Interview vom 14. Mai 2018
Am Pfingstsonntag (20.5.2018) feiert eine Band ihre Premiere, die man in der Form sicherlich nicht erwartet hätte. Die Rede ist von NEULAND, dem neuen Projekt von Klaus Scharfschwerdt, den die Musikwelt 36 Jahre lang als den Mann hinter der Schießbude bei den PUHDYS kannte. Mit den "Jahreszeiten" und der "TV Show" gab es sogar mal einen Ausflug ans Mikrophon, aber am Schlagzeug hinterließ er deutlich mehr Spuren. Dies spielt er auch bei NEULAND und hat sich unter diesem Namen mit einem Gitarristen, einem Geiger und einer Cellistin zusammengetan. Musikalisch ordentlich was auf die Zwölf soll es geben. Der pure Rock soll aus den Boxen und von der Bühne kommen, und dafür hat sich Klaus gut vorbereitet. Die Proben laufen auf Hochtouren, der Pfingstsonntag rückt immer näher und in all dem Stress fand Klaus noch etwas Zeit, sich den Fragen unseres Kollegen Christian zu stellen, der natürlich neugierig war, was es mit NEULAND auf sich hat und wie es dazu kam. Natürlich waren auch die PUHDYS Thema und die Frage, ob es vielleicht irgendwann nochmal ein Comeback von PRINZIP geben könnte, kam auch auf den Tisch. Hier könnt Ihr jetzt das komplette Gespräch nachlesen ...
Hallo Klaus! Der eine PUHDY geht als "Neubeginner" auf Tour, der andere betritt "Neuland". Richtig was los in der Szene. Mit welchen Musikern wirst Du auf Entdeckungsreise gehen? Stell uns die Mitstreiter doch bitte mal kurz vor.
Also die Musiker sind Hans die Geige, ein Urgestein der deutschen Rockmusik. Weiter dabei sind der Gitarrist Thomas Glatzer und die Cellistin Sylvia Eulitz. Den Thomas kenne ich schon länger, Hans natürlich auch und Sylvia stieß durch Hans zu uns. Ich sagte, ich möchte, wenn ich eine normale Band aufbaue, mit einer Cellistin zusammenarbeiten. Hans kümmerte sich darum und holte Sylvia mit dazu.
Wie kam es überhaupt dazu, dass Du zwei Jahre nach dem Ende der PUHDYS mit einem eigenen Projekt an den Start gehst? War das Deine Idee oder hat Dich jemand gekitzelt?
Nein, das war meine Idee. Ich sage mal, die zwei Jahre Pause waren in Ordnung für mich. Ich konnte emotional etwas zurückschalten von dem, was da 36 Jahre lang passiert ist. Es ist ja ein ziemlich großer Teil meines Lebens und der gehört jetzt der Vergangenheit an. Ich sehe also in die Zukunft, aber: Einmal Musiker, immer Musiker. Hans traf ich zufällig - ich glaube - bei Harry Jeske auf der Geburtstagsfeier und fragte ihn, ob er denn noch Bock, Lust und auch die Kraft für neue Projekte hätte. Seine Antwort war sofort: "Ja, habe ich." So ging das alles los. Letztlich war also alles Zufall. Thomas Glatzer traf ich bei BELL BOOK & CANDLE. Ich fragte ihn: "Hast Du Bock, mal ein bisschen rumzuspielen? Mal gucken. Was passiert, ist offen. Wir lassen uns einfach leiten von dem, was für eine Energie entsteht." Er war sofort offen und meinte: "Mensch Klaus, ich bin jetzt 14 Tage in Urlaub, danach melde ich mich und dann gucken wir mal." So begann das alles, also Step by Step.
Ich erinnere mich noch an den "Rockstammtisch" vor zwei Jahren. Da war gerade der letzte Ton mit den PUHDYS bei den Rocklegenden verklungen und ich fragte Dich, wie es Dir denn so geht. Du antwortetest: "Alle fragen mich, wie es mir geht, als ob mir jetzt langweilig wäre ..." Du kämst ganz gut ohne den Rummel aus, sagtest Du. Was hat Dich denn nun letztendlich wieder in den Scheinwerferkegel gelockt? Ist Zaunstreichen und Rosenschneiden zu langweilig?
Wenn Du sagst "zu langweilig", dann hast Du völlig recht. Was ich völlig unterschätzt habe, ist die Tatsache, dass man irgendwann zu Hause sitzt und sich selbst fragt: "Was mach' ich jetzt eigentlich? 'Bares für Rares' gucken, oder die 'Küchenschlacht'?" Der Tag ist lang, was mache ich mit meiner Zeit? Ich wusste definitiv nicht, wohin mit meiner Zeit. Nach wie vor habe ich die beiden Jahre ja getrommelt. Das machte ich mein Leben lang und habe extrem viel Spaß daran. Ich blieb also fit und hielt mein Niveau, das war mir ganz wichtig. Aber Du sitzt dann eben da, nur Kois füttern reicht nicht und nur in Urlaub fahren, reicht auch nicht. Und auf einmal, jetzt ist 15.00 Uhr - und jetzt? Scheiße, was machste jetzt? Irgendwann reichte auch das Trommeln allein nicht mehr aus, so dass ich mir dachte, ich suche mir Partner, die mitspielen und mit denen ich Freude an der Musik habe. So entstand das eigentlich.
Du bist ja auch noch ziemlich jung ...
Na ja, wenn Du meinst, dass 64 ziemlich jung ist, dann ja ...
Im Vergleich zu Deinen ehemaligen Kollegen von den PUHDYS ...
Ja, das ist richtig, wohl wahr. Aber ich wollte nicht gleich weitermachen, das kam für mich nicht in Frage. Ich wollte mir nach so viel Erfolg und so viel Spektakel im Leben auch diese Pause gönnen. Ich dachte, die hatte ich mir verdient. Ich habe keinen Zeitdruck, mich drängelt keiner und ich kann alles in Ruhe angehen. Und man muss dazu sagen, dass das ein Privileg ist. Und das allerwichtigste ist eigentlich, dass ich durch die neuen Kollegen auch ein neues soziales Umfeld habe, was mir extrem gut tut.
Wir sprachen garade darüber: Gitarre, Schlagzeug, Geige, Cello - klingt auf den ersten Blick nicht wirklich nach Rock'n'Roll. Kannst Du mal ein bisschen erklären, wie Ihr das macht und wie Ihr zum Beispiel die Lücken ausfüllt, die ein fehlender Bassist oder Keyboarder lassen?
Eigentlich ist es so, dass wir fast jeden Tag an neuem Material arbeiten und die Tatsache ist, dass uns alles ein wenig überrumpelt. Uns überfährt der eigene Zug. Es geht alles viel schneller, als wir es wollten. Wir haben zur Zeit noch keinen Bassisten, wir fanden noch keinen, von dem wir denken, der passt in das Team mit rein. Es ist nämlich gar nicht so einfach, Leute zu finden. Es gibt unterschiedliche Charaktere, das kenne ich alles von den PUHDYS. Bei den PUHDYS hat es wunderbar geklappt, das muss aber nicht immer wieder gleich so klappen. Einen Keyboarder fanden wir auch nicht, aber die anderen drei Musiker, die Sylvie, der Thomas und der Hans spielen ohnehin auch Keyboards. Die können das, weil es studierte Musiker sind. Und angesichts dessen, dass wir keinen Bassisten und keinen Keyboarder haben, spielen wir das vom Band ein, was auch legitim ist. Es ist nicht unüblich, die meisten bekommen das auch nicht mit. Auch bei den ganz großen Acts kommt noch viel vom Computer dazu, um vor allem den Sound runder zu machen.
Das heißt also, es ist nicht ausgeschlossen, dass NEULAND vielleicht noch zu einem Quintett oder Sextett anwächst ...
Richtig, das ist nicht ausgeschlossen. Wollen wir mal abwarten ...
Wer wird denn singen? Gibt es ein Comeback des "TV-Show"-Sängers?
Nein nein nein. Bis jetzt sieht es so aus: Wir haben einige Songs gemacht, die Hans gesungen hat und wir sind alle sehr zufrieden, weil Hans' Stimme einen hohen Wiedererkennungseffekt hat. Er bezeichnet sich selbst natürlich nicht als Sänger, macht sich damit das Leben auch selbst schwer, was er gar nicht muss. Es ist alles ganz toll und die Songs, die er bisher gesungen hat, die passen zu uns, die Stimme passt zu uns und ich habe den Eindruck, dass sich Hans mittlerweile auch immer mehr damit identifizieren kann.
Klaus, wie sieht das unentdeckte Land aus, das Du mit NEULAND betreten wirst? Es wird demnächst ja wahrscheinlich auch ein komplettes Konzert geben, werdet Ihr komplett eigene Lieder präsentieren oder wirst Du der nächste Ex-PUHDY sein, der die alten Kamellen der ehemaligen Band in neuem Sound präsentieren wird?
Um erst mal Songmaterial zu bekommen, war meine Anfgangsidee, PUHDYS-Songs aus den 70er Jahren neu zu gestalten, in eine eigene Form zu bringen. Nachdem es im Studio dann allerdings ziemlich schnell voranging und die Ideen einfach nur so kamen, ist dieser Gedankengang eigentlich komplett verschwunden. Das heißt, ich habe nicht die Absicht, nun noch mal "Alt wie ein Baum" oder "Geh zu ihr" zu spielen. Das war die Vergangeneheit, die extrem toll und erfolgreich war, aber für mich hat - wie gesagt - ein neuer Lebensabschnitt begonnen und ich will ein Programm haben, in dem überwiegend eigene Songs gespielt werden. Eine Cover-Version ist definitiv dabei, sagt Dir die Band RUSH etwas?
Aber natürlich ...
Von denen gibt es einen Song, der heißt "YYZ". Das ist ein ziemlich heftiges und kompliziert zu spielendes Stück. Voraussetzung war für mich, dass ich den Kollegen zum Anfang gesagt habe: "Drückt Euch die Nummer rauf." Für die Streicher ist das natürlich schwierig, weil es eine Gitarrennummer ist. Acht Wochen später trafen wir uns zur Probe und spielten den Song zum ersten Mal ziemlich gut durch. Das war für mich das Zeichen, dass Interesse da ist ... dass vor allem Interesse da ist, zu arbeiten, denn das ist Arbeit. Das ist also eine Cover-Version, die wir mit Sicherheit spielen werden. "YYZ" von RUSH ...
Du sagtest gerade, Ihr werdet eigenens Material erarbeiten, Ihr seid schon zugange und es geht alles ziemlich schnell. Habt Ihr für Euer Vorhaben eine Plattenfirma als Partner eingeplant oder wird das alles in Eigenregie laufen?
Nein, so weit sind wir noch nicht. Wir haben keine Plattenfirma, wir haben kein Management, wir haben keine Booking-Agentur, sondern wir haben Zeit. Das ist das allerwichtigste, uns drängelt keiner, wir haben Zeit. Und es ist ja immer so, dass zum Anfang die Ideen so sprudeln und fließen. Mir ist auch klar, dass das in der nächsten Zeit wesentlich schwieriger werden wird. Aber wir sind optimistisch, sind dran, voller Spannung und voller Energie und machen einfach los, das ist das wichtigste.
Du klingst komplett optimistisch ...
Absolut.
... und auch ziemlich tatenhungrig. Man muss über das Alter nicht noch mal reden, aber gerade Hans und Du, die ja die 60 schon überschritten haben, fühlt Ihr Euch denn noch so voller Saft und Kraft, wirklich einen Neuanfang zu starten - so ganz bei Null anzufangen?
Ich sage mal so, mit dem Namen SCHARFSCHWERDTS NEULAND - die Idee war zuerst nur NEULAND - betreten wir Neuland. Wir sind neue Länder, neue Kollegen und so weiter und so weiter. Und nun sagte ich, wir brauchen vor "NEULAND" aber noch einen Namen, den man immer noch ein bisschen kennt. Insbesondere auch in der Veranstalterszene. Da kam eigentlich nur Scharfschwerdt in Frage, das wurde mit den Kollegen besprochen und so kam es zustande. Ich wiederhole mich, wenn ich sage, dass wir keinen Zeitdruck haben. Wir müssen nicht morgen und auch nicht übermorgen ein Konzert machen, sondern wir haben noch das ganze Jahr Zeit, um genügend Material zu erarbeiten, aus dem wir dann ein Programm zusammenstellen können. Es ist so, dass die ersten Veranstalter schon anfragen, wann es denn endlich losgeht. Dann sagen wir immer: "Stop, nicht so schnell. Wir haben Zeit."
Die Frage war anders gemeint. Wir gehen mal davon aus, am 20. Mai werden die Leute erstmals richtig von Euch angefixt, dann spielt Ihr das erste und zweite Konzert in einer vollen Bude und das Ding geht ab wie eine Rakete. Seid Ihr darauf vorbereitet, habt Ihr einen größeren Erfolg und den damit einhergehenden Stress einkalkuliert?
(denkt kurz nach) Ich sage mal ganz vorsichtig: Eigentlich nicht. Ich könnte damit umgehen, denn ich habe das ja mein ganzes Leben mitgemacht. Hans vielleicht auch. Mit den neuen Kollegen, da müsste man mal gucken. Aber das lasse ich auf mich zukommen. Es wäre natürlich toll, aber davon ausgehen kann man natürlich nicht, denn der Markt ist so voll mit tollen Sachen. Das ist sehr schwierig. Und wir sind nicht mehr die PUHDYS, das muss man auch ganz deutlich sagen.
Welche Ziele habt Ihr Euch mit NEULAND denn gesteckt? Gab es schon ein Brainstorming oder ist es wirklich einfach so, dass Ihr zusammensitzt, Spaß daran habt, Musik zu machen und keine Gedanken daran verschwendet, wo das wohl hinführen könnte?
Ziele steckten wir uns schon. Wir wollen sehen, dass wir bis zum Jahresende so viel Material beisammen haben, um eine Platte fertigstellen zu können. Das erste Ziel ist der 20. Mai, da wirken wir bei Hans die Geiges Konzert zum 45-jährigen Bühnenjubiläum mit. Er überredete uns dazu, das bekommen wir aber auch in den Griff. Ab kommenden Montag proben wir wieder im Saal, die drei Nummern kriegen wir geregelt. Das nächste und größere Ziel für mich, dass wir sagen, okay, bis Ende des Jahres haben wir so viel Material, dass wir eine Platte auf den Markt bringen können und bis dahin sind wir auch spielbereit für mindestens eineinhalb Stunden.
Vom Neuland kommen wir jetzt mal ganz zurück zu den Anfängen. Du bist Jahrgang 1954, wie und wann bist Du überhaupt zur Musik gekommen?
Ach, das war auch irgendwie alles Zufall. Es gab damals eine Unterhaltungssendung "Herzklopfen kostenlos", die im DDR-Fernsehen lief. Dort spielte ein ganz ganz junger Trommler. Ich war damals vielleicht 12 Jahre alt, das war so der erste Hieb. Und wie der Zufall so spielt, war mein Onkel Gitarrist bei den SPUTNIKS, die in den 60er und 70er Jahren eine Gitarrenband in der DDR war. Da durfte ich dann als Junge mal mit zum Konzert in Berlin und stand hinter dem Schlagzeuger. Da war ich so geflashed und so begeistert, dass für mich feststand: Das musst du auch machen, genau das musst du machen. Von Henry Kotowski - so hieß der Drummer - bekam ich die ersten Drumsticks und ich übte, übte und übte. Musikschule, die erste Band, zum Tanz gespielt und so weiter. Zum Tanz Cover-Versionen zu spielen, schult extrem. Damals war es üblich, fünf oder sechs Stunden zu spielen und so entwickelte sich das Step by Step weiter. Irgendwann kam das erste professionelle Angebot von einer Berliner Band namens VULCAN.
Noch mal ganz kurz: Henry Kotowski hat Schlagzeug gespielt? Heute ist er ja mit der Gitarre zugange ...
Ja, na klar. Jetzt spielt er Gitarre, aber er war ein Top-Drummer, der in der Twist-Zeit hervorragend trommelte.
Also war bei Dir sofort das Schlagzeug das Objekt Deiner Begierde oder hast Du auch vorher auch klassisch Blockflöte und Akkordeon gespielt?
Nein, es war von Anfang an das Schlagzeug.
Wir reden ja über die 60er Jahre in der DDR, Beatgruppen kamen auf, wurden verboten, nicht jedem war es möglich, ohne weiteres auf die Bühne zu gehen. Wie sah denn Deine Jugend aus und wo hast Du Deine ersten Erfahrungen als Musiker machen können?
Meine ersten Erfahrungen machte ich bei einer Amateuerband namens ... Mensch, den Namen kann ich Dir jetzt gar nicht mehr sagen. Der Gitarrist war Hans Knippenberg, der später bei POSSENSPIEL spielte. Der stand zu meinem 18. Geburtstag vor der Tür, ich wohnte noch bei meinen Eltern, und sagte zu mir, "Du pass mal auf, wir müssen morgen spielen, wir spielen STONES, BEATLES und alles andere, was modern ist. Du kannst Schlagzeug spielen, ich hole dich morgen ab." Ich dachte: "Wie jetzt?" Dann fuhren wir nach Zeuthen oder Eichwalde, probten dort kurz und spielten am gleichen Abend in einem Club. Wir spielten, was früher so üblich war. "Satisfaction" oder "Jumpin' Jack Flash" von den ROLLING STONES und wie das alles hieß. So ging das alles los und dort machte ich meine erste Erfahrungen.
Stimmt es, dass Du den Beruf des Tischlers erlernt hast?
Ja, ich habe Tischler gelernt. Allerdings nur aus dem Grund, weil mein Schulkamerad, der bei mir gegenüber wohnte, eine Lehrstelle als Tischler bei der Reichsbahn hatte. Und ich dachte, da wirst du dich mal auch bewerben, dann musst du nicht jeden Morgen allein zur Arbeit fahren. Ich stellte mich dann dort vor und da saß ein ehemaliger Armist, der für die Jugend verantwortlich war. Das erste, was er sagte: "Bevor du dich hier bewerben willst, musst du dir die Haare schneiden lassen." Ich hatte gar keine langen Haare. Ich wollte die Lehrstelle haben, da fragte er mich, ob ich in der FDJ wäre. Nein, war ich nicht. "Dann kriegst du auch die Lehrstelle nicht." Also ging ich in die FDJ, bekam die Lehrstelle und habe meine drei Jahre gelernt und den Gesellenbrief gemacht. Ich zog es also durch, arbeitete noch ein halbes Jahr nach dem Gesellenbrief weiter. Ab dann machte ich nur noch Musik.
Dann kam - Du hast es schon angesprochen - VULCAN. Wie kam es dazu, dass Du zu dieser Kapelle gekommen bist?
Das kam durch einen guten Freund von mir, der Burkhard Wolk heißt. Der war in der damaligen Zeit ein Super-Gitarrist und spielte in dieser Band. Der Drummer von VULCAN stammte aus Gera und ihm war es zu aufwändig, zum Proben immer nach Berlin fahren zu müssen und so fragte mich Burkhard, ob ich nicht Lust hätte in der Band mitzuspielen, er würde sich sehr darüber freuen. Dann spielte ich dort vor und bin für zwei oder drei Jahre bei VULCAN gewesen. Das waren meine ersten professionellen Erfahrungen, die Musiker waren alle älter, als ich und waren schon Profis. Aber es war eine Cover-Band, das muss ich auch dazu sagen.
VULCAN hatte aber auch eigene Lieder und auch Rundfunkproduktionen. Warst Du daran auch beteiligt?
Ich glaube, das war vor meiner Zeit. Dass Du noch VULCAN mit Rainer Bloss kennst ...
Aber auch nur vom Papier ...
Dann war da noch Rainer Nawrath, der Sänger, Tibor Nagy war der Manager. Zu ihm habe ich noch immer einen sehr freundschaftlichen Kontakt.
Von da aus ging es nach drei Jahren dann zu PRINZIP. Auf welchen Wegen führte es Dich denn dahin? Hat Matko Dich entdeckt oder hast Du Dich da beworben?
Also beworben habe ich mich eigentlich nirgends, was mir gerade so auffällt. Ich glaube, Matko sprach mich an. Er besuchte mich in meiner Berliner Altbauwohnung und fragte, ob ich nicht mitmachen wolle, weil der bisherige Trommler entweder einen Ausreiseantrag gestellt hatte oder sogar schon abgehauen war, das weiß ich gar nicht mehr genau. Jedenfalls habe ich bei PRINZIP vorgespielt, wir probten und es war richtig cool. Die Chemie stimmte und dann ging es schon recht schnell los zu den ersten Konzerten. Wir haben in den Anfangszeiten damals auch zum Tanz gespielt. Frank Czerny war ein toller Bassist, von dem ich viel lernte. Das war eine Zeit, in der ich das Laufen lernte.
Aus dieser Zeit gibt es ja richtig geile Autogrammkarten, auf denen Ihr extravagante Klamotten getragen habt und wenn Ihr dazu noch geschminkt gewesen wärt, hättet Ihr durchaus als KISS durchgehen können ...
Du, daran kann ich mich noch sehr gut erinnern. KISS schwappte damals gerade aus Amerika nach Europa über und Matko kam auf die Idee, wir müssten uns solche Lederklamotten machen lassen und hatte in Chemnitz eine Lederschneiderei an der Hand. Die hatten Nappaleder. So ein Leder gab es im Osten eigentlich gar nicht, und die konnten es trotzdem besorgen. Wir zeigten denen dann BRAVO-Bilder und die haben für uns maßgerecht unsere Kostüme geschneidert. Das war schon spannend. Ich habe ja hier zu Hause auch noch viele Bilder und wenn ich manche so sehe, denke ich auch: "Mein lieber Mann ..." Aber das war die Zeit, es war in Ordnung und man muss sich auch nicht dafür schämen.
Nö, warum auch? Habt Ihr denn bei Euren Konzerten auch KISS nachgespielt?
Nein, haben wir nicht. Aber wir hatten einen eigenen Song namens "Feuer-Rock", der ging so ein bisschen in diese Richtung. Den spielten wir damals beim Rundfunk ein.
Wurden diese Kostüme denn bei Konzerten auch getragen oder waren die nur für die Promotion gedacht?
Nein, die wurden live angezogen und dann ging es los ...
Cool. Das ist schon eine geile Zeit gewesen.
Absolut.
So richtig "heimisch" bist Du ja erst bei den PUHDYS geworden, als Du 1979 den Job von Gunther Wosylus übernommen hast. Auch hier die Frage, wie es genau zu Deinem Einstieg bei den PUHDYS kam. In der Verlosung für den Job gab es ja angeblich viele Namen, angeblich auch Paule POND ...
Das wäre mir neu. Meiner Meinung nach standen zwei andere zur Auswahl. Der eine war Michael Schwandt von KARAT und wenn ich mich recht erinnere, der Drummer von BERLUC, Dietmar Ränker. Schwandt kam nicht in Frage, weil bei KARAT die ganzen West-Tourneen losgingen und sie dadurch zu viel zu tun hatten. Die Frage, warum es Dietmar Ränker nicht wurde, kann ich nicht beantworten. Darüber wurde nie wieder gesprochen. Die PUHDYS haben mich zum ersten Mal in der alten Werner-Seelenbinder-Halle gesehen. Das muss Anfang 1979 gewesen sein. Es gab dort eine Art Festival, bei dem mehrere Ostbands spielten und dort spielte auch PRINZIP. Ganz zum Schluss spielten die PUHDYS und ich hatte sie vorher noch nie gesehen. Ich kannte sie nur aus dem Radio und wenn ich ehrlich sein soll, war das überhaupt nicht mein Ding. Mein Ding waren viel mehr Alex Harvey, Alice Cooper und wie die alle hießen. Die PUHDYS waren eine ganz andere Baustelle und das, was ich aus dem Radio kannte, gefiel mir eigentlich nicht wirklich. Aber wir spielten dort mit PRINZIP und irgendwie waren sie wohl davon angetan. Peter Meyer sprach mich danach an und fragte, ob wir nicht mal ein Gespräch führen könnten. Am gleichen Abend sah ich dann noch die PUHDYS spielen und ab diesem Moment hatte ich meine Meinung komplett korrigiert. Ich muss ehrlich sagen, dass ich eine solche Atmosphäre und Stimmung im Publikum so vorher noch nie erlebt hatte. Die Jungs kamen - wenn ich mich recht erinnere - nach einem Einspiel auf die Bühne, die Mädels saßen alle auf den Schultern ihrer Freunde und es war eine so geile Stimmung, dass ich sagen musste: "Respekt." Da kam Energie von der Bühne, da standen fünf Typen auf der Bühne und ich fragte mich: "Was ist denn da los, wie geht denn das?" Ich konnte das irgendwie nicht analysieren, ich fand es einfach nur toll. Eine Woche später traf ich mich mit Peter Meyer, wir unterhielten uns und er fragte mich, ob ich mir vorstellen könnte, bei den PUHDYS einzusteigen, weil meine Art zu trommeln den Kollegen und auch ihm selbst gefiel. Sie müssten jedoch erst mal gucken, ob ich Reisekader wäre, denn das wäre sehr wichtig. Dann dauerte es ein halbes Jahr, es kam die Bestätigung, dass ich Reisekader sei und ab da ging dann die Post ab. Mein erstes West-Konzert war in der Nähe von Göttingen. Vellmar hieß der Ort. Dort war ein 3.000-Mann-Zelt mit einer riesigen Bühne aufgebaut, bis dahin wusste ich gar nicht, dass es so große Zelte gibt. Jedenfalls war ich dort und dachte mir "Das kann doch gar nicht sein, die kommen doch nicht wegen uns. Da spielen doch bestimmt noch andere Bands ..." Nein, die kamen wegen uns. Im Osten hieß es ja immer, dass es nicht stimmt, wenn die PUHDYS erzählen, dass im Westen so viele Leute zu den Konzerten kommen. Das kann gar nicht stimmen. Und dann saß ich plötzlich auf einer Bühne in einem riesengroßen und rappelvollen Zelt und die Leute sangen alles mit. Das war mein erstes großes West-Erlebnis.
Ich muss noch mal kurz nachhaken. Du hattest gerade das Wort "Reisekader" genannt. Damit kann das "Jungvolk", das bei uns liest und auch mancher "Wessi" nichts anfangen. Wie wurde man denn Reisekader und was genau bedeutete das?
Also, bedeutet hat das, dass du ins kapitalistische Ausland fahren durftest. Das durften ja nur die wenigsten und auch nur die wenigsten Künstler. Die Frage, wie man Reisekader wurde, kann ich Dir nicht beantworten, keine Ahnung. Ich weiß nur, dass ich in einer Altbauwohnung wohnte und im Nachhinein erfahren habe, dass auch im Altbau bei den anderen Mietern nachgefragt wurde, was ich denn für eine politische Einstellung hätte und wie ich mich dem Sozialismus gegenüber verhalten würde. Ich habe keine Ahnung, alles andere wäre lediglich eine Mutmaßung.
Die PUHDYS hatten zu dem Zeitpunkt, als Du hinzu kamst, ja schon einiges an Material auf der Pfanne. Ein paar LPs waren schon im Umlauf. Ist es Dir leicht gefallen, Dich da hineinzuarbeiten? Immerhin kamst Du von einer ziemlich harten Baustelle, denn PRINZIP hat ja ordentlich gerockt. Wie lange hast Du gebraucht, um auf Betriebstemperatur zu sein?
Eigentlich ging das ruckzuck. Ich habe mir das komplette zweistündige Programm anhand eines Live-Mitschnitts drauf gedrückt. Da gab es null Komplikationen und ich konnte es aus dem "Effeff". Dann wurden Step by Step bei den Proben neue Titel erarbeitet, es kamen die ersten Plattenaufnahmen, das ging also alles fließend.
Du sagtest, dass Du Dich an Dein erstes West-Konzert erinnern kannst, welches war denn Dein wirklich erstes PUHDYS-Konzert?
Mein wirklich erstes PUHDYS-Konzert war in der damaligen CSSR. Da bin ich nachgereist, die PUHDYS waren dort auf Tour. Das alles zu erzählen, würde jedoch den Rahmen sprengen. Ich ging in den Konzertsaal rein, Wosylus sah mich, packte sofort seine Klamotten zusammen, fuhr nach Hause und ich habe nach gut 20 Stunden Fahrt mit meinem Trabbi den ersten Soundcheck mit den Jungs gemacht. Wir spielten vier bis fünf Songs an und sie merkten, dass ich vorbereitet war und hatten auch das Vertrauen, dass ich das in den Griff bekommen werde. Das erste Konzert war in der Nähe von Prag, dort spielte ich noch weit übermüdet, kam aber fehlerfrei hindurch. Beim zweiten Konzert in Prag war ich ausgeruht und da war dann alles cool.
Die Band hat einen großen Teil Deines Lebens mitbestimmt, es war eigentlich der längste Job, den Du bisher gemacht hast. Denk mal an Dein letztes Konzert vor zwei Jahren mit den Rocklegenden - die PUHDYS waren Teil dieser Tour: Fiel es Dir schwer, die PUHDYS zu begraben? Oder anders gefragt, warst Du damit einverstanden, dass die Band aufhört, zu spielen?
Ich war damit einverstanden. "Begraben" jedoch ist dafür der völlig falsche Ausdruck für so etwas. Es ist ein so langer Zeitraum, 36 Jahre in einer Band zu spielen. Das waren 36 Jahre Großfamilie, das waren 36 Jahre mal oben, mal unten, es waren 36 Jahre Geschäftsverbindungen, wenn man so will. Deswegen nahm ich mir ja auch zwei Jahre Zeit, Pause zu machen, um emotional einen Abstand dazu zu gewinnen. Irgendwann musst du sagen: "Stop, bis hier und nicht mehr weiter." Es war eine ganz tolle Zeit, es war eine ganz wichtige Zeit, sonst wäre ich nicht da, wo ich bin. Aber es war Gestern und ich möchte nicht gestern, sondern heute leben. Für mich ist das Heute extrem wichtig.
Nach dem Bekanntwerden Deiner Pläne mit NEULAND gab es bei Facebook unter anderen auch mal die Frage, warum haben die PUHDYS eigentlich aufgehört, wenn alle am Ende doch weitermachen. Kannst Du verstehen, dass sich die Leute diese Frage stellen?
Die Frage kann ich verstehen. Es war aber letztlich auch ein schleichender Prozess über Jahre. Dann kam noch hinzu, dass uns auch die Zeit weggerannt ist. Jeder - das weißt Du - wollte seine eigenen Solo-Projekte machen. Maschine wollte schon immer solo machen, Quaster und auch Peter machen ihre eigenen Projekte, sie machten gleich fließend weiter. Das war alles ein schleichender Prozess und dass die Leute sagen, dann hätten sie ja eigentlich auch gleich weitermachen können, ist verständlich. Aber es ging irgendwie nicht weiter. Wir hatten den Zenit erreicht. Mehr war für uns als Ost-Band nicht erreichbar, wir hatten ausverkaufte Hallen, wir haben die O²-World (jetzt Mercedes Benz-Arena) ausverkauft und bekamen sogar den ECHO für das Lebenswerk. Was denn nun noch?
Das ist wohl wahr. China hat noch gefehlt mit den STONES ...
Ja, okay, vielleicht kommt das ja noch ... Aber wenn wir gesagt hätten, wir machen nun zwei Jahre Pause, ruhen uns aus, gönnen uns diese Pause, dann kommen "50 Jahre PUHDYS" und wir rotten uns noch mal zusammen, wäre es durchaus eine Idee gewesen. Aber ich glaube, dass diese Idee mittlerweile nicht mehr vorhanden ist.
Habt Ihr Euren Echo nach der Geschichte bei der diesjährigen Verleihung eigentlich auch zurückgegeben?
Ich habe meinen nicht zurückgegeben, für die Kollegen kann ich es nicht sagen. Ich habe die Echo-Verleihung gesehen, kenne mich aber in dieser Rapper-Szene leider überhaupt nicht aus. Ich muss aber sagen, dass ich hoch schätze, wie sich Campino da verhalten hat, dass er den Mut und den Arsch in der Hose gehabt hat, sich da hinzustellen und zu sagen: "Augenblick mal, bis hier her und nicht weiter, ich bin damit nicht einverstanden." Das zollt meinen ganz großen Respekt und ich habe ein bisschen Angst, dass diese Art von Helden - sage ich mal - irgendwie aussterben. Ich habe die TOTEN HOSEN übrigens im vorigen Jahr in Berlin gesehen und muss sagen, das war Wahnsinn. So viel Message, so viel Energie und so viel Aura - ich war wirklich mehr als erstaunt und überrascht. Ganz ganz toll, da würde ich immer wieder hingehen. Ich finde die Typen echt cool, die haben was zu sagen und das finde ich gut.
Wir hatten ja vorhin über PRINZIP gesprochen und Du hattest eingangs erwähnt, dass Ihr nach einem Namen gesucht hattet, auf den auch ein Veranstalter anspringt. Seit Jahren gibt es von verschiedenen Leuten immer wieder den Wunsch, PRINZIP noch mal auf die Bühne zu bekommen. Dein Kollege Jürgen Matkowitz wehrt sich mit Händen und Füßen, wärst Du für so eine Geschichte offen?
Matko wohnt bei mir um die Ecke und sprach mich vor einem oder eineinhalb Jahren mal an, ob wir nicht mal für einen Kurzauftritt bei einer seiner gigantischen Lasershows, die er bei diversen Großveranstaltungen einsetzt, mit zwei oder drei Titeln mitwirken wollen. Ich habe erst mal nicht "Nein" gesagt, weil es ein großer Spaß gewesen wäre. Es hat sich aber irgendwie zerschlagen, weil der Bassist nicht konnte und seitdem ist das Thema eigentlich auch vom Tisch.
Das wäre ja vielleicht das Riesenpublikum gewesen, das sich Matko immer wünscht, um noch mal mit PRINZIP auf die Bühne zu gehen ...
Ja, aber es ist so viel Zeit vergangen. Ich meine, es wäre ein Spaß gewesen, aber mehr auch nicht. Man sollte es auch ruhen lassen. Es war alles cool, es war alles richtig, aber das reicht dann auch.
Klaus, für Dein neues Projekt, für Dein NEULAND wünsche ich Dir auf jeden Fall alles Gute und hoffe, dass alles so wird, wie Ihr Euch das vorstellt.
Na wir gucken mal und lassen es auf uns zukommen.
Ich drücke Euch die Daumen!
Super, dankeschön!
Hallo Klaus! Der eine PUHDY geht als "Neubeginner" auf Tour, der andere betritt "Neuland". Richtig was los in der Szene. Mit welchen Musikern wirst Du auf Entdeckungsreise gehen? Stell uns die Mitstreiter doch bitte mal kurz vor.
Also die Musiker sind Hans die Geige, ein Urgestein der deutschen Rockmusik. Weiter dabei sind der Gitarrist Thomas Glatzer und die Cellistin Sylvia Eulitz. Den Thomas kenne ich schon länger, Hans natürlich auch und Sylvia stieß durch Hans zu uns. Ich sagte, ich möchte, wenn ich eine normale Band aufbaue, mit einer Cellistin zusammenarbeiten. Hans kümmerte sich darum und holte Sylvia mit dazu.
Wie kam es überhaupt dazu, dass Du zwei Jahre nach dem Ende der PUHDYS mit einem eigenen Projekt an den Start gehst? War das Deine Idee oder hat Dich jemand gekitzelt?
Nein, das war meine Idee. Ich sage mal, die zwei Jahre Pause waren in Ordnung für mich. Ich konnte emotional etwas zurückschalten von dem, was da 36 Jahre lang passiert ist. Es ist ja ein ziemlich großer Teil meines Lebens und der gehört jetzt der Vergangenheit an. Ich sehe also in die Zukunft, aber: Einmal Musiker, immer Musiker. Hans traf ich zufällig - ich glaube - bei Harry Jeske auf der Geburtstagsfeier und fragte ihn, ob er denn noch Bock, Lust und auch die Kraft für neue Projekte hätte. Seine Antwort war sofort: "Ja, habe ich." So ging das alles los. Letztlich war also alles Zufall. Thomas Glatzer traf ich bei BELL BOOK & CANDLE. Ich fragte ihn: "Hast Du Bock, mal ein bisschen rumzuspielen? Mal gucken. Was passiert, ist offen. Wir lassen uns einfach leiten von dem, was für eine Energie entsteht." Er war sofort offen und meinte: "Mensch Klaus, ich bin jetzt 14 Tage in Urlaub, danach melde ich mich und dann gucken wir mal." So begann das alles, also Step by Step.
Ich erinnere mich noch an den "Rockstammtisch" vor zwei Jahren. Da war gerade der letzte Ton mit den PUHDYS bei den Rocklegenden verklungen und ich fragte Dich, wie es Dir denn so geht. Du antwortetest: "Alle fragen mich, wie es mir geht, als ob mir jetzt langweilig wäre ..." Du kämst ganz gut ohne den Rummel aus, sagtest Du. Was hat Dich denn nun letztendlich wieder in den Scheinwerferkegel gelockt? Ist Zaunstreichen und Rosenschneiden zu langweilig?
Wenn Du sagst "zu langweilig", dann hast Du völlig recht. Was ich völlig unterschätzt habe, ist die Tatsache, dass man irgendwann zu Hause sitzt und sich selbst fragt: "Was mach' ich jetzt eigentlich? 'Bares für Rares' gucken, oder die 'Küchenschlacht'?" Der Tag ist lang, was mache ich mit meiner Zeit? Ich wusste definitiv nicht, wohin mit meiner Zeit. Nach wie vor habe ich die beiden Jahre ja getrommelt. Das machte ich mein Leben lang und habe extrem viel Spaß daran. Ich blieb also fit und hielt mein Niveau, das war mir ganz wichtig. Aber Du sitzt dann eben da, nur Kois füttern reicht nicht und nur in Urlaub fahren, reicht auch nicht. Und auf einmal, jetzt ist 15.00 Uhr - und jetzt? Scheiße, was machste jetzt? Irgendwann reichte auch das Trommeln allein nicht mehr aus, so dass ich mir dachte, ich suche mir Partner, die mitspielen und mit denen ich Freude an der Musik habe. So entstand das eigentlich.
Du bist ja auch noch ziemlich jung ...
Na ja, wenn Du meinst, dass 64 ziemlich jung ist, dann ja ...
Im Vergleich zu Deinen ehemaligen Kollegen von den PUHDYS ...
Ja, das ist richtig, wohl wahr. Aber ich wollte nicht gleich weitermachen, das kam für mich nicht in Frage. Ich wollte mir nach so viel Erfolg und so viel Spektakel im Leben auch diese Pause gönnen. Ich dachte, die hatte ich mir verdient. Ich habe keinen Zeitdruck, mich drängelt keiner und ich kann alles in Ruhe angehen. Und man muss dazu sagen, dass das ein Privileg ist. Und das allerwichtigste ist eigentlich, dass ich durch die neuen Kollegen auch ein neues soziales Umfeld habe, was mir extrem gut tut.
Wir sprachen garade darüber: Gitarre, Schlagzeug, Geige, Cello - klingt auf den ersten Blick nicht wirklich nach Rock'n'Roll. Kannst Du mal ein bisschen erklären, wie Ihr das macht und wie Ihr zum Beispiel die Lücken ausfüllt, die ein fehlender Bassist oder Keyboarder lassen?
Eigentlich ist es so, dass wir fast jeden Tag an neuem Material arbeiten und die Tatsache ist, dass uns alles ein wenig überrumpelt. Uns überfährt der eigene Zug. Es geht alles viel schneller, als wir es wollten. Wir haben zur Zeit noch keinen Bassisten, wir fanden noch keinen, von dem wir denken, der passt in das Team mit rein. Es ist nämlich gar nicht so einfach, Leute zu finden. Es gibt unterschiedliche Charaktere, das kenne ich alles von den PUHDYS. Bei den PUHDYS hat es wunderbar geklappt, das muss aber nicht immer wieder gleich so klappen. Einen Keyboarder fanden wir auch nicht, aber die anderen drei Musiker, die Sylvie, der Thomas und der Hans spielen ohnehin auch Keyboards. Die können das, weil es studierte Musiker sind. Und angesichts dessen, dass wir keinen Bassisten und keinen Keyboarder haben, spielen wir das vom Band ein, was auch legitim ist. Es ist nicht unüblich, die meisten bekommen das auch nicht mit. Auch bei den ganz großen Acts kommt noch viel vom Computer dazu, um vor allem den Sound runder zu machen.
Das heißt also, es ist nicht ausgeschlossen, dass NEULAND vielleicht noch zu einem Quintett oder Sextett anwächst ...
Richtig, das ist nicht ausgeschlossen. Wollen wir mal abwarten ...
Wer wird denn singen? Gibt es ein Comeback des "TV-Show"-Sängers?
Nein nein nein. Bis jetzt sieht es so aus: Wir haben einige Songs gemacht, die Hans gesungen hat und wir sind alle sehr zufrieden, weil Hans' Stimme einen hohen Wiedererkennungseffekt hat. Er bezeichnet sich selbst natürlich nicht als Sänger, macht sich damit das Leben auch selbst schwer, was er gar nicht muss. Es ist alles ganz toll und die Songs, die er bisher gesungen hat, die passen zu uns, die Stimme passt zu uns und ich habe den Eindruck, dass sich Hans mittlerweile auch immer mehr damit identifizieren kann.
Klaus, wie sieht das unentdeckte Land aus, das Du mit NEULAND betreten wirst? Es wird demnächst ja wahrscheinlich auch ein komplettes Konzert geben, werdet Ihr komplett eigene Lieder präsentieren oder wirst Du der nächste Ex-PUHDY sein, der die alten Kamellen der ehemaligen Band in neuem Sound präsentieren wird?
Um erst mal Songmaterial zu bekommen, war meine Anfgangsidee, PUHDYS-Songs aus den 70er Jahren neu zu gestalten, in eine eigene Form zu bringen. Nachdem es im Studio dann allerdings ziemlich schnell voranging und die Ideen einfach nur so kamen, ist dieser Gedankengang eigentlich komplett verschwunden. Das heißt, ich habe nicht die Absicht, nun noch mal "Alt wie ein Baum" oder "Geh zu ihr" zu spielen. Das war die Vergangeneheit, die extrem toll und erfolgreich war, aber für mich hat - wie gesagt - ein neuer Lebensabschnitt begonnen und ich will ein Programm haben, in dem überwiegend eigene Songs gespielt werden. Eine Cover-Version ist definitiv dabei, sagt Dir die Band RUSH etwas?
Aber natürlich ...
Von denen gibt es einen Song, der heißt "YYZ". Das ist ein ziemlich heftiges und kompliziert zu spielendes Stück. Voraussetzung war für mich, dass ich den Kollegen zum Anfang gesagt habe: "Drückt Euch die Nummer rauf." Für die Streicher ist das natürlich schwierig, weil es eine Gitarrennummer ist. Acht Wochen später trafen wir uns zur Probe und spielten den Song zum ersten Mal ziemlich gut durch. Das war für mich das Zeichen, dass Interesse da ist ... dass vor allem Interesse da ist, zu arbeiten, denn das ist Arbeit. Das ist also eine Cover-Version, die wir mit Sicherheit spielen werden. "YYZ" von RUSH ...
Du sagtest gerade, Ihr werdet eigenens Material erarbeiten, Ihr seid schon zugange und es geht alles ziemlich schnell. Habt Ihr für Euer Vorhaben eine Plattenfirma als Partner eingeplant oder wird das alles in Eigenregie laufen?
Nein, so weit sind wir noch nicht. Wir haben keine Plattenfirma, wir haben kein Management, wir haben keine Booking-Agentur, sondern wir haben Zeit. Das ist das allerwichtigste, uns drängelt keiner, wir haben Zeit. Und es ist ja immer so, dass zum Anfang die Ideen so sprudeln und fließen. Mir ist auch klar, dass das in der nächsten Zeit wesentlich schwieriger werden wird. Aber wir sind optimistisch, sind dran, voller Spannung und voller Energie und machen einfach los, das ist das wichtigste.
Du klingst komplett optimistisch ...
Absolut.
... und auch ziemlich tatenhungrig. Man muss über das Alter nicht noch mal reden, aber gerade Hans und Du, die ja die 60 schon überschritten haben, fühlt Ihr Euch denn noch so voller Saft und Kraft, wirklich einen Neuanfang zu starten - so ganz bei Null anzufangen?
Ich sage mal so, mit dem Namen SCHARFSCHWERDTS NEULAND - die Idee war zuerst nur NEULAND - betreten wir Neuland. Wir sind neue Länder, neue Kollegen und so weiter und so weiter. Und nun sagte ich, wir brauchen vor "NEULAND" aber noch einen Namen, den man immer noch ein bisschen kennt. Insbesondere auch in der Veranstalterszene. Da kam eigentlich nur Scharfschwerdt in Frage, das wurde mit den Kollegen besprochen und so kam es zustande. Ich wiederhole mich, wenn ich sage, dass wir keinen Zeitdruck haben. Wir müssen nicht morgen und auch nicht übermorgen ein Konzert machen, sondern wir haben noch das ganze Jahr Zeit, um genügend Material zu erarbeiten, aus dem wir dann ein Programm zusammenstellen können. Es ist so, dass die ersten Veranstalter schon anfragen, wann es denn endlich losgeht. Dann sagen wir immer: "Stop, nicht so schnell. Wir haben Zeit."
Die Frage war anders gemeint. Wir gehen mal davon aus, am 20. Mai werden die Leute erstmals richtig von Euch angefixt, dann spielt Ihr das erste und zweite Konzert in einer vollen Bude und das Ding geht ab wie eine Rakete. Seid Ihr darauf vorbereitet, habt Ihr einen größeren Erfolg und den damit einhergehenden Stress einkalkuliert?
(denkt kurz nach) Ich sage mal ganz vorsichtig: Eigentlich nicht. Ich könnte damit umgehen, denn ich habe das ja mein ganzes Leben mitgemacht. Hans vielleicht auch. Mit den neuen Kollegen, da müsste man mal gucken. Aber das lasse ich auf mich zukommen. Es wäre natürlich toll, aber davon ausgehen kann man natürlich nicht, denn der Markt ist so voll mit tollen Sachen. Das ist sehr schwierig. Und wir sind nicht mehr die PUHDYS, das muss man auch ganz deutlich sagen.
Welche Ziele habt Ihr Euch mit NEULAND denn gesteckt? Gab es schon ein Brainstorming oder ist es wirklich einfach so, dass Ihr zusammensitzt, Spaß daran habt, Musik zu machen und keine Gedanken daran verschwendet, wo das wohl hinführen könnte?
Ziele steckten wir uns schon. Wir wollen sehen, dass wir bis zum Jahresende so viel Material beisammen haben, um eine Platte fertigstellen zu können. Das erste Ziel ist der 20. Mai, da wirken wir bei Hans die Geiges Konzert zum 45-jährigen Bühnenjubiläum mit. Er überredete uns dazu, das bekommen wir aber auch in den Griff. Ab kommenden Montag proben wir wieder im Saal, die drei Nummern kriegen wir geregelt. Das nächste und größere Ziel für mich, dass wir sagen, okay, bis Ende des Jahres haben wir so viel Material, dass wir eine Platte auf den Markt bringen können und bis dahin sind wir auch spielbereit für mindestens eineinhalb Stunden.
Vom Neuland kommen wir jetzt mal ganz zurück zu den Anfängen. Du bist Jahrgang 1954, wie und wann bist Du überhaupt zur Musik gekommen?
Ach, das war auch irgendwie alles Zufall. Es gab damals eine Unterhaltungssendung "Herzklopfen kostenlos", die im DDR-Fernsehen lief. Dort spielte ein ganz ganz junger Trommler. Ich war damals vielleicht 12 Jahre alt, das war so der erste Hieb. Und wie der Zufall so spielt, war mein Onkel Gitarrist bei den SPUTNIKS, die in den 60er und 70er Jahren eine Gitarrenband in der DDR war. Da durfte ich dann als Junge mal mit zum Konzert in Berlin und stand hinter dem Schlagzeuger. Da war ich so geflashed und so begeistert, dass für mich feststand: Das musst du auch machen, genau das musst du machen. Von Henry Kotowski - so hieß der Drummer - bekam ich die ersten Drumsticks und ich übte, übte und übte. Musikschule, die erste Band, zum Tanz gespielt und so weiter. Zum Tanz Cover-Versionen zu spielen, schult extrem. Damals war es üblich, fünf oder sechs Stunden zu spielen und so entwickelte sich das Step by Step weiter. Irgendwann kam das erste professionelle Angebot von einer Berliner Band namens VULCAN.
Noch mal ganz kurz: Henry Kotowski hat Schlagzeug gespielt? Heute ist er ja mit der Gitarre zugange ...
Ja, na klar. Jetzt spielt er Gitarre, aber er war ein Top-Drummer, der in der Twist-Zeit hervorragend trommelte.
Also war bei Dir sofort das Schlagzeug das Objekt Deiner Begierde oder hast Du auch vorher auch klassisch Blockflöte und Akkordeon gespielt?
Nein, es war von Anfang an das Schlagzeug.
Wir reden ja über die 60er Jahre in der DDR, Beatgruppen kamen auf, wurden verboten, nicht jedem war es möglich, ohne weiteres auf die Bühne zu gehen. Wie sah denn Deine Jugend aus und wo hast Du Deine ersten Erfahrungen als Musiker machen können?
Meine ersten Erfahrungen machte ich bei einer Amateuerband namens ... Mensch, den Namen kann ich Dir jetzt gar nicht mehr sagen. Der Gitarrist war Hans Knippenberg, der später bei POSSENSPIEL spielte. Der stand zu meinem 18. Geburtstag vor der Tür, ich wohnte noch bei meinen Eltern, und sagte zu mir, "Du pass mal auf, wir müssen morgen spielen, wir spielen STONES, BEATLES und alles andere, was modern ist. Du kannst Schlagzeug spielen, ich hole dich morgen ab." Ich dachte: "Wie jetzt?" Dann fuhren wir nach Zeuthen oder Eichwalde, probten dort kurz und spielten am gleichen Abend in einem Club. Wir spielten, was früher so üblich war. "Satisfaction" oder "Jumpin' Jack Flash" von den ROLLING STONES und wie das alles hieß. So ging das alles los und dort machte ich meine erste Erfahrungen.
Stimmt es, dass Du den Beruf des Tischlers erlernt hast?
Ja, ich habe Tischler gelernt. Allerdings nur aus dem Grund, weil mein Schulkamerad, der bei mir gegenüber wohnte, eine Lehrstelle als Tischler bei der Reichsbahn hatte. Und ich dachte, da wirst du dich mal auch bewerben, dann musst du nicht jeden Morgen allein zur Arbeit fahren. Ich stellte mich dann dort vor und da saß ein ehemaliger Armist, der für die Jugend verantwortlich war. Das erste, was er sagte: "Bevor du dich hier bewerben willst, musst du dir die Haare schneiden lassen." Ich hatte gar keine langen Haare. Ich wollte die Lehrstelle haben, da fragte er mich, ob ich in der FDJ wäre. Nein, war ich nicht. "Dann kriegst du auch die Lehrstelle nicht." Also ging ich in die FDJ, bekam die Lehrstelle und habe meine drei Jahre gelernt und den Gesellenbrief gemacht. Ich zog es also durch, arbeitete noch ein halbes Jahr nach dem Gesellenbrief weiter. Ab dann machte ich nur noch Musik.
Dann kam - Du hast es schon angesprochen - VULCAN. Wie kam es dazu, dass Du zu dieser Kapelle gekommen bist?
Das kam durch einen guten Freund von mir, der Burkhard Wolk heißt. Der war in der damaligen Zeit ein Super-Gitarrist und spielte in dieser Band. Der Drummer von VULCAN stammte aus Gera und ihm war es zu aufwändig, zum Proben immer nach Berlin fahren zu müssen und so fragte mich Burkhard, ob ich nicht Lust hätte in der Band mitzuspielen, er würde sich sehr darüber freuen. Dann spielte ich dort vor und bin für zwei oder drei Jahre bei VULCAN gewesen. Das waren meine ersten professionellen Erfahrungen, die Musiker waren alle älter, als ich und waren schon Profis. Aber es war eine Cover-Band, das muss ich auch dazu sagen.
VULCAN hatte aber auch eigene Lieder und auch Rundfunkproduktionen. Warst Du daran auch beteiligt?
Ich glaube, das war vor meiner Zeit. Dass Du noch VULCAN mit Rainer Bloss kennst ...
Aber auch nur vom Papier ...
Dann war da noch Rainer Nawrath, der Sänger, Tibor Nagy war der Manager. Zu ihm habe ich noch immer einen sehr freundschaftlichen Kontakt.
Von da aus ging es nach drei Jahren dann zu PRINZIP. Auf welchen Wegen führte es Dich denn dahin? Hat Matko Dich entdeckt oder hast Du Dich da beworben?
Also beworben habe ich mich eigentlich nirgends, was mir gerade so auffällt. Ich glaube, Matko sprach mich an. Er besuchte mich in meiner Berliner Altbauwohnung und fragte, ob ich nicht mitmachen wolle, weil der bisherige Trommler entweder einen Ausreiseantrag gestellt hatte oder sogar schon abgehauen war, das weiß ich gar nicht mehr genau. Jedenfalls habe ich bei PRINZIP vorgespielt, wir probten und es war richtig cool. Die Chemie stimmte und dann ging es schon recht schnell los zu den ersten Konzerten. Wir haben in den Anfangszeiten damals auch zum Tanz gespielt. Frank Czerny war ein toller Bassist, von dem ich viel lernte. Das war eine Zeit, in der ich das Laufen lernte.
Aus dieser Zeit gibt es ja richtig geile Autogrammkarten, auf denen Ihr extravagante Klamotten getragen habt und wenn Ihr dazu noch geschminkt gewesen wärt, hättet Ihr durchaus als KISS durchgehen können ...
Du, daran kann ich mich noch sehr gut erinnern. KISS schwappte damals gerade aus Amerika nach Europa über und Matko kam auf die Idee, wir müssten uns solche Lederklamotten machen lassen und hatte in Chemnitz eine Lederschneiderei an der Hand. Die hatten Nappaleder. So ein Leder gab es im Osten eigentlich gar nicht, und die konnten es trotzdem besorgen. Wir zeigten denen dann BRAVO-Bilder und die haben für uns maßgerecht unsere Kostüme geschneidert. Das war schon spannend. Ich habe ja hier zu Hause auch noch viele Bilder und wenn ich manche so sehe, denke ich auch: "Mein lieber Mann ..." Aber das war die Zeit, es war in Ordnung und man muss sich auch nicht dafür schämen.
Nö, warum auch? Habt Ihr denn bei Euren Konzerten auch KISS nachgespielt?
Nein, haben wir nicht. Aber wir hatten einen eigenen Song namens "Feuer-Rock", der ging so ein bisschen in diese Richtung. Den spielten wir damals beim Rundfunk ein.
Wurden diese Kostüme denn bei Konzerten auch getragen oder waren die nur für die Promotion gedacht?
Nein, die wurden live angezogen und dann ging es los ...
Cool. Das ist schon eine geile Zeit gewesen.
Absolut.
So richtig "heimisch" bist Du ja erst bei den PUHDYS geworden, als Du 1979 den Job von Gunther Wosylus übernommen hast. Auch hier die Frage, wie es genau zu Deinem Einstieg bei den PUHDYS kam. In der Verlosung für den Job gab es ja angeblich viele Namen, angeblich auch Paule POND ...
Das wäre mir neu. Meiner Meinung nach standen zwei andere zur Auswahl. Der eine war Michael Schwandt von KARAT und wenn ich mich recht erinnere, der Drummer von BERLUC, Dietmar Ränker. Schwandt kam nicht in Frage, weil bei KARAT die ganzen West-Tourneen losgingen und sie dadurch zu viel zu tun hatten. Die Frage, warum es Dietmar Ränker nicht wurde, kann ich nicht beantworten. Darüber wurde nie wieder gesprochen. Die PUHDYS haben mich zum ersten Mal in der alten Werner-Seelenbinder-Halle gesehen. Das muss Anfang 1979 gewesen sein. Es gab dort eine Art Festival, bei dem mehrere Ostbands spielten und dort spielte auch PRINZIP. Ganz zum Schluss spielten die PUHDYS und ich hatte sie vorher noch nie gesehen. Ich kannte sie nur aus dem Radio und wenn ich ehrlich sein soll, war das überhaupt nicht mein Ding. Mein Ding waren viel mehr Alex Harvey, Alice Cooper und wie die alle hießen. Die PUHDYS waren eine ganz andere Baustelle und das, was ich aus dem Radio kannte, gefiel mir eigentlich nicht wirklich. Aber wir spielten dort mit PRINZIP und irgendwie waren sie wohl davon angetan. Peter Meyer sprach mich danach an und fragte, ob wir nicht mal ein Gespräch führen könnten. Am gleichen Abend sah ich dann noch die PUHDYS spielen und ab diesem Moment hatte ich meine Meinung komplett korrigiert. Ich muss ehrlich sagen, dass ich eine solche Atmosphäre und Stimmung im Publikum so vorher noch nie erlebt hatte. Die Jungs kamen - wenn ich mich recht erinnere - nach einem Einspiel auf die Bühne, die Mädels saßen alle auf den Schultern ihrer Freunde und es war eine so geile Stimmung, dass ich sagen musste: "Respekt." Da kam Energie von der Bühne, da standen fünf Typen auf der Bühne und ich fragte mich: "Was ist denn da los, wie geht denn das?" Ich konnte das irgendwie nicht analysieren, ich fand es einfach nur toll. Eine Woche später traf ich mich mit Peter Meyer, wir unterhielten uns und er fragte mich, ob ich mir vorstellen könnte, bei den PUHDYS einzusteigen, weil meine Art zu trommeln den Kollegen und auch ihm selbst gefiel. Sie müssten jedoch erst mal gucken, ob ich Reisekader wäre, denn das wäre sehr wichtig. Dann dauerte es ein halbes Jahr, es kam die Bestätigung, dass ich Reisekader sei und ab da ging dann die Post ab. Mein erstes West-Konzert war in der Nähe von Göttingen. Vellmar hieß der Ort. Dort war ein 3.000-Mann-Zelt mit einer riesigen Bühne aufgebaut, bis dahin wusste ich gar nicht, dass es so große Zelte gibt. Jedenfalls war ich dort und dachte mir "Das kann doch gar nicht sein, die kommen doch nicht wegen uns. Da spielen doch bestimmt noch andere Bands ..." Nein, die kamen wegen uns. Im Osten hieß es ja immer, dass es nicht stimmt, wenn die PUHDYS erzählen, dass im Westen so viele Leute zu den Konzerten kommen. Das kann gar nicht stimmen. Und dann saß ich plötzlich auf einer Bühne in einem riesengroßen und rappelvollen Zelt und die Leute sangen alles mit. Das war mein erstes großes West-Erlebnis.
Ich muss noch mal kurz nachhaken. Du hattest gerade das Wort "Reisekader" genannt. Damit kann das "Jungvolk", das bei uns liest und auch mancher "Wessi" nichts anfangen. Wie wurde man denn Reisekader und was genau bedeutete das?
Also, bedeutet hat das, dass du ins kapitalistische Ausland fahren durftest. Das durften ja nur die wenigsten und auch nur die wenigsten Künstler. Die Frage, wie man Reisekader wurde, kann ich Dir nicht beantworten, keine Ahnung. Ich weiß nur, dass ich in einer Altbauwohnung wohnte und im Nachhinein erfahren habe, dass auch im Altbau bei den anderen Mietern nachgefragt wurde, was ich denn für eine politische Einstellung hätte und wie ich mich dem Sozialismus gegenüber verhalten würde. Ich habe keine Ahnung, alles andere wäre lediglich eine Mutmaßung.
Die PUHDYS hatten zu dem Zeitpunkt, als Du hinzu kamst, ja schon einiges an Material auf der Pfanne. Ein paar LPs waren schon im Umlauf. Ist es Dir leicht gefallen, Dich da hineinzuarbeiten? Immerhin kamst Du von einer ziemlich harten Baustelle, denn PRINZIP hat ja ordentlich gerockt. Wie lange hast Du gebraucht, um auf Betriebstemperatur zu sein?
Eigentlich ging das ruckzuck. Ich habe mir das komplette zweistündige Programm anhand eines Live-Mitschnitts drauf gedrückt. Da gab es null Komplikationen und ich konnte es aus dem "Effeff". Dann wurden Step by Step bei den Proben neue Titel erarbeitet, es kamen die ersten Plattenaufnahmen, das ging also alles fließend.
Du sagtest, dass Du Dich an Dein erstes West-Konzert erinnern kannst, welches war denn Dein wirklich erstes PUHDYS-Konzert?
Mein wirklich erstes PUHDYS-Konzert war in der damaligen CSSR. Da bin ich nachgereist, die PUHDYS waren dort auf Tour. Das alles zu erzählen, würde jedoch den Rahmen sprengen. Ich ging in den Konzertsaal rein, Wosylus sah mich, packte sofort seine Klamotten zusammen, fuhr nach Hause und ich habe nach gut 20 Stunden Fahrt mit meinem Trabbi den ersten Soundcheck mit den Jungs gemacht. Wir spielten vier bis fünf Songs an und sie merkten, dass ich vorbereitet war und hatten auch das Vertrauen, dass ich das in den Griff bekommen werde. Das erste Konzert war in der Nähe von Prag, dort spielte ich noch weit übermüdet, kam aber fehlerfrei hindurch. Beim zweiten Konzert in Prag war ich ausgeruht und da war dann alles cool.
Die Band hat einen großen Teil Deines Lebens mitbestimmt, es war eigentlich der längste Job, den Du bisher gemacht hast. Denk mal an Dein letztes Konzert vor zwei Jahren mit den Rocklegenden - die PUHDYS waren Teil dieser Tour: Fiel es Dir schwer, die PUHDYS zu begraben? Oder anders gefragt, warst Du damit einverstanden, dass die Band aufhört, zu spielen?
Ich war damit einverstanden. "Begraben" jedoch ist dafür der völlig falsche Ausdruck für so etwas. Es ist ein so langer Zeitraum, 36 Jahre in einer Band zu spielen. Das waren 36 Jahre Großfamilie, das waren 36 Jahre mal oben, mal unten, es waren 36 Jahre Geschäftsverbindungen, wenn man so will. Deswegen nahm ich mir ja auch zwei Jahre Zeit, Pause zu machen, um emotional einen Abstand dazu zu gewinnen. Irgendwann musst du sagen: "Stop, bis hier und nicht mehr weiter." Es war eine ganz tolle Zeit, es war eine ganz wichtige Zeit, sonst wäre ich nicht da, wo ich bin. Aber es war Gestern und ich möchte nicht gestern, sondern heute leben. Für mich ist das Heute extrem wichtig.
Nach dem Bekanntwerden Deiner Pläne mit NEULAND gab es bei Facebook unter anderen auch mal die Frage, warum haben die PUHDYS eigentlich aufgehört, wenn alle am Ende doch weitermachen. Kannst Du verstehen, dass sich die Leute diese Frage stellen?
Die Frage kann ich verstehen. Es war aber letztlich auch ein schleichender Prozess über Jahre. Dann kam noch hinzu, dass uns auch die Zeit weggerannt ist. Jeder - das weißt Du - wollte seine eigenen Solo-Projekte machen. Maschine wollte schon immer solo machen, Quaster und auch Peter machen ihre eigenen Projekte, sie machten gleich fließend weiter. Das war alles ein schleichender Prozess und dass die Leute sagen, dann hätten sie ja eigentlich auch gleich weitermachen können, ist verständlich. Aber es ging irgendwie nicht weiter. Wir hatten den Zenit erreicht. Mehr war für uns als Ost-Band nicht erreichbar, wir hatten ausverkaufte Hallen, wir haben die O²-World (jetzt Mercedes Benz-Arena) ausverkauft und bekamen sogar den ECHO für das Lebenswerk. Was denn nun noch?
Das ist wohl wahr. China hat noch gefehlt mit den STONES ...
Ja, okay, vielleicht kommt das ja noch ... Aber wenn wir gesagt hätten, wir machen nun zwei Jahre Pause, ruhen uns aus, gönnen uns diese Pause, dann kommen "50 Jahre PUHDYS" und wir rotten uns noch mal zusammen, wäre es durchaus eine Idee gewesen. Aber ich glaube, dass diese Idee mittlerweile nicht mehr vorhanden ist.
Habt Ihr Euren Echo nach der Geschichte bei der diesjährigen Verleihung eigentlich auch zurückgegeben?
Ich habe meinen nicht zurückgegeben, für die Kollegen kann ich es nicht sagen. Ich habe die Echo-Verleihung gesehen, kenne mich aber in dieser Rapper-Szene leider überhaupt nicht aus. Ich muss aber sagen, dass ich hoch schätze, wie sich Campino da verhalten hat, dass er den Mut und den Arsch in der Hose gehabt hat, sich da hinzustellen und zu sagen: "Augenblick mal, bis hier her und nicht weiter, ich bin damit nicht einverstanden." Das zollt meinen ganz großen Respekt und ich habe ein bisschen Angst, dass diese Art von Helden - sage ich mal - irgendwie aussterben. Ich habe die TOTEN HOSEN übrigens im vorigen Jahr in Berlin gesehen und muss sagen, das war Wahnsinn. So viel Message, so viel Energie und so viel Aura - ich war wirklich mehr als erstaunt und überrascht. Ganz ganz toll, da würde ich immer wieder hingehen. Ich finde die Typen echt cool, die haben was zu sagen und das finde ich gut.
Wir hatten ja vorhin über PRINZIP gesprochen und Du hattest eingangs erwähnt, dass Ihr nach einem Namen gesucht hattet, auf den auch ein Veranstalter anspringt. Seit Jahren gibt es von verschiedenen Leuten immer wieder den Wunsch, PRINZIP noch mal auf die Bühne zu bekommen. Dein Kollege Jürgen Matkowitz wehrt sich mit Händen und Füßen, wärst Du für so eine Geschichte offen?
Matko wohnt bei mir um die Ecke und sprach mich vor einem oder eineinhalb Jahren mal an, ob wir nicht mal für einen Kurzauftritt bei einer seiner gigantischen Lasershows, die er bei diversen Großveranstaltungen einsetzt, mit zwei oder drei Titeln mitwirken wollen. Ich habe erst mal nicht "Nein" gesagt, weil es ein großer Spaß gewesen wäre. Es hat sich aber irgendwie zerschlagen, weil der Bassist nicht konnte und seitdem ist das Thema eigentlich auch vom Tisch.
Das wäre ja vielleicht das Riesenpublikum gewesen, das sich Matko immer wünscht, um noch mal mit PRINZIP auf die Bühne zu gehen ...
Ja, aber es ist so viel Zeit vergangen. Ich meine, es wäre ein Spaß gewesen, aber mehr auch nicht. Man sollte es auch ruhen lassen. Es war alles cool, es war alles richtig, aber das reicht dann auch.
Klaus, für Dein neues Projekt, für Dein NEULAND wünsche ich Dir auf jeden Fall alles Gute und hoffe, dass alles so wird, wie Ihr Euch das vorstellt.
Na wir gucken mal und lassen es auf uns zukommen.
Ich drücke Euch die Daumen!
Super, dankeschön!
Interview: Christian Reder
Bearbeitung: MB
Fotos: Frank Iffert, Pressematerial
Bearbeitung: MB
Fotos: Frank Iffert, Pressematerial