000 20170607 1083886705

Interview vom 6. Juni 2017



Er kommt zwar nicht aus Liverpool, wie der "Junge", über den er einst einen Song schrieb, aber der "Junge aus Halle" brachte die heißen Rhythmen von seinem an der Saale gelegenen Heimatort aus in die Welt. Neben Herbert Dreilich dürfte er einer der bekannteste Hallenser Rockmusiker sein,001 20170607 1770001706 und von hier aus startete die Karriere des Musikers und Produzenten SIEGHART SCHUBERT. Über die Klassik und den Jazz kam er in den 70ern zur Rockmusik, gründete seine Sieghart Schubert Formation (später Schubert Band) und machte mit Rundfunkproduktionen, Schallplatten und begeisternden Konzerten auf sich aufmerksam. Quasi auf dem Höhepunkt des Erfolges machte er einen radikalen Schnitt. Den Platz auf der Bühne tauschte er gegen den hinter den Reglern im Studio und arbeitete fortan als Produzent. Was viele vielleicht nicht wissen (inklusive bis vor wenigen Tagen auch der Schreiber dieser Zeilen) ist, dass er nach wie vor im musikalischen Bereich tätig ist. Christian traf sich mit SIEGHART SCHUBERT zu einem Gespräch um zu erkunden, was der Musiker und Produzent heute so macht. Dabei bekam er tiefe Einblicke in eine spannende Karriere. Welchen Einfluss Herbert Dreilich (KARAT) auf ihn hatte, wie die Zusammenarbeit mit Holger Biege war und was nach der Zeit mit der Schubert Band kam erfahrt Ihr u.a. in dem folgenden Interview ...




Hallo Sieghart, schön, dass Du Zeit für uns hast. Wie geht's Dir?
Mir geht's gut.

Das ist schön, zu hören. Was machst Du heute so? Das letzte, was man über Dir las, betraf Deine Zeit im Farmlandstudio in Quadenschönfeld und seitdem ist ein bisschen Ruhe um Dich.
Ich betreibe dieses Studio nach wie, nur an einem anderen Ort, nämlich in Neetzka (ein Ort zwischen Neubrandenburg und Strasburg in Mecklenburg Vorpommern, Anm. d. Red.). Es ist dasselbe Studio mit dem gleichen Equipment und dort arbeite ich seit 2002.

002 20170607 2092814143Im Farmlandstudio Quadenschönfeld waren Bands wie KARAT oder Chicorée, die dort bei Euch aufgenommen haben. Mit wem hast Du in den letzten 15 Jahren an der "neuen" Wirkungsstätte zusammengearbeitet?
Unter anderem produzierte ich mit Tino Eisbrenner die CD "Forgotten Trail" oder mit IM BETT MIT UDO. Das ist ein Projekt, bei dem Covers von Udo Lindenberg unplugged gespielt werden.

Dort ist Dein Sohn dabei ...
Genau, richtig. Dann machte ich im Jahr 2005 die Gesamtproduktion der Vineta-Festspiele in Zinnowitz auf Usedom. Da fungierte ich als musikalischer Direktor, komponierte also sämtliche Stücke, arrangierte sie und spielte alles ein. Dann arbeitete ich viel mit der deutschen TANZ-COMPANY, für die produzierte ich viele Sachen. Da gab es ein Stück namens "Sonnensturm", welches sich mit der Umweltproblematik beschäftigte oder auch das Stück "Barlach" über den bei uns in Güstrow ansässig gewesenen Bildhauer, Schriftsteller und Zeichner Ernst Barlach. Mit der Neubrandenburger Philharmonie nahm ich für die TANZ-COMPANY in der Konzertkirche zwei Produktionen auf. Eine war "Rotkäppchen", ein Kinderstück, und das Stück "Folklore". Dabei handelte sich um eine Art Kompilation von diversen Stücken, bei denen ich auch kompositorisch zugange war. Im Moment arbeite ich gerade mit einem jungen Cellisten, der in Berlin studiert. Er macht Musik in der Richtung á la Robin Schulz oder Felix Jaehn - also in der DJ-Richtung. Das Projekt nennt sich CHOI & MÜNCHHAUSEN und könnte - wenn wir Glück haben - einen internationalen Durchbruch bedeuten. Dieser junge Mann kommt von der Klassik, entschied sich aber für die andere Richtung, nämlich selbst zu produzieren und Songs zu schreiben. Das machen wir gemeinsam bei mir im Studio und das könnte sehr erfolgversprechend werden.

Wie weit seid Ihr da?
Wir haben bis jetzt zwei Titel in einer guten Rohfassung.

Da kannst Du uns gern auf dem Laufenden halten ...
Ja, mache ich.

003 20170607 1846823858

Na, das ist ja doch eine ganze Menge, die Du da gemacht hast und gerade auch machst ...
Dazwischen gab es noch Hörbuch-Produktionen und auch zwei Produktionen mit der Hallenser Metal-Band RETARDED NOISE SQUAD. Eine davon war sehr interessant, bei der wurden die Schlagzeug-Takes von einem amerikanischen Schlagzeuger in seinem eigenen Studio eingespielt, der mir dann die Files zugeschickt hat. Das ist eine sehr schöne Sache geworden.

Bekannt geworden bist Du aber schon viele Jahre vorher, nämlich in den 70ern, und zwar nicht als Produzent, sondern als Musiker. Reisen wir deshalb doch mal ein bisschen zurück in die Zeit und sehen mal, wie Du überhaupt zur Musik gekommen bist. Was war der Auslöser dafür, dass Du ein Instrument erlernt hast und Dich auch für Musik interessiert hast?
Der Auslöser war, dass ich bereits mit vier Jahren aufgrund des Betreibens meines Vaters mit dem Klavierspielen begonnen habe und eigentlich ein sehr guter Pianist wurde. Aber wie das in der Jugendzeit so ist, man hat - während alle andere draußen Fußball spielen - nicht immer Lust, Klavier zu üben. Aber ich musste eben Klavier üben. Nachdem ich die Mittelschule beendet hatte,005 20170607 1081515624 ging ich ans Konservatorium in Halle (Saale), bestand die Aufnahmeprüfung und studierte dort vier Jahre im Hauptfach Klavier und Posaune. Im Osten gab es die Möglichkeit, weiterzumachen, wenn man gut war. Ich bewarb mich also noch an der Leipziger Hochschule, studierte dort nochmals vier Jahre und machte mein Staatsexamen.

Man hört ja von vielen Musikern, dass sie neben der Musik auch einen "richtigen" Beruf erlernen mussten. War das bei Dir auch so oder bist Du gleich nach der Schule direkt gleich an die Hochschule?
Nein, ich habe keinen richtigen Beruf (lacht). Bei mir gab es immer nur Musik ...

Wie sah das denn in Deiner Jugend aus? Hast Du damals schon in einer Band gespielt oder ging es da nur um Klassik?
Nein, das ganze Klavierspiel war klassisch. Busoni, Beethoven, Mozart - die Klaviersonaten usw. Das war alles klassisch. Ich hatte aber einen leichten Hang und Drang, auch in andere Richtungen zu sehen. Als ich ca. 15 Jahre alt war, da spielte ich ja schon Posaune, gab es in Halle die Uni-Jazzband. Dort bekam ich die ersten Kontakte zur Musik von Chris Barber, Mr. Acker Bilk und anderen. So fing das dann langsam an ...

Hast Du denn andere Musik gehört, als Du selbst spieltest? Irgendwie muss es ja eine Initialzündung gegeben haben, dass Du dann zur Rockmusik gekommen bist ...
Da muss ich etwas weiter ausholen. Zu Ost-Zeiten war es ja so, dass man nicht oder nur sehr schwer an West-Produktionen heran kam. In meiner Geburtsstadt Halle gab es einen - ich nenne ihn mal so - Geheimring von jungen Leuten. Und einer von denen hatte einen guten Kontakt in den Westen und bekam einmal im Monat 10 Jazz-Platten geschickt. Wir hatten uns einen kleinen Club eingerichtet, trafen uns dort und hörten diese Platten, zum Beispiel von Dave Brubeck (Foto rechts) und allem anderen, was gerade angesagt war. Das war natürlich eine ganz spannende Sache, weil Westplatten ja verboten waren. Einmal flog die Sache auf, dann kam das sogenannte Überfallkommando. Wir mussten alle raus aus dem Keller, den wir mit Matratzen usw. selbst eingerichtet hatten, wurden aufgeladen, mussten auf die jeweilige Polizeiwache und wurden verhört, wo die Scheiben her waren und sonst was alles. Auch deshalb hat mich das ganze dann interessiert. Irgendwann kam dann Herbert Dreilich - der spätere KARAT-Sänger - nach Halle und alles war in heller Aufregung, denn er kam ja aus dem Westen, nämlich aus München. Ich weiß gar nicht mehr warum, aber sein Vater hatte in Halle wohl eine Anstellung bekommen. Herbert und ich freundeten uns an und jammten oft gemeinsam. Die ersten Rocksachen habe ich eigentlich mit Herbert Dreilich gemacht. Damals zogen wir los und landeten bei einer Band namens DIE HOBBYS in Borna. Früh morgens ging es los, jeder mit einem Verstärker unter dem Arm. Die hießen damals "Electro-Artist" und das war etwas ganz seltenes, wenn man da ran kam. Wir fuhren mit dem Zug, stiegen drei mal um und wurden dann in Borna vom Bandchef mit einem Barkas B 1000, einem Lieferwagen, abgeholt. Dann haben wir gemuggt und bei diesen Veranstaltungen war immer die Hölle los.

Das war also die erste Station, auf der Du solche Musik gemacht hast?
Ja, das war die erste Station. Während des Studiums war das eigentlich verboten. Man durfte nicht von der Klassik abweichen, sondern sollte stets den geraden Weg gehen. Wir machten dann auch mal eine Rundfunkaufnahme, dort musste ich mir einen anderen Namen zulegen, damit auf der Hochschule niemand bemerkte, dass ich das war. In der Woche wurde dann immer Radio Luxemburg gehört, um die neuesten Songs der ROLLING STONES aufzunehmen. Die wurden dann vom Tonband abgehört und am Wochenende im Tanzsaal gespielt.

Unter welchem Namen hast Du denn diese Aufnahme gemacht?
Wenn ich das noch wüsste ... (lacht) Ich glaube, ich habe davon sogar noch einen Mitschnitt, den müsste ich glatt mal rauskramen. Der ist sicher ganz interessant. Das mit Herbert und weiteren kleineren Unternehmungen ging eine ganze Weile so weiter und nach dem Abschluss meines Studiums in Leipzig begann ich unter Dirigent Franz Konwitschny als Posaunist im Leipziger Gewandhaus. Das nannte sich damals "Praktikant". Ich kann mich noch erinnern, dort stand damals die Wagner-Oper "Tannhäuser" auf dem Programm. Als junger Mensch saß ich erwartungsvoll im Orchestergraben neben all den erfahrenen Posaunisten. Jeder hatte seine Noten, Franz Konwitschny dirigierte und während der ersten Posaunen-Einsätze verschwanden plötzlich meine Kollegen. Ich saß also allein im Orchestergraben, die Oper ging aber weiter. Ich war ohnehin beim ersten Mal mit diesem ganzen Orchester sehr aufgeregt und fragte mich, was denn nun los sei. Nach einer Weile kam der nächste Einsatz. Um es verständlich zu machen: Du hast eine Partitur vor dir, spielst beispielsweise acht Takte und dann steht da meinetwegen 30 Takte Pause. Es waren noch acht Takte Pause und ich dachte, dann müssen die ja langsam mal wieder kommen. Die kamen tatsächlich wieder, der nächste Einsatz kam und danach verschwanden die sofort wieder. Das machte mich irgendwie stutzig. Bei der nächsten Aufführung sagten die dann zu mir: "Sag mal, was sitzt Du hier eigentlich rum?" Ich sagte, "Na, ich habe doch hier Dienst", oder so in etwa. "Ach, komm mal mit." Und da bekam ich mit: die verschwanden jedes Mal, wenn eine Pause im Stück war, in der Kantine und spielten Skat. Neben ihnen lag eine Stoppuhr, da war alles genau ausgerechnet. Mittendrin dann "Mensch, wir müssen hoch, Einsatz!" Also alle wieder hoch und dann dasselbe Spiel ... Das war so meine erste Konfrontation mit dem Leben eines klassischen Orchesters. Dann bekam ich mit, die Pausengespräche drehten sich nur um Themen, was hat der eine in seinem Garten für Gemüse gepflanzt, wer hat ein neues Auto bekommen oder was weiß ich. Es ging also überhaupt nicht um Kunst oder derartiges. Diese ganze Art des Daseins hat mich irgendwie überhaupt nicht befriedigt.

Wann hast Du Dein Studium abgeschlossen und in welchem Jahr war das?
Ach, lass mich rechnen ... Das war 1965.

Hast Du denn nebenher weiter die "andere" Musik gemacht?
Ja, das machte ich schon nebenbei. Ich spielte zum Beispiel Bassgitarre bei den BELBOYS, der damaligen Konkurrenzband von RENFT in Leipzig. BEL waren englische Verstärker, die wurden auf der Leipziger Messe ausgestellt und man guckte sich die Augen wund, weil man an die ja nicht heran kam. Wir hatten dann einen Manager, der bei der Leipziger Messe arbeitete und der hatte uns - wie auch immer - zwei dieser Verstärker besorgt. Deshalb nannten wir uns dann "BELBOYS". Das sind alles so Nebenepisoden quer durchs Land ...

War das auch mit Herbert oder warst Du da allein?
Das war auch mit Herbert. Herbert war immer mit dabei ...

Von Herbert weiß man ja, dass er irgendwann zu den ALEXANDERS ging. Wie ging es mit Dir weiter?
Ja, Herbert ging nach Berlin zu den ALEXANDERS. Ich bekam einen Brief von Klaus Lenz. Er suchte für die KLAUS LENZ BIG BAND einen Posaunisten und hatte irgendwo gehört, dass ich gut sei. Ich solle doch mal nach Berlin kommen und bei ihnen vorspielen. Das machte ich natürlich und dann ging die sogenannte Laufbahn als Jazzer oder Rockmusiker für mich los. Wir waren mit LENZ ja die erste Band im Osten überhaupt, die richtige Konzert-Tourneen machte. Damals mit Manfred Krug, Etta Cameron, Günter "Baby" Sommer, Ulrich Gumpert, Ernst-Ludwig Petrowsky, Friedhelm Schönfeld, Günther Fischer - die Größen des Jazz im Osten eben.

Du hattest mit dem Abschluss Deines Studiums dann ja auch diesen Berufsausweis - den man ja haben musste - bekommen oder musstest Du den erst noch anderweitig erwerben?
Nein, den musste ich nicht erwerben, ich hatte ja ein Staatsexamen.

Da stand es Dir dann frei, ob Du in die Klassik oder in die Unterhaltungsmusik gehen wirst?
Darüber machte ich mir gar keine Gedanken und es fragte auch nie jemand nach.

Wie lange warst Du bei LENZ?
Bei LENZ war ich bis 1973.

Im Jahre 1973 hast Du dann die SIEGHART-SCHUBERT-FORMATION gegründet ...
Ja, das stimmt. Da hatte sich LENZ langsam nach und nach aufgelöst und da gründete ich dann meine eigene Band.

Welche Idee hattest Du damals im Kopf, als Du diese Band gründetest und was war Dein Ziel?
Die Idee war die, dass wenn man in einer "Fremd"-Band spielt bzw. - das klingt jetzt blöd - "angestellt" ist, macht man ja hauptsächlich das, was der Bandchef macht. Das war damals so, es war eben die große Bigband, Klaus Lenz suchte die Songs aus, schrieb die Arrangements. Man war integriert, es machte Spaß, mit den ganzen Leuten zusammenzuarbeiten, aber irgendwann hast du im Hinterkopf den Gedanken, manches selbst und auch anders machen zu wollen. Ich dachte, wenn das mit LENZ ohnehin alles etwas weniger wird, dann versuche es doch mal mit einem eigenen Unternehmen in Richtung Jazz-Rock.

Wer gehörte damals zur ersten Besetzung und wie hast Du die Musiker gefunden, die Du für Dein Projekt brauchtest?
Das ist eine gute Frage. Uschi Brüning war zum Beispiel die erste Sängerin. Der erste war - glaube ich - Peter Rasym, mit dem ich heute noch befreundet bin und mit dem ich auch kürzlich ein gemeinsames Projekt hatte. Frank Endrik Moll war unser Schlagzeuger. Hans "Hans die Geige" Wintoch spielte Geige, Hans Joachim Müller, der als Percussionist geführt wurde, war unser Manager. Und Bläser hatten wir auch in der Band. Ich spielte Posaune, Helmut Forsthoff am Alt-Saxophon und Claus-Dieter Knispel am Sopran-Saxophon. Das war eine schöne Besetzung. Dann war noch Christiane Ufholz als Sängerin dabei. Ich weiß gar nicht, wer da noch alles mit dabei war ...

... und Holger Biege?
Holger Biege kam nach Uschi Brüning, war aber bei den ersten Konzerten noch nicht dabei.

Das waren dann ja zwei Sängerinnen mit denen Du angefangen hast. Wie kam Holger Biege dazu?
Das sind immer so Sachen ... Als Band oder Musiker bekommst Du zu hören "Du, da gibt es in Berlin einen tollen Sänger. Der war vorher bei NOSTRUM und hat zur Zeit keine Band. Den musst du dir unbedingt mal anhören." So läuft das. Ich fuhr nach Berlin, hörte ihn mir an und wir kamen ins Gespräch. Ihm gefiel, was ich machen wollte. Wir spielten damals viele Sachen von Stevie Wonder und er sang gerade diese Stevie Wonder-Songs superphantastisch. Anschließend kam er dann zu unseren Proben nach Halle und wir alle waren schwer begeistert von ihm. Wir stellten ein auf ihn zugeschnittenes Programm zusammen, welches uns allen sehr gefiel und dann ging es los. Bei unseren Auftritten hatten wir damit riesige Erfolge. Zu Holger Biege kann ich noch eine schöne Geschichte erzählen: In jedem Bezirk gab es ja eine so genannte Konzert- und Gastspieldirektion und ich bekam eines Tages einen Anruf vom stellvertretenden Direktor. "Herr Schubert, Sie möchten doch bitte mal am Mittwoch dieser Woche vorbeikommen." Ich fuhr hin, kam in einen Raum, in dem Schreibtische in U-Form standen und um den sich etwa zehn Leute - Parteigenossen, der Direktor der Konzert- und Gastspieldirektion, Mitglieder vom Rat des Bezirkes - versammelt hatten und ich dachte, was ist denn nun los? Die sagten dann: "Herr Schubert, wir haben gehört, Sie haben in Ihrer Band einen Berliner Sänger, der sieht ja aus, wie eine singende Hyäne! So etwas möchten wir hier in unserem Bezirk nicht haben und würden Sie doch bitten, sich von diesem Menschen zu trennen." Das war ein Ding, ich dachte, ich höre nicht richtig. Ich diskutierte eine ganze Weile mit denen und dann sagten sie mir lediglich, dass ich die Konsequenzen zu tragen hätte. Das war Holger Biege - die singende Hyäne ...

Wie kam man denn aus einer solchen Nummer wieder raus?
Ich habe dann gar nichts weiter unternommen, wir haben weiter unsere Muggen trotzdem gemacht, die alle erfolgreich waren, wir waren sehr beliebt und machten dann ja sogar Rundfunkaufnahmen mit ihm, von denen einige auch sehr gut gelaufen sind. Irgendwie verkraftet man das, denn ich wusste schon damals, dass das alles Leute waren, die vom Fach keine Ahnung hatten. Für damalige Zeiten war es sensationell, wie Holger Biege sang.

Du sprachst Rundfunkproduktionen an, "Sommer adé" und "Nach Hause" kenne ich. Gab es noch mehr?
Das weiß ich gar nicht, ich bin da leider immer ziemlich nachlässig gewesen und führte da nie irgendeine Diskographie über die Sachen, die ich gemacht habe. Bei "Sommer adé" hat Hans die Geige mitgemacht und ich denke, dass wir mit Holger drei oder vier Produktionen gemacht haben.

Holger blieb ja dann nicht all zu lange und ging nach einem Jahr wieder. Warum stieg er aus, war seine einzige Ambition die einer Solokarriere oder habt Ihr Euch nicht mehr verstanden?
Wir haben uns verstanden. Aber - das mal am Rande bemerkt - es war für Holger immer ein Problem, pünktlich zu sein. Das war aber auch nicht einfach, denn er musste ja, wenn wir eine Mugge hatten, immer von Berlin irgendwo hin fahren. Oft hat er dann den Zug verpasst und ich erinnere mich noch an ein Erlebnis: Wir hatten eine Mugge im Kulturpalast in Bitterfeld und hatten uns am Bahnhof in Bitterfeld verabredet. Sein Zug sollte kurz nach 15:00 Uhr ankommen und ich wollte ihn mit dem Auto abholen, um dann zum Soundcheck zu fahren. Der Zug kam an, niemand stieg aus und als der Zug wieder abfuhr, sah Holger Biege aus dem Fenster ... Ich stand auf dem Bahnhof und der Zug war weg. Er war also ein wenig, wie könnte man das nennen ...???

 
Jung und unprofessionell?
Ja, genau. Jung und unprofessionell. Da gab es dann natürlich manchmal Diskussionen, aber das war nicht der Ausschlag. Ich denke, dass es für ihn etwas umständlich war, stets erst nach Halle zu fahren, um von dort aus dann quer durch die Republik zu starten.

Ich las, dass während seiner Zeit parallel auch schon Katrin Lindner - Deine ehemalige Ehefrau - dabei war. Stimmt das?
Ja, sie kam dann dazu, aber es gab als weiteren Sänger auch noch Christian Schmidt, der dann später bei der MODERN SOUL BAND sang, aber leider nicht mehr lebt. Er war ein guter Sänger, vermochte es allerdings nicht so gut, eigene Dinge zu gestalten. Covers waren eher sein Ding. Dann gab es noch ein Projekt, bei dem Herbert Dreilich singen sollte, aber er traute sich nicht, da er zu dieser Zeit schon bei KARAT war. Damals im Osten war es so: Alle haben immer darauf geachtet, dass ihre Musiker stets im Dunstkreis der jeweils eigenen Band blieben und nicht bei einer anderen aushalfen. Dieser Titel hieß "Montag" und wurde dann von Katrin gesungen. Es war einer ihrer ersten Songs mit uns.

Ihr seid damals schon ein Paar gewesen. Wann und wie habt Ihr Euch kennen gelernt, das müsste ja schon vor der SCHUBERT-FORMATION gewesen sein ...
Ja, das war davor. Das war ganz einfach in Halle, wie man sich eben so kennen lernt beim Fasching oder irgendeiner anderen Veranstaltung.

Das resultierte aber nicht aus einer musikalischen Verbandelung?
Nein, überhaupt nicht. Ich bekam erst später mit, dass sie ganz gut Klavier spielen und singen kann, als sie sich mal so nebenbei hinsetzte und irgendetwas sang. Da sagten alle: "Oh, das ist ja okay." Als dann Holger und Christian weg waren, sagten die Leute im Rundfunk, dass sie dringend Sängerinnen bräuchten, da es zu der Zeit wenig Nachwuchs gab. Ich stellte denen dann mal einen oder zwei Songs vor, sie waren begeistert und dann war die Sache klar, dass wir mit Katrin weitermachen.

Sie war ja nicht unerfolgreich, wurde sogar mehrfach Sängerin des Jahres ...
Ja, genau. Sie war mehrmals Rocksängerin des Jahres und wir waren nicht unerfolgreich. Das stimmt.

1978 habt Ihr den Namen in SCHUBERT BAND geändert, Dein Vorname und "Formation" verschwanden. Warum ändert man, wenn man schon eine gewisse Bekanntheit hat, den Bandnamen?
Das kam auf Betreiben irgendwelcher Kulturfunktionäre. Das ging noch weiter: "Formation" (englisch gesprochen) war für diese Leute ein Fremdwort. "Das geht nicht, wenn Sie also weitermachen wollen, dann nennen Sie sich doch SCHUBERT BAND". Das ging dann ... Später kam es noch so weit, dass sie sagten, "Wir wollen keine Bands, sondern Solisten oder Künstler." Also hieß es dann Katrin Lindner & SCHUBERT BAND. Das nahm man irgendwie hin.

012 20170607 1070713263Im Jahre 1979 - also relativ spät - gab es eine der ersten Plattenveröffentlichungen mit einer KLEEBLATT-LP, dort waren drei Lieder drauf. Hattet Ihr da Einfluss drauf oder sagte AMIGA, die drei Lieder nehmen wir jetzt und fertig.
Nein, da hatten wir keinen Einfluss drauf. Die sagten, es gibt eine KLEEBLATT-Veröffentlichung, auf der von jedem meistens drei oder vier Songs drauf waren. Und man war natürlich froh, dass man überhaupt veröffentlicht wurde.

Zwei Jahre später kam dann das komplette Album. Wie kam das zustande? Waren das eigens für dieses Album produzierte Lieder oder strich AMIGA einfach zusammen, was Ihr bis dahin alles beim Rundfunk gemacht hattet?
Ja, AMIGA strich zusammen und wir machten noch ein oder zwei neue Lieder dazu und das wurde das Album.

Die allererste Plattenveröffentlichung Eurer Band war "Himmel und Erde" auf einer Single im Jahre 1978. Nun war das ja in der DDR ein Privileg für eine Band, eine Platte machen zu dürfen. Wie kam das? Kam jemand auf Euch zu und sagte "Ihr könnte eine Single machen." oder wie lief das damals?
Vielleicht lag es am Bekanntheitsgrad meines Namens und dann hatten wir auch eine gute Produzentin im Rundfunk, nämlich Luise Mirsch. Mit ihr arbeiteten sehr viele. Die damalige Texterin Ingeburg Branoner machte ebenfalls viel und war auch bekannt. Beide haben sich sicher auch bei den jeweils zuständigen und verantwortlichen Stellen dafür eingesetzt. Das war ja alles nicht so einfach, wie wir alle wissen. Die sträubten sich ja nach allen Regeln nach Kunst, wenn dann im Text vielleicht eine gewisse Stelle war ... Ich hatte mal einen Lektorats-Termin, da kam im Text vor: "Sie saß und wollte zu ihm ans andere Ufer schwimmen" oder so ähnlich. Das wurde sofort als Aufforderung zur Republikflucht gesehen. Das ging also gar nicht, obwohl es ein Liebeslied war. "Nein, das legt der Klassenfeind für sich aus, das können wir hier bei uns nicht machen." Na ja ...

Waren die beiden Titel auf der Single Rundfunkproduktionen oder entstanden die bei AMIGA?
Das waren Rundfunkproduktionen, wir produzierten grundsätzlich beim Rundfunk. Es gab zwei englische Sachen, nämlich "Call Me" und "I've Never Been In Love". Das war die Zeit, als dem Osten wahrscheinlich die Devisen ausgingen und die solche Songs mit den Original-Interpreten nicht mehr einkaufen konnten. Die hörten dann wahrscheinlich, dass wir in dieser Richtung für unsere jungen Leute hier etwas machen könnten und ich bekam einen Anruf mit der Anfrage, ob wir uns zutrauen würden, diese beiden Songs bei AMIGA zu produzieren. Und das haben wir dann auch gemacht ...

Bei der gerade angesprochenen ersten Single steht übrigens noch SCHUBERT-FORMATION auf dem Cover. Da war das wohl noch kein Problem?
Offensichtlich nicht ...

Ich erörterte es schon im Interview mit Katrin Lindner, Ihr seid unheimlich viel unterwegs gewesen, seid quer durch die Republik rauf und runter, einmal von links nach rechts und auch ins Ausland gereist. Woran erinnerst Du Dich, was diese Tournee-Geschichten betrifft, besonders gern zurück?
Da muss ich sagen, an die Herzlichkeit. Wir machten ja eine große Russland-Tournee über ein knappes Vierteljahr und spielten in Stadien vor über 10.000 Leuten. Das hätte man aus der Ferne so nie gedacht, wenn während des Konzerts ein altes Mütterchen auf die Bühne kam, Blumen hinlegte und sich bedankte. Und auch hinterher war uns gegenüber eine große Herzlichkeit zu spüren. Das war sehr beeindruckend.

Im Jahr 1982 - um noch mal auf die Schallplattenveröffentlichung zurückzukommen - gab es sogar im Westen eine Platte von Euch. Nämlich "Mensch, vergiss das nicht" ...
Das ist ein Ding, ich weiß bis heute nicht, wer das veranlasst hat und wieso es die dort gab. Ich bekam auch nie Tantiemen dafür.

014 20170607 1005582896Ich hörte es, dass Ihr davon nichts wusstet. Das ist ja ein Ding, Ihr macht Lieder, sie erscheinen irgendwo und Ihr wisst nichts davon?
Genau.

Hat sich auch nach der Wende nicht aufklären lassen, wie das passierte?
Du, ich habe das ja erst gestern über Eure Seite erfahren ...

Ach wirklich?
Ich recherchierte gestern - als ich wusste, dass wir heute dieses Gespräch führen - etwas im Internet. Einige Leute sagten mir, dass unheimlich viel über uns im Internet stehen würde. Ich sah dann auch diese Platte und fragte mich, was ist das denn? Eine Platte bei RCA von oder mit uns?

Als Katrin Lindner & Band ...
Ja, wirklich unglaublich.

 
Dann kann ich Dir jetzt auch gar keine Frage dazu stellen, weil Du von der Existenz dieser Scheibe ja nichts wusstest ...
Stimmt, kannst Du nicht. Da müsste man wahrscheinlich mal recherchieren, wer das gemacht hat und auch, wer dafür Geld bekommen hat. Auch das ist ja immer so eine Sache ...

Wo kamen diese beiden Nummern - der zweite Song auf der B-Seite heißt "Was soll ich werden" - denn her? Sie sind nicht auf dem Album.
Nein, die Songs sind nicht auf unserem Album drauf, sie entstanden erst später, nach dem Album.

Also erschienen sie exklusiv nur im Westen auf Platte ...
Offensichtlich ja. Bei uns liefen sie im Rundfunk und wir spielten die Nummern natürlich auch in unseren Konzerten.

Ab 1982 seid Ihr nur noch als Trio aufgetreten und 1985 habt Ihr komplett aufgehört. Da gibt es noch diese Single von "Rock für den Frieden" aus 1985. Kann man sagen, dass dies das letzte war, was Ihr gemacht habt?
Auch von dieser Single weiß ich nichts. Das ist interessant, zu hören. Was ist denn auf ihr drauf?

"Nachkriegskinder" von Katrin Lindner & SCHUBERT BAND.
Das war ein schönes Lied.

Also wart Ihr auch gar nicht bei "ROCK FÜR DEN FRIEDEN" dabei oder doch?
Doch doch. Da waren wir dabei und das ist dann sicherlich ein Live-Mitschnitt, denke ich mal ...

Das ist gut möglich. Das war dann das Letzte, was Ihr gemacht habt? Wie ging es dann weiter?
Ja. Ich hatte mich ja schon während unserer ganzen Bandzeit und während unserer Rundfunkproduktionen sehr dafür interessiert, was die Leute am Pult da so machten. Damals gab es ja noch einen Tonmeister und einen Toningenieur. Der Toningenieur bediente die Technik, das Pult, also die ganzen Regler und der Tonmeister machte die musikalischen Einwürfe, was beispielsweise lauter oder leiser sein sollte, jetzt mal so ganz grob gesagt. Es gab damals keine automatisierten Pulte, wie schon im Westen. Man musste also alles per Hand regeln und wir standen teilweise zu viert am Rundfunkpult in der Nalepastraße und jedem wurde eine Aufgabe zugeteilt. Angenommen, der Tonmeister machte den Gesang und die Gitarren, ein anderer schob das Schlagzeug und etwas anderes, ich regelte den Bass und die Keyboards und so machte man die Mischung. Jeder stand also konzentriert an diesem Pult und regelte die Lautstärke. Das faszinierte mich total und dann fasste ich den Gedanken, das selbst machen zu wollen. Auch weil ich dachte, dass ich es genau so gut oder sogar besser konnte, als die Leute im Rundfunk. Die waren ja Angestellte und nach vier Stunden war generell Pause. Einer war bei der Post angestellt, der andere beim Rundfunk und der von der Post musste seine Stunden einhalten, egal, ob es mitten in der Produktion gerade spannend wurde oder nicht. Dann wurde der Regler runtergezogen und es wurde eine Stunde Pause gemacht. Das war für mich immer sehr frustrierend und ich dachte, das muss ich nicht haben. 1985 fing ich dann also an, das Studio aufzubauen. Auch ein Grund war, dass ich Teile, die ich für das Studio brauchte, auch für die Live-Konzerte benötigte. Ich musste also immer etwas aus dem Studio ausbauen, um live spielen zu können. Ein weiteres Problem war auch, dass - so empfand ich es zumindest - das Interesse an Live-Musik überhaupt nicht mehr vorhanden war. Du kamst also in irgendeinen Ort zum Konzert und das nannte sich dann immer "Konzert mit Disko". Dort saßen dann die jungen Leute unten und warteten gelangweilt, bis das Konzert vorbei war und endlich die Diskothek begann. Und dafür warst du dann drei Tage unterwegs, beispielsweise von Quadenschönfeld nach Suhl und wieder zurück. Dann musste ich auch die ganze Logistik-Crew organisieren. Wir hatten einen Manager, einen Lichttechniker, einen Tontechniker, einen Fahrer und irgendwann nervte dieses Tanzen auf zwei Bühnen zugleich - eben Studio und live. Dann sagte ich, die ganze Live-Geschichte bringt es nicht, wir machen jetzt nur noch Studio.

Nun gibt es ja verschiedene Quellen, die sagen: Die Band gab im Frühjahr 1983 ihr Abschiedskonzert. Ihr habt aber bei "Rock für den Frieden" 1985 noch mal live auf der Bühne gestanden ...
Ja ja.

Es gab keine Live-Konzerte mehr, aber für TV-Geschichten oder ähnliches habt Ihr doch wieder den Weg auf die Bühne gefunden ...
Wenn Du das so sagst.

Nein, ich frag' Dich ... (beide lachen)
Das müsste ich ja eigentlich wissen, aber meiner Meinung nach haben wir noch bis 1984/85 live gespielt. Und in diesem Sinne kündigten wir auch nicht großartig an, dass irgendwann das letzte Konzert stattfinden würde. Das hat sich so ergeben und ich machte lediglich den Veranstaltern gegenüber publik, dass wir nicht mehr live auftreten werden und ich mich künftig auf die Studioarbeit konzentrieren werde.

Dann hast Du sicher auch nicht mehr auf dem Schirm, wo die letzte Mugge der Schubert Band war ...?!
Nein, das weiß ich nicht mehr ...

Jetzt ist es ja so eine Sache - wie ich öfter las und auch von einigen Leuten hörte - dass es in der DDR gar nicht sonderlich erwünscht war, Privat-Sachen auf die Beine zu stellen. So ein Studio war ja aber nun eine Privat-Geschichte. War das so einfach möglich? Konntet Ihr sagen, wir kaufen uns jetzt eine Farm und da bauen wir unser Studio hin, oder gab es da irgendwelche Probleme?
Nein, es gab nicht direkt Probleme. Das einzige Problem war, dass man organisieren musste, wo man die Geräte herbekommt, die man brauchte. Aber das musste man als Band schon immer machen, denn im Osten gab es ja keine vernünftigen Verstärker, PAs oder Gitarren. Alle Musiker, die man so kannte, die oben und auch gut waren und auch selbst die Provinzbands, sie sahen alle zu, über dunkle Quellen - oder wie man es nennen möchte - Westinstrumente zu bekommen. Von diesen Leuten wurden einige ja auch hochgezogen und an den Pranger gestellt wegen Instrumentenschmuggels oder Geldtransfers von Ost nach West und umgekehrt. Da lief schon einiges. Es war schon kompliziert, auch eine Band, wie ich sie hatte, musste ja irgendwie mithalten. Man musste sehen, dass man das neueste oder ein gutes Mischpult hatte und das gab es eben nicht im Osten, sondern im Westen. Das Problem hatten aber alle Bands, egal ob STERN MEISSEN, CITY oder KARAT. Man musste zusehen, dass man ein paar Leute kennt - Diplomaten oder sonst wen - die einem dieses Zeug dann auf irgendwelchen Wegen mitgebracht haben. Darüber könnte man lange Geschichten erzählen, wie man manchmal an Sachen kam ...

Ich denke, es wird ja auch nicht so einfach gewesen sein, Kundschaft zu bekommen. Ihr hattet ja einige. Michael Barakowski, BERLUC, AMOR & DIE KIDS, NO 55, Martin Jones. Die waren alle bei Euch und produzierten bei Euch. Wie kam man denn an diese Aufträge, wie kam man an diese Arbeit ran?
Als ich mein Studio fast professionell fertig aufgebaut hatte, gab ich das natürlich beim Rundfunk bekannt. Und im Rundfunk war es so, dass die gar nicht wussten, wie sie all die Bands, die etwas produzierten wollten, unterbringen sollten. Es wurden ja immer mehr Bands, die sich auch mal eine Produktion wünschten. Die Kapazitäten in der Berliner Nalepastraße waren also völlig ausgebucht und es kam hinzu, dass die Technik dort mittlerweile ziemlich veraltet war. Dann machte ich irgendeine Demo-Produktion und die fanden die dort richtig gut. Und auch durch unsere damalige Produzentin Luise Mirsch bekam ich Aufträge und zum Schluss war das Studio ein richtiger Selbstläufer. Die erste bekannte Produktion war mit Martin Jones der Titel "Nacht aus schwarzem Samt". Die haben wir produziert und dann mussten die fertigen Produktionen im Lektorat vorgestellt werden, welches einmal in der Woche tagte. Dorthin kamen dann alle, die etwas gemacht oder im Rundfunk produziert hatten. Die Produktionen wurden diesem Gremium dann zur Abnahme vorgestellt. Wir stellten dort "Nacht aus schwarzem Samt" vor und einigen Rundfunk-Ton-Leuten klappte die Kinnlade runter. "Wo ist denn das produziert worden, wer hat das denn gemacht?" Ich saß da und meldete mich. Manche sagten, das ist ja richtig toll geworden, ein anderer meinte, dies sei eine Frechheit, da es ja Konkurrenz war. Nach diesem Song war mein Studio tatsächlich ein Selbstläufer und ich konnte eigentlich nur noch absagen. In jedem Bezirk gab es ja eine Förderband und die FDJ hatte auch Förderbands und alle diese jungen Leute konnten ihre Songs produzieren. Die wussten, es gibt das Tonstudio in Quadenschönfeld, dort gibt es noch freie Kapazitäten, dort kann man produzieren und die Produktion wird gut. So ging das los ...

Hast Du einen Überblick, wie viele private Tonstudios es in der DDR gab? Ich weiß von Klaus Schmidt (STERN-COMBO MEISSEN), er hatte eins, dann gab es Deines ...
Das STERN-COMBO-Studio gehörte aber Martin Schreier, Klaus Schmidt saß dort an den Reglern.

Dann gab es noch Wosylus (ex PUHDYS) und wen noch?
Gunther Wosylus, dann gab es die PUHDYS mit Helmar Federowski an einer 16-Spur-Maschine, in Dresden gab es den Chef von electra, Bernd Aust, in Leipzig gab es Hans Kölling (SET). Das war aber alles eine Art Grauzone. Irgendwann gab es vom Komitee für Unterhaltungskunst ein Schreiben, dass alle Betreiber eines Privatstudios bestimmte Normen zu erfüllen haben.019 20170607 1492898685 Man musste also mindestens eine 16-Spur-Maschine haben und bestimmte Ausstattungen. Wir hatten im Komitee für Unterhaltungskunst - ich weiß es noch, wie heute - eine Sitzung und die wollten diese Studios, so wie die Musiker, in A, B und C einstufen. Auf dem Rückweg von dieser Sitzung wurde bekannt gegeben, dass Erich Honecker zurückgetreten sei und Egon Krenz zumindest vorübergehend die Macht übernommen hatte (lacht). Das waren also schon die letzten Zuckungen des Systems und die Studios sollten irgendwie öffentlich gemacht werden, damit sie nicht mehr als illegal galten. In der Zwischenzeit gab es aber keine wirklichen Probleme. Ich denke, geschuldet der Tatsache, dass es aus den Bezirken so viele Nachfragen gab, die ihre Leute auch mal im Radio hören wollten. Es wurde geduldet und es fragte auch niemand, wo man das ganze Zeug her hat. Ich hatte einmal eine Delegation hier in meinem Studio, bei der die Stasi bestimmt dabei war. Die sagten, sie kämen aus Berlin und wollten mal sehen, wie hier produziert wird und meinten dann, das sähe ja alles richtig toll aus und "Wo haben Sie denn das alles her?" fragte einer. Da dachte ich, "... das werde ich dir bestimmt nicht erzählen, wie das funktioniert!" (lacht)

Wenn man einmal Musiker war und auf der Bühne gestanden hat, dann fehlt einem das doch irgendwann, oder? Man kann ja sagen, "Das wird mir alles zu viel", aber nach einem oder zwei Jahren hat man doch wieder das Jucken in den Fingern, oder nicht?
Ich muss sagen, da ich im Studio sehr viel und auch mit sehr vielen unterschiedlichsten Bands eingespielt habe - ich weiß gar nicht mehr, bei wem ich überall Keyboards spielte, weil eine Band keinen Keyboarder hatte oder er nicht konnte - war ich in dieser Richtung stets ziemlich ausgelastet. Sicherlich hat das mit Bühne nicht viel zu tun, aber es ist eine andere Art der Bühne ...

018 20170607 1759506720Dein Name steht bei einigen Sachen, beim MAMA BLUES PROJEKT 1989 zum Beispiel hast Du Keyboards gespielt ...
Ach, was es alles gab. Ich war bei "Frauen in Rock" dabei, es gab eine DDR-All-Star Band, auch dort war ich dabei. Es gab da unheimlich viel.

Gab es denn nach der Zeit noch mal eine Rückkehr auf die Bühne?
Nein, so richtig nicht.

Und auch keine Lust?
Doch, Lust schon. Wir hatten im letzten Jahr ein ganz interessantes Projekt angeschoben, ein sogenanntes "Knast-Projekt". Dort ging es um zwei junge Leute, die im Knast sitzen, aber sehr gut Gitarre spielen. Ein Bekannter von mir nahm Kontakte auf und wir wollten gemeinsam mit Peter Rasym und meinem Sohn ein solches Projekt in Angriff nehmen. Leider zerschlug sich das aufgrund von gewissen Sachen, die dort im Gefängnis gelaufen waren. Aber das hätte schon Spaß gemacht ...

Die Wahrscheinlichkeit und Möglichkeit, Dich noch mal irgendwann auf einer Bühne wiedersehen kann, ist also da?
Ich sage mal "Ja." Und wenn, dann rufe ich bei Dir an ... (lacht)

Na, ich bitte darum (lacht). Ein Comeback der SCHUBERT-FORMATION steht aber für Dich außer Frage, oder?
Ja, es sind ja fast alle tot.

Was ... echt? Ach was ...
Na warte mal, mein ehemaliger Saxophonist Reinhard Paschy aus Erfurt ist gestorben, Schlagzeuger Wolfgang "Ringo" Stielke lebt nicht mehr ... Holger Biege geht leider auch nicht mehr. Ich müsste sehen, welche Leute man dafür noch zusammen bekommen könnte.

021 20170607 1270899893Udo Weidemüller lebt noch ...
Ja, er lebt noch, aber ich erfuhr gerade von Waldi Weiz, dass Udo Weidemüller große gesundheitliche Probleme mit seinen Armen und Händen hat.

Micha Lehrmann lebt noch, Peter Rasym lebt noch ...
Wie gesagt, mit Peter Rasym bin ich gut zugange.

Hans Wintoch lebt noch.
Bei ihm war ich zur Hochzeit und war auch zu seinem 60. Geburtstag eingeladen.

Siehste ... Stefan Dohanetz - der zwar nur kurz dabei war - lebt aber auch noch ...
Den traf ich neulich mit PANKOW. Mit denen produzierte ich auch eine schöne CD bzw. damals noch Vinyl: "Aufruhr in den Augen".

Die wurde jetzt neu produziert, kennst Du sie?
Ja klar, sie haben sie mir geschenkt. Aber ich sage mal, die andere - nicht, weil sie von mir produziert wurde - gefällt mir besser, weil sie rockiger ist.

Das ist meistens so, das Original ist besser ... Aber was das Comeback betrifft, könnte man das nach unserer gerade vollzogenen Personal-Analyse also doch noch mal anstoßen!?
Ja, man könnte es anstoßen. Das Problem in der heutigen Zeit ist natürlich die Finanzierung solcher Projekte. Es ist eine logistische Herausforderung, du brauchst die Leute mindestens eine Woche, um zu proben, denn du kannst nicht einfach sagen, wir machen jetzt mal und treffen uns übermorgen. Hallo! Das geht leider nicht. Eine Woche brauchst du trotz Profis schon, um alles zu arrangieren und so weiter und so fort ... Als nächstes kommt die Logistik des Transports einer PA und ähnlichem.

022 20170607 1826435790Im Jahre 2018 wäre das ein Anlass ...
Warum?

Gegründet 1973, also vor 45 Jahren, da könnte man ja mal sehen, ob man zu diesem Anlass ein Comeback- oder Jubiläumskonzert veranstalten könnte. Bis dahin wäre ja noch etwas Zeit ...
Ach so, das stimmt natürlich.

Ich möchte Dich da nur ein wenig anpieksen und wenn es was werden sollte, würden sich sicher viele Leute freuen. Du meldest Dich dann wenn aus dem Gesponnenen was Echtes wird, okay?
Das mache ich.

Damit sind wir alle Stationen durch, ich danke Dir für Deine Antworten und Deine Zeit, haben wir noch etwas wichtiges vergessen?
Eigentlich haben wir nichts vergessen. Man könnte natürlich noch etwas zu einzelnen Produktionen sagen, aber das können wir zu gegebener Zeit ja noch mal machen ...



Interview: Christian Reder
Bearbeitung: MB
Fotos: Pressematerial, Redaktion, Archiv Sieghart Schubert





   
   
© Deutsche Mugge (2007 - 2023)

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.