Mir war gar nicht bewusst, was da gerade mit uns und mit mir passierte. Wir waren ja auch nicht nur in Deutschland aktiv, sondern ganz schnell hatten wir auch Erfolg in ganz Europa und dann sogar weltweit. Es ist wirklich so, dass man in diesen Momenten gar keine Zeit hat, über all das nachzudenken. Vielleicht war das aber auch ganz gut so.

Hatten du und deine Mitstreiter Danii und Lazy eigentlich Einfluss auf die Musik? Also wart ihr aktiv am Entstehungsprozess der Lieder beteiligt oder wurde euch von den Herren Masters und Matthiesen vorgegeben, was ihr im Studio einzusingen hattet?
Lazy war durchaus beteiligt, denn er hat an den Texten mitgearbeitet. Ansonsten war es tatsächlich alles eine Entscheidung des Produzententeams und des Managements.

005 20201218 1142173488Betrafen diese Vorgaben denn nur die Kompositionen und die Texte oder auch gleich noch die Arrangements und wie was zu singen war?
Natürlich gaben die Produzenten auch vor, wie die Nummer am Ende zu klingen hat. Man hat ja, wenn man einen Song geschrieben hat, auch immer eine gewisse Vorstellung davon, wie es am Ende klingen soll. Wir Mädels waren also an der Entstehung der Lieder nicht weiter beteiligt.

Wie lief denn die Arbeit im Studio? Habt ihr die Sachen relativ schnell eingesungen und fertig war die Platte, oder wurde vor Ort noch ausgiebig gefeilt und rumprobiert?
Natürlich durften wir im Studio noch die eine oder andere Sache ansprechen. Aber es ist schon etwas anderes, wenn du direkt am Entstehungsprozess der Songs beteiligt bist.

Kannst du dich denn noch an deinen ersten Einsatz im Studio erinnern? War das noch mit SATELLITE 1 oder später mit MR. PRESIDENT?
Das war tatsächlich noch mit SATELLITE 1. Und die erste Nummer, die ich eingesungen habe, war "Happy people". Das hatten wir von Marky Mark gecovert.

Ihr hattet eine Reihe echt cooler Nummern im Gepäck, die ordentlich ins Bein gingen und die auch international Beachtung fanden. Wie passte da ein Song wie "Coco Jambo" rein, der zugegebenermaßen kommerziell sehr erfolgreich war, aber im Gesamtgebilde der Band doch eher wie ein Fremdkörper wirkte.
Ganz ehrlich, das haben wir uns damals auch gefragt. Als die Produzenten mit der Nummer um die Ecke kamen, dachten wir, die wollen uns verarschen. Okay, am Ende hat es funktioniert, aber im ersten Moment dachten wir wirklich, jetzt drehen die völlig durch.

Da komme ich sofort wieder auf die Frage zurück, was den Entstehungsprozess betrifft. Hattet ihr eine Art Vetorecht und konntet sagen: "Also das geht überhaupt nicht, das singen wir nicht"?
Ja schon, aber es kam nie dazu. Ich weiß auch nicht, was passiert wäre, wenn wir das bei "Coco Jambo" probiert hätten. Grundsätzlich ist es jedoch schon etwas anderes, wenn man eine Band gründet und mit den Leuten eigene Songs schreibt, Das ist natürlich ein anderes Gefühl als bei uns. Wir waren jung und niemand von uns hat auch nur ansatzweise daran geglaubt, dass das jemals so abgehen würde! Wir dachten, wir machen ein paar Auftritte in Diskotheken, haben ein bisschen Spaß dabei und fertig ist die Laube.006 20201218 1282515077 Unsere Produzenten haben das möglicherweise von Anfang an anders gesehen. Du darfst auch nicht vergessen, dass es damals eine andere Zeit war. Wir hingen viel mit amerikanischen Bands zusammen. Denen ist das sowieso völlig egal, in welcher Musikrichtung man unterwegs ist. Da wirst Du auch nicht gedisst, weil du mit deiner Musik ordentlich Geld verdienst, sondern da freut man sich einfach mit dir, wenn du Erfolg hast. Das ist der entscheidende Unterschied zu Deutschland.

Ich habe zu dem Zeitpunkt gerade als DJ aufgelegt und "Coco Jambo" kam wie eine Urgewalt über mich. Alle wollten dieses Lied hören. Sind wir uns einig, dass der Song eher einen Nervfaktor hat als eine gewisse Nachhaltigkeit?
Nervfaktor??? Na ja, ich will es mal so ausdrücken: Nachhaltig bedeutet ja, dass der Song auch nach einer gewissen Zeit immer noch da ist. Und das ist er nun mal, also von daher… Inzwischen ist es 25 Jahre her, dass "Coco Jambo" erschien und die Nummer ist nach wie vor da und wird gehört. Also muss er schon irgendetwas gehabt haben.

Hmmm … "Schnappi, das Krokodil" ist auch noch da und somit nach Deiner Denkweise nachhaltig.
Ich trete heutzutage mit einem Gitarristen zusammen auf. Wir machen eine Art Unplugged-Programm mit Musik der 90er Jahre und brechen alles runter auf Gesang und Gitarre. Wir spielen alles Mögliche aus dieser Zeit, zum Beispiel DEPECHE MODE und ein paar andere. Die Sachen kommen immer noch an bei den Leuten. Man kann also davon ausgehen, wenn ein Song zum Hit wurde, steckt auch irgendwas dahinter.

Du und Deine Kollegen seid ordentlich in der Welt rumgekommen. Gibt es eigentlich einen Kontinent, auf dem ihr nicht erfolgreich wart und aufgetreten seid?
Ob wir irgendwo nicht erfolgreich waren… Lass mich überlegen… Das kann ich dir so spontan gar nicht sagen. Auch heute noch kriege ich von Freunden oder Bekannten zu hören, die gerade in einem Land Urlaub machten, wo ich noch nicht war: "Ich habe hier heute ‚Coco Jambo' gehört". Somit scheinen wir ziemlich um die Welt gegangen zu sein mit unserer Musik.

Man hört aber auch heraus, dass es ein Leben auf der Überholspur war. Du hast wahrscheinlich von all den Ländern und Orten, in denen ihr wart, gar nicht viel mitbekommen. Ist die Zeit und das Geschehen so an dir vorbeigerauscht? Kann man das so sagen?
Das ist nun mal so, dass die Plattenfirmen dich an jedem Ort der Welt haben wollen, solange du gerade Erfolg hast. Teilweise waren wir jeden Tag in einem anderen Land. Meine Mutter rief mich mal an und fragte, wo wir gerade wären und ich musste ihr sagen: "Ich habe keine Ahnung. Aber irgendwo, wo man englisch redet". Hin und wieder kam es zu Fotoshootings an bekannten Sehenswürdigkeiten, da hat man dann auch mal was gesehen von der Gegend.007 20201218 1088335492 Ansonsten bist du nur von Fernsehstation zu Fernsehstation, von Radiosender zu Radiosender, von Location zu Location gehetzt. Und dazwischen hast du geschlafen. Man versuchte ohnehin jede Möglichkeit zum Schlafen zu nutzen, weil man in den Nächten immer zu wenig Schlaf bekam.

Gab es für dich einen beeindruckenden Ort, an dem du gewesen bist, den du auch wirklich wahrgenommen hast und an du auch heute noch gerne zurückdenkst?
Ach, da gab es so einige Orte. Es kam ja auch vor, dass wir ein oder zwei Tage länger irgendwo geblieben sind. Zum Beispiel in Acapulco. Oder bei den Mayas und ihren Pyramiden, das war schon beeindruckend. Auch in New York aufzutreten, fand ich großartig. Da waren wir im Laufe Zeit aber öfter mal.

Ihr wart Teil einer bunten und stellenweise auch Zuckerwatte-klebrigen Popszene in den Neunzigern. Es gab Ausschläge von extrem gut bis total schlecht. Wie hast du diese Szene damals wahrgenommen? Was fandest du cool und was war für dich komplett überflüssig?
Oh Gott, das ist alles schon so ewig lange her! Klar, ich war selber ein Teil dieser bunten Welt und gehörte zu dem Teil, von dem man sagen würde, das war ganz schön trashig. Ich denke, in erster Linie empfand ich das alles als lustig. Ich war jung und es machte Spaß. Natürlich gab es auch völlig übertriebene Sachen wie das von dir erwähnte "Schnappi". Aber es war halt alles nicht so bitterernst. Das ist jetzt übrigens wieder etwas typisch deutsches, was wir gerade machen. Ich war jetzt nicht wirklich ein Fan von allen Bands und fand auch nicht alle Lieder aus dieser Zeit toll. Aber in dem Moment, wo Musik erfolgreich ist, hat sie ohne Frage eine Berechtigung, weil es Menschen gibt, die das mögen und gerne hören. Deshalb bin ich keine, die sagt, ich finde zum Beispiel Schlager total Scheiße. Warum auch? Es gibt Millionen von Menschen, die Schlager lieben und die das Hören von Schlagern glücklich macht. Das tut niemandem weh.

Na gut, aber jeder hat ja auch einen eigenen Geschmack und fühlt sich zu manchen Sachen hingezogen, findet im Gegenzug aber dafür andere Dinge Mist. Man gibt zu, das ist ohne Zweifel ein Hit, aber mich spricht es nun überhaupt nicht an.
Ja, das ist ja auch in Ordnung. Aber ich würde trotzdem niemals sagen, dass etwas Scheiße ist, nur weil es mir persönlich nicht gefällt. Das wäre eine Wertung und ich frage mich, warum ich etwas bewerten soll. Ich muss es mir ja nicht anhören, wenn es mir nicht gefällt. Manche Leute jammern auch ständig rum, dass sie von irgendwelchen Liedern im Radio genervt sind. Denen kann ich nur empfehlen umzuschalten, dann ist das Problem gelöst. Mit dem Fernsehen verhält es sich genauso. Was ich selber nicht mag, wird vielleicht von zehn Millionen anderen Menschen gemocht.

008 20201218 1082545610Du bist ziemlich tolerant, was dieses Thema angeht. Es gibt also für Dich wirklich keinen einzigen Titel, bei dem du die Augen verdrehst und sagst: "Boah, die Nummer kann ich nicht mehr hören…"? Wenn man mich zum Beispiel mit dieser Frage nachts wecken würde, antworte ich ohne zu zögern: "Lemon tree".
Ah, den Song liebe ich nun wieder! Ich habe ihn sogar selber im Programm und singe den auch sehr gerne.

Es gab sicherlich auch eine Menge Begegnungen mit Kollegen in dieser Zeit. Ihr wart, wie schon gesagt, weltweit unterwegs, es gab unzählige TV-Shows und Auftritte, bei denen euch alle großen und kleinen Tiere über den Weg gelaufen sind. Sind dabei auch Freundschaften zu anderen Kollegen entstanden oder verlor man sich gleich nach dem Auftritt wieder aus den Augen?
Man war natürlich während der vielen Auftritte überwiegend zusammen und auch miteinander locker befreundet, denn diese Phase dauerte ja ein paar Jahre an. Richtige Freundschaften gab es jedoch nur ganz wenige. Ein paar davon haben sogar die Jahrzehnte überdauert. Letztlich ist es aber ein bisschen so, als wenn man den Job wechselt. Wer glaubt, er ist jetzt seit zehn Jahren in derselben Firma und die Kollegen sind allesamt seine Freunde, wird böse auf die Nase fallen, denn es bleiben meistens nur ein, zwei Leute übrig, der Rest verschwindet irgendwann. So war es eben auch in der Musikszene. Mit ein, zwei Leuten bin ich auch heute noch befreundet, aber das war es dann auch. Es ist eine ganz andere Welt. Und wenn man dann so wie ich wieder ins das ganz normale Leben abtaucht, dann merkt man schnell, dass es auch gar nicht mehr so richtig passt mit den Kontakten aus der Musikwelt. Es ist und bleibt halt eine Showbranche und man selber lebt in dieser Show.

Darf ich fragen, wer übriggeblieben ist?
Zum Beispiel Rainer Schumann, der Schlagzeuger von FURY IN THE SLAUGHTERHOUSE, der ein sehr enger Freund von mir ist. Oder Marlene von TIC TAC TOE. Wir haben zwar nicht jeden Tag Kontakt, aber doch immer wieder mal.

Gab es denn für dich besonders beeindruckende Begegnungen auf irgendwelchen Veranstaltungen?
Ja, mit Phil Collins. Ein ganz feiner Kerl. Auch an die Begegnung mit Joe Cocker habe ich nur gute Erinnerungen. Mit diesen Leuten aufzutreten, das war mega. Überhaupt hat sich für mich immer wieder bewahrheitet, je größer und erfolgreicher ein Künstler war, desto entspannter und wenig eingebildet trat er auf. Und je kleiner und unbedeutend jemand war, desto größer war in der Regel sein Höhenflug.

009 20201218 1603674423Gab es auch Begegnungen, die man schnell wieder vergessen wollte?
Ja natürlich. Ich weiß noch, dass ich irgendwann mal auf Nena traf. Das war in der Phase vor ihrem Comeback, als sie also längst nicht mehr die Erfolge hatte wie am Anfang ihrer Karriere. Wahrscheinlich war es deshalb in den Neunzigern so, dass sie immer vor uns allen auf die Bühne musste. Nun hörte ich, dass sie bei einer unserer Auftritte ebenfalls dabei sein sollte und ich war entsprechend aufgeregt, denn Nena war früher eine meiner Ikonen. Die erste Schallplatte, die ich mir selber gekauft hatte, war von Elvis Presley, aber gleich die zweite Platte war eine von Nena. Zusammengespart von meinem Taschengeld. Wir waren auf dieser Veranstaltung jedenfalls der Headliner. Als ich Nena sah, bin ich zu ihr hin und sagte ihr, dass ihre Musik liebe und sie wirklich toll finde. Nena guckte mich an und sagte nur: "Und wen interessiert das?" Bumm… Ich liebe ihre Musik nach wie vor, aber nach diesem Erlebnis muss ich sagen, ich hätte Nena lieber nicht persönlich getroffen.

Im Jahr 1997 tauchte eine Dame auf, die öffentlich behauptete, du und deine Kollegin würdet gar nicht selber singen, sondern ihr wäret nur das Gesicht des Projekts. Wie kam sie denn dazu, solche schweren Vorwürfe laut zu äußern und wie löste sich das am Ende auf?
Wie sie dazu kam, kann ich nicht sagen. Die Vorwürfe waren damals im "Stern" zu lesen, woraufhin es ein Treffen mit uns Sängerinnen, unserem Produzenten und den "Stern"-Kollegen gab. Dort wurden dann Vergleiche zwischen meiner Sprechstimme und den Bändern gemacht und man stellte fest, dass es nicht so sei, wie diese Dame behauptete. Damit waren die Vorwürfe wieder vom Tisch. In der damaligen Zeit kam so etwas ja öfter vor, dass Sänger und Sängerinnen beschuldigt wurden, nicht selber zu singen.

Ist das an dir hängengeblieben oder konntest du den Vorwurf schnell wieder abschütteln und vergessen?
Na ja, wenn solche Dinge einmal im Raum stehen… Du merkst es ja selber, denn du fragst mich auch gerade danach, obwohl es schon ewig zurückliegt. Mittlerweile ist mir das aber total egal. Ich trete zusammen mit meinem Gitarristen auf und singe live, somit kann sich jeder sein Urteil darüber bilden.

010 20201218 1728389651Nach knapp sieben sehr intensiven Jahren mit unzähligen Auftritten und vier Studioalben bist du Anfang 2000 bei MR. PRESIDENT ausgestiegen. Was waren die Gründe dafür?
Ich wollte andere Musik machen. Es war einfach so, dass ich mich bei manchen Nummern fragte, wie ich da Gefühle reinlegen soll. Zur damaligen Zeit stand die Rap-Musik hoch im Kurs, ich war auch mit FANTA 4 und anderen aus der Szene befreundet. Irgendwann war ich dann mal bei der "Viva Comet"-Veranstaltung, sah die Auftritte dieser Bands und fand das unglaublich cool. Und ich selber muss gleich auf die Bühne, singe "Simbaleo" und lasse dazu einen Wischmopp fliegen. Nein, das wollte ich nicht mehr. Dieser Schlüsselmoment fand im Juli oder August statt, aber ich brauchte noch eine Weile, um das alles in mir reifen zu lassen. Im Dezember teilte ich der Band dann mit, dass ich aussteigen möchte. Natürlich war ich in dem Moment total ängstlich, da ich überhaupt nicht wusste, was das für mich bedeutet und was das nach sich zieht. Ich wusste nur, ich will das nicht mehr machen, sondern ich möchte selber Lieder schreiben und meinen eigenen musikalischen Weg gehen. Meine Befürchtung war, dass ich nach dem Ausstieg nie wieder eine Plattenfirma finden werde, aber das Gegenteil war der Fall. Es standen nämlich ganz viele Plattenfirmen vor der Tür, um mit mir zu arbeiten, aber leider passte das alles nicht zusammen.

Wie hat denn die Band reagiert, als du deinen Ausstieg angekündigt hast?
Ganz unterschiedlich. Lazy sagte, er kann mich verstehen, Danii hingegen war natürlich traurig. Klar, es war erstmal ein Schock für alle.

Die Band konnte nach deinem Ausstieg nie wieder an die Erfolge anknüpfen, die sie mit dir hatte, obwohl deine Position mehrfach neu besetzt wurde. Hast du das Treiben aus der Ferne weiter beobachtet oder hast du die Brücken hinter dir abgebrochen?
Natürlich habe ich am Rande was davon mitbekommen. Mir wurden auch immer mal wieder Angebote von Plattenfirmen zugeschickt, damit ich zur Band zurückkehre. Aber so wirklich jeden Tag verfolgt habe ich die Sache nicht, denn es war für mich mit meinem Ausstieg erledigt.

Du hast dann relativ zeitnah eine Solokarriere gestartet und gleich als Erstes eine Coverversion des Titels "Ohne dich" von der MÜNCHENER FREIHEIT veröffentlicht. Warum fiel die Wahl genau auf diesen Song? Warum hast du nicht mit einem eigenen Titel den Neustart vollzogen?
Während wir "Ohne dich" gemacht haben, habe ich schon an eigenen Nummern geschrieben. Aber ich war ja diesbezüglich noch ein totaler Frischling. Jedenfalls arbeitete ich damals mit dem Produzenten Oliver Pinelli an neuer Musik. Das lief aber alles eher so nebenbei.011 20201218 1305537327 Ich kam aus einem Vollgas-Leben und man riet mir von allen Seiten davon ab, jetzt erstmal völlig abzutauchen. Also ging ich mein neues Leben ganz in Ruhe und ohne jeden Zeitdruck an, zumal ich ja wie schon gesagt das Schreiben eigener Songs erst lernen musste.

Mit "Passion" folgte eine weitere Coverversion und anschließend mit "Hey Mr. President" eine dritte Single. Rückblickend muss man aber sagen, dass die angestrebte Solokarriere aus kommerzieller Sicht dann doch nicht so prall lief, oder?
Stimmt. Da kommen jetzt wieder die Plattenfirmen ins Spiel, die mich nach meinem Ausstieg bei MR. PRESIDENT zu sich ins Boot holen wollten. Ich sagte denen, ich will in eine andere Musikrichtung wechseln und selber Titel schreiben, aber natürlich erzählen und versprechen die dir zunächst alles Mögliche, nur damit du endlich unterschreibst. Man ließ mich tatsächlich eine Zeitlang an eigenen Songs arbeiten, hörte sich das auch an, aber letztlich hieß es dann: "Das ist ja ganz nett, aber jetzt zeigen wir dir mal ein paar Nummern, die wir uns für dich vorstellen können". Und an dieser Stelle ging ein mächtiges Gerangel los, denn ich erklärte immer wieder, dass ich das nicht machen will, was mir vorgelegt wurde. Jedenfalls konnte ich plötzlich verstehen, warum sich Prince seinerzeit mal "SLAVE" auf die Backe geschrieben hat, denn du kommst aus solchen Deals einfach nicht mehr raus. Ich ließ mich trotzdem auf einen Deal ein, war mir aber sicher, dass diese beiden Songs voll gegen die Wand fahren und die mich daraufhin wieder gehen lassen würden. Es war definitiv keine schöne Zeit. Die Erfahrung des Songwritings hingegen möchte ich nicht missen, da sind ein paar gute Sachen entstanden. Nicht im kommerziellen Sinne natürlich, doch darum ging es mir zu dem Zeitpunkt auch nicht. Ich wollte einfach nur frei sein und Songs schreiben. Nur war mir eben anfangs nicht bewusst, dass diese Dinge mit einer Plattenfirma im Schlepptau nicht funktionieren können. Dahinter steckt eine Industrie, da geht es um Business und nicht darum, jemanden in Ruhe Songwriting lernen zu lassen. Anfangs erzählt man dir natürlich, wir lassen dir alle Zeit der Welt und unterstützen dich bei deinen Ideen. Am Ende bist du aber nur so viel wert, wie deine Singles an Geld einbringen.

Du sagst, die Plattenfirma drängte dich in eine Richtung, in die du gar nicht wolltest. Mit dem Wissen von heute und in Bezug auf deine Solokarriere: was würdest du heute anders machen? Hättest du überhaupt eine Möglichkeit gehabt, etwas anders zu machen?
Heute hätte ich mit Sicherheit keinen Plattenvertrag unterschrieben. Ich hätte stattdessen versucht, mich mit Olli zusammenzusetzen, hätte in Ruhe meine Songs geschrieben, hätte mir dann eine Band gesucht und ein paar Auftritte gemacht, um zu sehen, wie das beim Publikum ankommt. Mit meinem Namen hätte ich sicherlich auch ein paar kleinere Clubs vollgekriegt. Dazu kommt natürlich, dass du heute durch das Internet ganz andere Möglichkeiten hast, dich zu präsentieren. Dann haust du eben mal ein paar Sachen auf Youtube raus, woran früher noch gar nicht zu denken war. Ich würde also heutzutage vieles komplett anders angehen. Wenn zum Beispiel ein Gesangsschüler zu mir kommt und sagt, er möchte ernsthaft Musik machen und eine Gesangskarriere starten,012 20201218 1825523162 dann sage ich ihm, er soll sich erstmal an der Schule eine Band suchen, mit der er oder sie Erfahrungen bei Auftritten in der Schul-Aula sammelt. Der nächste Schritt wäre, sich am Schreiben eigener Titel zu versuchen und herauszufinden, in welche Musikrichtung man eigentlich will.

Nach dieser Erfahrung war von dir in der Öffentlichkeit längere Zeit nichts mehr zu sehen. Was hast du denn in den Jahren nach der letzten Solo-Single gemacht?
Ich hatte tatsächlich die Schnauze voll von dem Trubel und habe mir eine eigene Band gesucht, mit der ich Rockmusik gemacht habe und in kleinen Clubs aufgetreten bin, ohne das an die große Glocke zu hängen und viel darüber zu reden. Nebenbei arbeitete ich mit ein paar Songwritern zusammen, war eine Zeitlang in England und wollte mir Klarheit darüber verschaffen, was ich eigentlich in Zukunft aus meinem Leben machen möchte.

Du hast es schon kurz angeschnitten: es gibt dieses Programm, in welchem du Popsongs akustisch bearbeitest und auf die Bühne bringst. Mit wem zusammen und seit wann machst du das?
Lass mich überlegen… So sechs oder sieben Jahre läuft das bestimmt schon. Mein Partner an der Gitarre heißt Volkmar Dittmer. Das Ganze ist eher durch einen Zufall entstanden. Eines Tages kam eine Anfrage des Konrad-Adenauer-Instituts, das im Januar eine Weihnachtsfeier für Obdachlose ausrichten wollte. Da gibt es immer Essen, Geschenke und ein bisschen Show für die Obdachlosen und da wollte ich natürlich gerne mitmachen. Mein eigentlicher Gitarrist konnte an dem Tag leider nicht, so dass ich einfach mal meinen Gesangslehrer fragte, der von Hause aus Gitarrist ist und bei dem ich nach wie vor Unterricht nahm. Und das hat dermaßen gut harmoniert und funktioniert, dass wir uns sagten, wir machen was daraus. Das passte gut zu meiner Überlegung, weiterhin Musik zu machen. Zwar nicht mehr mit dem Fokus wie früher, aber man bleibt trotzdem immer Musiker, auch wenn man kein Popstar mehr ist. Den Spaß an der Musik und am Singen habe ich nach wie vor, möchte aber nicht mehr davon leben müssen. Also ein Stück weit lebe ich natürlich davon, aber eben nicht mehr so, dass ich unbedingt ein paar Hits haben und reich und berühmt sein muss. Das habe ich alles hinter mir. Heute geht es mir darum, Spaß an der Musik und Spaß mit den Leuten zu haben. Ich bin frei in meinen Entscheidungen, kann mir die Songs selber aussuchen, die ich singen möchte. Ich kann Rock-Songs verjazzen, ich kann Dance-Songs verjazzen, das ist alles möglich.

013 20201218 1709012305Du hast früher viel Techno gehört, hast Dance-Music gemacht… Wie kommt man denn dann zum Jazz?
Ich habe schon immer viel Verschiedenes gehört. Mein Vater spielte früher Saxophon, um sein Studium zu finanzieren, so dass ich immer mit ganz viel Musik aufgewachsen bin. Ich hatte auch nie irgendeine Sperre in Bezug auf bestimmte Musikrichtungen im Kopf. Nun bin ich kein absoluter Jazzfan, aber Pop-Jazz liebe ich total. Auch höre ich schon immer gerne Rock, auch Popmusik und habe in jeder Stilistik ein paar Lieblingsbands.

Außer Singen und Tanzen ist auch die Moderation etwas, was du sehr gut beherrschst. Seit 2006 hast du auf Energy Bremen eine eigene Radioshow. Erzähle uns bitte mal, was du da genau machst und wie du dazu gekommen bist.
Ich hatte vorher bereits beim Sender Bremen 4 moderiert. Das war zwischen 1998 und 2002. Jens-Uwe Krause meinte damals, ich hätte eine gute Radiostimme und ob wir nicht mal was zusammen machen wollen. So fing das an. Allerdings hatte ich dort redaktionell nicht so viel zu tun, sondern ich ging dahin und wir hatten eine Menge Spaß miteinander. Nun war ich ja gerade in meiner Findungsphase für mein weiteres Leben, als ein Freund mir sagte, bei Radio Energy Bremen suchen die gerade jemanden. Ich hatte allerdings noch nie in meinem Leben eine Bewerbung selber geschrieben, also rief ich kurzerhand dort an. Es stellte sich heraus, dass der dortige Chef ohnehin mit dem Gedanken gespielt hatte, bei mir anzufragen. So kam ich dorthin. Jetzt musste ich allerdings von der Pike auf lernen, wie man redaktionell arbeitet, wie man schneidet, wie man eine Sendung vorbereitet. Zuerst hatte ich eine Abendsendung, dann moderierte ich ein paar Jahre lang die Morningshow, bis ich dann entschied, dass diese Morningshow zwar Spaß macht, aber das auf Dauer dann doch etwas zu früh für mich ist. Da gehört jemand hin, für den Radio sein Leben ist. Ich habe echt Freude am Radio, aber mein Leben ist es nicht.

Inzwischen gibt es ja diverse Retro-Festivals, in denen Solisten und Kapellen aus vergangenen Zeiten der Reihe nach auftreten und ordentlich Party machen. So kann man wieder Bands wie 2 Unlimited oder CAPTAIN JACK wieder live erleben. Auch dein ehemaliger Kollege Layz D tritt bei solchen Veranstaltungen alleine auf und trägt eure alten Hits vor. Käme das auch für dich in Frage, auf diese Weise die alten Zeiten wieder aufleben zu lassen?
Ich habe das im letzten Jahr in Bremen moderiert und habe dadurch Layz wiedergetroffen. Im Prinzip meine ich: nein. Ich würde auf keinen Fall "niemals" sagen, denn dann passiert es doch eines Tages. Mal die eine oder andere Nummer zu singen, das ginge vielleicht.014 20201218 1882727771 Aber damit auf Tour zu gehen, so wie Layz das macht, das kommt für mich nicht in Frage. Dafür mache ich die anderen Sachen zu gerne, die ich jetzt gerade mache. Ich habe den Kalender von Layz und den anderen gesehen, diese Kalender waren vor Corona rappelvoll mit Auftritten. Dazu kommt, diese 90er-Festivals sind ja nicht auf Europa beschränkt, sondern die finden bzw. fanden weltweit statt, in Israel, in Australien… Das wäre für mich gleichbedeutend damit, in mein altes Leben zurück zu tauchen. Und das will ich auf keinen Fall.

Eine Alternative wäre vielleicht das, was ein gewisser Alex Christensen macht, der ja Anfang der Neunziger als U96 im Technobereich unterwegs war. Der ist seit einiger Zeit damit beschäftigt, Hits der 90er Jahre im Orchestergewand neu aufzulegen und holt sich dafür die Sänger von damals ins Studio. Hast du davon gehört oder gab es vielleicht schon Kontakt zwischen euch?
Kontakt hatten wir noch nicht, aber davon gehört habe ich natürlich. Ich finde die Idee super.


Das wäre also etwas, wo du sagen würdest, da könntest du einsteigen?
Das wäre ja ein abgeschlossenes Projekt und nichts Dauerhaftes. Ich habe mir inzwischen ein Leben geschaffen, wo ich einen Alltag habe und was ich mir nicht wieder komplett auseinanderreißen möchte. Aber mal für begrenzte Zeit in einem solchen Projekt mitzuarbeiten, könnte ich mir durchaus vorstellen.

Wenn du zurückblickst auf deine Karriere, hattest du dann irgendwann mal das Gefühl, dass dein früher Start in das Musikgeschäft und die Zeit mit MR. PRESIDENT dir die Jugend geklaut haben? Andere Kids hatten ja einen ganz anderen Alltag …
Ja natürlich war das so. Das darf man auch gar nicht anders sehen. Diese Phasen, in denen man überlegt, wo will ich hin und was mache ich aus meinem Leben, die hatte ich nicht. Das macht etwas mit einem, vor allem dann, wenn man eines Tages aus dem Geschäft aussteigt. Wichtig ist, dass man das alles irgendwann verarbeitet, sonst hängt man in der Dauerschleife mit dem Titel "Ich war doch mal berühmt…". Da kenne ich einige, die all das erlebt haben, aber nicht loslassen und nicht aussteigen können.

Wie hat denn überhaupt deine Schulzeit ausgesehen, wenn du schon mit vierzehn so intensiv zugange warst?
Am Anfang schrieb mir meine Mutter immer Entschuldigungszettel, bis mich eines Tages mein Lehrer mal fragte: "So so, du hattest also gestern mal wieder Angina?"015 20201218 1879695679 Ich sagte: "Ja, hatte ich". Darauf er: "Das ist interessant, denn gestern im Fernsehen sahst du ganz gesund aus". Ups, erwischt! Er meinte dann aber, wenn ich mich anstrenge und mich in der Schule nicht hängenlasse, redet er mit den anderen Lehrern, dann würden wir das hinkriegen. Also strengte ich mich an und alle waren zufrieden.

Womit bist du denn neben der Moderation noch beschäftigt? Du erwähntest eine Musikschule. Ist das deine eigene oder bist du dort angestellt?
Ich bin selbstständig und habe meine eigene kleine Musikschule, wo ich Gesangsunterricht gebe. Außerdem bin ich auch noch als Horsemanship-Trainer unterwegs. Mich rufen Leute an, um normalen Reitunterricht zu nehmen. Der größere Teil besteht aber in der Lösung von Problem, die Halter mit ihren Pferden haben. Wenn ein Pferd beispielsweise nicht auf den Hänger will oder sich nicht longieren lässt oder den Menschen angreift… Wir nennen es zwar nicht so, aber im Prinzip handelt es sich hierbei um dieses Pferdeflüsterer-Gedöns. Ich gucke mir an, was in der Kommunikation zwischen Pferd und Mensch nicht stimmt und helfe. Es ist wie beim Hund, wenn ein Pferd in unserer Welt mitspielen will, muss es erzogen sein. Wenn es das nicht ist, reagiert es eben wie ein Pferd, der Mensch versteht aber nicht, warum das so ist. Daran arbeite ich mit den Leuten und den Pferden. Das macht mir riesigen Spaß und ich bin wahnsinnig dankbar dafür, dass ich meine zweite Leidenschaft neben der Musik, nämlich den Umgang mit Pferden, auf diese Art ausleben kann. Da ist kein Platz mehr für mein früheres Leben.

Solltest du aber doch noch einmal etwas Größeres in Sachen Musik am Start haben, sage uns bitte Bescheid, dann reden wir darüber.
Gerne.

Ich danke dir für das Interview, wünsche dir eine schöne Adventszeit und hoffe, dass du weiterhin gut durch die Pandemie kommst.
Das wünsche ich dir auch.



Interview: Christian Reder
Bearbeitung: tormey
Fotos: Pressematerial (WEA), Agentur (Eric Gars), Privatfotos der Künstlerin, Stefan Maicher, Martin Peterdamm, Marvin Ruppert




   
   
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