Interview vom 27. Oktober 2020
Eigentlich wollten wir mit David Müller alias Batomae in diesem Jahr über sein erstes Album und die dazu passende Tour sprechen. Sowohl die Platte als auch die Konzertreise wurden aufgrund des Corona-Virus ins nächste Jahr verschoben. Batomae wollte seine Fans aber nicht so ganz ohne ihn und seine Musik stehen lassen, und plante eine alternative Tour als Straßenmusiker durch die Innenstädte der Orte, an denen er mit der abgesagten Tour in der Halle gespielt hätte. Im November sollte es losgehen. Noch während wir dies zum Thema des angedachten Interviews machen wollten, machten ihm die Maßnahmen, die die Ausbreitung des Virus verhindern sollen, auch durch diese Rechnung einen Strich. Keine Live-Musik mehr in diesem Jahr - weder in der Halle noch draußen auf der Straße. Nun wird es "nur" eine EP geben, die der Künstler Anfang November veröffentlichen wird. Mehr lässt die aktuelle Situation nicht zu und stattdessen einen tief enttäuschten Künstler zurück. Wir haben das Interview trotzdem gemacht, denn es gibt ja doch einiges zu erzählen und Pläne für das nächste Jahr schmiedet der Wahl-Berliner ja auch schon ...
Einen tollen Song hast Du da mit "Meine Reise" veröffentlicht. Wohin geht denn Deine Reise?
Erstmal zu Hause …. Obwohl, wenn ich ehrlich bin, nächste Woche ins Lager. Also mein Merch-Lager zum signieren meiner am 6.11.2020 erscheinenden limitierten Akustik EP. Denn die kann man sich jetzt schon unter www.mein-merch.de vorbestellen, was so viele von Euch schon gemacht haben, dass es nur noch ´ne Hand voll CDs gibt. Ihr seid der Wahnsinn und ich weiß jetzt schon, dass meine Hand irrsinnig schmerzen wird nach alle den Widmungen aber ich find´s geil (lacht)
Ich kenne Dich noch sehr gut als Bassisten der Band LUXUSLÄRM, der Du zwischen 2011 und 2016 angehört hast. Dort allerdings unter einem anderen Namen. War Dir Dein bürgerlicher Name zu schlicht und ohne Wiedererkennbarkeit für eine Solo-Karriere oder warum wähltest Du den Künstlernamen Batomae?
Tatsächlich ist das einerseits auch daraus entstanden, denn David Müller ist natürlich nicht der außergewöhnlichste Name in diesem Land. (lacht) Das war der eine Grund. Zum anderen war es so, dass ich vor LUXUSLÄRM ja auch schon sehr lange Musik gemacht habe, und zwar mit meiner ersten Band PEACHBOX, und schon damals gemeinsam mit meinem Bruder. Ich war Bassist, Frontmann und Songwriter. Nachdem LUXUSLÄRM sich entschieden hatte, nicht weiter zu machen, war das ein Stück weit eine Reise zurück zu mir. Da aber "Zuzumi" ein bisschen zu japanisch und noch weiter weg klingt, habe ich mich einfach an einem der ersten Songs bedient, die ich mit elf für PEACHBOX geschrieben hatte und der hieß "Back to me". Batomae ist also Ba von "Back", to von "to" und das mae von "me". Das ae am Ende einfach nur, weil ich es toll finde und auch ein bisschen cool wirken wollte. Ich dachte: "Jetzt bist du mal ganz Verrückt." (lacht)
Du Rebell ... (lacht)
Ja Du, so kennt man ihn, so kennt man ihn ... nur leider schreibt jetzt jeder Batomae falsch (lacht).
Als Batomae hattest Du schon angefangen, eigene Sachen zu machen, da existierte LUXUSLÄRM noch. Ihr wart noch auf der Bühne und habt gespielt. Zeichnete sich zu diesem Zeitpunkt denn schon ab, dass sich die Band auflösen würde, und Du bist der ganzen Sache nur zuvorgekommen, oder hättest Du diese Solo-Karriere auch gestartet, wenn LUXUSLÄRM heute noch die Charts erobern würde?
Das ist eine sehr sehr gute Frage. Eine Solo-Karriere war nicht geplant. Als ich damals bei LUXUSLÄRM eingestiegen bin, war das mit dem Gedanken, dass ich das für den Rest meines Lebens machen werde. Die erste Batomae-EP war ein Geschenk an meine beste Freundin Jana, die ja auch Managerin von LUXUSLÄRM war, und die damals ihr erstes Buch veröffentlicht hatte. Eigentlich war sie es, die sagte: "Hey, würdest Du mir zu meinem Buch einen Song schenken?" Damals wohnten wir noch weit auseinander, Jana in NRW, ich in Berlin. In der Musik konnte sie schon immer völlig abtauchen und da man der besten Freundin keinen Wunsch abschlägt, hab ich ihr drei Songs geschrieben, bin zu ihr gefahren und meinte, "Welcher der Songs lässt dich am besten weg träumen?" Und wie die Frauen so sind - kleiner Finger, ganze Hand - wollte sie alle haben. (lacht) Hat sie auch bekommen und so entstand meine erste EP "Unvergleichlich".
Du bist ja inzwischen Wahl-Berliner, wo kommst Du ursprünglich her?
Aus Paderborn im beschaulichen Ost-Westfalen. (lacht)
Schau mal einer an, da wo auch der Erzbischof wohnt ...
Ja richtig, ja richtig! Wir haben ja auch mehr Kirchen, als Einwohner. Da ist die Chance sehr groß, dass da auch der Erzbischof herkommt ... (lacht)
Bleiben wir mal kurz bei LUXUSLÄRM. Wie kam es 2011 überhaupt dazu, dass Du Eugen Urlacher als Basser abgelöst hast? Gab es vorher schon Kontakt zu dieser Band?
Ich hab mit meiner damaligen Band PEACHBOX den ersten LUXUSLÄRM-Gig ever gemeinsam mit ihnen gespielt. Es war bei einem Contest in Gronau. LUXUSLÄRM waren superfrisch, wir hatten ein paar Jahre auf dem Buckel und dachten, wir gewinnen den Contest ganz locker. (lacht) Die waren richtig gut: Jini haute alle um, sie gewannen, wir wurden - glaube ich - Zweiter oder Dritter. Ich war ein bisschen angefressen, aber trotzdem freundeten wir uns an, denn sie waren super. Danach spielten wir auch noch zwei, drei andere Konzerte zusammen und kannten uns somit flüchtig. Dann kam "1000 km bis zum Meer" und die sind richtig explodiert. Bei uns ließ das leider auf sich warten und es knallte im Endeffekt nie so richtig. Aber mit PEACHBOX haben wir dennoch tolle Sachen erlebt, wir spielten in den USA, wir waren in Spanien, spielten bei "Rock am Ring" ... 2010 stieg ich zusätzlich noch in eine Metal-Band ein und der Gitarrist aus dieser Band hatte gemeinsam mit Jan, Eugen und Jini in den Niederlanden studiert. Als sich abzeichnete, dass sich die Wege bei LUXUSLÄRM trennen, hat er mich um Rat gefragt, ob er bei LUXUSLÄRM einsteigen soll, denn sie hätten ihn gefragt. Ich sagte zu ihm: "Wenn du von der Musik leben willst, dann mache das auf jeden Fall!" Es stellte sich dann heraus, dass drei Mitglieder die Band verlassen werden - neben dem Gitarristen auch der Bassist und der Keyboarder. Dann nahm ich den Hörer in die Hand, rief Jini an und sagte: "Ich habe da was munkeln hören, ich hätte auch Bock, einzusteigen." Ja, der Rest ist History ...
Der Gitarrist war Freddy Hau?
Nein, das war ein Anderer. LUXUSLÄRM sah sich damals mehrere Gitarristen an.
Es ist ja bekannt: Du bist nicht erst seit 2015 als Komponist aktiv, sondern stehst bei einigen LUXUSLÄRM-Platten in den Credits und sagtest gerade, dass Du auch schon bei PEACHBOX Lieder geschrieben hast. Das waren also nicht Deine ersten Gehversuche, Du hast schon als Teenager Deine ersten Songs geschrieben ...
Ja, mit PEACHBOX machte ich zwei Alben und eine EP. Der Auslöser war eine Strafarbeit im Musikunterricht, denn sagen wir mal: Ich war kein Musterschüler. (lacht) Meine Musiklehrerin sah einerseits mein Talent, wollte sich andererseits aber auch nicht auf der Nase herumtanzen lassen. Sie sagte dann: "Pass' auf, so läuft das hier nicht. Du darfst dir aber eine Strafarbeit aussuchen." Darauf sagte ich: "Okay, dann schreibe ich einen Song." Und das war dann mein erster Song, den ich auch vor der Klasse vorstellen musste. Ich glaube, es war in der fünften oder sechsten Klasse. Ich würde sagen, der hat gezogen und ich war noch mehr angefixt als vorher. Aber ich wurde auch in einer einigermaßen musikalischen Familie groß, mein Vater war Cover-Musiker und verdiente damit sein Geld. Damals war noch das glorreiche Zeitalter der Coverband-Musik, die fuhren mit einem 40-Tonner, der mit deren Logo geprintet war, umher. Das ist heute nicht mehr vorstellbar, aber damals konnte man sehr gut davon leben.
Bei LUXUSLÄRM rannte auch einer rum, der Götz von Sydow hieß und ja ziemlich bekannt war für seine Kompositionen im Team. Du bist ja in ein gewachsenes Konstrukt hinein gekommen und fingst an, Deine Lieder unterzubringen. Wie gestaltete sich denn diese kompositorische Arbeit dort im Team? Jeder für sich oder warst Du nur der Ideengeber für Götz?
Erst mal muss man sagen, war ich unfassbar dankbar und hatte sehr großen Respekt, überhaupt mit jemandem wie Götz zusammenarbeiten zu dürfen. Ich habe unheimlich viel gelernt. Nach den ersten zwei Jahren bei LUXUSLÄRM gab es 2013 den Übergang, wo dann auch das Vertrauen da war, sich Songideen von mir anzuhören. Es war auch eine Frage der Zeit. In den ersten beiden Jahren mussten wir uns alle neu kennenlernen. Wir haben damals am ersten Wochenende bei "Rock gegen Rechts" in Schwerin vor 3.000 Leuten gespielt, danach ging es weiter mit dem Nightliner - was für uns drei Neuen völlig neu war - weiter nach Vechta. Dort spielten wir mit REVOLVERHELD und JULI ein Festival, dann ging es im Nightliner nach Hamburg ins Schmidts-Theater mit Jogi Löw im Publikum und all sowas. Danach fuhr ich nach Hause und dachte: "I'm a Rockstar - Was soll jetzt noch kommen?" Ja, es kam noch sehr viel Schönes, aber wir waren erst mal damit beschäftigt, überhaupt als Band zusammenzuwachsen, bevor wir in den Kreativ-Prozess mit eingebunden wurden. Wir haben uns menschlich direkt super verstanden, auch das war ja nicht unbedingt gesetzt. Ob das dann wirklich über lange Zeit, auch in schwierigen Phasen hält, das musste erst mal getestet werden, bevor man das komplette Vertrauen zugesprochen bekommt. Songwriting ist etwas unfassbar Persönliches und dabei wirklich so viel Vertrauen zu haben, die Gefühle auszutauschen, ist nicht immer einfach, weil man sich auch sehr verletzlich zeigt und dennoch Kritik äußern dürfen und können muss. Das brauchte seine Zeit. Auch da hat Götz uns super herzlich willkommen geheißen und es war schon so, dass wir als Band gemeinsam viel geschrieben haben. Vor allem das 2014er Album "Alles was du willst" erarbeitete die gesamte Band ein ganzes Jahr lang gemeinsam mit Götz im Studio. Das war ein Mammut-Projekt. Man hört - glaube ich - , dass der Charakter jedes Bandmitgliedes auf der Platte ist, weswegen es wahrscheinlich auch ein bisschen das vielseitigste LUXUSLÄRM-Album, aber auch das vielleicht am wenigsten wie LUXUSLÄRM klingende Album aller Zeiten geworden ist... (lacht) Sonst war immer Götz derjenige, der als Produzent das Zepter in der Hand und die Verantwortung hatte und auch den Überblick behielt. Den brauchst du einfach, der Produzent ist am Ende des Tages derjenige, der alle Ideen, Songs usw. sortieren und in eine Form gießen muss. Es ist ja auch bekannt, dass Götz mehr oder weniger - bzw. eher mehr als weniger - das sechste Bandmitglied war.
Du sprachst gerade von einem Zusammenwachsen und einem sich untereinander auch gut verstehen. Jini - also Eure Sängerin von LUXUSLÄRM - war im vergangenen Jahr hier zu einem Interview, als sie ihre Solo-Platte veröffentlicht hatte. Auf das Aus von LUXUSLÄRM befragt, erzählte sie, dass es zum Schluss ziemlich unentspannt war, dort zu arbeiten. Hast Du das auch so in Erinnerung oder war Deine Wahrnehmung eine andere?
Wie soll ich das sagen ... Es war in der Hinsicht unentspannt, weil so viele Hoffnungen, Wünsche, Lebensziele an LUXUSLÄRM hingen. Wir waren 15 Menschen, die permanent zusammen waren. Natürlich hatten wir alle unser eigenes Leben, aber unser Kosmos drehte sich komplett um LUXUSLÄRM. Und natürlich auch gerade um Jini, denn sie war das Herz und das Gesicht. Deshalb hatte sie auch mit sehr vielen Erwartungen umzugehen, wir alle hatten Erwartungen an sie. Sie hatte eine schwierige Zeit damals und ich glaube, dass sie das ganze noch stressiger erlebt hat, als wir alle, weil sie am Ende des Tages natürlich auch Entscheidungen treffen musste. Wir hätten sie auch gerne getroffen, aber wahrscheinlich anders, als sie. Aber wenn sie die Kraft nicht mehr hatte, weiter zu machen und das der einzige Ausweg war, dann ist das so und heute kann ich es nachvollziehen. Insgesamt war es für uns alle eine sehr angespannte Zeit. Und die Lebensziele: Ich sagte ja eingangs, ich stieg bei LUXUSLÄRM ein und dachte, das mache ich für den Rest meines Lebens. LUXUSLÄRM ist eine gewachsene Band gewesen und hat eine so tolle Fangemeinde, wirklich von Menschen, die LUXUSLÄRM in ihrem Leben haben und nicht nur sagen "Das ist mein Entertainment", sondern "mir bedeuten die Texte etwas, sie bringen mich durch schwere Zeiten", und wir waren immer eine sehr nahbare Band. Ich ging fest davon aus, dass wir das mit 50 immer noch machen und irgendwie MAFFAY-mäßig - vielleicht nicht so groß wie MAFFAY, aber wer weiß das schon - unterwegs sein und unsere feste Fanbase haben werden. Das war mein Ziel. Und wenn es dann auf einmal heißt, das steht auf der Kippe, dann ist man natürlich nicht immer entspannt. Es war mein kompletter beruflicher Lebensinhalt und auch mein kompletter Verdienst. Ich hatte ja alles andere aufgegeben. Ich hatte viele Chancen und Möglichkeiten, aber zu der Zeit gab es meist nur eine Antwort: "Sorry, ich bin fester Bassist bei LUXUSLÄRM, das kann ich nicht machen."
Dein ehemaliger Bandkollege Freddy Hau spielt jetzt inzwischen wieder bei Jini. Hast Du das Album von ihr gehört und verfolgst Du, was sie so macht?
Richtig verfolgen tatsächlich nicht, da bin ich ganz ehrlich. Ich habe in das Album reingehört und ich freue mich, dass sie glücklich ist und dass sie die Musik machen kann, auf die sie - glaube ich - gerade Bock hat. Es ist ja schon deutlich rockiger und gitarrenlastiger, als wir damals bei LUXUSLÄRM waren. Ich schlug ja eher den anderen Weg ein und hab mich ganz dem Deutsch-Pop verschrieben. Ich mag schöne Melodien und ich mag, wenn es seicht zugeht und bin eher funky-rhythmisch, kuschelig unterwegs, nennen wir es mal so. (lacht) Deshalb ist es einfach nicht die Musik, die ich persönlich höre. Ich verfolge es deshalb nicht so krass, freue mich aber, dass es ihr gut geht und wünsche ihr nur das Beste.
Ja und dann kam Batomae plötzlich und überraschend auf den Plan. Jana Crämer wurde auch schon erwähnt von Dir, sie war die Managerin von LUXUSLÄRM. Sie schrieb ein Buch mit dem Titel "Das Mädchen aus der ersten Reihe", welches ihr Leben beschreibt. Du sagtest dazu, es gibt dieses Lied, welches Du für sie geschrieben hast. "Unvergleichlich" erschien 2015 auf dieser ersten EP. Nun heißt es ja, diese EP ist der Soundtrack zum Buch, Du redest aber von einem Titel. Was stimmt denn jetzt?
Es ist so: Jana fragte mich, ob ich ihr nicht für ihr Buch einen Song schreiben könnte. Es war damals schon so, dass ich in Berlin lebte und sie noch in NRW. Wir sahen uns also weniger, sind aber beste Freunde. Sie litt damals noch an Bing Eating, das ist eine Essstörung. Wenn sie sich nicht gut genug fühlte, trat sie ihrem inneren Druck mit Essen entgegen. Dieser innere Druck schaffte eine Art Vakuum in ihr. Sie musste es füllen und sich gleichzeitig damit bestrafen. Man sieht es auch in dem Musikvideo zu "Unvergleichlich". Ich denke, man schaut sich am besten dieses Video an, denn Musik und das Video sagen mehr als tausend Worte. Sie kann sich in der Musik verlieren, gedanklich in der ersten Reihe stehen und alle ihre Sorgen vergessen. Darum und um soviel mehr geht es in ihrem Debütroman "Das Mädchen aus der 1. Reihe" und so entstanden Roman und Janas Bitte an mich, ihr einen Soundtrack zu schreiben. Und da man seiner besten Freundin natürlich keinen Wunsch abschlägt. So entstand meine erste EP "Unvergleichlich".
Und dann seid Ihr beiden gemeinsam mit Buch und EP auf Tour gegangen. Ihr habt also Konzertlesungen gemacht, sie las aus dem Buch vor, Du trugst die Lieder vor. Wie hat sich das denn in dieser Konstellation für Dich und auch für sie angefühlt? Für sie war es ja etwas völlig Neues, auf eine Bühne zu gehen ...
Es war anders als geplant und eine sehr große Herausforderung. Jana war nicht die Frau, die sich gern ins Rampenlicht gestellt hat. Aber wir hatten einen Deal : "Wenn ich die EP mache, dann gehen wir gemeinsam auf die Bühne, du liest und ich singe meine Songs, denn mein Zuhause ist die Bühne. Außerdem bin ich sicher, dass es viele Mädchen aus der 1. Reihe gibt, die ähnlich fühlen wie Du. Ich weiß, du bist stark und ich weiß, dass Deine Geschichte viele Menschen berühren wird.. Wenn Du also mal stockst oder Dich nicht sicher fühlst, kann ich jederzeit einen Song spielen und singen. Ich kann es auch entertainen, wir sitzen gemeinsam da." Diesen Deal ging sie ein und wir fuhren los. Die Geschichten, die wir dabei gehört und erlebt haben, sind wirklich sehr sehr berührend. Wir - nur mein Bruder Flo, Jana und ich - fingen an, mit einem kleinen T4-Sprinter herum zu fahren und die Kultur-Cafés mit 30 oder 40 Leuten zu bespielen. Das war schon strange, wenn man sich sagt, vor einem halben Jahr hat man noch mit LUXUSLÄRM vor tausenden von Leuten gespielt und jetzt fährst du wieder in die kleinen Clubs, ganz wie am Anfang. Aber es war wundervoll, es war schön, es ist organisch gewachsen und ich habe genau so tolle Fans, wie damals bei LUXUSLÄRM. Vielleicht sogar bessere ... (lacht) Nein, es gibt ja kein "besser" oder "schlechter" und ich bin sehr dankbar über jede und jeden, der meine Musik und auch Janas Buch feiert.
Ich war ja damals ziemlich überrascht - ich kannte Jana als Managerin von LUXUSLÄRM, sie ist eine toughe und obendrein hübsche Frau - dass sie mit dieser Sache so offensiv umgeht, wo andere Leute eben die Klappe halten und nichts sagen. Warst Du selbst überrascht, erfuhrst Du es über dieses Buch oder war Dir diese Geschichte vorher schon bekannt?
Jana und ich standen und stehen uns sehr nahe, aber das Thema Bing Eating war damals überhaupt noch kein Thema zwischen uns und in der breiten Wahrnehmung in Deutschland erst Recht nicht. Generell werden Essstörungen ja immer häufiger, weil es eine gefährliche Sucht ist, da man ohne Essen ja nicht leben kann. Jede andere Droge kannst du weglassen, Essen nicht. Es bleibt dir nichts anderes übrig, als den Umgang mit dem Essen zu lernen. Und uns war superwichtig, dass so vielen Menschen wie möglich zu zeigen, da Jana sich jahrelang allein gefühlt hat. Deshalb haben wir auch gemeinsam mit der SBK unseren Podcast "Schweigen ändert nichts" gestartet, um das Schweigen zu brechen und zu sagen, du bist nicht allein. Bei Jana und mir war es die ersten Jahre auch ein herantasten. Ich fragte immer mal wieder nach, ob alles okay sei, denn augenscheinlich war es das nicht. Aber ich habe auch keinen Druck gemacht. Insofern habe ich in Bezug auf Jana scheinbar unbewusst vieles richtig gemacht. Das heißt nicht, dass es immer so funktionieren muss, aber so individuell wie der Mensch ist eben auch die Sucht. Bei uns hat es super geklappt, wir haben uns nicht gesucht, aber gefunden und waren zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Denn auch sie stärkte mir den Rücken und war oft für mich da, wenn ich ein Stück weit verzweifelt war und mich fragte, wie es nach LUXUSLÄRM weitergehen soll. Sie machte mir Mut und sagte dann zu mir: "Hey, ich glaube an dich, du bist ein krasser Künstler, hast etwas zu sagen und du gehörst auf die Bühne." Das tat gut und es ist heute noch so, dass wir füreinander da sind. Jana ist ein tougher Mensch und sagt, "Wenn ich was mache, dann mache ich es richtig. Und ich möchte für die Menschen da sein und nicht das Gefühl geben, dass irgendwer allein da draußen ist. Irgendwer muss mutig sein und mal dieses Schweigen brechen und fucking hell, wenn ich das bin, dann will ich das jetzt eben." Außerdem liebt sie meine Musik und die Aussicht, mit mir auf der Bühne zu sitzen und jeden Abend meine Mucke zu hören, hat das übrige getan. (lacht)
Womit Du dann aber auch diese Philosophie von LUXUSLÄRM weiterlebst. Denn das war ja auch immer das Anliegen dieser Band, den Menschen, die Probleme haben und sich nicht äußern, eine Stange hinzustellen, an der sie sich festhalten können ...
Absolut. Deshalb habe ich ja auch so gut zu LUXUSLÄRM gepasst und machte das immer super gerne, weil ich mich so verstanden gefühlt habe. Wir fühlen uns in dieser Welt alle ab und zu überfordert, das ist völlig normal und kein Grund sich auszugrenzen. Wir werden ja immer mehr dazu erzogen, nur das, was von der Gesellschaft positiv gefeiert wird, in den Fokus zu stellen, zum Beispiel in den sozialen Medien. Als LUXUSLÄRM startete, gab es noch Myspace. Who the fuck is Myspace? (lacht) Da hat man seine Songs hochgeladen und heutzutage ist es wichtiger viel Anerkennung auf den Sozialen Netzwerken zu haben und möglichst viele Likes zu bekommen. Das ist schon alles irgendwie spannend, die Welt entwickelt sich weiter und es ist auch eine Chance sich auszudrücken, aber es besteht auch die Möglichkeit sich darin zu verlieren, weil das Vergleichen viel viel früher einsetzt. Wir fahren ja auch mit unseren Konzertlesungen an Schulen und was wir dort erleben … Du machst einen "Fehler" und es wird direkt gefilmt. Es geht dann in alle Whatsapp-Chats, Klassenchats und in fünf Minuten weiß es die ganze Schule. Wenn ich mich früher mal gemault habe, wussten es die fünf Leute, die dabei waren ... Dieser Druck, ständig perfekt zu performen, der ist unfassbar hoch und ich möchte mit meiner Musik und bei meinen Konzerten einen Raum schaffen, wo möglichst jeder so sein kann wie er ist.
Mir stellt sich die Frage nach zwei EPs und bald einer Akustik EP, warum man nicht gleich ein komplettes Album veröffentlicht ...
Ganz klar, weil es zur Zeit der ersten EP LUXUSLÄRM noch gab und "Unvergleichlich" ein Geschenk an Jana war. Es war ja quasi ein Package, welches gar nicht als "Batomae ist jetzt der Solo-Künstler, der voll durchstartet" gedacht war. Bei der zweiten EP war das schon anders, aber zum ersten Album fehlten einfach ein paar Songs, die ich nicht schreiben konnte da wir so viel auf Tour waren und auch LUXUSLÄRM sich zu der Zeit aufgelöst hat. Ich war ja immer noch Bassist von LUXUSLÄRM, also das gesamte Jahr 2016. Wir hatten gerade ein Album mit einem großen Label released und da blieb für die eigene Kreativität nicht so viel Zeit. Ich gab dort Vollgas, dann war es 2017 und die Band auf einmal Geschichte. Dann schrieb ich für Batomae und dachte mir: "Okay, dann hauen wir jetzt noch mal eine EP raus." Beide EPs waren in dieser Hinsicht so erfolgreich, dass ich immer wieder Touren spielen konnte und immer mehr Leute kamen. Obendrein habe ich super schöne Support-Touren gespielt, zum Beispiel mit STAUBKIND und Alex Diehl. Plötzlich war es 2019, ich wollte mein Album rausbringen und da gab es noch einen Produzenten-Switch. Jetzt steht mein Team und auch schon 3/4 des Albums. Ich kann euch sagen, es wird großartig.
Um es auf den Punkt zu bringen: Das Album ist weitestgehend fertig und soll auch erscheinen?
Das Album wäre am 30.05.2020 erschienen. Aus gegebenem Anlass - wir wissen alle, dass dieses Jahr durch Corona bestimmt wird - habe ich die Veröffentlichung geschoben und nun wird es ungefähr ein Jahr später kommen. Also das Album liegt mehr oder weniger fertig da. Wir schreiben jetzt noch mal ein paar Songs und produzieren noch ein bisschen was. Es ist ein bisschen traurig, weil ich mich natürlich weiterentwickle und ich am liebsten schon im kommenden Jahr das nächste Album rausgehauen hätte. Dafür hab ich in 2020 viele Singles rausgehauen, an der Zahl sind es jetzt tatsächlich vier ("Immer Neu für dich", "Unser Lied", "An deiner Seite" und "Meine Reise", Anm. d. R.). Einige Songs, die auf das Album sollten, sind nun natürlich schon "verfeuert" und ich will den Fans jetzt nicht sagen: "Ihr bekommt noch drei neue Songs und das ist mein Album". Ich möchte etwas bieten und auch ich selbst habe Bock, habe Songs, möchte mich ausdrücken und habe auch viele neue Dinge erlebt. So nutzen wir jetzt die Zeit, noch ein paar neue Songs mit aufs Album zu packen und dann kommt hoffentlich im Frühjahr 2021 mein Debüt-Album ...
Wie Du schon gesagt hast, es wird kein "Best Of" mit dem Stoff der Batomae EPs, sondern es werden neue Songs drauf sein?
Sicherlich werden die bisher veröffentlichten Singles mit auf dem Album sein, aber voraussichtlich keiner der Songs der ersten zwei EPs.
Wirst Du das auch wieder im Eigenvertrieb rausbringen oder wirst Du Dir dafür eine Plattenfirma suchen?
Wir schauen grad, ob wir einen Partner finden, der meine Musik und meinen Stil so feiert wie das kleine Team, welches wir gerade sind. Das eine oder andere Angebot liegt uns schon vor und wir merken, dass Interesse da ist, was ein unfassbar tolles Gefühl ist. Jetzt sehen wir mal, wie viel ich wert bin ... (lacht) Außerdem möchte ich natürlich auch, dass möglichst viele Menschen meine Musik hören können. Die Wahrscheinlichkeit dafür steigt, wenn man ein gewisses Budget und starken Partner an seiner Seite hat.
Unser Gespräch fing ja mit der aktuellen Single "Meine Reise" an, einem neuen Song. Dort bist Du mit der Künstlerin ela von ELAIZA im Duett zu hören. Wie kam es denn zu dieser Zusammenarbeit, wie habt Ihr Euch gefunden?
Ich kenne ela. jetzt schon - ich glaube - sechs Jahre. Sie war eine der Ersten die ich in Berlin kennen gelernt habe. Wir lernten uns bei einer Songwriting-Session kennen und verstanden uns auf Anhieb. Außerdem kennen wir Beide Natalie, die Kontrabassistin von ELAIZA. Sie ist eine gute Freundin von mir. Ela und ich wollten immer mal etwas zusammen machen, aber es ergab sich bisher nie so richtig. 2018 haben wir dann auf dem Reeperbahn-Festival in Hamburg gemeinsam mir Vlude "Meine Reise" geschrieben. Sie meinte direkt: "Den Song müsst Ihr als Duett rausbringen!" Allerdings verschwand er erstmal in meinem "Songs fürs Album"-Ordner bis wir ihn in diesem Frühjahr rausgeholt und direkt gefeiert haben. Ich rief ela. an und meinte: "Es ist Zeit für unser Duett, haste Bock?", und sie war direkt am Start. Ich finde wir klingen wirklich toll zusammen und auch das Video war ´ne Riesen Gaudi mit vielen Freunden. Unbedingt anschauen bzw. Anhören - "Meine Reise" - Batomae feat. ela.
Im Clip seid ja nicht nur Ihr beiden zu sehen, sondern auch wieder Jana Crämer. Wird sie also weiterhin ein Teil des Batomae-Kosmos sein und damit auch Teil der zukünftigen Live-Shows?
Auf jeden Fall wird sie immer ein Teil meines Kosmos bleiben, denn sie ist meine beste Freundin. (lacht) Und noch dazu haben wir zwei Firmen zusammen, das wissen die wenigsten. Wir werden immer für einander da sein und auf uns aufpassen, was beste Freunde eben so machen. Wann und wie wir wieder außerhalb der Schulkonzertlesungen gemeinsam auf der Bühne stehen werden weiß ich noch nicht. Aber sie wird hoffentlich oft in Reihe 1 stehen und die Konzerte genießen.
Steuert sie denn bei Dir auch ihre Erfahrungen als Künstler-Managerin bei?
Das hat sie sehr lange, genau so, wie ich ihr meine Erfahrungen als Künstler mitgab. Wir sind einfach ein sehr gutes Team, aber wir beide haben jetzt jeweils ein eigenes Management. Auch bei Jana geht es gut ab und wir hatten immer weniger Zeit, komplett im Kosmos des Anderen zu sein. Und was dann natürlich auch eine gewisse Schwierigkeit ist: Wenn man befreundet ist und gemeinsam arbeitet, da zofft man sich auch mal und es ist in manchen Punkten auch mal anstrengender, als wären wir einfach nur Kollegen. Deshalb freuen wir uns jetzt umso mehr, dass unsere Managements das alles machen und wir all unsere Ideen feiern - meistens zumindest. (lacht)
Erstmal zu Hause …. Obwohl, wenn ich ehrlich bin, nächste Woche ins Lager. Also mein Merch-Lager zum signieren meiner am 6.11.2020 erscheinenden limitierten Akustik EP. Denn die kann man sich jetzt schon unter www.mein-merch.de vorbestellen, was so viele von Euch schon gemacht haben, dass es nur noch ´ne Hand voll CDs gibt. Ihr seid der Wahnsinn und ich weiß jetzt schon, dass meine Hand irrsinnig schmerzen wird nach alle den Widmungen aber ich find´s geil (lacht)
Ich kenne Dich noch sehr gut als Bassisten der Band LUXUSLÄRM, der Du zwischen 2011 und 2016 angehört hast. Dort allerdings unter einem anderen Namen. War Dir Dein bürgerlicher Name zu schlicht und ohne Wiedererkennbarkeit für eine Solo-Karriere oder warum wähltest Du den Künstlernamen Batomae?
Tatsächlich ist das einerseits auch daraus entstanden, denn David Müller ist natürlich nicht der außergewöhnlichste Name in diesem Land. (lacht) Das war der eine Grund. Zum anderen war es so, dass ich vor LUXUSLÄRM ja auch schon sehr lange Musik gemacht habe, und zwar mit meiner ersten Band PEACHBOX, und schon damals gemeinsam mit meinem Bruder. Ich war Bassist, Frontmann und Songwriter. Nachdem LUXUSLÄRM sich entschieden hatte, nicht weiter zu machen, war das ein Stück weit eine Reise zurück zu mir. Da aber "Zuzumi" ein bisschen zu japanisch und noch weiter weg klingt, habe ich mich einfach an einem der ersten Songs bedient, die ich mit elf für PEACHBOX geschrieben hatte und der hieß "Back to me". Batomae ist also Ba von "Back", to von "to" und das mae von "me". Das ae am Ende einfach nur, weil ich es toll finde und auch ein bisschen cool wirken wollte. Ich dachte: "Jetzt bist du mal ganz Verrückt." (lacht)
Du Rebell ... (lacht)
Ja Du, so kennt man ihn, so kennt man ihn ... nur leider schreibt jetzt jeder Batomae falsch (lacht).
Als Batomae hattest Du schon angefangen, eigene Sachen zu machen, da existierte LUXUSLÄRM noch. Ihr wart noch auf der Bühne und habt gespielt. Zeichnete sich zu diesem Zeitpunkt denn schon ab, dass sich die Band auflösen würde, und Du bist der ganzen Sache nur zuvorgekommen, oder hättest Du diese Solo-Karriere auch gestartet, wenn LUXUSLÄRM heute noch die Charts erobern würde?
Das ist eine sehr sehr gute Frage. Eine Solo-Karriere war nicht geplant. Als ich damals bei LUXUSLÄRM eingestiegen bin, war das mit dem Gedanken, dass ich das für den Rest meines Lebens machen werde. Die erste Batomae-EP war ein Geschenk an meine beste Freundin Jana, die ja auch Managerin von LUXUSLÄRM war, und die damals ihr erstes Buch veröffentlicht hatte. Eigentlich war sie es, die sagte: "Hey, würdest Du mir zu meinem Buch einen Song schenken?" Damals wohnten wir noch weit auseinander, Jana in NRW, ich in Berlin. In der Musik konnte sie schon immer völlig abtauchen und da man der besten Freundin keinen Wunsch abschlägt, hab ich ihr drei Songs geschrieben, bin zu ihr gefahren und meinte, "Welcher der Songs lässt dich am besten weg träumen?" Und wie die Frauen so sind - kleiner Finger, ganze Hand - wollte sie alle haben. (lacht) Hat sie auch bekommen und so entstand meine erste EP "Unvergleichlich".
Du bist ja inzwischen Wahl-Berliner, wo kommst Du ursprünglich her?
Aus Paderborn im beschaulichen Ost-Westfalen. (lacht)
Schau mal einer an, da wo auch der Erzbischof wohnt ...
Ja richtig, ja richtig! Wir haben ja auch mehr Kirchen, als Einwohner. Da ist die Chance sehr groß, dass da auch der Erzbischof herkommt ... (lacht)
Bleiben wir mal kurz bei LUXUSLÄRM. Wie kam es 2011 überhaupt dazu, dass Du Eugen Urlacher als Basser abgelöst hast? Gab es vorher schon Kontakt zu dieser Band?
Ich hab mit meiner damaligen Band PEACHBOX den ersten LUXUSLÄRM-Gig ever gemeinsam mit ihnen gespielt. Es war bei einem Contest in Gronau. LUXUSLÄRM waren superfrisch, wir hatten ein paar Jahre auf dem Buckel und dachten, wir gewinnen den Contest ganz locker. (lacht) Die waren richtig gut: Jini haute alle um, sie gewannen, wir wurden - glaube ich - Zweiter oder Dritter. Ich war ein bisschen angefressen, aber trotzdem freundeten wir uns an, denn sie waren super. Danach spielten wir auch noch zwei, drei andere Konzerte zusammen und kannten uns somit flüchtig. Dann kam "1000 km bis zum Meer" und die sind richtig explodiert. Bei uns ließ das leider auf sich warten und es knallte im Endeffekt nie so richtig. Aber mit PEACHBOX haben wir dennoch tolle Sachen erlebt, wir spielten in den USA, wir waren in Spanien, spielten bei "Rock am Ring" ... 2010 stieg ich zusätzlich noch in eine Metal-Band ein und der Gitarrist aus dieser Band hatte gemeinsam mit Jan, Eugen und Jini in den Niederlanden studiert. Als sich abzeichnete, dass sich die Wege bei LUXUSLÄRM trennen, hat er mich um Rat gefragt, ob er bei LUXUSLÄRM einsteigen soll, denn sie hätten ihn gefragt. Ich sagte zu ihm: "Wenn du von der Musik leben willst, dann mache das auf jeden Fall!" Es stellte sich dann heraus, dass drei Mitglieder die Band verlassen werden - neben dem Gitarristen auch der Bassist und der Keyboarder. Dann nahm ich den Hörer in die Hand, rief Jini an und sagte: "Ich habe da was munkeln hören, ich hätte auch Bock, einzusteigen." Ja, der Rest ist History ...
Der Gitarrist war Freddy Hau?
Nein, das war ein Anderer. LUXUSLÄRM sah sich damals mehrere Gitarristen an.
Es ist ja bekannt: Du bist nicht erst seit 2015 als Komponist aktiv, sondern stehst bei einigen LUXUSLÄRM-Platten in den Credits und sagtest gerade, dass Du auch schon bei PEACHBOX Lieder geschrieben hast. Das waren also nicht Deine ersten Gehversuche, Du hast schon als Teenager Deine ersten Songs geschrieben ...
Ja, mit PEACHBOX machte ich zwei Alben und eine EP. Der Auslöser war eine Strafarbeit im Musikunterricht, denn sagen wir mal: Ich war kein Musterschüler. (lacht) Meine Musiklehrerin sah einerseits mein Talent, wollte sich andererseits aber auch nicht auf der Nase herumtanzen lassen. Sie sagte dann: "Pass' auf, so läuft das hier nicht. Du darfst dir aber eine Strafarbeit aussuchen." Darauf sagte ich: "Okay, dann schreibe ich einen Song." Und das war dann mein erster Song, den ich auch vor der Klasse vorstellen musste. Ich glaube, es war in der fünften oder sechsten Klasse. Ich würde sagen, der hat gezogen und ich war noch mehr angefixt als vorher. Aber ich wurde auch in einer einigermaßen musikalischen Familie groß, mein Vater war Cover-Musiker und verdiente damit sein Geld. Damals war noch das glorreiche Zeitalter der Coverband-Musik, die fuhren mit einem 40-Tonner, der mit deren Logo geprintet war, umher. Das ist heute nicht mehr vorstellbar, aber damals konnte man sehr gut davon leben.
Bei LUXUSLÄRM rannte auch einer rum, der Götz von Sydow hieß und ja ziemlich bekannt war für seine Kompositionen im Team. Du bist ja in ein gewachsenes Konstrukt hinein gekommen und fingst an, Deine Lieder unterzubringen. Wie gestaltete sich denn diese kompositorische Arbeit dort im Team? Jeder für sich oder warst Du nur der Ideengeber für Götz?
Erst mal muss man sagen, war ich unfassbar dankbar und hatte sehr großen Respekt, überhaupt mit jemandem wie Götz zusammenarbeiten zu dürfen. Ich habe unheimlich viel gelernt. Nach den ersten zwei Jahren bei LUXUSLÄRM gab es 2013 den Übergang, wo dann auch das Vertrauen da war, sich Songideen von mir anzuhören. Es war auch eine Frage der Zeit. In den ersten beiden Jahren mussten wir uns alle neu kennenlernen. Wir haben damals am ersten Wochenende bei "Rock gegen Rechts" in Schwerin vor 3.000 Leuten gespielt, danach ging es weiter mit dem Nightliner - was für uns drei Neuen völlig neu war - weiter nach Vechta. Dort spielten wir mit REVOLVERHELD und JULI ein Festival, dann ging es im Nightliner nach Hamburg ins Schmidts-Theater mit Jogi Löw im Publikum und all sowas. Danach fuhr ich nach Hause und dachte: "I'm a Rockstar - Was soll jetzt noch kommen?" Ja, es kam noch sehr viel Schönes, aber wir waren erst mal damit beschäftigt, überhaupt als Band zusammenzuwachsen, bevor wir in den Kreativ-Prozess mit eingebunden wurden. Wir haben uns menschlich direkt super verstanden, auch das war ja nicht unbedingt gesetzt. Ob das dann wirklich über lange Zeit, auch in schwierigen Phasen hält, das musste erst mal getestet werden, bevor man das komplette Vertrauen zugesprochen bekommt. Songwriting ist etwas unfassbar Persönliches und dabei wirklich so viel Vertrauen zu haben, die Gefühle auszutauschen, ist nicht immer einfach, weil man sich auch sehr verletzlich zeigt und dennoch Kritik äußern dürfen und können muss. Das brauchte seine Zeit. Auch da hat Götz uns super herzlich willkommen geheißen und es war schon so, dass wir als Band gemeinsam viel geschrieben haben. Vor allem das 2014er Album "Alles was du willst" erarbeitete die gesamte Band ein ganzes Jahr lang gemeinsam mit Götz im Studio. Das war ein Mammut-Projekt. Man hört - glaube ich - , dass der Charakter jedes Bandmitgliedes auf der Platte ist, weswegen es wahrscheinlich auch ein bisschen das vielseitigste LUXUSLÄRM-Album, aber auch das vielleicht am wenigsten wie LUXUSLÄRM klingende Album aller Zeiten geworden ist... (lacht) Sonst war immer Götz derjenige, der als Produzent das Zepter in der Hand und die Verantwortung hatte und auch den Überblick behielt. Den brauchst du einfach, der Produzent ist am Ende des Tages derjenige, der alle Ideen, Songs usw. sortieren und in eine Form gießen muss. Es ist ja auch bekannt, dass Götz mehr oder weniger - bzw. eher mehr als weniger - das sechste Bandmitglied war.
Du sprachst gerade von einem Zusammenwachsen und einem sich untereinander auch gut verstehen. Jini - also Eure Sängerin von LUXUSLÄRM - war im vergangenen Jahr hier zu einem Interview, als sie ihre Solo-Platte veröffentlicht hatte. Auf das Aus von LUXUSLÄRM befragt, erzählte sie, dass es zum Schluss ziemlich unentspannt war, dort zu arbeiten. Hast Du das auch so in Erinnerung oder war Deine Wahrnehmung eine andere?
Wie soll ich das sagen ... Es war in der Hinsicht unentspannt, weil so viele Hoffnungen, Wünsche, Lebensziele an LUXUSLÄRM hingen. Wir waren 15 Menschen, die permanent zusammen waren. Natürlich hatten wir alle unser eigenes Leben, aber unser Kosmos drehte sich komplett um LUXUSLÄRM. Und natürlich auch gerade um Jini, denn sie war das Herz und das Gesicht. Deshalb hatte sie auch mit sehr vielen Erwartungen umzugehen, wir alle hatten Erwartungen an sie. Sie hatte eine schwierige Zeit damals und ich glaube, dass sie das ganze noch stressiger erlebt hat, als wir alle, weil sie am Ende des Tages natürlich auch Entscheidungen treffen musste. Wir hätten sie auch gerne getroffen, aber wahrscheinlich anders, als sie. Aber wenn sie die Kraft nicht mehr hatte, weiter zu machen und das der einzige Ausweg war, dann ist das so und heute kann ich es nachvollziehen. Insgesamt war es für uns alle eine sehr angespannte Zeit. Und die Lebensziele: Ich sagte ja eingangs, ich stieg bei LUXUSLÄRM ein und dachte, das mache ich für den Rest meines Lebens. LUXUSLÄRM ist eine gewachsene Band gewesen und hat eine so tolle Fangemeinde, wirklich von Menschen, die LUXUSLÄRM in ihrem Leben haben und nicht nur sagen "Das ist mein Entertainment", sondern "mir bedeuten die Texte etwas, sie bringen mich durch schwere Zeiten", und wir waren immer eine sehr nahbare Band. Ich ging fest davon aus, dass wir das mit 50 immer noch machen und irgendwie MAFFAY-mäßig - vielleicht nicht so groß wie MAFFAY, aber wer weiß das schon - unterwegs sein und unsere feste Fanbase haben werden. Das war mein Ziel. Und wenn es dann auf einmal heißt, das steht auf der Kippe, dann ist man natürlich nicht immer entspannt. Es war mein kompletter beruflicher Lebensinhalt und auch mein kompletter Verdienst. Ich hatte ja alles andere aufgegeben. Ich hatte viele Chancen und Möglichkeiten, aber zu der Zeit gab es meist nur eine Antwort: "Sorry, ich bin fester Bassist bei LUXUSLÄRM, das kann ich nicht machen."
Dein ehemaliger Bandkollege Freddy Hau spielt jetzt inzwischen wieder bei Jini. Hast Du das Album von ihr gehört und verfolgst Du, was sie so macht?
Richtig verfolgen tatsächlich nicht, da bin ich ganz ehrlich. Ich habe in das Album reingehört und ich freue mich, dass sie glücklich ist und dass sie die Musik machen kann, auf die sie - glaube ich - gerade Bock hat. Es ist ja schon deutlich rockiger und gitarrenlastiger, als wir damals bei LUXUSLÄRM waren. Ich schlug ja eher den anderen Weg ein und hab mich ganz dem Deutsch-Pop verschrieben. Ich mag schöne Melodien und ich mag, wenn es seicht zugeht und bin eher funky-rhythmisch, kuschelig unterwegs, nennen wir es mal so. (lacht) Deshalb ist es einfach nicht die Musik, die ich persönlich höre. Ich verfolge es deshalb nicht so krass, freue mich aber, dass es ihr gut geht und wünsche ihr nur das Beste.
Ja und dann kam Batomae plötzlich und überraschend auf den Plan. Jana Crämer wurde auch schon erwähnt von Dir, sie war die Managerin von LUXUSLÄRM. Sie schrieb ein Buch mit dem Titel "Das Mädchen aus der ersten Reihe", welches ihr Leben beschreibt. Du sagtest dazu, es gibt dieses Lied, welches Du für sie geschrieben hast. "Unvergleichlich" erschien 2015 auf dieser ersten EP. Nun heißt es ja, diese EP ist der Soundtrack zum Buch, Du redest aber von einem Titel. Was stimmt denn jetzt?
Es ist so: Jana fragte mich, ob ich ihr nicht für ihr Buch einen Song schreiben könnte. Es war damals schon so, dass ich in Berlin lebte und sie noch in NRW. Wir sahen uns also weniger, sind aber beste Freunde. Sie litt damals noch an Bing Eating, das ist eine Essstörung. Wenn sie sich nicht gut genug fühlte, trat sie ihrem inneren Druck mit Essen entgegen. Dieser innere Druck schaffte eine Art Vakuum in ihr. Sie musste es füllen und sich gleichzeitig damit bestrafen. Man sieht es auch in dem Musikvideo zu "Unvergleichlich". Ich denke, man schaut sich am besten dieses Video an, denn Musik und das Video sagen mehr als tausend Worte. Sie kann sich in der Musik verlieren, gedanklich in der ersten Reihe stehen und alle ihre Sorgen vergessen. Darum und um soviel mehr geht es in ihrem Debütroman "Das Mädchen aus der 1. Reihe" und so entstanden Roman und Janas Bitte an mich, ihr einen Soundtrack zu schreiben. Und da man seiner besten Freundin natürlich keinen Wunsch abschlägt. So entstand meine erste EP "Unvergleichlich".
Und dann seid Ihr beiden gemeinsam mit Buch und EP auf Tour gegangen. Ihr habt also Konzertlesungen gemacht, sie las aus dem Buch vor, Du trugst die Lieder vor. Wie hat sich das denn in dieser Konstellation für Dich und auch für sie angefühlt? Für sie war es ja etwas völlig Neues, auf eine Bühne zu gehen ...
Es war anders als geplant und eine sehr große Herausforderung. Jana war nicht die Frau, die sich gern ins Rampenlicht gestellt hat. Aber wir hatten einen Deal : "Wenn ich die EP mache, dann gehen wir gemeinsam auf die Bühne, du liest und ich singe meine Songs, denn mein Zuhause ist die Bühne. Außerdem bin ich sicher, dass es viele Mädchen aus der 1. Reihe gibt, die ähnlich fühlen wie Du. Ich weiß, du bist stark und ich weiß, dass Deine Geschichte viele Menschen berühren wird.. Wenn Du also mal stockst oder Dich nicht sicher fühlst, kann ich jederzeit einen Song spielen und singen. Ich kann es auch entertainen, wir sitzen gemeinsam da." Diesen Deal ging sie ein und wir fuhren los. Die Geschichten, die wir dabei gehört und erlebt haben, sind wirklich sehr sehr berührend. Wir - nur mein Bruder Flo, Jana und ich - fingen an, mit einem kleinen T4-Sprinter herum zu fahren und die Kultur-Cafés mit 30 oder 40 Leuten zu bespielen. Das war schon strange, wenn man sich sagt, vor einem halben Jahr hat man noch mit LUXUSLÄRM vor tausenden von Leuten gespielt und jetzt fährst du wieder in die kleinen Clubs, ganz wie am Anfang. Aber es war wundervoll, es war schön, es ist organisch gewachsen und ich habe genau so tolle Fans, wie damals bei LUXUSLÄRM. Vielleicht sogar bessere ... (lacht) Nein, es gibt ja kein "besser" oder "schlechter" und ich bin sehr dankbar über jede und jeden, der meine Musik und auch Janas Buch feiert.
Ich war ja damals ziemlich überrascht - ich kannte Jana als Managerin von LUXUSLÄRM, sie ist eine toughe und obendrein hübsche Frau - dass sie mit dieser Sache so offensiv umgeht, wo andere Leute eben die Klappe halten und nichts sagen. Warst Du selbst überrascht, erfuhrst Du es über dieses Buch oder war Dir diese Geschichte vorher schon bekannt?
Jana und ich standen und stehen uns sehr nahe, aber das Thema Bing Eating war damals überhaupt noch kein Thema zwischen uns und in der breiten Wahrnehmung in Deutschland erst Recht nicht. Generell werden Essstörungen ja immer häufiger, weil es eine gefährliche Sucht ist, da man ohne Essen ja nicht leben kann. Jede andere Droge kannst du weglassen, Essen nicht. Es bleibt dir nichts anderes übrig, als den Umgang mit dem Essen zu lernen. Und uns war superwichtig, dass so vielen Menschen wie möglich zu zeigen, da Jana sich jahrelang allein gefühlt hat. Deshalb haben wir auch gemeinsam mit der SBK unseren Podcast "Schweigen ändert nichts" gestartet, um das Schweigen zu brechen und zu sagen, du bist nicht allein. Bei Jana und mir war es die ersten Jahre auch ein herantasten. Ich fragte immer mal wieder nach, ob alles okay sei, denn augenscheinlich war es das nicht. Aber ich habe auch keinen Druck gemacht. Insofern habe ich in Bezug auf Jana scheinbar unbewusst vieles richtig gemacht. Das heißt nicht, dass es immer so funktionieren muss, aber so individuell wie der Mensch ist eben auch die Sucht. Bei uns hat es super geklappt, wir haben uns nicht gesucht, aber gefunden und waren zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Denn auch sie stärkte mir den Rücken und war oft für mich da, wenn ich ein Stück weit verzweifelt war und mich fragte, wie es nach LUXUSLÄRM weitergehen soll. Sie machte mir Mut und sagte dann zu mir: "Hey, ich glaube an dich, du bist ein krasser Künstler, hast etwas zu sagen und du gehörst auf die Bühne." Das tat gut und es ist heute noch so, dass wir füreinander da sind. Jana ist ein tougher Mensch und sagt, "Wenn ich was mache, dann mache ich es richtig. Und ich möchte für die Menschen da sein und nicht das Gefühl geben, dass irgendwer allein da draußen ist. Irgendwer muss mutig sein und mal dieses Schweigen brechen und fucking hell, wenn ich das bin, dann will ich das jetzt eben." Außerdem liebt sie meine Musik und die Aussicht, mit mir auf der Bühne zu sitzen und jeden Abend meine Mucke zu hören, hat das übrige getan. (lacht)
Womit Du dann aber auch diese Philosophie von LUXUSLÄRM weiterlebst. Denn das war ja auch immer das Anliegen dieser Band, den Menschen, die Probleme haben und sich nicht äußern, eine Stange hinzustellen, an der sie sich festhalten können ...
Absolut. Deshalb habe ich ja auch so gut zu LUXUSLÄRM gepasst und machte das immer super gerne, weil ich mich so verstanden gefühlt habe. Wir fühlen uns in dieser Welt alle ab und zu überfordert, das ist völlig normal und kein Grund sich auszugrenzen. Wir werden ja immer mehr dazu erzogen, nur das, was von der Gesellschaft positiv gefeiert wird, in den Fokus zu stellen, zum Beispiel in den sozialen Medien. Als LUXUSLÄRM startete, gab es noch Myspace. Who the fuck is Myspace? (lacht) Da hat man seine Songs hochgeladen und heutzutage ist es wichtiger viel Anerkennung auf den Sozialen Netzwerken zu haben und möglichst viele Likes zu bekommen. Das ist schon alles irgendwie spannend, die Welt entwickelt sich weiter und es ist auch eine Chance sich auszudrücken, aber es besteht auch die Möglichkeit sich darin zu verlieren, weil das Vergleichen viel viel früher einsetzt. Wir fahren ja auch mit unseren Konzertlesungen an Schulen und was wir dort erleben … Du machst einen "Fehler" und es wird direkt gefilmt. Es geht dann in alle Whatsapp-Chats, Klassenchats und in fünf Minuten weiß es die ganze Schule. Wenn ich mich früher mal gemault habe, wussten es die fünf Leute, die dabei waren ... Dieser Druck, ständig perfekt zu performen, der ist unfassbar hoch und ich möchte mit meiner Musik und bei meinen Konzerten einen Raum schaffen, wo möglichst jeder so sein kann wie er ist.
Mir stellt sich die Frage nach zwei EPs und bald einer Akustik EP, warum man nicht gleich ein komplettes Album veröffentlicht ...
Ganz klar, weil es zur Zeit der ersten EP LUXUSLÄRM noch gab und "Unvergleichlich" ein Geschenk an Jana war. Es war ja quasi ein Package, welches gar nicht als "Batomae ist jetzt der Solo-Künstler, der voll durchstartet" gedacht war. Bei der zweiten EP war das schon anders, aber zum ersten Album fehlten einfach ein paar Songs, die ich nicht schreiben konnte da wir so viel auf Tour waren und auch LUXUSLÄRM sich zu der Zeit aufgelöst hat. Ich war ja immer noch Bassist von LUXUSLÄRM, also das gesamte Jahr 2016. Wir hatten gerade ein Album mit einem großen Label released und da blieb für die eigene Kreativität nicht so viel Zeit. Ich gab dort Vollgas, dann war es 2017 und die Band auf einmal Geschichte. Dann schrieb ich für Batomae und dachte mir: "Okay, dann hauen wir jetzt noch mal eine EP raus." Beide EPs waren in dieser Hinsicht so erfolgreich, dass ich immer wieder Touren spielen konnte und immer mehr Leute kamen. Obendrein habe ich super schöne Support-Touren gespielt, zum Beispiel mit STAUBKIND und Alex Diehl. Plötzlich war es 2019, ich wollte mein Album rausbringen und da gab es noch einen Produzenten-Switch. Jetzt steht mein Team und auch schon 3/4 des Albums. Ich kann euch sagen, es wird großartig.
Um es auf den Punkt zu bringen: Das Album ist weitestgehend fertig und soll auch erscheinen?
Das Album wäre am 30.05.2020 erschienen. Aus gegebenem Anlass - wir wissen alle, dass dieses Jahr durch Corona bestimmt wird - habe ich die Veröffentlichung geschoben und nun wird es ungefähr ein Jahr später kommen. Also das Album liegt mehr oder weniger fertig da. Wir schreiben jetzt noch mal ein paar Songs und produzieren noch ein bisschen was. Es ist ein bisschen traurig, weil ich mich natürlich weiterentwickle und ich am liebsten schon im kommenden Jahr das nächste Album rausgehauen hätte. Dafür hab ich in 2020 viele Singles rausgehauen, an der Zahl sind es jetzt tatsächlich vier ("Immer Neu für dich", "Unser Lied", "An deiner Seite" und "Meine Reise", Anm. d. R.). Einige Songs, die auf das Album sollten, sind nun natürlich schon "verfeuert" und ich will den Fans jetzt nicht sagen: "Ihr bekommt noch drei neue Songs und das ist mein Album". Ich möchte etwas bieten und auch ich selbst habe Bock, habe Songs, möchte mich ausdrücken und habe auch viele neue Dinge erlebt. So nutzen wir jetzt die Zeit, noch ein paar neue Songs mit aufs Album zu packen und dann kommt hoffentlich im Frühjahr 2021 mein Debüt-Album ...
Wie Du schon gesagt hast, es wird kein "Best Of" mit dem Stoff der Batomae EPs, sondern es werden neue Songs drauf sein?
Sicherlich werden die bisher veröffentlichten Singles mit auf dem Album sein, aber voraussichtlich keiner der Songs der ersten zwei EPs.
Wirst Du das auch wieder im Eigenvertrieb rausbringen oder wirst Du Dir dafür eine Plattenfirma suchen?
Wir schauen grad, ob wir einen Partner finden, der meine Musik und meinen Stil so feiert wie das kleine Team, welches wir gerade sind. Das eine oder andere Angebot liegt uns schon vor und wir merken, dass Interesse da ist, was ein unfassbar tolles Gefühl ist. Jetzt sehen wir mal, wie viel ich wert bin ... (lacht) Außerdem möchte ich natürlich auch, dass möglichst viele Menschen meine Musik hören können. Die Wahrscheinlichkeit dafür steigt, wenn man ein gewisses Budget und starken Partner an seiner Seite hat.
Unser Gespräch fing ja mit der aktuellen Single "Meine Reise" an, einem neuen Song. Dort bist Du mit der Künstlerin ela von ELAIZA im Duett zu hören. Wie kam es denn zu dieser Zusammenarbeit, wie habt Ihr Euch gefunden?
Ich kenne ela. jetzt schon - ich glaube - sechs Jahre. Sie war eine der Ersten die ich in Berlin kennen gelernt habe. Wir lernten uns bei einer Songwriting-Session kennen und verstanden uns auf Anhieb. Außerdem kennen wir Beide Natalie, die Kontrabassistin von ELAIZA. Sie ist eine gute Freundin von mir. Ela und ich wollten immer mal etwas zusammen machen, aber es ergab sich bisher nie so richtig. 2018 haben wir dann auf dem Reeperbahn-Festival in Hamburg gemeinsam mir Vlude "Meine Reise" geschrieben. Sie meinte direkt: "Den Song müsst Ihr als Duett rausbringen!" Allerdings verschwand er erstmal in meinem "Songs fürs Album"-Ordner bis wir ihn in diesem Frühjahr rausgeholt und direkt gefeiert haben. Ich rief ela. an und meinte: "Es ist Zeit für unser Duett, haste Bock?", und sie war direkt am Start. Ich finde wir klingen wirklich toll zusammen und auch das Video war ´ne Riesen Gaudi mit vielen Freunden. Unbedingt anschauen bzw. Anhören - "Meine Reise" - Batomae feat. ela.
Im Clip seid ja nicht nur Ihr beiden zu sehen, sondern auch wieder Jana Crämer. Wird sie also weiterhin ein Teil des Batomae-Kosmos sein und damit auch Teil der zukünftigen Live-Shows?
Auf jeden Fall wird sie immer ein Teil meines Kosmos bleiben, denn sie ist meine beste Freundin. (lacht) Und noch dazu haben wir zwei Firmen zusammen, das wissen die wenigsten. Wir werden immer für einander da sein und auf uns aufpassen, was beste Freunde eben so machen. Wann und wie wir wieder außerhalb der Schulkonzertlesungen gemeinsam auf der Bühne stehen werden weiß ich noch nicht. Aber sie wird hoffentlich oft in Reihe 1 stehen und die Konzerte genießen.
Steuert sie denn bei Dir auch ihre Erfahrungen als Künstler-Managerin bei?
Das hat sie sehr lange, genau so, wie ich ihr meine Erfahrungen als Künstler mitgab. Wir sind einfach ein sehr gutes Team, aber wir beide haben jetzt jeweils ein eigenes Management. Auch bei Jana geht es gut ab und wir hatten immer weniger Zeit, komplett im Kosmos des Anderen zu sein. Und was dann natürlich auch eine gewisse Schwierigkeit ist: Wenn man befreundet ist und gemeinsam arbeitet, da zofft man sich auch mal und es ist in manchen Punkten auch mal anstrengender, als wären wir einfach nur Kollegen. Deshalb freuen wir uns jetzt umso mehr, dass unsere Managements das alles machen und wir all unsere Ideen feiern - meistens zumindest. (lacht)
Nun erzählst Du gerade, dass Du für das kommende Jahr so einiges auf den Zettel hast. Videoclips, Album ... Wird denn auch die dazugehörige Tour nachgeholt?
Ja, die wird nachgeholt und es gibt auch schon die Termine. Im nächsten Mai wird die Tour dann auch zu meinem Debüt Album nachgeholt. Hoffentlich … Tickets gibt's auf jeden Fall schon jetzt auf Eventim.
Also quasi alles um ein Jahr verschoben ...
Genau. Einfach kurz die STOPP-Taste gedrückt und ein Jahr weiter geskippt. Natürlich in der Hoffnung, dass es dann auch möglich sein wird, denn das wissen wir alle nicht wirklich. Wir hoffen es natürlich, denn der ganzen Branche geht es nicht gut und wir brauchen die Bühnen, Clubs, Festivals, Konzerte und Fans …
Was der eine oder andere Leser vielleicht auch nicht weiß, ist, dass Du auch Lieder für andere schreibst oder geschrieben hast. Zum Beispiel "Musik sein" von Wincent Weiss. Es ist Deine Komposition, es war eine Riesen-Nummer, sie ging ordentlich steil, kassierte Platin und ließ den Bekanntheitsgrad von Wincent Weiss mächtig wachsen. Ärgerst Du Dich im Nachhinein nicht darüber, dass Du diesen Songs nicht selbst als Batomae veröffentlicht und damit den ganzen Ruhm direkt kassiert hast?
Hättest Du mir gesagt, dass ich diesen Ruhm auch auf jeden Fall bekomme, hätte ich mich noch ein bisschen mehr geärgert. Tatsächlich ist es so, dass ich damals nach Hause fuhr und wusste "Fucking hell - das ist ein Hit!" Damals hatte Wincent gerade mit "Ich trag' dich unter meiner Haut" von Elif gemeinsam mit Gestört aber Geil einen Radio-Hit. Da war er aber "nur" Featuring-Artist und noch kein wirklicher Star. "Musik sein" war dann sein Durchbruch und hat ihn schon ein gutes Stück zu dem Künstler gemacht, der er heute ist. Es war sein "Door opener". Aber ganz ehrlich, ich hab mich natürlich ein bisschen geärgert. Das war ja auch eine Session, bei der man gar nicht wusste, ob die den Song überhaupt wollen. Mein Bauchgefühl war schon so, dass ich dachte, wenn die ihn nicht wollen, dann will ich ihn auf jeden Fall. Am Ende wollten sie ihn doch und der Rest ist History. Und mal ganz ehrlich, selbst ein guter Song ist nicht gleich ein Hit. Man braucht ein Label was dranbleibt, ein Management was an den Song glaubt und einen Künstler, der alles für den Erfolg und den Song gibt und ihm Seele und Gesicht gibt. Das alles ist hier perfekt zusammen gekommen mit verdammt viel harter Arbeit und Durchhaltevermögen. Meinen allergrößten Respekt an jeden einzelnen von uns Writern über den Produzenten bis hin zum Label, Management, Radiostation und nicht zuletzt Wincent für die letzten vier Jahre. Einfach nur krass. Und jetzt bin ich dran … (lacht)
Das macht Dich übrigens sehr sympathisch, denn ich glaube, fast jeder andere hätte jetzt gesagt: "Nein, das gönne ich ihm von Herzen, ich hätte den Song gar nicht spielen wollen." Und Du sagst: "Ja, ärgert mich ..."
Ich glaube alles andere wäre gelogen. Ich meine, wir schwimmen in den gleichen Gewässern und es war sogar so, dass mich ein paar alte Schulfreunde angerufen haben und meinten: "Ey Digga, Du hast es geschafft, Du läufst im Radio!", weil selbst unsere Stimmen recht ähnlich klangen. Natürlich denkt man dann, diesen Erfolg hätte ich auch genommen. Aber mit mir wäre es ganz anders gelaufen und "Musik Sein" gehört zu Wincent. Ich gönne es ihm von ganzem Herzen, denn er hat wirklich alles gegeben, um dort zu sein, wo er jetzt ist. Er hat eine geile Band, er hat ein gutes Management, er geht einen super Weg und das muss man auch erst mal so durchziehen. Ich wünsche ihm nur das Allerbeste.
Wo hängt denn Dein Platin-Award für den Song oder gab es für Dich keinen?
Doch doch, den gab es schon. (lacht) Er stand ganz lange bei Jana, weil mein Studio in Berlin gerade umgebaut wird. Wenn ich ehrlich bin, weiß ich es gerade gar nicht, wo er überhaupt steht. Es ist wirklich wahr. Ich glaube, er steht bei meiner Mutter im Keller, weil dort gerade mein Übergangsstudio ist, da ich viel Zeit bei der Familie in NRW verbringe.
Auch las ich, dass Du für Namika im Studio den Bass bei ihrer Album-Produktion eingespielt hast. Jetzt sag' mir bitte nicht, dass das für den Nervtöter "Lieblingsmensch" war ...
Das weiß ich jetzt gerade gar nicht. Ich habe bei Namika tatsächlich viel hinter den Kulissen gearbeitet, weil ich damals noch Praktikant bei den Beatgees war. Auch eine lustige Story ... Ich finde zwar nicht, dass "Lieblingsmensch" ein "Nervtöter" ist aber ich kann Dir sagen, dass Freddy da die Gitarre eingespielt hat. Falls du also einen Schuldigen suchst ... (lacht)
Auch auf der Platte von Stefanie Heinzmann bist Du als Musiker zu hören. Sind das eher Ausnahmen oder bist Du öfter als Studiomusiker für andere tätig?
Das war tatsächlich die Zeit, als ich gerade in Berlin anfing. Ich war damals bei den Beatgees Praktikant, die Jungs machen superviele Pop-Produktionen und sind unfassbar erfolgreich. Ich hab zu Anfang erstmal nur Kaffee gekocht bis ich zeigen konnte, wie viele Instrumente ich spiele. Ab da wurde ich auch für die Produktionen eingespannt. Ich wollte mich aus meiner Komfortzone werfen und das hat auch sehr gut funktioniert. Obwohl es manchmal auch komisch war, wenn man am Wochenende vor tausenden von Menschen gespielt hat und am Montag dann irgendwie die Spülmaschine ausräumt und die Jungs fragte, ob sie ihren Kaffee lieber schwarz oder mit Milch trinken. Das war ´ne verrückte Zeit. Aber es hat sich total gelohnt, ich habe sehr viel gelernt und es war eine superschöne Zeit. Und heute bin ich Teil dieser Community hab mein Studio auf der gleichen Etage.
Das machst Du jetzt ja nicht mehr, Du bist kein Praktikant mehr. Womit bist Du denn jetzt im Moment pauschal beschäftigt? Was sind Deine aktuellen Projekte?
Momentan ist es so, dass mein Fokus auf meiner Albumproduktion liegt. Was sonst noch so möglich ist in diesem Jahr, wird sich zeigen.
Dann schlage ich vor, wir setzen dieses Gespräch fort, wenn Dein Album fertig und raus ist und ich mir auch eines Deiner Konzerte angesehen habe, was ich ja schon eh und je schön längst gemacht haben wollte, bisher aber nie dazu gekommen bin ...
Dann musst Du mal nach Dortmund kommen! Dortmund war bis jetzt immer ausverkauft ...
Okay. Bis dahin wünsche ich Dir auf jeden Fall viel Glück mit Deinen Vorhaben, vor allem mit dem Album und mit der Tour, was sich sehr interessant anhört. Ich hoffe, dass Du das so durchziehen kannst, wie Du es möchtest.
Dankeschön, die Daumen sind gedrückt!
Interview: Christian Reder
Bearbeitung: MB
Fotos: Pressematerial Batomae + Luxuslärm (u.a. Alex Kleis, Eckard Albrecht, Jan Köpke), Redaktion
Bearbeitung: MB
Fotos: Pressematerial Batomae + Luxuslärm (u.a. Alex Kleis, Eckard Albrecht, Jan Köpke), Redaktion