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Interview vom 23. April 2019

Bernd Dünnebeil, genannt "Hula", gehörte von 1978 bis Anfang der 80er der Gruppe KARUSSELL an. In dieser kurzen Zeit hinterließ er dort nicht nur bleibenden Eindruck sondern auch einen der größten Hits der Kapelle, nämlich "McDonald". Dieser Song gehört noch heute zum Live-Repertoire der Leipziger Formation, auch wenn Dünnebeil selbst seit fast 40 Jahren nicht mehr dabei ist.001 20190428 1901397916 Der Wehrdienst beendete seine Karriere bei KARUSSELL und als dieser abgeleistet war, war dort für ihn kein Platz mehr. Er gründete mit GONG kurzerhand eine eigene Band, mit der es mächtig abging. Live, im Aufnahmestudio des Rundfunk und in den Medien hinterließ GONG reichlich Spuren, Tondokumente gibt es hingegen nur ein einziges. Der Rest ist verschollen. Doch was machte "Hula" nach seiner Zeit mit GONG? Wo ist er nach der Wende abgeblieben und was macht er heute? Diesen und anderen Fragen ging unser Kollege Christian in einem Gespräch mit ihm nach ...




Vorab mal eine Frage zur Herkunft Deines Spitznamens. Man nennt Dich "Hula". Ich vermute mal, dass Du den nicht dafür bekommen hast, weil Du in rekordverdächtiger Weise einen Ring um die Hüfte hast kreisen lassen. Wo kommt er her?
Das ist nachzulesen auf einer unserer LPs von KARUSSELL, da hat Kurt Demmler das schön beschrieben. Ich hatte wegen meiner Lead-Steel-Gitarre, die ich auf der Bühne spielte, auch mal einen Interviewer, der wissen wollte, was es mit ihr auf sich hat. Da spielte ich ihm ein wunderschönes Hawaii-Lied vor und da schrieb Kurt Demmler, dass ich ganze Säle nach Hawaii versetzen könnte ...

Du kommst aus Leipzig, richtig?
Ja.

Neben Halle und natürlich Ostberlin eine Hochburg der deutschen Beat- und Rockmusik. Wo und wann hast Du Dich mit dem Virus Rockmusik infiziert? Wer waren die Auslöser?
Die Auslöser waren wie bei vielen anderen eigentlich auch in den 60er Jahren die BEATLES und die ROLLING STONES. Ich legte mir in der neunten Klasse eine Gitarre zu und versuchte dann, Gitarre zu lernen.

Wann war für Dich klar, dass das letztlich Dein Beruf werden wird?
Das war spät. Im Prinzip wurde mir nach dem Abschluss meines Studiums klar, dass ich in diesem Beruf nicht arbeiten will, und stieg dann um auf Musik.

Was hast Du studiert?
Feinmechanik an der TU in Dresden. (lacht)

Das war ja zu einer Zeit und in einem Land, wo es alles andere als normal war, Musiker in einer Rockband zu werden. Was haben Deine Eltern damals dazu gesagt, dass Du nicht um zwei Uhr aufstehen wirst, um Brötchen zu backen, sondern erst um zwei Uhr ins Bett gehst, weil dann der Club zugemacht hat?
Na ja, so richtig begeistert waren sie nicht. Aber was soll's, sie konnten mir ja nicht mehr reinreden, denn gewisse Freiheiten hatte man ja auch als Jugendlicher.

War die Gitarre von Anfang an das Instrument, welches Du spieltest oder nahmst Du noch einen Umweg über ein anderes?
Der Umweg war nur mal zwischendurch in der Anfangszeit der Umstieg von Gitarre auf Bass für ein halbes Jahr. Dann kehrte ich wieder zur Gitarre zurück.


Hast Du Deinem technischen Studium noch ein musikalisches folgen lassen?
Ja, ich machte dann noch ein Musik-Abendstudium in Leipzig.

Hattest Du dort Kommilitonen, die später auch im professionellen Bereich Musik gemacht haben oder heute sogar noch machen?
Der einzige, mit dem ich schon während der Schulzeit immer zusammenhing, war Cäsar. Mit dem war ich viel zusammen und wir hatten immer unsere Querverbindungen.

Bevor wir über KARUSSELL sprechen, möchte ich gerne wissen, was Du vorher gemacht hast. Du wirst ja nicht aus dem Himmel gefallen und bei KARUSSELL gelandet sein. Gab es davor schon Bands und wenn ja, welche war die erste Kapelle, in der Du gespielt hast?
Also angefangen habe ich eigentlich in namenlosen Schülerbands, bei denen damals auch Cäsar mitgemacht hatte. Später kam dann der Umstieg in eigene Bands, die wir gemeinsam gegründet hatten. Da waren drei Thomaner dabei, wir nannten uns PISCES, also lateinisch für "Die Fische". Da spielte unter anderen Hans-Jürgen Beyer Schlagzeug und Christian "Kuno" Kunert sang. Das war eigentlich die Band, mit der wir eine ganze Weile gespielt haben, bis wir dann irgendwann mal verboten wurden. Danach gründeten wir BABYLON Leipzig. Das war noch, bevor die Berliner Band BABYLON sich ihren Namen zugelegt hatten. Da waren auch wieder zwei Thomaner dabei, einer von denen - Joachim Christian Rau - wurde dann Liedermacher. Mit dieser Band machten wir relativ lange Musik, es gab auch einige Rundfunkproduktionen.

Es gibt ja immer besondere Momente und Punkte im Leben eines Musikers, die man nicht vergisst. Dazu dürfte auch das erste Konzert gehören, das man als Musikant jemals gespielt hat. Kannst Du Dich noch an Dein erstes erinnern, und wo und wann war das genau?
Das erste Mal richtig auf der Bühne stand ich in der Zeit der Vorbereitungen meines Abiturs. Da war ich bei einer Band in Leipzig, die damals mehr oder weniger Jugendtanz machte. Dort war ich ein halbes Jahr als Bassist und mit der Band spielten wir regelmäßig in größeren Sälen, die auch immer voll waren. Das war 1967. Also lange her ...

Dann lass uns jetzt bitte über diesen einen besonderen Tag im Jahr 1978 sprechen, als Du der Gruppe KARUSSELL beigetreten bist. Wie kam es dazu? Hatte es mit Cäsar zu tun? Wann genau fiel die Entscheidung, dass Du dort Mitglied wirst?
Mit Wolf-Rüdiger Raschke hatte ich immer Verbindungen, wir trafen uns öfter und dann kam eben die Sache, dass sie bei KARUSSELL einen sicheren Gitarristen brauchten, der auch studiofest war. Sie fragten mich also, ob ich mitmachen würde. Wir probten kurz und dann war klar "Du machst jetzt hier mit." Die Band gab es ja noch nicht lange. So viel ich weiß, war sie damals ungefähr ein Jahr zusammen.

Wie kann man sich die Arbeit bei KARUSSELL zu dieser Zeit überhaupt vorstellen? Mit Cäsar war da ja einer der ganz Großen dabei, ein weiterer Ex-RENFTler saß am Schlagzeug und mit Oschek besaß die Band sogar eine Nachtigall. Habt Ihr Euch da gegenseitig kreativ angezündet oder war es gar Stress, in diesem gut besetzten Team nicht unterzugehen?
Nein, das war in dieser Zeit völlig unstressig. Es war ein gegenseitiges Geben und Nehmen und funktionierte in dieser Hinsicht prima. Dadurch, dass ich viel mit Cäsar zusammen war, haben wir auch teilweise bei ihm oder bei mir in der Wohnung gesessen und tüftelten gemeinsam an musikalischen Ideen. Das war sehr produktiv und überhaupt nicht stressig.

Bereits ein Jahr später wurde das Album "Entweder oder" veröffentlicht, darauf auch der Song "McDonald", der aus Deiner Feder stammt und heute noch zu den Klassikern dieser Band gehört. War zuerst der Text oder zuerst die Musik da?
Erst die Musik und dann kam der Text dazu.

Der Titel hat ja einen ziemlich irischen Einschlag, wie ich finde. Welche Idee hattest Du im Kopf, als Du das Lied geschrieben hast?
Ich hatte mich eigentlich nur darauf gefreut, weil mir diese Anfangsmelodie als Aufhänger so gefallen hatte. Die probierte ich auf einem alten Keyboard, welches damals in meinem Zimmer stand, und so entstand dieser Titel in Anlehnung an Harmonien, die im schottischen vorkommen.

Also eher schottisch und nicht irisch?
Ja, mehr schottisch.

Hast Du während Deiner Zeit bei KARUSSELL schon die großen Tourneen mitgemacht?
Also zu der Zeit haben wir eigentlich nur in der DDR und in Polen gespielt.

Dein Ende bei KARUSSELL hat letztlich die NVA gesetzt. Die holten Dich zum Wehrdienst und hinterher war für Dich kein Platz mehr in der Band. Wie groß war denn die Enttäuschung, als nach Deiner Rückkehr ein anderer Deinen Platz eingenommen hatte?
Es hatte keiner meinen Platz eingenommen, es war einfach einer weniger. In der Zeit, als ich beim NVA-Dienst war, wurde ich zwar von jemandem vertreten, aber dann entschloss sich die Band, mit einem weniger weiterzumachen und die zweite Leadgitarre auf der Bühne wegzulassen. Das ging dann so weiter, bis Cäsar ausgestiegen ist.

Und warum konntest Du nicht wieder zurück?
Politisch war ich dem Staat gegenüber etwas kritisch eingestellt, die Band arbeitete aber darauf hin, auch ins westliche Ausland fahren zu können. Das war sicher einer der Gründe, warum sich Wolf-Rüdiger so entschied.

Also wurdest Du quasi ein Opfer des Erfolgs?
So kann man das auch sehen (lacht). Aber ich hatte ja gleich anschließend wieder eine Band, die wir aus dem Boden stampften.

Das war dann die Gruppe GONG, die Du kurzerhand auf die Beine gestellt hast. Wie ist diese Gruppe entstanden und mit wem hast Du sie letztendlich gegründet?
Das war eine Splittergruppe von der Leipziger Gruppe SET. Der Bassist Bernd Seifert übernahm das Management und ich kümmerte mich um die Musik. Dabei war dann noch der SET-Keyboarder und Bernd Schlund. Ein sehr guter Sänger, der früher auch bei Klaus Lenz gesungen hatte. So haben wir diese Band innerhalb weniger Wochen aus dem Boden gestampft. Wir probten jeden Tag im Studio von Hans Kölling in Leipzig, nahmen die neuen Titel auch gleich auf und waren nach drei Monaten spielfähig mit einem völlig neuen und eigenen Programm.

Welche Ziele hattet Ihr damals mit GONG? Richtig offensiv ran und gleich ganz nach vorne?
Wir wollten wieder ganz nach vorn und das lief auch einige Jahre richtig gut. Wir spielten schöne Konzerte und hatten unsere Rundfunkproduktionen, Produzent war Walter Cikan. Da waren auch schöne Titel dabei.

Von dieser Band gibt es heute nur ein einziges Tondokument, das auf einem Tonträger veröffentlicht wurde, nämlich den Titel "Bahnhof". Der ist auf einer der "Beat-Kiste"-CDs enthalten, ansonsten wurde nichts weiter veröffentlicht. Du sagtest gerade, Ihr hattet mehrere Rundfunkproduktionen ... Wie viele eigene Titel hatte die Band überhaupt?
Ja, da wurde wesentlich mehr produziert. Zum Beispiel liefen im Rundfunk "Abseits", "Wenn wir alles haben", "Mammon", "Die Uhr", "Der Untermann" und "Lady Kesselstone". Diese Songs fallen mir jetzt spontan ein und die wurden auch in den Hitparaden vorgestellt. Den Titel "Bahnhof" hatte ich übrigens während meiner Zeit bei der Armee zusammengebastelt und er war eigentlich für KARUSSELL vorgesehen. Dann kam aber alles anders ...

Das klingt ja, als ob Ihr Material für eine ganze Platte gehabt hättet. Warum ist da nichts gekommen?
Tja, das weiß ich leider auch nicht, warum das nicht klappte.

Hast Du die Songs noch?
Nein, die sind mir abhanden gekommen.

Wie lange ging das mit GONG?
Das ging drei Jahre gut, aufgrund der politischen Situation wurde ich etwas unerwünschter und zog mich in eine Big Band zurück, um dort zum Beispiel Noten zu schreiben.

Du warst also kein Freund der Herren von oben?
Nein, das war ich damals nicht und bin es auch heute nicht (lacht).

Also hat man Dich quasi dazu gedrängt, Dich zurückzuziehen oder hast Du Dich freiwillig zurückgezogen?
Es gab einige Gespräche bei der Abteilung Kultur beim Rat des Bezirkes in Leipzig und nach denen entschied ich mich, etwas in der Versenkung zu verschwinden. Ich war ja nun auch schon lange Zeit mit Kunert und Pannach befreundet und wir trafen uns sogar in Prag, als die beiden schon ausgewiesen waren. Das war die einzige Möglichkeit, sich mal zu treffen. Und ich denke, dass wir damals auch beobachtet wurden von der Firma "Horch und guck".

Ich fragte mich, was nach GONG gekommen ist. Das Ende muss 1985 gewesen sein und dann hörte man nichts mehr von Dir ...
Ich habe zuerst mit einem Musiker aus Merseburg zusammen als Duo in kleinen Clubs gespielt, wo es nicht auffiel. Später zog ich mich dann in besagte Big Band zurück, und das war bis zur Wende meine Tätigkeit.

Wie und wo hast Du die Wende und das Ende der DDR erlebt?
Gewissermaßen war ich nah dran, nahm natürlich auch an etlichen Demos in Leipzig teil und dann war es ja schon soweit.

Was hast Du Dir von dieser Wende beruflich erhofft? Als Musiker möchte man ja auf der Bühne stehen, sich präsentieren, neue Sachen machen ... Das ging in der DDR für Dich ja nicht mehr.
Da zeigte sich, dass es finanziell immer mehr bergab ging, weil niemand mehr diese Big Band kaufen wollte und ich hatte eigentlich auch keine richtige Lust mehr, in dieser Big Band zu spielen. Dann musste ich also erst mal sehen, wie ich zu Geld komme und begann damit, mir einen TAXI-Betrieb aufzubauen. Den habe ich dann noch mit Reisebussen aufgestockt und diese Sache betrieb ich bis ins Jahr 2008. Ich merkte 2007, dass die Konkurrenz zu groß geworden war und da sagte ich mir: "Jetzt hast du Zeit, dich wieder um Musik zu kümmern". Ich fing an, wieder ordentlich Musik zu machen.
 
Du hast also quasi fast 20 Jahre lang nichts in Sachen Musik gemacht?
Nur noch zu Hause. Dann bin ich aber wieder intensiv in die Sache eingestiegen.

"Intensiv" kann man wirklich so sagen: Ich fand einen Videoclip aus dem Jahre 2008, da spielst Du in einem Trio eine instrumentale Version von "McDonald". Ein sehr geiles Gitarrenintro, total scharf arrangiert (siehe Video am Ende der Seite) ... Waren das die ersten Schritte wieder zurück?
Ja, das war zu dieser Zeit. 2007/2008 ging das los. Die Band, mit der ich jetzt unterwegs bin, ist etwas vergrößert worden und nennt sich ART OF STRINGS. Da wir sehr viel Instrumentalmusik machen, haben wir natürlich nicht viele Muggen, aber wenn wir welche haben, laufen die auch gut. Das ganze läuft nun seit ca. 12 Jahren, aber auch mit Pausen. Es dauerte länger, bis ich die richtige Besetzung gefunden hatte, mit der man das machen kann und damit machen wir mal hier und da ein paar Veranstaltungen.

Gibt es davon mittlerweile auch etwas auf CD?
Nein. Wir haben zwar schon einige Titel, die aus eigener Feder stammen, produziert, haben aber noch keine CD davon gemacht. Wir spielen aber auch internationale Sachen und haben zum Beispiel auch richtig authentischen Blues im Programm. Also wenn wir irgendwo hinkommen und dort spielen, sind die Leute schon sehr interessiert.

Wohin wird die Reise mit dem Projekt gehen? Ist es eher Hobby oder plant Ihr den großen Angriff?
Groß angreifen, na ja ... So gut es geht. Wir richteten uns ein kleines Studio ein und arbeiten dort auch regelmäßig. Unser Bassist arbeitet auch noch mit Tino Standhaft zusammen. Es ist eine schöne Band, musikalisch gehen einige Sachen in Richtung Joe Satriani oder Steve Vai, und ansonsten authentischer Blues, aber eben in eigenem Stil organisiert und arrangiert.

Bis vor wenigen Tagen war die Position des Gitarristen bei KARUSSELL ja vakant, nachdem Hans Graf ausgestiegen ist. War Deine Rückkehr zur Band denkbar oder sogar angedacht?
Dazu kann ich nur sagen, dass ich aus privaten Gründen kein Interesse habe. Es sind da zu viele Faktoren, die mich dazu bewegen, keine feste Zusammenarbeit anzustreben. Tolerante Aushilfen oder Treffen ja.

Mein lieber Bernd, ich danke Dir für dieses Interview. Hast Du noch eine Botschaft an unsere Leser?
Leute, macht Musik und freut Euch darüber. Das ist das wichtigste.



Interview: Christian Reder
Bearbeitung: MB
Fotos: Bernd Dünnebeil privat






Videoclip:





   
   
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