Interview vom 4. August 2020
Wir sind uns nicht ganz sicher, aber mit Peter Michailow hatten wir vor ein paar Tagen einen Interview-Gast, der wohl wie bisher kein anderer unserer Gäste für so viele andere Musiker-Kollegen und Bands live auf der Bühne und im Studio gespielt hat. Genau gezählt hat er sie selbst auch nicht, aber Pi mal Daumen kommt er seit seinem Studium im Jahre 1980 auf 60 Stationen. Entsprechend liest sich seine Vita. Allein zu DDR-Zeiten war er u.a. an der AMIGA BLUES BAND und dem MAMA BLUES PROJEKT ebenso beteiligt, wie an Lutz Kerschowskis großem Projekt BLANKENFELDER BOOGIE BAND. In der Jazz-Szene gehörte er außerdem zu den bekannteren Namen. Hier hinterließ er z.B. bei FUSION seine Spuren. Bands wie BAJAZZO, wo er in der Wendezeit einstieg, und LIFT zählen zu seinen längsten Stationen, aber auch internationale Namen wie Albert Hammond, Chaka Khan und Ricky Martin kann man in seinem Lebenslauf finden. Zuletzt fehlte Michailow bei Konzerten von LIFT und man fragt sich nun, ob er überhaupt noch dabei ist. Auch von einer "neuen Berufung" war zu hören. Diesen Fragen wollten wir in einem Gespräch mit dem Drummer nachgehen und auch mal schauen, wie er die Corona-Krise bisher überstanden hat. Wir sind uns - wie gesagt - nicht sicher, was die Vielzahl der Haltestellen seinr Karriere betrifft, aber ziemlich sicher, dass Euch dieses Interview eine Menge neuer Erkenntnisse und den Musiker Peter Michailow näher bringen wird ...
Bevor wir in Deine Geschichte eintauchen, lass uns zunächst mal über das Aktuelle sprechen. Du gehörst ja zu der Berufsgruppe, die schon seit vier Monaten Sonderurlaub von ganz oben bekommen hat. Wie hast Du die Zeit ohne Konzerte und ohne im Studio Musik aufnehmen zu können, verbracht?
Eigentlich ganz gut, auch wenn sich das komisch anhört. Ich mache ja nicht ausschließlich Musik, sondern habe mich schon seit ein paar Jahren etwas umorientiert. Und zwar bin ich inzwischen ein ganz normaler Lehrer für Musik und noch ein paar andere Sachen an einer amtlichen Schule. Also ich zähle zu den sogenannten Quereinsteigern. Deshalb war das mit dem Wegfall der Musik bei mir nicht ganz so dramatisch wie bei vielen anderen, die eben nur von der Musik abhängig sind. Aber ich kann diese Leute total verstehen und es nachvollziehen, was sie empfinden. Ich wäre ebenfalls ziemlich verzweifelt, wenn ich nur von der Musik leben müsste.
Du kennst Dich ja als langjähriger Musiker bestens aus mit der Materie, Du weißt, wie die Abläufe sind und was man wie bei Konzerten regeln kann. Hast Du eine alternative Idee zu den derzeit überall aufgestellten Beschränkungen und Verboten, die ein vernünftiges Arbeiten für euch Musiker unmöglich machen?
Ich finde, man könnte durchaus etwas mehr wagen, zum Beispiel die Abstände verringern. Aber natürlich wird das nicht gerne gehört. Ich persönlich glaube nicht, dass sich die Lage merklich verschlimmern wird, wenn man ein paar mehr Leute zu den Konzerten rein lässt. Ich weiß, das ist ein Thema, worüber wir stundenlang diskutieren können. Und du hast absolut Recht, es ist eine massive Beschränkung für einen Musiker. Es müsste sich das ganze Denken verändern, bevor wir wieder normal arbeiten können.
Du sagst es selber, es gibt zu diesem Thema unendlich viele und verschiedene Sichtweisen und Meinungen, die sogar schon dazu geführt haben, dass sich ehemals gute Freunde zerstritten haben, weil sie verschiedene Meinungen haben. Beobachtest Du das auch, wie aufgeheizt und explosiv die Stimmung ist? Wie empfindest Du generell die augenblickliche Gesamtsituation in der Szene?
Ja, das ist absolut richtig, was Du sagst. Mir ist das auf facebook auch schon passiert. Viele, die nicht meiner Meinung waren, haben sich selber gelöscht. Natürlich habe auch ich mich von einigen Leuten getrennt. Auf jeden Fall polarisiert die Sache ungemein, was ich ziemlich blöd finde, denn es betrifft uns alle gleich. Außerdem kann man es nicht festnageln als ein eindeutiges Prinzip, denn es gibt wie immer mehrere Varianten und Ansichten. Und solange das so ist, wird man dieses Thema auch nicht genau definieren können, was es gleichzeitig schwer macht, darüber zu diskutieren und zu reden. Für mich ist das sowieso eine sehr schwammige Sache. Wenn Dir ein Zahn weh tut und Du eine dicke Backe hast, ist die Sachlage eindeutig. Aber hier verhält es sich anders, das Ganze ist eher ein unsichtbarer Feind. Allerdings ist dieser Feind längst nicht so fett, wie man es sich vorstellt. Ich lese nämlich auch die Statistiken, die man sich zum Glück heute überall besorgen kann, wenn man es will. So erfährt man dann unter anderem, dass die Sterblichkeitsraten der letzten fünf Jahre erheblich höher gewesen sind als die Sterblichkeit in diesem Jahr. Deshalb verstehe ich umso weniger, wie restriktiv hier vorgegangen wird.
Um mal bei der Kulturszene zu bleiben: Was glaubst Du, wie wird es weitergehen? Wo siehst Du diese Szene - und da klammere ich jetzt mal die Massenbespaßung durch Florian Silbereisen und Carmen Nebel aus - im nächsten Jahr?
Ich glaube, sehr viele werden entmutigt sein und müssen sich eine andere Beschäftigung suchen, verlassen also ihren Orbit als Musiker. Sie werden das dann höchstens noch nebenbei machen. So wie ich es ja zuletzt auch getan habe. Ich hatte zwar genügend andere Angebote, aber genau das wollte ich nicht mehr. Glücklicherweise konnte ich bisher in meinem Leben meistens solche Sachen machen, die mir auch wirklich gefallen und Spaß gemacht haben. In der Regel habe ich bei den Angeboten zugesagt, weil ich die Musik mochte und schön fand, denn Musik gehört bei mir an die erste Stelle. Auf keinen Fall gehöre ich zu den Musikern mit dem Motto "Augen zu und nur die Gage im Blick". Das gab es bei mir noch nie. Viele leben aber danach, was bei mich die grundsätzliche Frage erzeugt: Wieso bin ich eigentlich Musiker geworden? Um mich zum Affen zu machen und auf der Bühne den Kasper für die Leute zu geben? Damit meine ich z.B. Coverbands und sonstigen Quatsch. Ich spucke jetzt große Töne, aber genau deshalb habe ich mir ja gesagt, das will ich nicht mehr, ich muss etwas anderes machen. Ich bin Musiker geworden, weil mir DEEP PURPLE gefallen hat und mich da vor allem Ian Paice (Anm. d. Red.: Schlagzeuger von DP) beeindruckt hat. Auf keinen Fall wurde ich aber Musiker, weil ich Udo Jürgens spielen will. Obwohl der noch einer der positiven Beispiele wäre. Aber es gibt eben viele Sachen, die gar nicht gehen und trotzdem gefragt sind.
Lass uns mal über Dich sprechen. Wo liegen denn Deine Wurzeln? Ich glaube, Michailow ist bulgarischen Ursprungs, oder?
Richtig, ich bin in Sofia geboren. Schon als Kind war ich viel im Ausland. Meine Mutter arbeitete als Lehrerin. Überall auf der Welt gibt es Schulen für Migranten, an denen auch bulgarische Lehrer unterrichten. Damals zu Ost-Zeiten waren wir vier Jahre in Bratislava und sind anschließend meinetwegen in die DDR gegangen. Ich habe mich nämlich in Berlin an einer Spezialschule für Musik beworben. Die haben mich genommen, aber dafür mussten wir hier bleiben.
Wie alt warst Du da?
Das war in der 9.Klasse, also ich war vierzehn oder fünfzehn
Zuletzt hatte ich zwei Deiner Kollegen im Interview, die auch Schlagzeug spielen. Beide kamen ohne Umschweife zu ihrem Instrument, dem Schlagzeug. Am Anfang spielten sie interessanterweise sogar mit Kochlöffeln auf Einrichtungsgegenständen. Wie war das bei Dir? War von Anfang an klar, dass Du Schlagzeuger werden willst oder wolltest Du zunächst mal die Mädels mit Gitarre spielen beeindrucken?
(lacht) Nein, überhaupt nicht. Ich fand Musik schon immer interessant und schön. Und schon ganz früh, ich glaube, es war in der ersten oder zweiten Klasse, fiel mir immer wieder das Schlagzeug auf. Dann fing es bei mir ähnlich an wie bei den Kollegen, nur dass es bei mir die Stricknadeln meiner Oma waren. Gleichzeitig aber auch Bleistifte, mit denen ich auf Kisten oder Büchern versuchte zu spielen. Im Prinzip hat jeder Schlagzeuger mal auf diese Art angefangen. Etwas später dann, im Teenager-Alter, besorgte ich mir immer ein paar Schallplatten und habe mitgespielt. Jeden Nachmittag. Dazu musste mich keiner zwingen. In der 8. Klasse kam dann die Frage der Berufsorientierung auf. Ich hatte darauf keine wirkliche Antwort, weil ich darüber noch nicht nachgedacht hatte. Daraufhin meinte meine Mutter: "Du trommelst ja nun schon seit Jahren, also wirst Du Musiker. Ich bestimme das jetzt". Natürlich konnte ich mir damals noch nicht vorstellen, mal mit einer Band auf einer Bühne zu stehen und vor Publikum zu spielen. Das war auch nie mein Ziel. Mich hat einfach nur die Musik interessiert.
Das ist ja eine coole Geschichte, die ich so auch noch nicht gehört habe. Normalerweise waren die Eltern immer strikt dagegen und sagten: "Lerne erstmal etwas Vernünftiges, Musiker kannst Du immer noch werden". Deine Mutter dagegen bestimmt einfach mal so, Du wirst Schlagzeuger.
Ja, stimmt. Meine Mutter war immer sehr mutig, hat jeden Scheiß mitgemacht, hat fast alles akzeptiert und hat sehr dazu beigetragen, dass sich alles so entwickelt hat. Ohne sie wäre ich wahrscheinlich nicht so weit gekommen.
Wo hast Du denn Deine ersten Erfahrungen in Bands sammeln können?
In Berlin. Schon in meinem ersten Studienjahr, das war 1980/81, sprach sich herum, dass da so ein junger Kerl sei, der wohl ganz gut spielen kann. Damals war es üblich, dass Bandleader in die Hochschulen kamen, um sich die Leute selber anzuschauen und direkt in die Bands zu holen. Wir haben natürlich weiter studiert, aber an den Wochenenden spielten wir dann halt schon in den Bands mit, haben gemuggt. So war es bei mir auch. Mein erster Kontakt zu einer Band lief über die Hochschule.
Das heißt also, bis zu Deinem Studium hast Du in keiner Band gespielt, sondern nur für Dich allein getrommelt?
Genauso war es.
In Deiner Vita ist zu lesen, dass Du als freiberuflicher Live- und Studiomusiker an zahlreichen Produktionen und Konzertreisen beteiligt warst. War das bereits während Deines Studiums so oder kam das erst später?
Das hat sich mit der Zeit gesteigert. Anfangs, also in den ersten zwei Jahren, spielte ich nur in einer einzigen Band. Aber dann kamen immer mehr Anfragen von anderen Leuten. Vieles habe ich davon auch angenommen, weil es nicht so langfristige Sachen waren. So potenzierte sich das immer weiter und auf einmal war ich der Schlagzeuger, den man mieten kann. Ich hatte nun meistens ein bis zwei feste Bands und habe ansonsten immer mal irgendwo anders mitgemacht, eine Platte aufgenommen, eine Tournee mitgemacht usw.
Die Reihe der Bands, in denen Du schon dabei warst, ist bemerkenswert lang. Wie sahen denn die 80er Jahre bis zur Wende für Dich aus, in welchen Bands hast Du gespielt? Und welches war Deine erste Profistation?
Wenn Profistation heißt, ich habe damit Geld verdient, dann war das gleich in meiner ersten Band der Fall. Das war eine Jazzband mit Namen LILO. Die älteren Jazzfans im Osten dürften die Band noch kennen. Zwei, drei Jahre später war ich richtig stolz, dass ich bei FUSION einsteigen durfte. Das war für mich ein richtig großes Ding. Ich hatte vor allem vor Wolfgang Fiedler, dem Chef der Band, großen Respekt. Das war eine super Zeit, in der ich sehr viel gelernt habe. Kurios war, dass ich in Berlin in der Jazzszene groß geworden bin, obwohl ich gar nicht aus der Ecke kam, aber irgendwie hatte ich das richtige Feeling dafür. Eigentlich war es ja auch mehr Jazzrock, kein Swing oder so etwas. Bei LILO lernte ich vor allem bestimmte Standards zu spielen, aber nachher bei FUSION war es moderne, auskomponierte Musik. Die damaligen Vorbilder hießen Herbie Hancock, Chick Corea, George Benson, WEATHER REPORT und solche Sachen. Das versuchten wir bei FUSION nachzuempfinden.
Jetzt springen wir mal ein wenig, denn in Deiner Vita habe ich Namen gelesen wie Albert Hammond, Ricky Martin oder Chaka Khan. Das war natürlich alles schon nach der Wende. Wie kam es denn zur Kooperation mit diesen international tätigen und erfolgreichen Musikern und wie sah Dein Mitwirken bei denen aus?
Also bei Chaka Khan habe ich zweimal mitgespielt. Das passierte über eine Empfehlung. Sie war Mitte der Neunziger in Berlin und gab ein paar kleinere Konzerte in der Kulturbrauerei. Es gab da jemanden, der sie überzeugt hat, mich zu nehmen. Die suchten also wieder mal Musiker und haben bei mir angefragt. Mit Albert Hammond spielte ich öfter mal zusammen, aber das war immer im Fernsehen und jedes Mal Playback. Es lief also fast immer nach dem gleichen Muster ab: Empfehlung, Empfehlung, Empfehlung. Ich musste nie jemanden ansprechen, sondern hatte Schwein, dass man immer auf mich zukam.
Und dann hast Du bei national bekannten und ausgesprochen guten Bands und Leuten wie Pascal von Wroblewsky Deine Zeit verbracht. Du hast sie live unterstützt und ihr großartiges "Seventies Songbook" mit eingetrommelt. Kanntet Ihr Euch von BAJAZZO oder wie habt Ihr Euch gefunden?
Wir kannten uns tatsächlich noch aus DDR-Zeiten von BAJAZZO. Dann lief eine Weile nichts zwischen uns und Ende der Neunziger haben wir es wieder miteinander versucht, weil wir einfach Lust dazu hatten. Und diese Verbindung gibt es auch heute noch. So spielen wir zum Beispiel am 8. August zur Eröffnung des B-Flat-Clubs. Zu DDR-Zeiten gab es aber eine weitere Band, die ich sehr mochte, und zwar war das die Band von Angelika Weiz. Das war quasi eine Weiterführung von FUSION und damals ganz groß angesagt. Die Band nannte sich GOOD VIBRATION ORCHESTRA, oder kurz GVO.
Dann warst Du also auch an der Produktion dieses legendären Albums "Heimat" beteiligt?
Ja, aber dabei wurde auch schon viel mit dem Computer gearbeitet, so dass ich in erster Linie Overdubs und Snares dazu gespielt habe. Aber bei "Free", der zweiten Platte, die 1994 rauskam, habe ich dann voll mitgespielt.
Der Name BAJAZZO fiel ja eben schon. Dort hast Du Ende der Achtziger Michael Behm an den Trommeln abgelöst. Stimmt das?
Das war so: ich kannte Jürgen Heckel sehr gut, da ich ein paar Mal als Aushilfe bei BAJAZZO spielte. Immer dann, wenn Micha nicht konnte. Eines Tages sagte Jürgen Heckel zu mir, es würde musikalisch alles anders klingen, wenn ich dabei bin und er hätte große Lust, mit mir weiterzumachen. Ich habe mich also nicht rein gedrängelt. Micha war natürlich etwas sauer… Wir versuchen aber trotzdem, uns zu mögen.
Also warst Du während der Wendezeit bei BAJAZZO.
Eigentlich kam der Wechsel am Schlagzeug genau während der Wendezeit. Ab 1991 war ich dann auch offiziell ein ordentliches Mitglied bei BAJAZZO. Wir spielten ganz wunderbare Konzerte. Nur leider wurde es mit der Zeit immer weniger, was auch einer der Gründe war, weshalb bei mir die Alarmglocken angingen. Für qualitativ gute Musik wurde der Platz immer enger und weniger. Ich ahnte schon damals, dass in etwa zehn, zwanzig Jahren der Platz bei uns extrem eng wird. Ich begann jetzt als Musiklehrer Schlagzeug-Unterricht zu geben, um mir ein zweites Standbein aufzubauen. Ich wurde also eher zufällig ins Lehrerbecken geworfen. Man nennt das heutzutage Quereinsteiger. Diesen Job mache ich jetzt schon seit sieben Jahren.
Du sagst es selber, seit der Wende spielst Du in verschiedenen Bands oder/und Projekten und kriegst natürlich auch mit, wie sich die Kulturszene medial verändert hat. Im Rundfunk und auch im TV war es ja in den letzten Jahren so, dass man kräftig am Baum der Kultur gesägt hat. Viele Richtungen, in denen auch Du unterwegs bist, haben ja inzwischen gar keine Plattform mehr. Für die seichte Kost wie Schlager oder Volksmusik gibt es dagegen pro Woche gefühlt drei bis vier große Sendungen. Glaubst Du, dass das gewollt ist, dass manche Dinge gepusht werden und andere verdrängt, oder ist das einfach nur ein dummer Zufall und "natürliche Auslese"?
Keine Frage, das ist so gewollt. Egal, ob Schlager oder andere Musikarten gepowert werden, es muss auf jeden Fall gewollt sein, denn die Medien sind nicht der Alleinentscheider. Man könnte meinen, ich bin freiberuflich tätig und kann selber entscheiden, was ich spiele. Nein, ganz im Gegenteil: letztendlich entscheiden das die großen Multimediakonzerne. Es gibt da einen Pool in Holland, wo vorab selektiert wird, welche Musik im Popbereich ausgewählt und den Rundfunkstationen angeboten wird. Solche Sendungen wie in den 70ern, wo ein Musikredakteur einfach mal eine Sendung über seine Lieblingsband gemacht hat, gibt es heute gar nicht mehr. Diesen Luxus muss man sich leisten können, denn irgendwie sind sie doch alle abhängig von den großen Geldgebern, die alles bestimmen. Die Musikproduktionen laufen nach dem gleichen Muster ab. Meiner Meinung nach ist die Musik heute total fürchterlich geworden, auch die Popmusik, weil nämlich nur Dilettanten da sitzen. Die sollen sogar da sitzen, das ist gewollt. Angefangen vom Produzenten über die Musiker und Bands, die entmündigt werden und die nur das tun dürfen, was ihnen gesagt wird. Und die Autorenschaft sowie die Rechte an den Kompositionen bleiben bei den Produzenten. Die denken sich die Songs aus und produzieren sie selber, die Bands oder Solisten müssen sie nur noch singen. Früher gab es ja noch Bands wie LED ZEPPELIN, die alle ihre Songs selbst geschrieben haben. Da gab es höchstens noch jemanden, der sich um den Sound und bestimmte Abläufe gekümmert hat. Aber die Themen und die Ideen kamen von ihnen selber. Das gibt es heutzutage kaum noch. Es geht nur noch um das Business. Das hat die Sache total technisch gemacht und zur Verdummung der Menschen geführt. Diese ganze Elektronik war keine gute Sache.
Der Elektronik würde ich nun nicht unbedingt die Hauptschuld geben, sondern ich würde es eher auf diese seichte Schunkelszene schieben. Das hat vieles kaputt gemacht.
Mag sein. Aber es gab ja auch diese bestimmten monotonen Grooves und all dieses Zeug. In den 70er und 80er Jahren ging es noch. Da existierte das zwar auch schon, war aber in der breiten Masse kaum vertreten.
Mit BAJAZZO hattest Du noch das große Vergnügen, das 1994er Album "Caminos" mit zu produzieren. Das ist doch eigentlich so ein Ding, was man heute gar nicht mehr machen kann, oder?
Nein, heute unvorstellbar. Danach, also 1999, erschien noch ein Album, nämlich "Harlequin Galaxy", das haben wir bei einem Freund in der Nähe von Würzburg eingespielt, der dort ein Studio hatte. Wir ließen uns richtig viel Zeit und haben zwei Monate für die Aufnahmen gebraucht. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen.
Heutzutage macht man so etwas ja auch gerne mal im heimischen Wohnzimmer.
Ja, genau.
Inzwischen bist Du ja nicht mehr bei BAJAZZO. Da sitzt jetzt Christin Neddens hinter der Schießbude. Wann und warum bist Du da ausgestiegen?
Das geschah in gegenseitigem Einvernehmen. Jürgen hat mir von der aktuellen Platte immer mal wieder was vorgespielt, aber ich wurde irgendwie nicht richtig warm damit. Wir machten auch ein paar Probeaufnahmen, aber das klappte alles nicht so, wie wir es gewohnt waren. Allerdings muss ich auch zugeben, dass mein Interesse diesmal nicht so geweckt wurde wie bei den früheren BAJAZOO-Songs. Also probierte Jürgen es mit Christin und entschied sich am Ende für sie. Wahrscheinlich war für mich die Zeit bei BAJAZOO um, ich weiß es nicht.
Es ist immer wieder interessant, sich mit Musikern wie Dir zu unterhalten, denn wir sprachen ja schon darüber, dass Du für ganz viele andere Künstler im Studio gearbeitet hast. Bei solchen Gelegenheiten kommen oft die dollsten Klopper an die Sonne, wenn man erfährt, wo sie bei AMIGA sonst noch mitgespielt haben. Was war denn für Dich die ungewöhnlichste Produktion, an der Du beteiligt warst und welche für Dich nicht so gängige Richtung musstest Du schon bedienen?
Ungewöhnlich war vor allem, wie oft wir spontane Ideen im Studio versuchten umzusetzen. Das war jedes Mal aufs Neue interessant. Ansonsten fallen mir da vor allem die beiden angesprochenen BAJAZZO-Platten ein, weil wir da in einer sehr entspannten und produktiven Atmosphäre arbeiten konnten.
Das war ja nun eine Sache, an der Du aktiv als Mitglied einer Band beteiligt warst. Aber mich interessieren vor allem Deine Produktionen für andere Künstler.
Da wäre zum Beispiel meine Zusammenarbeit mit PENSION VOLKMANN erwähnenswert und spannend. Bei der Produktion ihrer letzten Platte zu DDR-Zeiten hat die Chemie zwischen uns total gut gestimmt. Bei der ersten "Westplatte" der PENSION VOLKMANN war ich ebenfalls dabei, auch das war ein schönes Erlebnis. Diese Platte nahmen wir im Studio von Martin Schreier auf. Auch interessant war mein Mitwirken bei der LP der BLANKENFELDER BOOGIE BAND. Die hatten zwar einen Live-Schlagzeuger, aber Lutz Kerschowski fragte mich, ob ich das im Studio machen möchte. Da habe ich natürlich ja gesagt. Das eigentlich Interessante daran ist aber die Geschichte danach. Lutz hatte Kontakte zu Rio Reiser und hat ihm die Bänder heimlich zum Mastern in den Western geschickt. Später einmal hat Rio Reiser nach mir gefragt, weil er sich an mich als Drummer auf dieser LP erinnert hat. Und so kam es, dass ich über die Connection von Lutz auf der letzten Tour von Rio Reiser als Schlagzeuger dabei war.
Das deckt sich ein bisschen mit dem, was mir vor kurzem Delle Kriese erzählt hat. Der kam auch über die BLANKENFELDER BOOGIE BAND zu Rio Reiser.
Das ist mir neu, das wusste ich nicht.
Irgendwo in Deiner Vita steht auch zu lesen: Mitglied in der "Kessel Buntes-Liveband". Wann war denn das? Und wie sah Dein Job dort aus? Habt ihr die internationalen Stars als Band begleitet?
Irgendwann wurde ja der "Kessel Buntes" aus dem Programm geworfen. Aber es gab noch eine Abschiedstournee, bestehend aus ca. sechzig Terminen. Das war der pure Wahnsinn. Finanziert wurde das Ganze, soweit ich mich erinnern kann, von Quelle. Und das lief genauso ab, wie Du sagtest. Wir waren die Begleitband für alle Künstler, die auf dieser Tournee auftraten. Peter Krauss war dabei, Ireen Sheer, Bernhard Brink und noch ganz viel weitere Künstler. Dazu kam eine riesige Armee an Technikern, Musikern, Tänzern, zum Beispiel ein tschechisches Ballett. Und dieser große Tross fuhr auf der Abschiedstour sechzig Mal durch die Gegend. Am Ende wussten wir gar nicht mehr, wo wir gerade waren und wo links und rechts ist, zumal wir auch nur drei oder vier Tage ohne Auftritt hatten.
Das war aber schon nach der Wende?
Ja, das war 1992. Für mich es das alles sehr interessant, weil ich zum ersten Mal erlebt habe, wie so etwas nach westlichen Standards ablief. Also so richtig mit Catering, mit Trucks, mit drei eigenen Köchen, mit Waschmaschinen usw. Lustigerweise kam die Band komplett aus dem Osten und wir kannten uns natürlich alle. Zum Beispiel waren Ferry Grott, Rene Decker, Michael Lehrmann, Michael Nass und Lexa Schäfer dabei. Und der zweite Pianist war Jazzgott Axel Donner.
Euch muss doch stellenweise richtig weh getan haben, was ihr da alles spielen musstet.
(lacht) Auf jeden Fall! Vergessen darf man auch nicht Karsten Speck, der die Shows moderiert hat. Es war trotzdem irgendwie ganz erträglich, weil man gutes Geld verdient hat. Aber wenn sich die Musiker untereinander gut verstehen, dann kann man diesen Quatsch, den man da zu spielen hatte, viel besser ertragen. Wir haben uns jedenfalls sehr oft totgelacht.
In den letzten Jahren warst Du als fester Schlagzeuger bei LIFT tätig. Genauer gesagt, seit 1997. Zuletzt wurde das Unternehmen LIFT ja auf zwei Leute heruntergebrochen. Ist diese Duo-Variante jetzt eine Dauerlösung oder bist Du immer noch teil von LIFT?
Diese Frage kann keiner so recht beantworten, weil keiner die Antwort kennt. Sogar wir ehemaligen Musiker nicht. Auf einmal gab es ein Stop aufgrund von Unstimmigkeiten. Mehr kann ich dazu nicht sagen.
Vor Dir saß Frank Hille bei LIFT am Schlagzeug. Wie kam es denn dazu, dass er damals die Band verließ und Du dort eingestiegen bist?
Das kann ich Dir auch nicht sagen, weil ich es nicht weiß. Bodo Kommnick rief mich eines Tages an und fragte, ob ich nicht Lust hätte, bei LIFT mitzuspielen. Das war 1998. Ich habe nicht gefragt, warum oder wieso. Auf jeden Fall hatte ich Frank Hille sehr geschätzt und gemocht, schon als er in der DDR bei Veronika Fischer und PANKOW spielte. Wir kannten uns auch persönlich und verstanden uns gut. Ich habe auch im Tränenpalast bei dem Benefizkonzert für sein Begräbnis mitgespielt. Ich war damals ganz schön fertig, wie schnell das alles ging… Aber warum nun gerade ich bei LIFT ausgesucht wurde, kann ich Dir wirklich nicht sagen. Vorher war ich noch nie länger als drei Jahre in einer Band und bei LIFT wurden es über zwanzig Jahre. Wahnsinn.
Wir haben ja jetzt nur einen kleinen Abriss Deines Lebens dargestellt, denn wenn man über alles redet, was Du so gemacht hast, könnte das schnell den Rahmen eines solchen Interviews sprengen. Hast Du eigentlich von all deinen Tätigkeiten Aufzeichnungen gemacht, falls Du eines Tages vielleicht mal ein Buch darüber schreiben willst?
Nein, habe ich leider nicht, aber an das meiste kann ich mich noch recht gut erinnern. Aber wer will sich so etwas schon angucken und durchlesen? Ich hätte tatsächlich noch viele interessante und auch lustige Geschichten, die ich erzählen könnte. Vieles davon habe ich mit Rene Decker erlebt, der ein guter Freund ist. Da könnte man wirklich mal was machen, da hast Du Recht.
Na dann erzähle doch mal eine dieser Geschichten.
Zum Beispiel habe ich mal mit einer afghanischen Band gespielt. Der Sänger dieser Band war in seinem Land ganz bekannt. Mit ihm habe ich fünf Jahre lang zusammengespielt. Wir waren weltweit unterwegs, weil es ja überall in der Welt Zentren gibt, wo Afghanen wohnen. Meist waren das große Städte. Und immer spielten wir vor drei- bis viertausend Leuten.
Also warst Du sozusagen mit einem afghanischen Musiker auf Welttournee.
Genau. Und das Lustige war, egal wo wir auch waren, ständig war ein großer Haufen Afghanen ums uns herum, die uns betreut haben. Die haben uns selbst in den Hotels nicht allein gelassen, sondern haben für uns gekocht. Es gibt übrigens auch sehr viele reiche Afghanen, meistens Geschäftsleute, die haben uns in Amerika ihre Häuser überlassen, wenn wir dort spielten. Und immer mittags klingelte die Familie an der Haustür, um uns supergutes Essen, welches sie selber zubereitet hatten, zu bringen. Die stellten das vor die Tür ihres eigenen Hauses und sind dann wieder verschwunden. Das muss man sich mal vorstellen! Also egal, wo wir gerade waren, man merkte überhaupt nicht, in welchem Land wir gerade spielten. Es wirkte alles immer irgendwie afghanisch.
Um noch ein paar Stationen zu nennen, ohne den Rahmen zu sprengen, sage ich einfach mal ein paar Stichworte und bitte Dich, kurz und knapp darauf zu antworten. Fangen wir mal an mit der AMIGA BLUESBAND.
Das ist die erste Platte gewesen. Die zweite nannte sich dann MAMA BLUES PROJEKT. Ich wurde damals von Joro Gogow gefragt, ob ich da mal mitspielen möchte. Da haben außer mir noch ziemlich viele Leute mitgemacht wie z.B. Waldi Weiz, Gala, "Pitti" Piatkowski und noch andere. Wir waren eine der ersten Bands, die in dem nagelneuen Popstudio in der Nalepastraße etwas aufnehmen durften, was natürlich echten Spaß gemacht hat. Leider gab es dazu aber keine Live-Tour.
Dann steht auf meinen Zettel der Name Franz Bartzsch.
Kennengelernt habe ich Franz über Bodo Kommnick. Wir haben gemeinsam eine Platte für Ute Freudenberg aufgenommen. Leider ist Franz Bartzsch dann kurze Zeit später gestorben. Er war ein ganz lieber Mensch und ein super Typ, überhaupt nicht abgehoben. Bodo kannte ihn noch viel besser. Die beiden haben u.a. zusammen Filmmusiken gemacht.
Gerhard Schöne...
Mit Gerhard wurde ich bekannt über den Schlagzeuger Rolo Rodriguez. Der war gerade im Begriff, nach Teneriffa auszuwandern, wo er auch heute noch lebt. Ich übernahm seinen Part bei Gerhard Schöne für zwei oder sogar drei Tourneen. Das Schöne an diesen Auftritten war, dass die Leute überall in Deutschland, egal ob in München oder Hamburg, die Lieder mitgesungen haben.
Tino Eisbrenner…
Mit Tino habe ich vor fünf Jahren ein paar Konzerte gespielt. Der hatte ein neues Projekt namens "Musik und Frieden" am Start und fragte mich, ob ich Lust hätte mitzuspielen.
Ein wichtiger Name kommt noch, nämlich Falkenberg.
Das lief damals über Peter "Bimbo" Rasym. IC meinte zu Bimbo, er solle einen Schlagzeuger für die Band aussuchen und da kam Bimbo auf mich.
Und schließlich steht hier noch das Wort Reisekader. Das bedeutet, Du warst zu DDR-Zeiten einer der Musiker, die auch in den Westen hätten reisen dürfen.
Ja, das durfte ich tatsächlich. Das lief aber nicht über die DDR und irgendwelche Ministerien, sondern begründete sich damit, dass ich bulgarischer Staatsbürger war. Es war zwar für einen Bulgaren auch ganz schwer, in den Westen zu kommen, aber wenn Du als Musiker ein paar Mal im Westen gespielt hattest, bekamst Du einen weltweit gültigen Pass. Dadurch hatte ich bereits seit 1986 die Möglichkeit zu reisen. Aber ich war nicht oft im Westen. Da fällt mir aber noch ein lustiges Erlebnis ein. 1987 war Sting mit seiner Platte "An Englishman in New York" auf Tournee. Und ich habe dann in einer lauen Sommernacht in der Westberliner Waldbühne zum ersten Mal Sting live gesehen. Wen sah ich dann aber ganz oben, da wo die Bierstände und die Futterbuden waren? Die halbe Ostszene! Die waren alle da. Müssen wohl alle Reisekader mit Dauervisum gewesen sein. (lacht)
Wie passt denn bei all Deinen musikalischen Welten, in denen Du unterwegs warst, ein Auftritt im Ludwigshafener "Tatort" rein? Ich sitze an einem Sonntagabend vor der Kiste, schaue einen Krimi und plötzlich erkenne ich Dich als Schlagzeuger in der Band des Hauptkommissars. Was war denn da passiert?
Ich kannte den Keyboarder dieser Band, Stefan Malzew. Der ist eigentlich Dirigent und wir kennen uns, weil wir früher zusammen Klassik studiert haben. Er war in der Dirigenten-Abteilung, während ich zum Schlagwerk gehörte. Ich weiß nicht mehr genau, warum und weshalb, aber er fragte mich, ob ich noch jemanden für eine Rolle im Tatort kennen würde. Aber nicht nur für einmal, sondern als Dauergast für jede weitere Folge. Wir haben das dann auch versucht, nahmen zwei, drei Lieder auf und spielten die während des Films als Playback. Das fanden auch alle gut, aber letztlich scheiterte es wohl am Geld. Wir wollten uns nicht mit einem Hunderter abspeisen lassen, sondern wollten eine ordentliche Gage bekommen. Aber trotzdem wollten wir mit Andreas Hoppe, dem Kommissar, eine Band aufmachen und probten sogar schon. Warum es dann letztlich nicht geklappt hat, weiß ich nicht mehr so genau.
Wenn man in den all den Jahren so viele Bands hatte und als Begleitmusiker für unzählige Solisten den richtigen Takt beigesteuert hat, ist die Frage erlaubt, ob es für Dich unter diesen insgesamt sechzig Bands so etwas wie eine Heimat gab? Also eine Band, zu der Dich zu 100 Prozent zugehörig gefühlt hast? Oder siehst Du Dich selber eher als Reisender in Sachen Schlagzeug?
Es gab tatsächlich ein bis zwei Bands, wo auch die zwischenmenschlichen Beziehungen gestimmt haben. In musikalischer Hinsicht habe ich mir ja eh immer nur Bands ausgesucht, die mir auch wirklich zugesagt hatten, deshalb gab es diesbezüglich auch nie ein Problem. Wichtig war vor allem, dass man sich auch menschlich versteht. Da passte es vor allem mit Angelika Weiz, aber auch mit BAJAZZO oder der PENSION VOLKMANN. Im Großen und Ganzen war es fast immer ein harmonisches Miteinander.
Deine Reisen haben Dich in die ganze Welt geführt. Du warst in den USA, in Kanada, in Russland, in England und vielen anderen europäischen Ländern. Wenn Du da mal zurückdenkst und die Geschichte mit dem afghanischen Musiker mal beiseite lässt, was waren für Dich die Highlights in all diesen Jahren?
Da muss ich überlegen… Wir haben zum Beispiel mit Yvonne Catterfeld mal als Vorband für Mariah Carey gespielt. Eigentlich dachten wir alle, die würden uns total beschissen behandeln und den Sound schlecht machen und uns auch menschlich als Zweitklässler behandeln. Aber es war am Ende das totale Gegenteil. Die haben die halbe Bühne für uns freigemacht, ungefragt von unseren Auftritten DVD-Mitschnitte angefertigt usw. Die waren also wirklich extrem nett zu uns. Es ist natürlich sehr erhebend, vor solchen Leuten spielen zu dürfen, weil es einfach amtliche Stars sind. Ein anderes Highlight war es, Vorband von TOTO gewesen zu sein. Oder von SANTANA. Mit BELLBOOK & CANDLE hatten wir ebenfalls einige Festivalauftritte. Eigentlich gab es ständig solche Sachen.
Hast Du bei diesen Gelegenheiten die "großen Tiere" denn auch persönlich kennenlernen können oder hielten die sich eher im Hintergrund und kamen immer nur zur Show auf die Bühne?
Nein, da gab es natürlich Kontakte. Zum Beispiel fasziniert mich bis heute die Percussion-Abteilung von SANTANA. Mit denen haben wir viel gequatscht. Alles total nette Leute. Auch mit Simon Phillips, dem Schlagzeuger von TOTO, gab es backstage gute Kontakte. Ebenso mit Steve Lukather, dem Gitarristen. Das sind echte Götter in der Rockmusik, die Du mal kennenlernen und mit ihnen ein paar Smalltalks halten durftest. Hier fand ich allerdings, dass wir als Yvonne Catterfeld Band überhaupt nicht zu einer Band wie TOTO passten. Wer sich sowas ausgedacht hat… In Erinnerung ist mir noch, dass alle TOTO-Musiker mitten im heißesten Sommer backstage in richtig dicken Frottee-Bademänteln rumgelaufen sind. Keine Ahnung, warum, aber es war lustig.
Ist denn diese Reiselust in Sachen Musik bei Dir nach wie vor so groß, dass es Fortsetzungen oder Wiederholungen geben wird oder hast Du inzwischen keine Lust mehr auf diese ganze Tingelei?
Ja, ein bisschen schon. Man wird ja auch ein bisschen älter. Schon vor ein paar Jahren sagte ich mir: "Oh nein, schon wieder so viele Kilometer auf der Autobahn… im Hotel übernachten…". Das Spielen selber, die Konzerte an sich, haben mir immer Spaß gemacht, aber das ganze Drumherum nervte mich irgendwann schon etwas. Es war nicht wirklich schlimm, aber nahm mir doch etwas die Lust. Damals bei meinem afghanischen Musikerfreund habe ich sogar mal ein Konzert abgesagt, weil ich keinen Bock hatte, für diesen einen Gig extra nach San Francisco zu fliegen. Die haben mich alle angeguckt, als hätte ich nicht mehr alle beisammen.
Es hört sich jetzt auch tatsächlich so an, als würde es sich auf Deinem zweiten Standbein als Lehrer ganz gut stehen. Gibt es bei Dir für die Zukunft trotzdem noch ein paar musikalische Pläne?
Ja, es gibt für Dezember eine Sache, die geplant ist. Mit Jannis Zotos, dem Chef des b-flat in Berlin, habe ich schon seit Urzeiten eine Band. Und wir wollen zum Ende Jahres mit Maria Simon ein paar Sachen zusammen machen. Aber ich bin sehr skeptisch wegen dieser zweiten Corona-Welle, die schon langsam vorbereitet wird, ob das überhaupt stattfinden kann.
Jetzt haben wir eine ganze Stunde geredet und festgestellt, dass bei Dir vieles über Beziehungen, Connections und Anfragen zustande kam. Man kann also sagen, dass Peter Michailow und der Zufall gute Freunde sind?
Ja, kann man so sagen. Aber natürlich bin ich in meinem Job auch gut! (lacht) Das ist letztlich ja überall in der Musikwelt so, dass man über Freundeskreise oder sonstige Netzwerke weiterkommt. Das ist selbst bei großen Bands so. Man arbeitet zusammen und empfiehlt sich untereinander. Zumindest gilt das für Musiker, die in vielen verschiedenen Bands spielen. Natürlich haben die Leute, die ständig bei Grönemeyer spielen, oder die Rhythmusabteilung von Peter Maffay und Lindenberg diese Sorgen nicht. Die sind fest engagiert und bekommen Jahresgagen.
Damit sind wir am Ende. Möchtest Du abschließend noch ein paar Worte an die Leser richten?
Klar. Leute, pickt Euch immer wieder neue Sounds heraus, hört viel Musik und bleibt am Ball. Aber ich weiß, die Fans der Deutschen Mugge sind musikalisch eh gut drauf.
Bevor wir in Deine Geschichte eintauchen, lass uns zunächst mal über das Aktuelle sprechen. Du gehörst ja zu der Berufsgruppe, die schon seit vier Monaten Sonderurlaub von ganz oben bekommen hat. Wie hast Du die Zeit ohne Konzerte und ohne im Studio Musik aufnehmen zu können, verbracht?
Eigentlich ganz gut, auch wenn sich das komisch anhört. Ich mache ja nicht ausschließlich Musik, sondern habe mich schon seit ein paar Jahren etwas umorientiert. Und zwar bin ich inzwischen ein ganz normaler Lehrer für Musik und noch ein paar andere Sachen an einer amtlichen Schule. Also ich zähle zu den sogenannten Quereinsteigern. Deshalb war das mit dem Wegfall der Musik bei mir nicht ganz so dramatisch wie bei vielen anderen, die eben nur von der Musik abhängig sind. Aber ich kann diese Leute total verstehen und es nachvollziehen, was sie empfinden. Ich wäre ebenfalls ziemlich verzweifelt, wenn ich nur von der Musik leben müsste.
Du kennst Dich ja als langjähriger Musiker bestens aus mit der Materie, Du weißt, wie die Abläufe sind und was man wie bei Konzerten regeln kann. Hast Du eine alternative Idee zu den derzeit überall aufgestellten Beschränkungen und Verboten, die ein vernünftiges Arbeiten für euch Musiker unmöglich machen?
Ich finde, man könnte durchaus etwas mehr wagen, zum Beispiel die Abstände verringern. Aber natürlich wird das nicht gerne gehört. Ich persönlich glaube nicht, dass sich die Lage merklich verschlimmern wird, wenn man ein paar mehr Leute zu den Konzerten rein lässt. Ich weiß, das ist ein Thema, worüber wir stundenlang diskutieren können. Und du hast absolut Recht, es ist eine massive Beschränkung für einen Musiker. Es müsste sich das ganze Denken verändern, bevor wir wieder normal arbeiten können.
Du sagst es selber, es gibt zu diesem Thema unendlich viele und verschiedene Sichtweisen und Meinungen, die sogar schon dazu geführt haben, dass sich ehemals gute Freunde zerstritten haben, weil sie verschiedene Meinungen haben. Beobachtest Du das auch, wie aufgeheizt und explosiv die Stimmung ist? Wie empfindest Du generell die augenblickliche Gesamtsituation in der Szene?
Ja, das ist absolut richtig, was Du sagst. Mir ist das auf facebook auch schon passiert. Viele, die nicht meiner Meinung waren, haben sich selber gelöscht. Natürlich habe auch ich mich von einigen Leuten getrennt. Auf jeden Fall polarisiert die Sache ungemein, was ich ziemlich blöd finde, denn es betrifft uns alle gleich. Außerdem kann man es nicht festnageln als ein eindeutiges Prinzip, denn es gibt wie immer mehrere Varianten und Ansichten. Und solange das so ist, wird man dieses Thema auch nicht genau definieren können, was es gleichzeitig schwer macht, darüber zu diskutieren und zu reden. Für mich ist das sowieso eine sehr schwammige Sache. Wenn Dir ein Zahn weh tut und Du eine dicke Backe hast, ist die Sachlage eindeutig. Aber hier verhält es sich anders, das Ganze ist eher ein unsichtbarer Feind. Allerdings ist dieser Feind längst nicht so fett, wie man es sich vorstellt. Ich lese nämlich auch die Statistiken, die man sich zum Glück heute überall besorgen kann, wenn man es will. So erfährt man dann unter anderem, dass die Sterblichkeitsraten der letzten fünf Jahre erheblich höher gewesen sind als die Sterblichkeit in diesem Jahr. Deshalb verstehe ich umso weniger, wie restriktiv hier vorgegangen wird.
Um mal bei der Kulturszene zu bleiben: Was glaubst Du, wie wird es weitergehen? Wo siehst Du diese Szene - und da klammere ich jetzt mal die Massenbespaßung durch Florian Silbereisen und Carmen Nebel aus - im nächsten Jahr?
Ich glaube, sehr viele werden entmutigt sein und müssen sich eine andere Beschäftigung suchen, verlassen also ihren Orbit als Musiker. Sie werden das dann höchstens noch nebenbei machen. So wie ich es ja zuletzt auch getan habe. Ich hatte zwar genügend andere Angebote, aber genau das wollte ich nicht mehr. Glücklicherweise konnte ich bisher in meinem Leben meistens solche Sachen machen, die mir auch wirklich gefallen und Spaß gemacht haben. In der Regel habe ich bei den Angeboten zugesagt, weil ich die Musik mochte und schön fand, denn Musik gehört bei mir an die erste Stelle. Auf keinen Fall gehöre ich zu den Musikern mit dem Motto "Augen zu und nur die Gage im Blick". Das gab es bei mir noch nie. Viele leben aber danach, was bei mich die grundsätzliche Frage erzeugt: Wieso bin ich eigentlich Musiker geworden? Um mich zum Affen zu machen und auf der Bühne den Kasper für die Leute zu geben? Damit meine ich z.B. Coverbands und sonstigen Quatsch. Ich spucke jetzt große Töne, aber genau deshalb habe ich mir ja gesagt, das will ich nicht mehr, ich muss etwas anderes machen. Ich bin Musiker geworden, weil mir DEEP PURPLE gefallen hat und mich da vor allem Ian Paice (Anm. d. Red.: Schlagzeuger von DP) beeindruckt hat. Auf keinen Fall wurde ich aber Musiker, weil ich Udo Jürgens spielen will. Obwohl der noch einer der positiven Beispiele wäre. Aber es gibt eben viele Sachen, die gar nicht gehen und trotzdem gefragt sind.
Lass uns mal über Dich sprechen. Wo liegen denn Deine Wurzeln? Ich glaube, Michailow ist bulgarischen Ursprungs, oder?
Richtig, ich bin in Sofia geboren. Schon als Kind war ich viel im Ausland. Meine Mutter arbeitete als Lehrerin. Überall auf der Welt gibt es Schulen für Migranten, an denen auch bulgarische Lehrer unterrichten. Damals zu Ost-Zeiten waren wir vier Jahre in Bratislava und sind anschließend meinetwegen in die DDR gegangen. Ich habe mich nämlich in Berlin an einer Spezialschule für Musik beworben. Die haben mich genommen, aber dafür mussten wir hier bleiben.
Wie alt warst Du da?
Das war in der 9.Klasse, also ich war vierzehn oder fünfzehn
Zuletzt hatte ich zwei Deiner Kollegen im Interview, die auch Schlagzeug spielen. Beide kamen ohne Umschweife zu ihrem Instrument, dem Schlagzeug. Am Anfang spielten sie interessanterweise sogar mit Kochlöffeln auf Einrichtungsgegenständen. Wie war das bei Dir? War von Anfang an klar, dass Du Schlagzeuger werden willst oder wolltest Du zunächst mal die Mädels mit Gitarre spielen beeindrucken?
(lacht) Nein, überhaupt nicht. Ich fand Musik schon immer interessant und schön. Und schon ganz früh, ich glaube, es war in der ersten oder zweiten Klasse, fiel mir immer wieder das Schlagzeug auf. Dann fing es bei mir ähnlich an wie bei den Kollegen, nur dass es bei mir die Stricknadeln meiner Oma waren. Gleichzeitig aber auch Bleistifte, mit denen ich auf Kisten oder Büchern versuchte zu spielen. Im Prinzip hat jeder Schlagzeuger mal auf diese Art angefangen. Etwas später dann, im Teenager-Alter, besorgte ich mir immer ein paar Schallplatten und habe mitgespielt. Jeden Nachmittag. Dazu musste mich keiner zwingen. In der 8. Klasse kam dann die Frage der Berufsorientierung auf. Ich hatte darauf keine wirkliche Antwort, weil ich darüber noch nicht nachgedacht hatte. Daraufhin meinte meine Mutter: "Du trommelst ja nun schon seit Jahren, also wirst Du Musiker. Ich bestimme das jetzt". Natürlich konnte ich mir damals noch nicht vorstellen, mal mit einer Band auf einer Bühne zu stehen und vor Publikum zu spielen. Das war auch nie mein Ziel. Mich hat einfach nur die Musik interessiert.
Das ist ja eine coole Geschichte, die ich so auch noch nicht gehört habe. Normalerweise waren die Eltern immer strikt dagegen und sagten: "Lerne erstmal etwas Vernünftiges, Musiker kannst Du immer noch werden". Deine Mutter dagegen bestimmt einfach mal so, Du wirst Schlagzeuger.
Ja, stimmt. Meine Mutter war immer sehr mutig, hat jeden Scheiß mitgemacht, hat fast alles akzeptiert und hat sehr dazu beigetragen, dass sich alles so entwickelt hat. Ohne sie wäre ich wahrscheinlich nicht so weit gekommen.
Wo hast Du denn Deine ersten Erfahrungen in Bands sammeln können?
In Berlin. Schon in meinem ersten Studienjahr, das war 1980/81, sprach sich herum, dass da so ein junger Kerl sei, der wohl ganz gut spielen kann. Damals war es üblich, dass Bandleader in die Hochschulen kamen, um sich die Leute selber anzuschauen und direkt in die Bands zu holen. Wir haben natürlich weiter studiert, aber an den Wochenenden spielten wir dann halt schon in den Bands mit, haben gemuggt. So war es bei mir auch. Mein erster Kontakt zu einer Band lief über die Hochschule.
Das heißt also, bis zu Deinem Studium hast Du in keiner Band gespielt, sondern nur für Dich allein getrommelt?
Genauso war es.
In Deiner Vita ist zu lesen, dass Du als freiberuflicher Live- und Studiomusiker an zahlreichen Produktionen und Konzertreisen beteiligt warst. War das bereits während Deines Studiums so oder kam das erst später?
Das hat sich mit der Zeit gesteigert. Anfangs, also in den ersten zwei Jahren, spielte ich nur in einer einzigen Band. Aber dann kamen immer mehr Anfragen von anderen Leuten. Vieles habe ich davon auch angenommen, weil es nicht so langfristige Sachen waren. So potenzierte sich das immer weiter und auf einmal war ich der Schlagzeuger, den man mieten kann. Ich hatte nun meistens ein bis zwei feste Bands und habe ansonsten immer mal irgendwo anders mitgemacht, eine Platte aufgenommen, eine Tournee mitgemacht usw.
Die Reihe der Bands, in denen Du schon dabei warst, ist bemerkenswert lang. Wie sahen denn die 80er Jahre bis zur Wende für Dich aus, in welchen Bands hast Du gespielt? Und welches war Deine erste Profistation?
Wenn Profistation heißt, ich habe damit Geld verdient, dann war das gleich in meiner ersten Band der Fall. Das war eine Jazzband mit Namen LILO. Die älteren Jazzfans im Osten dürften die Band noch kennen. Zwei, drei Jahre später war ich richtig stolz, dass ich bei FUSION einsteigen durfte. Das war für mich ein richtig großes Ding. Ich hatte vor allem vor Wolfgang Fiedler, dem Chef der Band, großen Respekt. Das war eine super Zeit, in der ich sehr viel gelernt habe. Kurios war, dass ich in Berlin in der Jazzszene groß geworden bin, obwohl ich gar nicht aus der Ecke kam, aber irgendwie hatte ich das richtige Feeling dafür. Eigentlich war es ja auch mehr Jazzrock, kein Swing oder so etwas. Bei LILO lernte ich vor allem bestimmte Standards zu spielen, aber nachher bei FUSION war es moderne, auskomponierte Musik. Die damaligen Vorbilder hießen Herbie Hancock, Chick Corea, George Benson, WEATHER REPORT und solche Sachen. Das versuchten wir bei FUSION nachzuempfinden.
Jetzt springen wir mal ein wenig, denn in Deiner Vita habe ich Namen gelesen wie Albert Hammond, Ricky Martin oder Chaka Khan. Das war natürlich alles schon nach der Wende. Wie kam es denn zur Kooperation mit diesen international tätigen und erfolgreichen Musikern und wie sah Dein Mitwirken bei denen aus?
Also bei Chaka Khan habe ich zweimal mitgespielt. Das passierte über eine Empfehlung. Sie war Mitte der Neunziger in Berlin und gab ein paar kleinere Konzerte in der Kulturbrauerei. Es gab da jemanden, der sie überzeugt hat, mich zu nehmen. Die suchten also wieder mal Musiker und haben bei mir angefragt. Mit Albert Hammond spielte ich öfter mal zusammen, aber das war immer im Fernsehen und jedes Mal Playback. Es lief also fast immer nach dem gleichen Muster ab: Empfehlung, Empfehlung, Empfehlung. Ich musste nie jemanden ansprechen, sondern hatte Schwein, dass man immer auf mich zukam.
Und dann hast Du bei national bekannten und ausgesprochen guten Bands und Leuten wie Pascal von Wroblewsky Deine Zeit verbracht. Du hast sie live unterstützt und ihr großartiges "Seventies Songbook" mit eingetrommelt. Kanntet Ihr Euch von BAJAZZO oder wie habt Ihr Euch gefunden?
Wir kannten uns tatsächlich noch aus DDR-Zeiten von BAJAZZO. Dann lief eine Weile nichts zwischen uns und Ende der Neunziger haben wir es wieder miteinander versucht, weil wir einfach Lust dazu hatten. Und diese Verbindung gibt es auch heute noch. So spielen wir zum Beispiel am 8. August zur Eröffnung des B-Flat-Clubs. Zu DDR-Zeiten gab es aber eine weitere Band, die ich sehr mochte, und zwar war das die Band von Angelika Weiz. Das war quasi eine Weiterführung von FUSION und damals ganz groß angesagt. Die Band nannte sich GOOD VIBRATION ORCHESTRA, oder kurz GVO.
Dann warst Du also auch an der Produktion dieses legendären Albums "Heimat" beteiligt?
Ja, aber dabei wurde auch schon viel mit dem Computer gearbeitet, so dass ich in erster Linie Overdubs und Snares dazu gespielt habe. Aber bei "Free", der zweiten Platte, die 1994 rauskam, habe ich dann voll mitgespielt.
Der Name BAJAZZO fiel ja eben schon. Dort hast Du Ende der Achtziger Michael Behm an den Trommeln abgelöst. Stimmt das?
Das war so: ich kannte Jürgen Heckel sehr gut, da ich ein paar Mal als Aushilfe bei BAJAZZO spielte. Immer dann, wenn Micha nicht konnte. Eines Tages sagte Jürgen Heckel zu mir, es würde musikalisch alles anders klingen, wenn ich dabei bin und er hätte große Lust, mit mir weiterzumachen. Ich habe mich also nicht rein gedrängelt. Micha war natürlich etwas sauer… Wir versuchen aber trotzdem, uns zu mögen.
Also warst Du während der Wendezeit bei BAJAZZO.
Eigentlich kam der Wechsel am Schlagzeug genau während der Wendezeit. Ab 1991 war ich dann auch offiziell ein ordentliches Mitglied bei BAJAZZO. Wir spielten ganz wunderbare Konzerte. Nur leider wurde es mit der Zeit immer weniger, was auch einer der Gründe war, weshalb bei mir die Alarmglocken angingen. Für qualitativ gute Musik wurde der Platz immer enger und weniger. Ich ahnte schon damals, dass in etwa zehn, zwanzig Jahren der Platz bei uns extrem eng wird. Ich begann jetzt als Musiklehrer Schlagzeug-Unterricht zu geben, um mir ein zweites Standbein aufzubauen. Ich wurde also eher zufällig ins Lehrerbecken geworfen. Man nennt das heutzutage Quereinsteiger. Diesen Job mache ich jetzt schon seit sieben Jahren.
Du sagst es selber, seit der Wende spielst Du in verschiedenen Bands oder/und Projekten und kriegst natürlich auch mit, wie sich die Kulturszene medial verändert hat. Im Rundfunk und auch im TV war es ja in den letzten Jahren so, dass man kräftig am Baum der Kultur gesägt hat. Viele Richtungen, in denen auch Du unterwegs bist, haben ja inzwischen gar keine Plattform mehr. Für die seichte Kost wie Schlager oder Volksmusik gibt es dagegen pro Woche gefühlt drei bis vier große Sendungen. Glaubst Du, dass das gewollt ist, dass manche Dinge gepusht werden und andere verdrängt, oder ist das einfach nur ein dummer Zufall und "natürliche Auslese"?
Keine Frage, das ist so gewollt. Egal, ob Schlager oder andere Musikarten gepowert werden, es muss auf jeden Fall gewollt sein, denn die Medien sind nicht der Alleinentscheider. Man könnte meinen, ich bin freiberuflich tätig und kann selber entscheiden, was ich spiele. Nein, ganz im Gegenteil: letztendlich entscheiden das die großen Multimediakonzerne. Es gibt da einen Pool in Holland, wo vorab selektiert wird, welche Musik im Popbereich ausgewählt und den Rundfunkstationen angeboten wird. Solche Sendungen wie in den 70ern, wo ein Musikredakteur einfach mal eine Sendung über seine Lieblingsband gemacht hat, gibt es heute gar nicht mehr. Diesen Luxus muss man sich leisten können, denn irgendwie sind sie doch alle abhängig von den großen Geldgebern, die alles bestimmen. Die Musikproduktionen laufen nach dem gleichen Muster ab. Meiner Meinung nach ist die Musik heute total fürchterlich geworden, auch die Popmusik, weil nämlich nur Dilettanten da sitzen. Die sollen sogar da sitzen, das ist gewollt. Angefangen vom Produzenten über die Musiker und Bands, die entmündigt werden und die nur das tun dürfen, was ihnen gesagt wird. Und die Autorenschaft sowie die Rechte an den Kompositionen bleiben bei den Produzenten. Die denken sich die Songs aus und produzieren sie selber, die Bands oder Solisten müssen sie nur noch singen. Früher gab es ja noch Bands wie LED ZEPPELIN, die alle ihre Songs selbst geschrieben haben. Da gab es höchstens noch jemanden, der sich um den Sound und bestimmte Abläufe gekümmert hat. Aber die Themen und die Ideen kamen von ihnen selber. Das gibt es heutzutage kaum noch. Es geht nur noch um das Business. Das hat die Sache total technisch gemacht und zur Verdummung der Menschen geführt. Diese ganze Elektronik war keine gute Sache.
Der Elektronik würde ich nun nicht unbedingt die Hauptschuld geben, sondern ich würde es eher auf diese seichte Schunkelszene schieben. Das hat vieles kaputt gemacht.
Mag sein. Aber es gab ja auch diese bestimmten monotonen Grooves und all dieses Zeug. In den 70er und 80er Jahren ging es noch. Da existierte das zwar auch schon, war aber in der breiten Masse kaum vertreten.
Mit BAJAZZO hattest Du noch das große Vergnügen, das 1994er Album "Caminos" mit zu produzieren. Das ist doch eigentlich so ein Ding, was man heute gar nicht mehr machen kann, oder?
Nein, heute unvorstellbar. Danach, also 1999, erschien noch ein Album, nämlich "Harlequin Galaxy", das haben wir bei einem Freund in der Nähe von Würzburg eingespielt, der dort ein Studio hatte. Wir ließen uns richtig viel Zeit und haben zwei Monate für die Aufnahmen gebraucht. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen.
Heutzutage macht man so etwas ja auch gerne mal im heimischen Wohnzimmer.
Ja, genau.
Inzwischen bist Du ja nicht mehr bei BAJAZZO. Da sitzt jetzt Christin Neddens hinter der Schießbude. Wann und warum bist Du da ausgestiegen?
Das geschah in gegenseitigem Einvernehmen. Jürgen hat mir von der aktuellen Platte immer mal wieder was vorgespielt, aber ich wurde irgendwie nicht richtig warm damit. Wir machten auch ein paar Probeaufnahmen, aber das klappte alles nicht so, wie wir es gewohnt waren. Allerdings muss ich auch zugeben, dass mein Interesse diesmal nicht so geweckt wurde wie bei den früheren BAJAZOO-Songs. Also probierte Jürgen es mit Christin und entschied sich am Ende für sie. Wahrscheinlich war für mich die Zeit bei BAJAZOO um, ich weiß es nicht.
Es ist immer wieder interessant, sich mit Musikern wie Dir zu unterhalten, denn wir sprachen ja schon darüber, dass Du für ganz viele andere Künstler im Studio gearbeitet hast. Bei solchen Gelegenheiten kommen oft die dollsten Klopper an die Sonne, wenn man erfährt, wo sie bei AMIGA sonst noch mitgespielt haben. Was war denn für Dich die ungewöhnlichste Produktion, an der Du beteiligt warst und welche für Dich nicht so gängige Richtung musstest Du schon bedienen?
Ungewöhnlich war vor allem, wie oft wir spontane Ideen im Studio versuchten umzusetzen. Das war jedes Mal aufs Neue interessant. Ansonsten fallen mir da vor allem die beiden angesprochenen BAJAZZO-Platten ein, weil wir da in einer sehr entspannten und produktiven Atmosphäre arbeiten konnten.
Das war ja nun eine Sache, an der Du aktiv als Mitglied einer Band beteiligt warst. Aber mich interessieren vor allem Deine Produktionen für andere Künstler.
Da wäre zum Beispiel meine Zusammenarbeit mit PENSION VOLKMANN erwähnenswert und spannend. Bei der Produktion ihrer letzten Platte zu DDR-Zeiten hat die Chemie zwischen uns total gut gestimmt. Bei der ersten "Westplatte" der PENSION VOLKMANN war ich ebenfalls dabei, auch das war ein schönes Erlebnis. Diese Platte nahmen wir im Studio von Martin Schreier auf. Auch interessant war mein Mitwirken bei der LP der BLANKENFELDER BOOGIE BAND. Die hatten zwar einen Live-Schlagzeuger, aber Lutz Kerschowski fragte mich, ob ich das im Studio machen möchte. Da habe ich natürlich ja gesagt. Das eigentlich Interessante daran ist aber die Geschichte danach. Lutz hatte Kontakte zu Rio Reiser und hat ihm die Bänder heimlich zum Mastern in den Western geschickt. Später einmal hat Rio Reiser nach mir gefragt, weil er sich an mich als Drummer auf dieser LP erinnert hat. Und so kam es, dass ich über die Connection von Lutz auf der letzten Tour von Rio Reiser als Schlagzeuger dabei war.
Das deckt sich ein bisschen mit dem, was mir vor kurzem Delle Kriese erzählt hat. Der kam auch über die BLANKENFELDER BOOGIE BAND zu Rio Reiser.
Das ist mir neu, das wusste ich nicht.
Irgendwo in Deiner Vita steht auch zu lesen: Mitglied in der "Kessel Buntes-Liveband". Wann war denn das? Und wie sah Dein Job dort aus? Habt ihr die internationalen Stars als Band begleitet?
Irgendwann wurde ja der "Kessel Buntes" aus dem Programm geworfen. Aber es gab noch eine Abschiedstournee, bestehend aus ca. sechzig Terminen. Das war der pure Wahnsinn. Finanziert wurde das Ganze, soweit ich mich erinnern kann, von Quelle. Und das lief genauso ab, wie Du sagtest. Wir waren die Begleitband für alle Künstler, die auf dieser Tournee auftraten. Peter Krauss war dabei, Ireen Sheer, Bernhard Brink und noch ganz viel weitere Künstler. Dazu kam eine riesige Armee an Technikern, Musikern, Tänzern, zum Beispiel ein tschechisches Ballett. Und dieser große Tross fuhr auf der Abschiedstour sechzig Mal durch die Gegend. Am Ende wussten wir gar nicht mehr, wo wir gerade waren und wo links und rechts ist, zumal wir auch nur drei oder vier Tage ohne Auftritt hatten.
Das war aber schon nach der Wende?
Ja, das war 1992. Für mich es das alles sehr interessant, weil ich zum ersten Mal erlebt habe, wie so etwas nach westlichen Standards ablief. Also so richtig mit Catering, mit Trucks, mit drei eigenen Köchen, mit Waschmaschinen usw. Lustigerweise kam die Band komplett aus dem Osten und wir kannten uns natürlich alle. Zum Beispiel waren Ferry Grott, Rene Decker, Michael Lehrmann, Michael Nass und Lexa Schäfer dabei. Und der zweite Pianist war Jazzgott Axel Donner.
Euch muss doch stellenweise richtig weh getan haben, was ihr da alles spielen musstet.
(lacht) Auf jeden Fall! Vergessen darf man auch nicht Karsten Speck, der die Shows moderiert hat. Es war trotzdem irgendwie ganz erträglich, weil man gutes Geld verdient hat. Aber wenn sich die Musiker untereinander gut verstehen, dann kann man diesen Quatsch, den man da zu spielen hatte, viel besser ertragen. Wir haben uns jedenfalls sehr oft totgelacht.
In den letzten Jahren warst Du als fester Schlagzeuger bei LIFT tätig. Genauer gesagt, seit 1997. Zuletzt wurde das Unternehmen LIFT ja auf zwei Leute heruntergebrochen. Ist diese Duo-Variante jetzt eine Dauerlösung oder bist Du immer noch teil von LIFT?
Diese Frage kann keiner so recht beantworten, weil keiner die Antwort kennt. Sogar wir ehemaligen Musiker nicht. Auf einmal gab es ein Stop aufgrund von Unstimmigkeiten. Mehr kann ich dazu nicht sagen.
Vor Dir saß Frank Hille bei LIFT am Schlagzeug. Wie kam es denn dazu, dass er damals die Band verließ und Du dort eingestiegen bist?
Das kann ich Dir auch nicht sagen, weil ich es nicht weiß. Bodo Kommnick rief mich eines Tages an und fragte, ob ich nicht Lust hätte, bei LIFT mitzuspielen. Das war 1998. Ich habe nicht gefragt, warum oder wieso. Auf jeden Fall hatte ich Frank Hille sehr geschätzt und gemocht, schon als er in der DDR bei Veronika Fischer und PANKOW spielte. Wir kannten uns auch persönlich und verstanden uns gut. Ich habe auch im Tränenpalast bei dem Benefizkonzert für sein Begräbnis mitgespielt. Ich war damals ganz schön fertig, wie schnell das alles ging… Aber warum nun gerade ich bei LIFT ausgesucht wurde, kann ich Dir wirklich nicht sagen. Vorher war ich noch nie länger als drei Jahre in einer Band und bei LIFT wurden es über zwanzig Jahre. Wahnsinn.
Wir haben ja jetzt nur einen kleinen Abriss Deines Lebens dargestellt, denn wenn man über alles redet, was Du so gemacht hast, könnte das schnell den Rahmen eines solchen Interviews sprengen. Hast Du eigentlich von all deinen Tätigkeiten Aufzeichnungen gemacht, falls Du eines Tages vielleicht mal ein Buch darüber schreiben willst?
Nein, habe ich leider nicht, aber an das meiste kann ich mich noch recht gut erinnern. Aber wer will sich so etwas schon angucken und durchlesen? Ich hätte tatsächlich noch viele interessante und auch lustige Geschichten, die ich erzählen könnte. Vieles davon habe ich mit Rene Decker erlebt, der ein guter Freund ist. Da könnte man wirklich mal was machen, da hast Du Recht.
Na dann erzähle doch mal eine dieser Geschichten.
Zum Beispiel habe ich mal mit einer afghanischen Band gespielt. Der Sänger dieser Band war in seinem Land ganz bekannt. Mit ihm habe ich fünf Jahre lang zusammengespielt. Wir waren weltweit unterwegs, weil es ja überall in der Welt Zentren gibt, wo Afghanen wohnen. Meist waren das große Städte. Und immer spielten wir vor drei- bis viertausend Leuten.
Also warst Du sozusagen mit einem afghanischen Musiker auf Welttournee.
Genau. Und das Lustige war, egal wo wir auch waren, ständig war ein großer Haufen Afghanen ums uns herum, die uns betreut haben. Die haben uns selbst in den Hotels nicht allein gelassen, sondern haben für uns gekocht. Es gibt übrigens auch sehr viele reiche Afghanen, meistens Geschäftsleute, die haben uns in Amerika ihre Häuser überlassen, wenn wir dort spielten. Und immer mittags klingelte die Familie an der Haustür, um uns supergutes Essen, welches sie selber zubereitet hatten, zu bringen. Die stellten das vor die Tür ihres eigenen Hauses und sind dann wieder verschwunden. Das muss man sich mal vorstellen! Also egal, wo wir gerade waren, man merkte überhaupt nicht, in welchem Land wir gerade spielten. Es wirkte alles immer irgendwie afghanisch.
Um noch ein paar Stationen zu nennen, ohne den Rahmen zu sprengen, sage ich einfach mal ein paar Stichworte und bitte Dich, kurz und knapp darauf zu antworten. Fangen wir mal an mit der AMIGA BLUESBAND.
Das ist die erste Platte gewesen. Die zweite nannte sich dann MAMA BLUES PROJEKT. Ich wurde damals von Joro Gogow gefragt, ob ich da mal mitspielen möchte. Da haben außer mir noch ziemlich viele Leute mitgemacht wie z.B. Waldi Weiz, Gala, "Pitti" Piatkowski und noch andere. Wir waren eine der ersten Bands, die in dem nagelneuen Popstudio in der Nalepastraße etwas aufnehmen durften, was natürlich echten Spaß gemacht hat. Leider gab es dazu aber keine Live-Tour.
Dann steht auf meinen Zettel der Name Franz Bartzsch.
Kennengelernt habe ich Franz über Bodo Kommnick. Wir haben gemeinsam eine Platte für Ute Freudenberg aufgenommen. Leider ist Franz Bartzsch dann kurze Zeit später gestorben. Er war ein ganz lieber Mensch und ein super Typ, überhaupt nicht abgehoben. Bodo kannte ihn noch viel besser. Die beiden haben u.a. zusammen Filmmusiken gemacht.
Gerhard Schöne...
Mit Gerhard wurde ich bekannt über den Schlagzeuger Rolo Rodriguez. Der war gerade im Begriff, nach Teneriffa auszuwandern, wo er auch heute noch lebt. Ich übernahm seinen Part bei Gerhard Schöne für zwei oder sogar drei Tourneen. Das Schöne an diesen Auftritten war, dass die Leute überall in Deutschland, egal ob in München oder Hamburg, die Lieder mitgesungen haben.
Tino Eisbrenner…
Mit Tino habe ich vor fünf Jahren ein paar Konzerte gespielt. Der hatte ein neues Projekt namens "Musik und Frieden" am Start und fragte mich, ob ich Lust hätte mitzuspielen.
Ein wichtiger Name kommt noch, nämlich Falkenberg.
Das lief damals über Peter "Bimbo" Rasym. IC meinte zu Bimbo, er solle einen Schlagzeuger für die Band aussuchen und da kam Bimbo auf mich.
Und schließlich steht hier noch das Wort Reisekader. Das bedeutet, Du warst zu DDR-Zeiten einer der Musiker, die auch in den Westen hätten reisen dürfen.
Ja, das durfte ich tatsächlich. Das lief aber nicht über die DDR und irgendwelche Ministerien, sondern begründete sich damit, dass ich bulgarischer Staatsbürger war. Es war zwar für einen Bulgaren auch ganz schwer, in den Westen zu kommen, aber wenn Du als Musiker ein paar Mal im Westen gespielt hattest, bekamst Du einen weltweit gültigen Pass. Dadurch hatte ich bereits seit 1986 die Möglichkeit zu reisen. Aber ich war nicht oft im Westen. Da fällt mir aber noch ein lustiges Erlebnis ein. 1987 war Sting mit seiner Platte "An Englishman in New York" auf Tournee. Und ich habe dann in einer lauen Sommernacht in der Westberliner Waldbühne zum ersten Mal Sting live gesehen. Wen sah ich dann aber ganz oben, da wo die Bierstände und die Futterbuden waren? Die halbe Ostszene! Die waren alle da. Müssen wohl alle Reisekader mit Dauervisum gewesen sein. (lacht)
Wie passt denn bei all Deinen musikalischen Welten, in denen Du unterwegs warst, ein Auftritt im Ludwigshafener "Tatort" rein? Ich sitze an einem Sonntagabend vor der Kiste, schaue einen Krimi und plötzlich erkenne ich Dich als Schlagzeuger in der Band des Hauptkommissars. Was war denn da passiert?
Ich kannte den Keyboarder dieser Band, Stefan Malzew. Der ist eigentlich Dirigent und wir kennen uns, weil wir früher zusammen Klassik studiert haben. Er war in der Dirigenten-Abteilung, während ich zum Schlagwerk gehörte. Ich weiß nicht mehr genau, warum und weshalb, aber er fragte mich, ob ich noch jemanden für eine Rolle im Tatort kennen würde. Aber nicht nur für einmal, sondern als Dauergast für jede weitere Folge. Wir haben das dann auch versucht, nahmen zwei, drei Lieder auf und spielten die während des Films als Playback. Das fanden auch alle gut, aber letztlich scheiterte es wohl am Geld. Wir wollten uns nicht mit einem Hunderter abspeisen lassen, sondern wollten eine ordentliche Gage bekommen. Aber trotzdem wollten wir mit Andreas Hoppe, dem Kommissar, eine Band aufmachen und probten sogar schon. Warum es dann letztlich nicht geklappt hat, weiß ich nicht mehr so genau.
Wenn man in den all den Jahren so viele Bands hatte und als Begleitmusiker für unzählige Solisten den richtigen Takt beigesteuert hat, ist die Frage erlaubt, ob es für Dich unter diesen insgesamt sechzig Bands so etwas wie eine Heimat gab? Also eine Band, zu der Dich zu 100 Prozent zugehörig gefühlt hast? Oder siehst Du Dich selber eher als Reisender in Sachen Schlagzeug?
Es gab tatsächlich ein bis zwei Bands, wo auch die zwischenmenschlichen Beziehungen gestimmt haben. In musikalischer Hinsicht habe ich mir ja eh immer nur Bands ausgesucht, die mir auch wirklich zugesagt hatten, deshalb gab es diesbezüglich auch nie ein Problem. Wichtig war vor allem, dass man sich auch menschlich versteht. Da passte es vor allem mit Angelika Weiz, aber auch mit BAJAZZO oder der PENSION VOLKMANN. Im Großen und Ganzen war es fast immer ein harmonisches Miteinander.
Deine Reisen haben Dich in die ganze Welt geführt. Du warst in den USA, in Kanada, in Russland, in England und vielen anderen europäischen Ländern. Wenn Du da mal zurückdenkst und die Geschichte mit dem afghanischen Musiker mal beiseite lässt, was waren für Dich die Highlights in all diesen Jahren?
Da muss ich überlegen… Wir haben zum Beispiel mit Yvonne Catterfeld mal als Vorband für Mariah Carey gespielt. Eigentlich dachten wir alle, die würden uns total beschissen behandeln und den Sound schlecht machen und uns auch menschlich als Zweitklässler behandeln. Aber es war am Ende das totale Gegenteil. Die haben die halbe Bühne für uns freigemacht, ungefragt von unseren Auftritten DVD-Mitschnitte angefertigt usw. Die waren also wirklich extrem nett zu uns. Es ist natürlich sehr erhebend, vor solchen Leuten spielen zu dürfen, weil es einfach amtliche Stars sind. Ein anderes Highlight war es, Vorband von TOTO gewesen zu sein. Oder von SANTANA. Mit BELLBOOK & CANDLE hatten wir ebenfalls einige Festivalauftritte. Eigentlich gab es ständig solche Sachen.
Hast Du bei diesen Gelegenheiten die "großen Tiere" denn auch persönlich kennenlernen können oder hielten die sich eher im Hintergrund und kamen immer nur zur Show auf die Bühne?
Nein, da gab es natürlich Kontakte. Zum Beispiel fasziniert mich bis heute die Percussion-Abteilung von SANTANA. Mit denen haben wir viel gequatscht. Alles total nette Leute. Auch mit Simon Phillips, dem Schlagzeuger von TOTO, gab es backstage gute Kontakte. Ebenso mit Steve Lukather, dem Gitarristen. Das sind echte Götter in der Rockmusik, die Du mal kennenlernen und mit ihnen ein paar Smalltalks halten durftest. Hier fand ich allerdings, dass wir als Yvonne Catterfeld Band überhaupt nicht zu einer Band wie TOTO passten. Wer sich sowas ausgedacht hat… In Erinnerung ist mir noch, dass alle TOTO-Musiker mitten im heißesten Sommer backstage in richtig dicken Frottee-Bademänteln rumgelaufen sind. Keine Ahnung, warum, aber es war lustig.
Ist denn diese Reiselust in Sachen Musik bei Dir nach wie vor so groß, dass es Fortsetzungen oder Wiederholungen geben wird oder hast Du inzwischen keine Lust mehr auf diese ganze Tingelei?
Ja, ein bisschen schon. Man wird ja auch ein bisschen älter. Schon vor ein paar Jahren sagte ich mir: "Oh nein, schon wieder so viele Kilometer auf der Autobahn… im Hotel übernachten…". Das Spielen selber, die Konzerte an sich, haben mir immer Spaß gemacht, aber das ganze Drumherum nervte mich irgendwann schon etwas. Es war nicht wirklich schlimm, aber nahm mir doch etwas die Lust. Damals bei meinem afghanischen Musikerfreund habe ich sogar mal ein Konzert abgesagt, weil ich keinen Bock hatte, für diesen einen Gig extra nach San Francisco zu fliegen. Die haben mich alle angeguckt, als hätte ich nicht mehr alle beisammen.
Es hört sich jetzt auch tatsächlich so an, als würde es sich auf Deinem zweiten Standbein als Lehrer ganz gut stehen. Gibt es bei Dir für die Zukunft trotzdem noch ein paar musikalische Pläne?
Ja, es gibt für Dezember eine Sache, die geplant ist. Mit Jannis Zotos, dem Chef des b-flat in Berlin, habe ich schon seit Urzeiten eine Band. Und wir wollen zum Ende Jahres mit Maria Simon ein paar Sachen zusammen machen. Aber ich bin sehr skeptisch wegen dieser zweiten Corona-Welle, die schon langsam vorbereitet wird, ob das überhaupt stattfinden kann.
Jetzt haben wir eine ganze Stunde geredet und festgestellt, dass bei Dir vieles über Beziehungen, Connections und Anfragen zustande kam. Man kann also sagen, dass Peter Michailow und der Zufall gute Freunde sind?
Ja, kann man so sagen. Aber natürlich bin ich in meinem Job auch gut! (lacht) Das ist letztlich ja überall in der Musikwelt so, dass man über Freundeskreise oder sonstige Netzwerke weiterkommt. Das ist selbst bei großen Bands so. Man arbeitet zusammen und empfiehlt sich untereinander. Zumindest gilt das für Musiker, die in vielen verschiedenen Bands spielen. Natürlich haben die Leute, die ständig bei Grönemeyer spielen, oder die Rhythmusabteilung von Peter Maffay und Lindenberg diese Sorgen nicht. Die sind fest engagiert und bekommen Jahresgagen.
Damit sind wir am Ende. Möchtest Du abschließend noch ein paar Worte an die Leser richten?
Klar. Leute, pickt Euch immer wieder neue Sounds heraus, hört viel Musik und bleibt am Ball. Aber ich weiß, die Fans der Deutschen Mugge sind musikalisch eh gut drauf.
Interview: Christian Reder
Bearbeitung: tormey
Fotos: Archiv Peter Michailow (u.a. Pavel Korbut, Frank Iffert), Redaktion (Kubatzki, Ziegert, Heidich, Reichel), Pressematerial (Bajazzo)
Bearbeitung: tormey
Fotos: Archiv Peter Michailow (u.a. Pavel Korbut, Frank Iffert), Redaktion (Kubatzki, Ziegert, Heidich, Reichel), Pressematerial (Bajazzo)